Theodor Robert Grosewsky (1823-1866) - Liebesgedichte

 



Theodor Robert Grosewsky
(1823-1866)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 


 



Orakel

Nicht will ich das Schicksal fragen,
Ob sie denket mein?
Denn ich könnt' es nicht ertragen,
Spräch's ein trostlos "Nein!"

Ach, ich könnt' es nicht erfassen,
Wär' sie treulos mir!
Könnte ja nie von ihr lassen,
Nur - verzeihen ihr!


Aus: Aus der Einsamkeit Lieder von R. Grosewsky
Leipzig und Mitau
G. A. Reyher's Verlagsbuchhandlung 1849 (S. 17)

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Im Sturm

Am Himmel zieht ein Wolkenheer
In dunkler Nacht, dumpf braust die See,
Die Luft ist heiß, gewitterschwer -
Da denk' ich Dein mit bangem Weh'!

Da denk' ich Dein im engen Raum
Der Planken auf dem wilden Meer;
Mein Denken ist ein dunkler Traum,
So dunkel wie die Nacht, so schwer!

Ich fürchte nicht des Sturmes Weh'n,
Die Woge nicht, die donnernd brüllt;
Ich fürchte nur, im Blitz zu seh'n
Dein bleiches, todtenstarres Bild!

Die Qual des letzten Augenblicks,
Die nimmer ein Vergessen kennt,
Sei Fluch euch, Mördern unsers Glücks,
Euch, die ihr teuflisch uns getrennt!


Aus: Aus der Einsamkeit Lieder von R. Grosewsky
Leipzig und Mitau
G. A. Reyher's Verlagsbuchhandlung 1849 (S. 18-19)

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Triolett

Spricht auch der Mund: "Leb' wohl, mein Lieb!"
Ruft doch das Herz: "Auf Wiederseh'n!
Ich bleib' Dir treu, mein Liebchen schön!"
Spricht auch der Mund: "Leb' wohl, mein Lieb!
Sei nicht so ernst, sei nicht so trüb,
Noch einen Kuß zum Abschied gieb!"
Spricht auch der Mund: "Leb' wohl, mein Lieb!"
Ruft doch das Herz: "Auf Wiederseh'n!"


Aus: Aus der Einsamkeit Lieder von R. Grosewsky
Leipzig und Mitau
G. A. Reyher's Verlagsbuchhandlung 1849 (S. 19)

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Triolett

Nicht fluchen kann ich Dir, nur für Dich beten,
Ob Du auch Schuld an meinem Herzeleid,
Und an den Thränen, die mein Auge röthen!
Nicht fluchen kann ich Dir, nur für Dich beten
Und hoffen auf den fernen Trost der Zeit,
Und sprechen, weil Dein Thun Dich längst gereut:
"Nicht fluchen kann ich Dir, nur für Dich beten,
Ob Du auch Schuld an meinem Herzeleid!"

Aus: Aus der Einsamkeit Lieder von R. Grosewsky
Leipzig und Mitau
G. A. Reyher's Verlagsbuchhandlung 1849 (S. 21)

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Gruß aus der Ferne

Sahst Du nicht ein Vöglein flattern
Jüngst an Deinem Fensterlein,
Als Du schautest in die blaue
Frühlingsduft'ge Fern' hinein?

Hatte mit dem kleinen Boten
Dir aus fernem fremden Land
Gar viel tausend, tausend Grüße,
Heißgeliebte! zugesandt.

Aus: Aus der Einsamkeit Lieder von R. Grosewsky
Leipzig und Mitau
G. A. Reyher's Verlagsbuchhandlung 1849 (S. 22)

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Zweifel

Darf ich Deinem Auge trauen,
Deinem engelmilden Blick?
Darf ich in dem himmelblauen
Spiegel suchen mir mein Glück?
Darf ich hoffen, was die Seele
Sich als schönstes Loos ersah:
Deine Liebe ohne Hehle,
Deine Liebe fern und nah'?
Nein, ach nein! das Herze spricht:
"Trau', o trau' dem Auge nicht!"

Darf ich trauen Deinem Munde,
Deinem Lächeln engelmild?
Trägst Du auch im Herzensgrunde
Unvergessen stets mein Bild?
Darf ich hoffen, was die Seele
Sich ersah als höchstes Glück:
Deine Liebe ohne Hehle,
Wahrhaft Deinen Mund und Blick?
Nein, ach nein! das Herze spricht:
"Trau' dem Mund, dem Auge nicht!"

Aus: Aus der Einsamkeit Lieder von R. Grosewsky
Leipzig und Mitau
G. A. Reyher's Verlagsbuchhandlung 1849 (S. 22-23)

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Guter Wille

Legen, Kind, möcht' ich Dir eine
Kron' auf Deine Stirne klar,
Perlen, Gold und Edelsteine
Flechten in Dein Lockenhaar;

Möchte gern in Atlas kleiden
Und in Sammt Dich, Mädchen mein!
Doch ich kann statt all' der Freuden
Nur ein treues Herz Dir weih'n.

Aus: Aus der Einsamkeit Lieder von R. Grosewsky
Leipzig und Mitau
G. A. Reyher's Verlagsbuchhandlung 1849 (S. 24)

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Kornblumenkranz

Wand ein Kränzchen von Cyanen
Einstens mir mein süßes Lieb,
Gab es mir mit leisem Mahnen,
Daß ich immer treu ihr blieb'!

Jetzt in meinem Stübchen drüben
Hängt das Kränzchen längst verdorrt:
Wohl bin ich ihr treu geblieben -
Aber, ach! sie brach ihr Wort.

