Johann Christoph Gottsched (1700-1766) - Liebesgedichte



Johann Christoph Gottsched
(1700-1766)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 





An Jungfer
Ludovica Adelgunda Victoria,
gebohrne Kulmus
Im Junius 1729 zu Danzig

Victoria! du hast gesieget,
Ich bin dein Knecht, Victoria!
Den seine Dienstbarkeit vergnüget,
So bald er deine Schönheit sah.
So laß mich denn die Fessel küssen,
Die deine Macht mir angelegt;
Und wenn dein Stral mich niederschlägt,
Nicht meiner Schwachheit Fehler büßen;
Die leichter Feinde, Schwert und Mann,
Als deinen Angriff, hemmen kann.

Des edlen Geistes Frühlingsfrüchte,
Die Werke deiner klugen Hand,
Sind durch das preisende Gerüchte
Mir schon seit langer Zeit bekannt.
Dort, wo in Meißens fetten Auen
Die schlanke Pleiße rauschend fließt;
Dort, wo der Musenhügel ist,
Darauf ganz Deutschland pflegt zu schauen;
Da hat es mir zuerst geglückt,
Daß ich ein Lied von dir erblickt.

Im weit entlegnen Sachsenlande
Ertönte deiner Seyten Klang;
Von dem entfernten Weichselstrande,
Entzückte mich dein Lustgesang.
Die Nymphen jener Philurenen,
Sammt jeder muntern Huldgöttinn,
Entsetzten sich in ihrem Sinn
Vor solchen Proben einer Schönen;
Und zweifelten wohl gar dabey:
Ob Famens Nachricht glaublich sey?

Ich selber sprach in meinem Herzen:
Wer weis, ob mich der Ruf nicht trügt?
Vieleicht will jener Freund nur scherzen,
Indem er merkt, daß michs vergnügt.
Ich wagte mich, an dich zu schreiben,
Da sah ich bald ein neues Blatt,
Und an des alten Zweifels statt,
Nichts, als Erstaunung, übrig bleiben:
Weil jede Zeile deiner Schrift
Fast Wunsch und Hoffnung übertrifft.

Erwünschtes Schicksal! sey gepriesen,
Daß deiner Führung Wunderzug
Mir That und Wahrheit selbst gewiesen,
Als mich dein Wink nach Danzig trug.
Der edlen Kulmus Seelengaben
 Erhöht der frischen Jugend Pracht,
In welcher so viel Anmuth lacht,
Als hundert andre Schönen haben,
Die doch, denn ihr Verstand ist blind!
Nur todte Marmorbilder sind.

O wären meine Lobgesänge
Der Schönheit deiner Bildung gleich,
Und so, wie deiner Glieder Länge,
An reizerfülltem Wesen reich!
Ach, unvergleichliche Louise!
So würde bald ein Blatt erfüllt,
Darauf ich dein entzückend Bild
In lebhaftschönen Farben wiese.
Allein du bist ganz ungemein;
Wie kann mein Lied dir ähnlich seyn?

Was sag ich von der klugen Zungen,
Die durch der Sprachen Zierlichkeit,
Der Franzen zartes Ohr bezwungen,
Sammt unsrer deutschen Lüsternheit?
Auf deinem holden Rosenmunde
Ist aller Charitinnen Sitz;
Und deiner heitern Augen Blitz
Steht mit Minerven selbst im Bunde;
Weil jeder Stral, der von dir schießt,
Ein Herold deines Geistes ist.

Ihr sanften Hände, laßt mich wissen,
Ob euch Mercur so schnell gemacht;
Der an den schwarzen Höllenflüssen
Die Schatten außer sich gebracht?
Schlägt Orpheus selbst durch euch die Seyten,
Der auch den Cerber eingewiegt,
Und Plutons harten Sinn besiegt,
Die todte Gattinn zu erbeuten?
Nein! Phöbus und sein Chor zugleich
Begeistert, rührt und treibet euch.

Zu zaubern scheint ihr, nicht zu spielen,
Sobald man eure Laute spürt:
Ja Mark und Adern könnens fühlen,
Wenn ihr den Flügel kaum berührt.
O Reichthum neuer Fantasien!
Wie schnell, wie fertig, voll und schön
Hört man die bunten Fugen gehn?
Wie wenig dörft ihr euch bemühen?
Weil, wie man deutlich hört und sieht,
Was höhers Nerv und Finger zieht.