Aus: Aus der Einsamkeit Lieder von R. Grosewsky
Leipzig und Mitau
G. A. Reyher's Verlagsbuchhandlung 1849 (S. 24-25)

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An ***

Wenn ich Dich, liebes Kind,
Irgendwo seh',
Wird mir im Herzensgrund
Immer so weh'!

Wenn ich Dich, liebes Kind,
An's Herze drück',
Bin ich so traurig stets
Ueber mein Glück!

Und küss' ich Deinen Mund,
Kirschblutigroth,
Bin ich so selig - und
Wünsche den Tod!

Wünsch', daß ich sterben könnt'
Am Busen Dein,
Kannst ja mein Eigen für
Immer nicht sein!

Im weiten Parke steht
Glänzend Dein Schloß,
Im Wiesengrunde geht
Weidend mein Roß!

Aus: Aus der Einsamkeit Lieder von R. Grosewsky
Leipzig und Mitau
G. A. Reyher's Verlagsbuchhandlung 1849 (S. 26-27)

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An ***k

Mein' Lieb' zu Dir ist Ebb' und Fluth,
Mein' Lieb' zu Dir ist Eis und Gluth,
Sie macht mich arm, sie macht mich reich -
Mein' Lieb' zu Dir bleibt nimmer gleich!

Mein' Lieb' zu Dir hebt mich empor
Hoch zu des Himmels lichtem Chor,
Stürzt mich hinab in's Höllenreich -
Mein' Lieb' zu Dir bleibt nimmer gleich!

Du bist so schön, Du bist so hold!
Ich küsse Deiner Locken Gold,
Doch wenn ich Dir in's Auge schau',
Dann schwindelt mir Du - wilde Frau!


Aus: Aus der Einsamkeit Lieder von R. Grosewsky
Leipzig und Mitau
G. A. Reyher's Verlagsbuchhandlung 1849 (S. 28)

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Versuchung

Wend' ab Dein Aug', das tiefe, dunkelblaue!
Schon steh' ich an des Pflichtvergessens Saum;
Mir ist, als ob ich schwindelnd niederschaue
In eines Abgrunds bodenlosen Raum!

Ha, laß mich fliehen nach des Waldes Grunde,
Bevor zur Flamme noch der Funk' erwacht,
Damit ich nicht verfluchen muß die Stunde,
Die mir Dein Bild vor's Angesicht gebracht!

Ha, laß mich flieh'n, entrinnen dem Verderben!
Nicht spielen läßt sich's mit der Göttergluth!
Nie wirst Du mein! - Warum das Herz in Scherben,
Entgegenschleudern der Verzweiflungsfluth!?


Aus: Aus der Einsamkeit Lieder von R. Grosewsky
Leipzig und Mitau
G. A. Reyher's Verlagsbuchhandlung 1849 (S. 29)

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An der Ostsee

1.
An der Ostsee Strand
Stand sie mir zur Seit',
Reicht' sie mir die Hand,
Sprach: "O sieh', wie weit
Ist der Himmel ... ist das Meer ... das Glück!"

An der Ostsee Strand
Stand ich ihr zur Seit',
Reicht' ich ihr die Hand:
"Nur das Meer ist weit,
Glück und Himmel reicht mir ja Dein Blick!"


2.
An der Ostsee Strand
Kummervoll allein,
Steh' ich unbekannt
Denk' der Worte Dein:
"Glück und Himmel sind so weit ... so weit!"

An der Ostsee Strand
Weint mein Auge trüb:
"In dem Todtenland
Weilst Du, die ich lieb' -
Ach, wie dumpf und einsam schleicht die Zeit!"

Aus: Aus der Einsamkeit Lieder von R. Grosewsky
Leipzig und Mitau
G. A. Reyher's Verlagsbuchhandlung 1849 (S. 33-34)

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Verbotene Liebe

Wie, ich sollte nimmer zeigen
Dir ein liebend Angesicht?
Kann denn Mund und Auge schweigen,
Wenn das Herz so mächtig spricht?

Kann den Wolken ich gebieten,
Daß sie nicht vorüberzieh'n?
Kann ich Liebe da verhüten,
Wo mir Deine Augen glüh'n? -

Doch in dunkler Nacht, da falte
Deine Hände betend zu:
Daß der Himmel Dich erhalte,
Meinem Herzen sende Ruh'!

Aus: Aus der Einsamkeit Lieder von R. Grosewsky
Leipzig und Mitau
G. A. Reyher's Verlagsbuchhandlung 1849 (S. 37)

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Reue

Verkennen und Erkennen,
Das bringt so vieles Leid! -
Wir hatten lang gesprochen
Von alter, schöner Zeit.

Und sollt' ich's wiedersagen,
Ich kann - ich weiß es nicht!
Wer darf auch darnach fragen,
Was Lieb' und Liebe spricht?

Schnell war es spät geworden,
Zur Ruhe war gebracht
Ihr Kind, das hold', und seufzend
Rief sie mir: "Gute Nacht!"

Mich faßt' ein heiß Verlangen,
Ich schlich zu ihr hinein,
Ich hatte nur ein Sinnen:
"Ach, wäre sie doch mein!"

Als d'rauf im Mondenschimmer
Ihr Antlitz ich geseh'n,
Da wollt' in Reu' und Schmerzen
Und Thränen ich vergeh'n!

Ich faltete, zu beten,
Die Hände bebend ein:
"O, möge stets sie bleiben
So schön, so fromm, so rein!"

Aus: Aus der Einsamkeit Lieder von R. Grosewsky
Leipzig und Mitau
G. A. Reyher's Verlagsbuchhandlung 1849 (S. 43-44)

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Einst!

Nur weil ich Dich innig liebe,
Lieb' ich, Kind! Dich nicht,
Denn ich will nicht, daß Du wankest
Von der heil'gen Pflicht.

Trockne d'rum die heiße Zähre
Die Dein Auge weint, -
Droben in dem ew'gen Himmel
Sind wir einst vereint!

Aus: Aus der Einsamkeit Lieder von R. Grosewsky
Leipzig und Mitau
G. A. Reyher's Verlagsbuchhandlung 1849 (S. 45)

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Ein Lied von meiner Liebe

Mein Schifflein schwamm auf stiller Fluth,
Die Luft war kühl und wonnig,
Im Strome glänzte sonnig
Des Abendhimmels Farbengluth.

Hinsterbend sang die Nachtigall
Aus dunklem Waldesraume,
Am grünen Ufersaume
Erklang des Wachtelschlages Schall.

Ich spielte die Guitarr' und sang
Ein Lied von meiner Liebe,
So dunkel und so trübe,
Wie aus der Brust herauf es klang.

Da ward Dein Fenster aufgemacht:
Du lehntest an der Mauer
Und sahest, wie in Trauer,
Hinüber in die stille Nacht.

Ich spielte die Guitarr' und sang,
Wie mich mein Lieb verlassen,
Und an der Wang', der blassen,
Rollt' eine heiße Zähr' entlang.

Warum hast Du, o bleiche Frau,
Dich plötzlich weggewendet,
Als ich mein Lied geendet? -
Trug Thränen Deines Auges Blau?


Aus: Aus der Einsamkeit Lieder von R. Grosewsky
Leipzig und Mitau
G. A. Reyher's Verlagsbuchhandlung 1849 (S. 45-47)

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Der wilde Jäger

Komm' mit hinaus in den grünen Wald,
Im Duft der wilden Rosen,
Wo die Quelle rauscht, die Amsel schlägt,
Woll'n wir beisammen kosen!

Der Himmel blau, die Sonne warm,
Das liebe Meer, das weite,
Rings um uns her, und an dem Strand
Geputzte Sonntagsleute.

Ich will der wilde Jäger sein,
Mein Strand sei bei der Linde,
Dann hasch' ich Dich, Du süßes Kind,
Du wilde, schlanke Hinde!

Dann drück' ich Dich an's heiße Herz,
Und statt mit Büchsenschüssen
Will ich recht wild und schonungslos
Dich, Kind! zu Tode küssen.

Aus: Aus der Einsamkeit Lieder von R. Grosewsky
Leipzig und Mitau
G. A. Reyher's Verlagsbuchhandlung 1849 (S. 49)

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Schwere Krankheit

Im Kopfe war's mir jüngst gar bunt,
Es dreht sich Alles in die Rund',
Ich war bald froh, bald ärgerlich,
Und hatt' im Herzen einen Stich.

Da ging ich denn zum Doktor hin,
Und bat um gute Medicin -
Er sah mich an und sprach betrübt:
"Unrettbar, Freund! Sie sind verliebt."

Aus: Aus der Einsamkeit Lieder von R. Grosewsky
Leipzig und Mitau
G. A. Reyher's Verlagsbuchhandlung 1849 (S. 50)

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An Mary

Mit jedem Pendelschlage
Eilst du, o Zeit dahin!
Und alte schöne Tage
Steh'n mir vor Geist und Sinn!

Es rufen Stimmen leise
Mich hin in jene Zeit,
Wo ich nach Knabenweise
Der Liebe mich geweiht.

Da glänzet Mondenschimmer
In lauer Sommernacht,
Da blinket Sternenflimmer
In wundersamer Pracht.

Da tönen frische Lieder
Weithin durch's grüne Land,
Da wandelt's auf und nieder
Heißliebend Hand in Hand.

Da stört kein banger Kummer
Der Seele bittre Ruh';
Da deckt so süßer Schlummer
Die müden Aeuglein zu.

Und sieh', ein Engel schwebet
Vorüber schön und mild,
Daß mir das Herz erbebet -
Mary! es ist Dein Bild.

So eilet mit den Tagen
Die Jugendzeit dahin!
Doch, Mary! ewig tragen
Werd' ich Dich treu im Sinn.

Aus: Aus der Einsamkeit Lieder von R. Grosewsky
Leipzig und Mitau
G. A. Reyher's Verlagsbuchhandlung 1849 (S. 52-53)

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Sehnsucht

Ich sitz' an einem Baume,
Gedenkend alter Zeit,
Es rauschen wie im Traume
Vorüber Freud' und Leid!

Es klingen alte Lieder
So wundersam heran;
Im Herzen hallt mir's wieder:
"Was hat man dir gethan?"

Und ob die Glöcklein klingen
Der Schäflein auf dem Feld,
Und ob die Vöglein singen
Tief unter'm Himmelszelt:

Hinüber zu den Fernen,
Hinauf in's blaue Meer -
Ach, zu den hellen Sternen
Sehnt sich mein Herz so sehr!


Aus: Aus der Einsamkeit Lieder von R. Grosewsky
Leipzig und Mitau
G. A. Reyher's Verlagsbuchhandlung 1849 (S. 54)

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Ich tröste mich!

Du liebst mich nicht? - Wohlan, ich tröste mich!
Ich wandle eisam über Thal und Hügel,
Und - denk' an Dich!
Ich blicke sinnend in des Stromes Spiegel,
Und - denk' an Dich!
Tief in dem Grund glaub' ich Dein Bild zu sehen,
Und zürne Dir - und bleibe zürnend stehen,
Und schau' Dich an: - ja, ja, ich tröste mich!