O sollt ich sie doch alle küssen!
O sollt ich es doch zehnmal thun!
So könnte mein gestillt Gewissen,
Als nach erfüllter Dankpflicht, ruhn.
O könnt ich täglich sehn und hören,
Wie schön, geschickt und klug du bist!
Und, weil ein Odem in mir ist,
Dein ungemeines Wesen ehren:
So gäbe mir mein zeitlich Glück
Den allerschönsten Gnadenblick!

Ach dörft ich solches auch nur hoffen!
Doch wie vergeht sich Hand und Kiel?
Was hat sie für ein Fall betroffen?
Verstumme, mattes Seytenspiel!
Die Vorsicht deckt mit dunkeln Tüchern
Die Spuren ihrer Fügung zu;
Und will, man soll in stiller Ruh
Sich ihrer steten Huld versichern.
Wohlan, ich bin damit vergnügt:
Sie hat es stets sehr wohl gefügt.

Voritzo reißt mich mein Geschicke
Mit Macht aus dieser Weichselstadt;
Dahin es mich, durch süße Blicke,
Gelockt, doch nicht bestimmet hat.
Ach! soll ich dich denn nicht mehr sprechen?
O hartes Wort! o schwerer Satz!
Die Feder macht den Thränen Platz,
Und will das Reimen unterbrechen.
O hätt ich dich doch nie gesehn!
 So dörfte nicht der Riß geschehn.

Ach! tröste mich bey solchem Schmerze,
Ach tröste mich, geliebtes Kind!
Und schaffe, daß mein mattes Herze
Durch deinen Zuspruch Kraft gewinnt.
Die Krone der gelehrten Damen.
Die voller Geist und Klugheit ist,
Und der du völlig ähnlich bist,
Verdient den Philosophennamen;
Und könnte mir in dieser Pein
Durch weise Lehren nutzbar seyn.

Vergiß nur, englische Louise!
Vergiß nur deines Dieners nicht,
Der dich sehr gern nach Würden priese,
Doch itzt vor Gram sein Rohr zerbricht.
Entschuldige mein freyes Schreiben,
Und wenn ich gleich entfernet bin:
So glaube doch, daß Herz und Sinn
Dir ewiglich ergeben bleiben;
Und meiner fest beschloßnen Treu
Die Trennung selbst nicht schädlich sey.
(S. 211-215)
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An Jungfer L. A. V. Kulmus
1731 den 11ten April

Schönste Muse deiner Zeit,
Unvergleichliche Louise!
Hilf doch meiner Schüchternheit,
Die dich itzt so gerne priese,
Lehre du mich selber dichten,
Hilf mein schlechtes Rohr erhöhn;
Denn dein Lob so rein und schön,
Als du singest, einzurichten,
Muß mein Lied so ungemein,
Als dein ganzes Wesen seyn.

Wahrlich! ein so edler Geist
Wird nicht überall gefunden,
Der, was Witz und Tugend heißt,
Durch ein festes Band verbunden.
Selbst bey Männern sieht man selten
Solcher Güter Zahl vereint;
Als in deinem Thun erscheint;
Wo sie wahrlich zwiefach gelten:
Weil man niemals mehr Verstand
Bey so zarter Jugend fand.

Kann doch weder Stolz noch Geiz
 In dein starkes Herze dringen,
Noch der Eitelkeiten Reiz
Deine große Seele zwingen!
Deiner Mutter Witz und Tugend,
Einsicht und Belesenheit
Führt dich zur Gelehrsamkeit,
Und vergöttert deine Jugend;
Welche so schon, wie du bist,
Englisch mehr, als menschlich ist.

Pallas selbst ist nie so fern
In der Künste Feld gedrungen,
Als es dir, der Weisheit Kern
Gründlich einzusehn, gelungen.
So viel Frauenzimmerspiele
Man bisher bey uns vernahm,
Klingen schlecht, ja matt und lahm
Gegen deinem Dichterkiele;
Welcher nicht nur sie verlacht,
Nein! auch Männer neidisch macht.