Du liebst mich nicht? - Wohlan, ich tröste mich!
Beim Waldhornklang folg' ich der Spur der Meute,
Und - denk' an Dich!
In froher Schaar umjauchz' ich unsre Beute,
Und - denk' an Dich!
Ein Jägerlied lass' durch den Wald ich schallen
Mit hellem Klang - zwei heiße Thränen fallen
Mir längs der Wang': - ja, ja, ich tröste mich!

Du liebst mich nicht? - Wohlan, ich tröste mich!
Ich stürz' hinein mich in die Menschenwellen,
Und - denk' an Dich!
Ich zech' im Kreise wüster Zechgesellen,
Und - denk' an Dich!
Ein Schmetterling, eil' ich von Kelch zu Kelche
In süßer Lust - und frage doch: gleicht welche
Von Allen Dir? - Ach nein! - So tröst' ich mich!

Aus: Aus der Einsamkeit Lieder von R. Grosewsky
Leipzig und Mitau
G. A. Reyher's Verlagsbuchhandlung 1849 (S. 57-58)

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An ***e

Mein Haus ist einsam, leer und weit,
Die Brust ist voller Herzeleid,
Ich wandl' umher ohn' Rast und Ruh',
Kein Schlaf drückt meine Augen zu.

Die weißen Wände rings herum,
Die seh'n mich an, so ernst, so stumm,
Und in den Räumen, dumpf und kalt,
Mein Seufzen traurig wiederhallt.

Nachts schaut' ich durch das Fensterlein,
Da sah ich Dich im Mondenschein,
Mit Deinem Antlitz bleich und schön
So ernst, so stolz vorübergeh'n.

Könnt' ich dem süßen Traum entflieh'n,
Dich einst an's heiße Herz zu zieh'n!
Könnt' ich dem wilden Schmerz entgeh'n,
Mein Lieben hoffnungslos zu seh'n!

Aus: Aus der Einsamkeit Lieder von R. Grosewsky
Leipzig und Mitau
G. A. Reyher's Verlagsbuchhandlung 1849 (S. 59)

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An ***

Zwei Jahr' sind hingegangen,
Als, Kind, ich von Dir schied,
Und sieh', schon sind die Wangen,
Die ros'gen, Dir verblüht!

Du schaust mich an so trüb,
Und doch so voller Gluth,
Als ob die alte Liebe
Noch tief im Herzen ruht'!

Und als ich hab' geschlossen
An's Herz Dein einzig Kind,
Aus Deinem Aug' geflossen
Zwei hellen Thränen sind.

Aus: Aus der Einsamkeit Lieder von R. Grosewsky
Leipzig und Mitau
G. A. Reyher's Verlagsbuchhandlung 1849 (S. 60)

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Sonett

Am Himmel zieh'n die grauen Wolken hin,
Der Regen plätschert auf die Gassen nieder,
Die Vöglein schütteln fröstelnd ihr Gefieder -
Ist's das allein, warum ich traurig bin?

Vorübergeht Vergang'nes meinem Sinn,
Der schmerzdurchwachten Nächte denk' ich wieder!
Für all' das Leid nur dumpfe Klagelieder -
O, armes Herz, ein trauriger Gewinn!

O nimm von mir des Sangs ruhmlose Gabe,
Des Reimes Klang, der Worte falschen Glanz,
Beklagen will ich nimmer den Verlust!

Nur laß mir, Gottheit, meiner Jugend Habe:
Des Glaubens Schild, der Hoffnung Kranz,
Der Liebe Knospe in der warmen Brust!

Aus: Aus der Einsamkeit Lieder von R. Grosewsky
Leipzig und Mitau
G. A. Reyher's Verlagsbuchhandlung 1849 (S. 61)

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Auf der Alpe

Gletschereis und Mattengrün -
Wie sich Tod und Leben paaret!
Dunkle Alpenröschen blüh'n,
Wo sich kalter Schnee geschaaret.

Wie das muntre Bächlein springt
Aus des Berges dunkeln Falten!
Wie sich zart das Blümchen schlingt
Um den Fels, den starren, kalten!

Wie die weißen Rosen blüh'n
Um die Stirn, die kalte, bleiche!
Wie sich schlingt der Myrthe Grün
Durch das Haar, das dunkle, reiche!

Einen Kuß noch ihrem Mund -
Wie sich Tod und Leben paaren!
Jetzt, ihr Gräber, in dem Grund
Mögt die Leiche ihr bewahren!


Aus: Aus der Einsamkeit Lieder von R. Grosewsky
Leipzig und Mitau
G. A. Reyher's Verlagsbuchhandlung 1849 (S. 62)

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Matrosenabschied

Liebchen, leb' wohl!
Liebchen, leb' wohl!
Morgen muß ich nach Ostindien zieh'n!
Ueber die Wellen,
Die flüchtigen, schnellen,
Schwebt dann mein Schifflein dahin, ja, dahin!

Aeugelein blau,
Die heut ich schau' -
Morgen da werdet ihr ferne mir sein!
Schau' ich zum Himmel
Beim Sternengewimmel,
Werd' ich gedenken der Aeugelein Dein!

Lippen, so roth,
Bis in den Tod
Werd' ich gedenken der Küsse so heiß!
Ob wir auf Erden
Vereinet noch werden,
Oder im Himmel - wer weiß es, wer weiß!

Sei's denn, weil's muß!
Noch einen Kuß,
Trockne die Thränen und bleibe mir gut!
Doch falte die Hände
Und bet' für mein Ende,
Wenn mich umschlinget des Oceans Fluth.
Ade! ade! ade!