Künftig darf sich dein Geschlecht
Seiner Schwachheit nicht mehr schämen;
Und der Dichtkunst Meisterrecht
Gleich den stärksten Dichtern nehmen.
Adelgunde wird mit Ruhme
Unsers Preußens Sappho seyn:
Ja dieß Lob ist dir zu klein,
Deutschland trotzt dem Alterthume;
Denn du fängst viel stärker an,
Als es Sappho enden kann.

Wird die kluge Lambert nur
Nächst, durch dich, auch deutsch gelesen,
Kömmt man leichtlich auf die Spur,
Welch ein Geist dabey gewesen.
Doch wer weis, obs jemand glaubet?
Der, wenn ihn die Schrift ergetzt,
Dich, die du sie übersetzt,
Des verdienten Ruhms beraubet:
Weil er solcher Schreibart Preis
Noch von keiner Schönen weis.

Dieses Geistes seltne Pracht,
Dieser edlen Seele Gaben,
Würden mich entzückt gemacht,
Würden mich bezaubert haben;
Hätt ich gleich am Weichselstrande
Deine Schönheit nie erblickt:
Denn dadurch ist mirs geglückt,
Daß ich meinem Vaterlande;
Welch ein herrlicher Gewinn!
Nun nicht mehr gehäßig bin.

Selig seyst du, süßes Licht!
Das du sie zur Welt gebohren!
O was hätte Deutschland nicht,
Ohne dich an ihr verlohren!
Seyd gegrüßt, ihr schönen Stunden!
Eurer Morgenröthe Schein
Soll mein liebster Anblick seyn,
Der sich jemals eingefunden:
Kommt noch oft, und stellt sie mir,
So wie jüngst, im Traume für.

Lies dieß Blatt, Victoria,
Als ein treues Ehrfurchtszeichen.
O wär ich dir itzt so nah!
Was könnt mir an Freude gleichen;
Doch der Himmel kann es fügen,
Daß mein Wunsch sich bald erfüllt:
Und indessen soll dein Bild
In Gedanken mich vergnügen;
Bis ich, (wenns doch bald geschäh!)
Dich persönlich wieder seh.
(S. 231-234)
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An Jungfer L. A. V. Kulmus
1732

Schmäht, ihr Lästrer unsrer Kunst,
Schmäht, ihr tollen Dichterfeinde!
Unsrer Flammen reine Brunst;
Schmäht der Dichtkunst wahre Freunde.
Eurer schnöden Zungen Gift
Kann die Tugend nicht erschrecken;
Denn was ihren Glanz nicht trifft,
Kann denselben nicht beflecken.

Seht Petrarchens Beyspiel an,
Wie beständig konnt er lieben?
Ist er nicht der Tugendbahn
Lebenslang getreu verblieben?
Laurens Schönheit, Geist und Witz,
Sammt der edlen Seele Gaben,
Waren einzig Stral und Blitz,
Die sein Herz entzündet haben.

Weit entfernt, und doch getreu,
Kaum ein einzigmal gesprochen,
Gleichwohl sonder Häucheley
Sein Gelübde nicht gebrochen;
Dieses sind für eure Brut
Wahrlich viel zu edle Proben;
Doch dafern ihrs gleichfalls thut,
Will ich euch gedoppelt loben.

Aber nein! ihr könnt es nicht,
Das gehört für edle Seelen,
Die sich kein verführend Licht,
Statt des Leitgestirnes, wählen.
Dichter, die der Himmel treibt,
Lieben nur des Himmels Kinder.
Nur die Glut, die irdisch bleibt,
Die verlodert auch geschwinder.

Auch in Laurens Tode gar
Kann sein Lieben nicht erkalten.
Nein, er will es, wie es war,
Bis zur kalten Gruft erhalten.
O, was Wunder! daß sie noch
In Petrarchens Liedern lebet,
Da er ihrer Liebe Joch
Auch zerdrümmert noch erhebet.

Schönste Laura dieser Zeit!
So wird dich dein Dichter ehren!
Denn von Unbeständigkeit
Sollst du wahrlich niemals hören.
Bist du doch des Himmels Kind,
 Der mich selbst zu dir geführet:
Darum bleib ich treu gesinnt,
Bis mein letzter Puls sich rühret.
(S. 266-267)
_____



An Jungfer L. A. V. Kulmus

So wahr ich redlich bin,
Entfernte Schäferinn:
Bin ich, es bleibt dabey!
Dir bis zur Grube treu.
Ach fühlte nur mein Herz
Nicht stündlich einen Schmerz,
Der täglich weiter geht,
Und bloß daher entsteht;
Daß ich den ersten Kuß
Von dir entbehren muß.

Zwar als es mir geglückt,
Daß ich dich einst erblickt;
Und dir in kurzer Zeit
Mein ganzes Herz geweiht:
Da that mein blöder Mund
Dir noch so viel nicht kund.
Ich hieß es ein Vergehn,
Und freches Unterstehn;
Aus Furcht: Ihr strenger Muth
Heißt dirs unmöglich gut.

Denn da ichs einst gewagt,
Und dir auch ungefragt,
Mit großer List einmal
Ein halbes Mäulchen stahl:
Hilf Himmel! wie erhitzt
Hast du auf mich geblitzt;
Und mir so sehr gedroht,
Als ob der ärgste Tod
Noch lange nicht zu schwer
Für meinen Fehler wär.

Drum hab ich nach der Zeit,
Mit mehr Bescheidenheit,
Nur deiner schönen Hand
Die Küsse zugewandt.
Das ließest du zwar zu,
Doch meiner Seelen Ruh
Ward dadurch nicht gestillt:
Obgleich dein Engelsbild
Mir, bis auf diesen Tag
Noch stets im Sinne lag.

Ward mirs hernach erlaubt,
Was ich sonst nie geglaubt,
Zu sagen, Schäferinn!
Daß ich der Deine bin:
O was für Himmelslust
Ergetzte meine Brust!
Allein, was half es mir?
 Ich war entfernt von dir;
Drum konnte meine Pein
Noch nicht gestillet seyn.

Oft geb ich zwar im Traum
Den Fantaseyen Raum;
Da stellt dich Morpheus mir
Nach Herzenswunsche für.
Doch alle Lust ist hin,
So bald ich munter bin:
Da seh ich, was mir fehlt,
Und mich auch schlafend quält;
Weil mich des Schicksals Macht
So weit von dir gebracht.

Verhängniß, ändre dich!
O Schönste! tröste mich:
Denn denke nur einmal,
Was hilft dir meine Qual?
Ach gieb hinfort nicht mehr
Der Sprödigkeit Gehör;
Und schreibe mir ein Blatt,
Das diesen Inhalt hat:
Dir, Schäfer, ganz allein
Will ich ergeben seyn.

Schreib auch, dafern du meynst:
Daß du die Zeit beweinst,
Da du, aus Härtigkeit,
Mir gar zu sehr gedräut.
Dann seufz einmal nach mir:
O wär er wieder hier!
Wie er sonst bey mir saß,
Und sich fast selbst vergaß:
So gäb ich jeden Blick
Ihm doppelt stark zurück.

Kind! seufzest du also:
So bin ich wieder froh,
Und mein erquicktes Herz,
Vergißt den alten Schmerz.
Vieleicht erblickt mich bald
Dein schöner Aufenthalt:
Alsdann thu ich mit Lust,
Die Triebe meiner Brust
Dir, durch den treuen Mund,
In tausend Küssen kund.
(S. 287-290)
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An ein Frauenzimmer,
welches zornig geworden, weil er sie angesehen
I. f. N.

Ihr schönsten Augen! zürnt nur nicht,
Daß ich euch lechzend angesehen.
Es prallten nur die eignen Blicke,
Die selbst von euch nach mir geschehen,
Als meiner Seelen Sonnenlicht,
Durch meiner Augen Stral zurücke.
Ihr schönsten Augen! zürnt nur nicht etc.

So sang der zarte Filamor,
Als Phyllis ihm den Fehler vorgerücket,
Er hätte sie zu oft, zu heftig angeblicket.
Was kann ich, sprach er, denn davor,
Daß du so reizend bist?
Daß sich mein Aug auf deinen Lilgenwangen,
Die schon so manches Herz gefangen,
Verirrt, vertiefet und vergißt?

Klage dich nur selber an!
Wenn ich dir zu viel gethan.
Deiner Augen Zauberkerzen
Zwingen hundert zarte Herzen,
Daß dich keines hassen kann.
 Klage dich nur selber an! etc.