Aus: Aus der Einsamkeit Lieder von R. Grosewsky
Leipzig und Mitau
G. A. Reyher's Verlagsbuchhandlung 1849 (S. 66-67)

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Schlosser und sein Lieb

"Ich wünscht', ich könnt' ein Schlößchen han
Mit einem Schlüssel fein,
Das legt' ich Deinem Herzchen an,
Dann käm' wohl Keiner 'nein!"

- "Käm' Keiner in mein Herz hinein,
Wie dumm der Hans da spricht!
Dann müßt' ich ja ein Nönnchen sein,
Und Nönnchen freien nicht!"

Aus: Aus der Einsamkeit Lieder von R. Grosewsky
Leipzig und Mitau
G. A. Reyher's Verlagsbuchhandlung 1849 (S. 76)

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Das Harfenmädchen

Aus dem schimmervollen Saale
Leitet er die Sängerin:
"Mädchen aus dem Böhmerthale,
Nimm mein Herz für ewig hin!"

"Sprich ein Wort und sei die Meine!"
Leise wie der Quelle Fluth
Bebt ihr Busen: ""Ja, die Deine!"" -
Unter Küssen flammt die Gluth.
_

Und ein Jahr war hingegangen,
Halb im Glück und halb im Weh'. -
Böhmenmädchen, Deine Wangen
Deckt der Lilie weißer Schnee . . . .

Deine Augen sind so trübe,
Deine Lieder traurig sind,
Klagen von verrath'ner Liebe -
Armes, fremdes Böhmenkind!
_

In dem Hochzeitshause schwingen
Tänzer sich den Saal entlang,
Und der Zecher Gläser klingen
Lustig durch den Geigenklang.

Durch die off'ne Saalthür schwebet,
Sieh'! ein Mädchen ernst und bleich;
An dem Arm die Harfe bebet,
Die an Liederschmelz so reich!
_

Und sie streicht die langen Locken
Aus der hohen Marmorstirn,
Läßt das Auge starr und trocken
Durch die Menschenmenge irr'n.

Einen sucht der starre, kalte
Blick im schimmervollen Saal,
Durch des Herzens tiefste Falte
Zuckt er gleich dem kalten Stahl!
_

Sieh! da perlen heiße Thränen
Aus des Auges blauem Grund,
Statt von dumpfem Fluch zu tönen,
Haucht ein Lebewohl! der Mund.

Und ein Lied aus schönern Tagen
Singt sie heute noch einmal,
Aber die Accorde klagen
Des gebroch'nen Herzens Qual!
_

Und ein Jahr war hingegangen,
Und er war des Prunkes satt;
Nicht durch Gold läßt sich erlangen
Ruhe, die das Herz nicht hat!

Gern wär' er ihr nachgegangen
In ihr stilles Böhmenthal -
Aber, ach! sein heiß Verlangen,
Ward ihm nur zur ew'gen Qual.


Aus: Aus der Einsamkeit Lieder von R. Grosewsky
Leipzig und Mitau
G. A. Reyher's Verlagsbuchhandlung 1849 (S. 105-108)

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Der Wassermann

Es glänzen des Abendroths Gluthen,
In der Fern' ein Waldhorn klingt,
Und aus den tiefdunkelen Fluthen
Der Wassermann wunderbar singt.

Ein Mägdelein sitzet am Rande
Des Stromes, wohl sinnend, allein;
Schnell wirft sie hinweg die Gewande
Und hüpft in die Fluthen hinein.

Der Wassermann hat sie umfangen,
Geküßt ihren rosigen Mund,
Und hat sie mit heißem Verlangen
Gezogen hinab in den Grund.

Doch Beide kommen sie nimmer
Hervor aus dem Wellengebraus;
Man sieht nur beim Sternengeflimmer
Sie wandeln im fluthenden Haus.

Aus: Aus der Einsamkeit Lieder von R. Grosewsky
Leipzig und Mitau
G. A. Reyher's Verlagsbuchhandlung 1849 (S. 109)

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Romanze

Der Nachtwind rauscht' im dunklen Laub,
Süß duftete der Blüthenstaub;
Die Kön'gin lehnt' im Nachtgewand
Wohl sinnend an des Söllers Rand -
Im Garten sang der Page:

"Im Schlummer liegt die stille Nacht,
Nur meine heiße Lieb' noch wacht,
Vorüber ziehen Wolken fern,
Vorüber zieht mein Hoffnungsstern -
Vorüber, ach, vorüber!"

"So hoch wie über mir der Mond,
Die Einz'ge, die ich liebe, thront,
Wie er dort in der blauen Weit',
Kennt sie mein Klagen nicht, mein Leid -
Wird's nimmer, nimmer kennen!"

"D'rum, Lüfte, wieget mich zur Ruh',
Drück', ew'ger Schlaf, mein Auge zu,
Ihr Blätter, rauschet still herab,
Wölbt einen Hügel um mein Grab
Hier unter ihrem Fenster!" -

Die Kön'gin auf dem Söller stand,
Von Thränen naß war ihr Gewand,
Sie nahm von ihres Busens Rund,
Eine Ros' und drückt' sie an den Mund,
Und warf sie zu dem Pagen.

Aus: Aus der Einsamkeit Lieder von R. Grosewsky
Leipzig und Mitau
G. A. Reyher's Verlagsbuchhandlung 1849 (S. 117-118)

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Marie!

Du schaust mich gar nicht an, Marie?
Was hab' ich Dir gethan, Marie?
Ich lieb' Dich doch so sehr!
Werd' ich erst fern Dir sein, Marie!
Denkst Du gewiß noch mein, Marie!
Wenn zwischen uns das Meer.