Das Unrecht schien ihm allzugroß,
Das Phyllis hier begangen.
Drum schwieg er etwas still; doch endlich brach er los:
Wie! steht es frey, des Himmels Prangen
Mit starren Augen anzusehn?
Und Phyllis will von mir verlangen,
Es soll kein Blick nach ihr geschehn?
Nein! ihr Verboth kann mich nicht rühren,
Nein! sie wird nichts dadurch von ihrer Pracht verlieren.

Soll ich mein Verbrechen büssen,
Strenge Phyllis! strafe mich!
Sage nur, ich solle dich
Mit verbundnen Augen küssen.
Ungesehn,
Wird mir da recht weh geschehn.
Doch will ich aus Mund und Augen
Meiner Seelen Nectar saugen.
(S. 354-355)
_____



Auf den Geburtstag seiner verlobten Braut,
Jungfer L. A. V. Kulmus
Den 11ten April 1735

Fidamor
Schönster Tag von allen Tagen,
Brichst du endlich doch herein!
Endigt dein erwünschter Schein
Alle Plagen,
Die ich bis daher ertragen?
Soll ich endlich glücklich seyn?
Schönster Tag etc.

Ein Schäfer
So jauchzte jüngst der frohe Fidamor,
Als seiner Schönen Fest erschienen.
Er war bemüht, sie eifrigst zu bedienen:
Drum lud er mit vergnügter Bitte,
Ein edles Schäferchor,
In Damons, seines Freundes, Hütte.
Kommt! sprach er, denn die edle Schäferinn,
Die sich mein Herz zu lieben auserkohren,
Begeht den Tag, der sie gebohren.
Die Schöne selbst, die durch den klugen Sinn
Minerven oft den Vorzug streitig machte,
Der Witz und Geist aus allen Blicken lachte,
War auch dabey; und nach besiegtem Leiden,
Ganz voller Freuden:
Weil der, den sie entfernt geliebt,
Sie nicht durch Wankelmuth betrübt.

Die Schäfer
Edle Seelen lieben treu.
Ihre Glut brennt, wie die Sterne,
In der Ferne
Immer hell und immer neu.
Neider, Feinde, Lästerungen
Haben sie noch nie bezwungen:
Denn es bleibet wohl dabey,
Edle Seelen lieben treu.

Ein Schäfer
Von diesen Tönen klang der Wald,
So sungen die erfreuten Hirten;
So rühmten sie den Schäfer Fidamor,
Der sie nur suchte zu bewirthen.
Jedoch alsbald
Vernahm man auch das Chor
Der holden Schäferinnen:
 Das war bemüht, den Preis verliebter Treue
Für die Gespielinn zu gewinnen.
Seht! unsre Schwester, sprachen sie,
Brennt gleichfalls von so treuen Flammen:
Wer kann denn ihre Glut verdammen?

Die Schäferinnen
Phyllis liebt nach edler Art,
Phyllis, unsrer Nymphen Zierde,
Denn ihr Herz blieb treu und zart.
Selbst die Großmuth nährt die Triebe
Ihrer oft bestürmten Liebe.
Da die sehnlichste Begierde
Nun so lieblich eingetroffen;
Labt sie billig, nach dem Hoffen,
Des Geliebten Gegenwart.
Phyllis liebt etc.

Ein Schäfer
Als Fidamor nun deutlich sah,
Daß heimlich schon so mancher Wunsch geschah,
Das Fest der Phyllis zu verehren:
So hub er selbst den frohen Glückwunsch an;
Und jedermann
Ließ sich nebst ihm mit Freuden hören:

Alle
Lebe sehr lange, du Zierde der Schönen!
Liebe doch ewig den, der dich verehrt!
Himmel! dafern uns dein Schicksal erhört,
Laß sie das Alter mit Silber bekrönen,
Eh es ihr Neigung und Zärtlichkeit stört.
Lebe recht lange, du Zierde etc.
(S. 356-358)
_____



Schreiben
Auf den Namenstag Seiner geliebten Ehegattinn
1736 den 30 Jenner

Wie glücklich bin ich doch, mein auserwähltes Licht!
Wie sehr ergetzet mich dein frohes Jahrfest nicht,
Das dich zum erstenmal in meinen Armen findet,
Seit dem ein ehlich Band uns beyderseits verbindet.
Ein volles Jahr ist hin, seit ich zum erstenmal
Den allzuschönen Tag, in werther Freunde Zahl,
Mit wahrer Lust begieng; den Tag der Adelgunden:
Daran ich zwar schon oft die stille Lust empfunden,
Die treue Liebe bringt; wenn man an das gedenkt,
Was durch der Anmuth Macht das Herz in Fessel schränkt.
Erst damals that ichs kund, daß du mich längst bestricket;
Erst damals gab ichs zu, daß es auch mir geglücket,
In deiner Huld zu stehn. Wie sonst zur Sommerzeit
Sich oft, nach schwüler Luft, des Himmels Heiterkeit
In dicke Wolken hüllt; die bald darauf zerfließen,
Und sich, den Strömen gleich, auf Berg und Thal ergießen:
Wie da ein kleiner Bach zuerst allmählich schwillt,
Bald merklich höher steigt, sein hohes Ufer füllt,
Und endlich überläuft; bis wir die nahen Auen
Vollkommen überschwemmt und voller Wasser schauen:
So hatte Freud und Lust mein Wesen übermannt,
Daß kaum mein Herze Raum in meinem Busen fand.
Warum? Die Sicherheit, in deiner Gunst zu stehen,
Die Hoffnung, bald mit dir ein Bündniß einzugehen,
Ein Bündniß steter Treu; o Freundinn! das war hier
Der Ursprung aller Lust und Fröhlichkeit bey mir.
Ein jeder sah mirs an, ein jeder hats gespüret,
Mein Geist war gar zu stark von seinem Glück gerühret.
Man kannte dich zwar nicht; doch merkte man daran,
Wie sehr dein edler Blick ein Herz entzücken kann;
Wie heftig Witz und Geist der muntern Adelgunden,
Mich vor sechs Jahren schon bezwungen und gebunden.

So schloß man dazumal: allein, was denkt man itzt,
Nachdem mein Arm den Schatz zehn Monden lang besitzt,
Dem Wunsch und Hoffnung ihm vieleicht nur schätzbar machte,
Und der doch schlechter war, als er entfernt gedachte?
Ist nicht die Liebe blind, wie sonst das Sprüchwort sagt?
Wie mancher hat nicht schon ihr Zauberwerk beklagt!
Sie kehret Spreu in Gold; aus Raben macht sie Pfauen;
Jedoch an Bräuten nur, und niemals an den Frauen.
Der süße Honigseim wird oft in kurzer Zeit
Ein herber Wermuthwein voll Gall und Bitterkeit.
Was Freyern englisch dünkt, das fliehen sonder Zweifel
Die Männer oft so sehr, ja ärger, als den Teufel.

Ach Freundinn seltner Art! den Einwurf weis ich schon:
So geht es oftermals. Dieß Unglück ist der Lohn,
Den Wollust, Geiz und Stolz und Uebereilung bringen:
Was kann daraus wohl mehr, als Reu und Leid, entspringen?
Dieß ist der Lauf der Welt. Man liebt und weis nicht wie;
Man wählt und weis nicht was: darum gelingts auch nie.
Die allerschönste Braut ist über wenig Tage
Des satten Herzens Qual, der ekeln Augen Plage.
Was nur das Auge liebt, das macht sie leichtlich satt.
Wer freyt nach Tugenden, davon er selbst nichts hat?
Wer fragt nach Witz und Geist, darans ihm selber fehlet?
Kein Freyer, der bereits im Geiste Thaler zählet;
Auch keine Braut, die nichts, als Eitelkeit, vergnügt,
Und die des Freyers Werth nach Kutsch und Pferden wiegt.
Sie wünschte Putz und Gold, und bunte Livereyen,
Die hat sie durch den Mann: nun mag sein Thun ihn reuen.
Denn sie geht rechts, er links. Ich setze nichts hinzu.
Wer kennt die Weltart nicht? Ganz anders liebtest du,
Ganz anders war mein Sinn! Darum hat unser Hoffen
Von beyden Theilen auch weit besser eingetroffen.