Kein Herz auf dieser Welt, Marie!
Wohl unter'm Sternenzelt, Marie!
Ist Dir so treu und gut;
Verschmäh' es nicht, Du weinst, Marie!
Noch heiße Thränen einst, Marie!
Wenn's tief im Grabe ruht.

Wird Dir Dein Herz nicht schwer, Marie?
Kannst Du mich freudenleer, Marie,
Dem Kummertode weih'n?
O komm' an's treue Herz, Marie!
Noch linderst Du den Schmerz, Marie!
Noch kann ich Dir verzeih'n!


Aus: Aus der Einsamkeit Lieder von R. Grosewsky
Leipzig und Mitau
G. A. Reyher's Verlagsbuchhandlung 1849 (S. 148)

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Konnt' Mary auch treulos mir sein!

Sonst war mir die Einsamkeit lieb und werth,
Ich träumte wohl gerne allein;
Doch nun ist der Kummer mein steter Gefährt' -
Konnt' Mary auch treulos mir sein!

Jetzt ziehet die Spinne ihr Netz durch's Gemach,
Der Staub liegt auf Büchern und Schrein,
Vergrast ist mein Gärtchen, verödet und brach -
Konnt' Mary auch treulos mir sein!

Verstummt ist die Wanduhr, der Todtenwurm pickt
Nur leis zwischen Holzwand und Stein
Zum Gruß mir das Heimchen sein Klagelied schickt -
Konnt' Mary auch treulos mir sein!

Laut wimmert das Leichhuhn im dunkelen Moor,
Der Mond scheint verdrossen herein;
Um Mitternacht pocht es oft leise an's Thor -
Konnt' Mary auch treulos mir sein!

Am Giebel pfeift traurig und klagend der Wind
Als müßt' es ein Todtenlied sein;
Ach könnt' ich nur weinen, ich weinte mich blind -
Konnt' Mary auch treulos mir sein!

Mir lud sich die Sorge, der Kummer zu Gast,
Drum wird mir das Leben zur Pein;
Die Welt ist verhaßt mir, die Menschen verhaßt -
Selbst Mary konnt' treulos mir sein!


Aus: Aus der Einsamkeit Lieder von R. Grosewsky
Leipzig und Mitau
G. A. Reyher's Verlagsbuchhandlung 1849 (S. 149-150)

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Adele
In Musik gesetzt von J. J. Schramek

Es zittert leis' ein Klang durch meine Seele
Wie Harfenton im süßen Maienwind:
Es ist Dein Nam' o Kind!
Dein Nam', o theures Kind, Dein Nam' Adele!
Adele! Adele!

Es schwebt ein Bild verklärt vor meiner Seele,
Nicht schöner schuf's je eine Phantasie;
Ich beuge tief mein Knie -
Denn 's ist Dein Bild, Dein herrliches, Adele!
Adele! Adele!

Es zittert leis' ein Hauch durch meine Seele,
Erbebend pocht das Herz in tiefster Brust:
Es ist der Liebe Lust,
Der Liebe Schmerz und Sehnen ist's, Adele!
Adele! Adele!

Aus: Septembermoos Lieder von R. Grosewsky
Mitau gedruckt bei J. J. Steffenhagen und Sohn 1849 (S. 6-7)

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Was ich liebe
In Musik gesetzt von J. J. Schramek

Den Himmel und die Sterne,
Das weite, blaue Meer,
Die Wolken in der Ferne -
Die lieb' ich ach, so sehr!

Die dunkeln Tannenwälder,
Der Maienblümlein Heer,
Die grünen Aehrenfelder -
Die lieb' ich ach, so sehr!

Am liebsten doch vor allen
Bleibst Du mir Mägdelein,
Wie Schnee, der frisch gefallen,
So schön, so zart, so rein!

Aus: Septembermoos Lieder von R. Grosewsky
Mitau gedruckt bei J. J. Steffenhagen und Sohn 1849 (S. 9)

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Wünsche

Ich wünscht' ich wär ein Räuber,
Ich wünscht' ich wär ein Dieb,
Und hätte keck geraubet
Dein Herz und Deine Lieb'.

Ich wünscht' ich läg gefangen,
Um nimmer frei zu sein;
Gefangen und gefesselt
Tief in dem Herzen Dein.

Ich wünscht' ich wär verbannet,
Verbannt für ew'ge Zeit,
Um nur mit Dir zu leben
In stiller Einsamkeit.


Aus: Septembermoos Lieder von R. Grosewsky
Mitau gedruckt bei J. J. Steffenhagen und Sohn 1849 (S. 10)

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Am Strande

Ich kam zu Deiner Hütte dicht am Strande,
Im Angesicht der blauen Meeresflut;
Dort bettete ich mich im Dünensande,
Entfesselnd der Gedanken wilde Brut.

Verlassen, rings verödet war die Stätte,
Verdorrt das Laubgeflecht der Hüttenwand;
Kein Arm, der's eingesunk'ne Schilfdach rette -
Nur Meeresferne sah ich, Moos und Sand!

Der Wind stieg fröstelnd von den Dünen nieder,
Heimtückisch Deine Fußspur mir verweh'nd;
Es spiegelte kein Bild die Woge wieder;
Die kosend sich an Deine Brust gelehnt.

Und dennoch stand, als könnt' ich es erfassen,
Dein süßes Bild voll Leben mir zur Seit';
Mein Auge hing an Deinem stolzen, blassen,
Traumschönen Antlitz, wie in bess'rer Zeit!

Zieh' hin! Du kannst mir dennoch nicht enteilen;
Läg' auch das Weltmeer zwischen Dir und mir;
Dein Bild, - es muß in meinem Herzen weilen,
Denn 's ist mein Hort, mein Schild und mein Panier!

Aus: Septembermoos Lieder von R. Grosewsky
Mitau gedruckt bei J. J. Steffenhagen und Sohn 1849 (S. 11-12)

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Auf dem Hüningsberge

1.
Und böt man mir das ganze Land
Mit Wiesen und mit Feldern,
Die Thäler und die Bergeshöh'n
Mit Strömen und mit Wäldern;

Und böt man mir das Meer dazu
So weit das Auge reichet,
Und jedes Schiff das drüberhin
In hundert Jahren streichet;

Und böt man eine Krone mir, -
Ich sollte von Dir lassen:
Ich ließ Dich nicht und müßt' ich drob
In Lumpen einst erblassen!
(S. 14)


2.
Im stillen hat mein Herz geweinet,
Daß rings im blauen weiten Land,
So weit die gold'ne Sonne scheinet,
Mein Herz nicht eine Stätte fand,

Wo es in Frieden konnte schlagen!
Die Wälder und die Berge seh'n
Herauf, als wollten sie mir sagen,
Daß sie mein tiefes Weh' verstehn.

Und all mein Glück steht mir zur Seite,
Und schaut zugleich hinab in's Land -
Und siehe! Paradiesesweite
Wär' mir die Welt an Deiner Hand!
(S. 15)


3.
Mir ist, gleichwie in alten Tagen,
Da ich am grünen Rheine stand,
Als säh ich aus der Tiefen ragen
Empor den Geist der Bergeswand.

Der dunk'le Traum will mich nicht lassen,
Ich kann dem Wunsche nicht entflieh'n:
Der Berggeist möchte mich erfassen
Und in die Todestiefe zieh'n.

Dich aber fest an's Herz geschlossen
Und dann mit finster'm Todesmuth
Hinab die steilen Bergessprossen -!
Vereint entströme Blut in Blut.
(S. 16)

Aus: Septembermoos Lieder von R. Grosewsky
Mitau gedruckt bei J. J. Steffenhagen und Sohn 1849
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Sandkörner

- Die Körner wehn, Meergräser schwanken.
Auf flücht'gem Meeressande sind
Unstet und flüchtig die Gedanken.
F. Freiligrath

1.
Ich saß allein am Meeresstrande
Hinschauend auf den Möwenzug,
Und schrieb gedankenlos im Sande -
Sieh da! es war Dein Namenszug!

Und als der Windhauch ihn vertrieben,
Ist auf der Stelle, wunderbar!
Dein liebes Bildniß nachgeblieben,
Voll Lebensfrische, treu und wahr.

Ich habe lange fortgeträumet,
Und als vom Sinnen ich erwacht,
Da hatt' ich manches Lied gereimet -
Und über'm Meere hing die Nacht.
(S. 17)


2.
Nur einen Blick, ein einzig Lächeln,
Hab' ich aus Deinem Aug' erhascht,
Das hat, wie lindes Frühlingsfächeln
Im rauhen Herbst, mich überrascht.

Nur eine selige Secunde! -
Und nun - da sie für ewig hin,
Fühl' ich erst recht im tiefsten Grunde
Der Seele, wie ich elend bin!
(S. 18)


3.
Du hast mir einst die Hand gegeben,
Sie lag so warm in meiner Hand,
Doch ohne Liebe, ohne Leben -
Ich hab' mich traurig weggewandt!

Die dunk'le Nacht hat nur gesehen
Die Thräne, die im Auge hing; -
Nicht aber konnte sie verstehen,
Was schneidend durch die Seele ging!
(S. 19)


4.
's ist Alles, wie in alten Tagen;
Du siehst mein ruhig Angesicht,
Mein stilles Trauern, mein Verzagen,
Das Herz, die Seele, siehst Du nicht.

Warum auch soll mein traurig Ringen
Verbittern, Kind! Dein Jugendglück?
Du kannst Dein Herz zur Lieb' nicht zwingen -
Drum trag' allein ich mein Geschick!
(S. 20)


5.
Ich dürste nicht nach einem Worte,
Nach einem Lächeln, einem Blick;
Nicht wie der Bettler an der Pforte
Kann fleh'n ich um ein Pfennigstück -

Nein! ich muß Alles, Alles haben,
Das ganze Herz, die ganze Seel';
Um mich an seinem Glanz zu laben,
Muß ich besitzen den Juwel!
(S. 21)


6.
O, könnt' ich Dich im Kampf erringen,
Wo nur die Kraft des Armes gilt;
Wie wollt' ich da die Lanze schwingen,
Voran als Banner hoch Dein Bild!

Ach! mit dem Himmel ist kein Rechten;
Entsagen - wol! auch das ist Mut!
Doch schöner ist's den Preis erfechten,
Gilt's auch den letzten Tropfen Blut!
(S. 22)


7.
Hast Du den Ocean gesehen,
Wenn er im Schoß der Nächte ruht?
Sahst Du die Wüste vor Dir stehen
In todesheißer Mittagsglut? -

So still, so traurig, öd' und eben,
So dunkel, wie das ferne Meer,
So todesglühend ist mein Leben,
So ganz wie sie, die Wüste, leer!
(S. 23)


8.
Ich seh' es deutlich vor mir stehen
Dein liebes, bleiches Angesicht,
Wie ich es gestern noch gesehen, -
Dich aber malen kann ich nicht.