Ja, Freundinn! ich fand mehr, als mir mein Herz versprach.
Des Freyers Ahndung giebt des Manns Erfahrung nach:
Dein weiser Geist ist mir, durch Hymens sanften Orden,
Aus allem, was du thust, erst recht bekannt geworden.
Dein anmuthsvoller Mund, dein Umgang, Witz und Scherz,
Dein kluges Häuslichseyn, dein philosophisch Herz,
Dein ungemeiner Kiel, der Männerwitz besieget,
Hat mich bisher weit mehr, als alle Welt, vergnüget.
Du hassest Stolz und Pracht, und liebst die Reinlichkeit;
Die Kleidung ziert nicht dich, du zierst ein jedes Kleid.
Dich reizt kein thöricht Spiel, der Abgott schwacher  Sinnen;
Ein Buch und die Musik kann dich weit mehr gewinnen;
Die göttliche Musik, die manche Stunde kürzt,
Und der Geschäffte Last durch Lust und Anmuth würzt;
Dadurch es deiner Hand bey mir so sehr gelungen,
Als jenes Meisters Kunst, der Baum und Fels bezwungen.
So kannt ich dich kaum halb, als ich dich schon geliebt:
Da die Erfahrung mir nun alles doppelt giebt;
Da deine Tugenden mich täglich mehr ergetzen:
Wie sollt ich mich bey dir nicht doppelt glücklich schätzen?

Ich thu es: aber was? wo bleibt die reine Gunst,
Die mir dein Herz geweiht? die Neigung ohne Kunst,
Die mir das Leben giebt; dein ämsiges Bemühen,
Mir das, was Unmuth wirkt, mit Sorgfalt zu entziehen;
Mich stets vergnügt zu sehn? O Freundinn! was du thust,
Das zielet sonst auf nichts, als deines Gatten Lust.
Wie trefflich hast du jüngst des Freundes Art beschrieben,
Der deine Wahl verdient! Die Kunst war hoch getrieben;
Es war ein Meisterstück von Geist und Gründlichkeit:
Die Schreibart ist so schön, als sie zu dieser Zeit
Der Beste setzen mag. Ihr, fremde Schreiberinnen!
Sollt alle nicht den Preis in Suadens Kunst gewinnen,
Wenn sie nebst andern kämpft. Allein, wer glaubet dir,
Geliebte! wenn du schreibst: der weise Freund sey mir
In vielen Stücken gleich? Ach! könnt ich dieses sagen,
So wär ich dich doch werth. Wiewohl ich muß beklagen,
Dein Ziel ist mir zu hoch, und meine Kraft zu klein:
Doch wär ich so ein Freund, so müßt ich deiner seyn.
Ich wär es auch mit Lust; denn du allein auf Erden
Verdienst, so zart, so treu, so klug geliebt zu werden.

Der Himmel gönne dich so lange nur der Welt,
Bis deine Tugend einst den rechten Lohn erhält;
Bis dein Verstand und Witz durch jährlich neue Proben
Dich auch an Glück und Ruhm, wie du verdienst, erhoben.
Gott stärke künftig nur des schwachen Körpers Kraft,
Und schenk ihm ehestens des Geistes Eigenschaft,
Der Männerstärke zeigt: so wird die Nachwelt lesen,
Daß niemand so beglückt, als ich, durch dich, gewesen.
(S. 461-464)
_____



An Jungfer L. A. V. Kulmus
1733 den 31 Jenner

So willst du mir hinfort noch seltner schreiben?
Victoria! mein Leben, Herz und Licht!
Soll mir dein Kiel die Antwort schuldig bleiben?
Ach! strafe mich doch so empfindlich nicht!
Was hab ich denn versehen und verbrochen?
Verdammst du mich, ohn alle Missethat?
Ach ja! mir ist mein Urtheil schon gesprochen,
Bevor man mir einmal die Schuld genennet hat.

Ja, ja! so ists. Ich soll gemartert werden,
Dein eigner Kiel verkündigt mir die Pein.
Fühlt nicht mein Herz schon Kummer und Beschwerden,
Daß ich von dir so weit getrennt muß seyn?
Doch nicht genug! Ein Weg von achtzig Meilen
Läßt meinen Trieb noch gar zu stark und neu:
Drum will man gar, daß auch kein Blatt voll Zeilen
Von deiner schönen Hand sein neuer Zunder sey.

O schönste Hand! mein Labsal und Vergnügen!
Wie froh macht mich ein süßer Brief von dir!
Kaum seh ich ihn, so laß ich alles liegen,
Und küß ihn oft mit lüsterner Begier.
Ich bebe recht vor sehnlichem Verlangen,
Sein Siegel geht mir stets zu langsam los:
Und wenn ich ihn zu lesen angefangen,
Dann sitz ich, wie mich dünkt, dem Glücke selbst im Schooß.

Da steht kein Wort, das nach der Einfalt schmecket,
Die Männern wohl sehr oft ein Schandfleck ist:
Da wird dein Geist mir mehr und mehr entdecket,
Daran du doch ganz unvergleichlich bist.
Ein kluger Scherz, ein ernsthaft edles Wesen,
Würzt überall dein witzerfülltes Wort:
Und wann ichs denn wohl zehnmal durchgelesen,
Dann leg ich erst das Blatt, und doch mit Mühe, fort.

Was denkst du nun, bey diesen stillen Freuden?
Sprich, Engelskind! misgönnst du mir die Lust?
Erkühnt man sich, dieß Glücke zu beneiden,
Das einzige, davon ich noch gewußt?
O! sinne nach, ob meiner zarten Liebe
Die Probe nicht zu hart und grausam sey?
Und mache doch die Neigung deiner Triebe,
Wie deinen muntern Kiel, von diesem Zwange frey.

Jedoch umsonst! Du schreibst es mir im Scherzen,
Du ehrst den Zwang, als eine theure Pflicht:
Wohlan! so reiß dein Bild noch aus dem Herzen!
Denn, wie es scheint, auch das gönnt man mir nicht.
Ach! merkst du nicht die List bey diesen Ränken?
Wenn mir dein Kiel nur erstlich seltner schreibt:
So weis man schon, daß auch im Angedenken,
Allmählich mir bey dir kein Plätzchen übrig bleibt.

Wie man die Glut von stark entbrannten Flammen
Nicht mit Gewalt auf einmal dämpfen kann;
Die Hitze drängt sich destomehr zusammen,
Und facht sich nur um desto schärfer an:
Doch, will man nicht das wilde Feuer hegen,
So sucht man ihm die Nahrung zu entziehn;
Da wird die Brunst sich von sich selbst schon legen,
Und leichten Funken gleich in dünner Luft entfliehn.

Erwäge dieß, o englische Louise!
Und denk einmal auf deine letzte Schrift!
Wie? wenn ich dich auf dein Versprechen wiese,
Womit dein Schluß itzt schlecht zusammen trifft.
Ist das die Huld, die du mir zugeschworen?
Ist das die Treu, die du mir zugesagt?
Denn hat dein Wort so bald die Kraft verlohren:
So hast du mich dadurch aufs heftigste geplagt.

So schweige dann, und laß mich gar verschmachten;
Und mache mich zum Opfer deiner Pflicht:
Doch willst du mich der Antwort unwerth achten;
So schweig ich doch von meiner Sehnsucht nicht.
Bey später Nacht will ich dich träumend plagen,
Im Wachen selbst dir stets vor Augen stehn;
Und dich, mein Licht! ohn Unterlaß befragen:
O Grausame! soll ich ohn alle Schuld vergehn?
(S. 551-553)
_____



An Jungfer L. A. V. Kulmus

Ein Jahr ist hin, o Schönste! daß mein Bild
Sich schon bey dir zum Opfer eingefunden;
Doch ist mein Wunsch nach deinem nicht erfüllt;
So sehr seit dem die Herzen sich verbunden.

Erfreue mich, dafern du lieben kannst,
Und laß dein Herz durch keinen Einwurf stören.
Ja, wo du mich nicht aus der Brust verbannst:
So laß dein Bild mich deine Neigung lehren.

Der edle Geist, der deine Stirn erhebt,
Der helle Blitz, aus deinen klugen Blicken,
Wird deinen Freund, der nur durch dich noch lebt,
In manchem Gram, an deiner statt, erquicken.

Victoria! mein Leben, Herz und Licht!
Fleh ich umsonst um deinen bloßen Schatten;
So schmäuchle mir mit deiner Liebe nicht:
Wie schwer wird sich das Wesen selber gatten?
(S. 554)
_____


Aus: Herrn Johann Christoph Gottscheds Gedichte
Bey der itzigen zweyten Auflage übersehen,
und mit dem II. Theile vermehret,
nebst einer Vorrede ans Licht gestellet
von M. Johann Joachim Schwaben
Leipzig Verlegts Bernhard Christoph Breitkopf 1751

 


Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Christoph_Gottsched


 

 


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