Könnt ich den Regenbogen malen,
Den Sternenglanz so rein, so mild,
Die Sonn' im Lichte gold'ner Strahlen -
Vielleicht malt' ich dann auch Dein Bild!
(S. 24)


9.
Als ich Dir Lebewohl! geboten,
Zum letztenmal den Hut geschwenkt, -
Da hätt' ich gern mich zu den Todten
In's tiefe, stille Grab versenkt.

Und mit dem letzten Scheideblicke
Schwand mir, so schien's, auf ewig schwand
Der letzte Pfad, die letzte Brücke,
Die zwischen unsern Herzen stand!
(S. 25)


10.
Und immer sing' ich, immer wieder,
Dem Vöglein gleich im grünen Baum,
Den alten Schmerz, die alten Lieder,
Den alten, unvergeß'nen Traum.

Doch die Gewißheit ist mein Eigen,
Daß einst die dumpfe Trauer bricht; -
Dann aber werd' ich schweigen - schweigen,
Denn uns're Todten singen nicht!
(S. 26)

Aus: Septembermoos Lieder von R. Grosewsky
Mitau gedruckt bei J. J. Steffenhagen und Sohn 1849

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Lauring

Mir ist als ob ich die Hände
Auf's Haupt Dir legen solt!
Betend, daß Gott Dich erhalte
So rein und schön und hold.
H. Heine

1.
Und als es dunkel in meinem Leben,
Und als der letzte süße Traum verschwand,
Als ich mich grollend dem Geschick ergeben,
Da wardst Du Lauring mir als Trost gesandt!

Als Du mir gabst in einer trauten Stunde,
Die unvergessen mir im Sinne ruht,
Von Deinem engelreinen Herzen Kunde,
Indem Du kindlich sprachst: ich bin Dir gut;

Da zog mit süßen wolbekannten Tönen
Ein Frühlingswehen in mein dunk'les Herz:
Mir war, als könntest Du mich noch versöhnen
Dereinst mit meinem tiefen, stillen Schmerz;

Als könnte Deine Hand mir wiedergeben
Der Hoffnung Traumbild einer schönen Zeit:
Den Glauben an ein unverlor'nes Leben
Und tief verstand'ner Liebe Seligkeit!
(S. 28)


2.
Du schlummerst fest in meinen Armen,
An meinem Herzen ruht Dein Haupt;
Von Deinem Mund, dem kleinen, warmen,
Hab' still ich einen Kuß geraubt.

Der freche Wind, der schonungslose,
Hat bald entweht den grünen Hut,
Worin Dein Köpfchen, gleich der Rose
In grünen Blättern, lieblich ruht.

O schlumm're nur, o schlumm're leise,
Am Freundesherzen, süßes Kind!
Noch manche Stunde währt die Reise,
Bis am ersehnten Ziel' wir sind! - -
(S. 29)

Aus: Septembermoos Lieder von R. Grosewsky
Mitau gedruckt bei J. J. Steffenhagen und Sohn 1849

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In ein Stammbuch

Als ich Liebeslieder machte,
Kannt' ich noch die Liebe nicht,
Und als mir die Liebe lachte,
Da gelang mir kein Gedicht.

Liebchen, Engel, Wonne, Minne - -
Himmel, klingt das schaal und leer!!!
Drum, wenn ich kein Lied ersinne,
Denk' - ich lieb' Dich um so mehr!


Aus: Septembermoos Lieder von R. Grosewsky
Mitau gedruckt bei J. J. Steffenhagen und Sohn 1849 (S. 38)

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An ***e

Mir ist, wenn ich Dir schaue
In's liebe Angesicht,
Als ständ darin geschrieben
Ein wundersam Gedicht.

Ich weiß es kaum zu deuten,
Was mich so tief bewegt;
Was längst vergang'ner Zeiten
Sehnsucht auf's Neu' erregt.

Wie in verfall'nen Trümmern
Ein Aeolsharfenlied,
Durch's Herz mit leisem Wimmern
Vergeß'ne Liebe zieht.

Mir ist, wenn ich in's Antlitz,
In's liebe, Dir geseh'n,
Als müßt darin ein Räthsel
Für meine Zukunft steh'n!

Aus: Septembermoos Lieder von R. Grosewsky
Mitau gedruckt bei J. J. Steffenhagen und Sohn 1849 (S. 46-47)

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Biographie:

Theodor Robert Grosewsky,
am 1. (13.) Mai 1823 zu Annenburg in Kurland geboren, wurde in Privatanstalten in Dorpat und Mitau erzogen, studirte 1842-44 an der Universität Dorpat und promovirte in Jena zum Dr. phil.
Nachdem er größere Reisen unternommen, lebte er zurückgezogen auf seinem Erbgute Lambertshof in Kurland. Er starb am 2. (14.) März 1866 in Moskau.
Ein sehr sympathisches, freundliches Talent, dessen schlichte, prunklose Weisen zuweilen etwas rührend Bescheidnes haben. Sinnige Gedanken und tiefpoetisches Naturgefühl dürfen als die Hauptvorzüge G.'s bezeichnet werden. Leider gelingt es ihm nicht immer, Herrschaft über die Form zu gewinnen, die vielfach spröde bleibt und durch Unebenheiten störend wirkt. Lenau und Matthisson sind diesem Dichter wohl am Nächsten verwandt.
Aus: Das Baltische Dichterbuch Eine Auswahl deutscher Dichtungen
aus den Baltischen Provinzen Rußlands
herausgegeben von Jeannot Emil Freiherrn von Grotthuß
Zweite durchgesehene und bearbeitete Auflage
Reval Verlag von Franz Kluge 1895 (S. 418-419)



 


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