Anastasius Grün (1806-1876) - Liebesgedichte

Anastasius Grün

 

Anastasius Grün
(1806-1876)

 

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 


 

Im Bade

Ach, könnt' ich die Welle sein,
Wie freut' ich mich so!
Doch könnt' ich die Quelle sein,
Wär' doppelt ich froh!
Könnt' ich die Welle sein,
Hüpft' ich mit frohem Sinn,
Wo sie im Bade weilt,
Rasch zur Geliebten hin;
Hätte sie schnell ereilt,
Wogte mit stillem Gruß
Rasch um den lieben Fuß,
Blähte mich stolzer dann,
Schwölle und stieg' hinan
Bis an des Busens Rund,
Bis an den Purpurmund,
Grüßte und küßte sie,
Kos'te und neckte sie,
Und sie erlitt' es gern,
Glaubt' ja, ich seh' es nicht,
Glaubt' mich ja fern!

Könnt' ich die Quelle sein,
Ganz nach Verlangen
Wäre sie mein;
Liebend umfangen
Wollt' ich die Holde,
Aber so bald nicht
Ließ' ich sie los.
Dann zu dem Herzchen
Rauscht' ich empor,
Pochte und schlüge
Rege daran,
Pochte und früge
Liebend mich an. -

Dann zu den Händen
Wogt' ich dahin;
Aber das Ringlein,
Das sie als fremder
Seligkeit Pfand
Trägt an der kleinen
Blendenden Hand,
Wollt' ich ihr raubend
Tief in der Wogen
Nächtliche Brandung
Heimlich verbergen;
Rauschte zur Hand dann
Wieder hinan,
Und nur mein Ringlein
Ließ' ich daran.
(Lyrische Dichtungen I S. 31-32)
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Bestimmung

Als der Herr die Ros' erschaffen,
Sprach er: du sollst blühn und duften!
Als er hieß die Sonne werden,
Sprach er: du sollst glühn und wärmen!

Als der Herr die Lerch' erschaffen,
Sprach er: flieg empor und singe!
Als geformt des Mondes Scheibe,
Sprach er: rolle hin und leuchte!

Als der Herr das Weib erschaffen,
Sprach er: sei geliebt und liebe!
Aber als er dich erschaffen,
Hat er wohl dies Wort vergessen.

Denn wie könntest du sonst sehen
Mond und Sonne glüh'n und leuchten,
Rosen blühen, Lerchen steigen,
Und geliebt sein und - nicht lieben?
(Lyrische Dichtungen I S. 22)
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Der Liebe Verlust

Zeigt die trübe dunkle Seite
Dir auch oft das Leben,
Ist's vom Bild doch nur der Schatten,
Um das Licht zu heben.

I.
Auf schwarzbehangenem Gerüst der Trauer
Lag sie, die ich geliebt, im Lilienkleid.
Rings um das Bildnis des Erlösers glomm
Trübflackernd Kerzenlicht und schimmerte
Mit müdem Strahl durchs düstere Gemach.
Dort im Gefäß, gefüllt mit Weihbronn, lag
Des Rosmarines deutungsvoller Zweig.
Sie aber schlief, so ruhig, blaß und schön,
Die Händ' am Busen übers Kreuz gefaltet,
Ein duft'ger Kranz umschlang der Jungfrau Haupt.
Stumm war ihr Mund, doch ahnt' ich, was er sprach,
Und spiegelt meinen Liebesblick auch nimmer
Ihr Auge wieder, sieht's doch Erdenleid
Nicht mehr und wird vom Weinen nimmer rot.

Allein kniet' ich an ihrem Todesbett,
Dumpf summt' des Turmes Glocke: Mitternacht!
Und was der Schmerz verboten erst, erzwang
Er nun gebietend, und besiegt von ihm
Sank ich in Schlummer und in solchen Traum:

Durch rosiges Gewölk sah ich sie lächelnd
Hinschweben und des Lichtes Wohnung grüßen.
Es strömt, in Wellenlocken, fließend Gold
Als Haar ihr von der heitren Stirn; doch nicht
Gewöhnlich Haar und nicht gewöhnlich Gold!
Nicht schmückt mit höherm Reiz sie jetzt der Himmel,
Denn allen Schmuck gab er ihr schon auf Erden;
Und wie durchs Leben einst, so wandelt sie
Nun durch des ew'gen Frühlings Haine hin.
Doch an der Brust blinkt ihr ein Perlenkranz,
Ich kenn' ihn wohl! der Liebe Tränen sind's,
Die wir zusammen einst geweint. Und sieh:
Nun preßt sie warm ans Herz das edle Kleinod
Und legt's dann nieder still vor Gottes Thron.

Der Traum wich. Träger harren schon der Bahre,
Durchs Fenster hoch flammt Morgenrot herein;
Und ich verstand und weinte nimmermehr.
Der Leiche naht' ich leise und besprengte
Sie dann, still segnend, mit dem heil'gen Bronn.


II.
Tot ist und zweifach eingesargt mein Liebchen:
Dort in der Erdgruft unter kaltem Stein,
Und hier in meines Herzens wärmstem Stübchen:
Welch Grab von beiden ihr mag lieber sein?

Gesanglos ließ man sie zu Grabe bringen,
Doch mir im Herzen scholl der Leichensang;
Da ging es an ein Pochen und ein Klingen,
Daß bei dem Lied mir fast der Kopf zersprang.

Der Grabstein bricht einst auf wie Knospenhülle,
Draus taucht die junge Ros' ans Morgenlicht,
Doch mir im Herzen ruht sie tief und stille,
Dies Grabessiegel sprengt sie ewig nicht.

Auch ist ihr drin ein Monument errichtet,
Wie sich's ob keiner Königsleich' erhebt,
Denn Pyramiden, himmelhoch geschichtet,
Und Tempel stürzen, doch mein Herz, das - lebt! -


III.
Des Hügels Gras, jetzt frisch und grün,
Erstirbt von Winters Hauch,
Stehn bleibt das Kreuz nur, fest und kühn,
Nach treuen Wächters Brauch.

Dem Gras gleicht meines Lebens Bahn,
Mein Schmerz dem Kreuz von Stein;
Und ewig treu dich zu umfahn,
Möcht' ich dein Sarg wohl sein.


IV.
Die Stätte, wo du jetzo schläfst
Und ruhst von ird'scher Qual,
Als du noch auf der Erde gingst,
War sie gar wüst und kahl.

Doch sieh, welch süßes Blumenheer
Jetzt dort in Fülle sprießt!
O lebtest du nur wieder auf,
Wenn's dort, wie vor, so wüst!!


V.
(Tageszeiten)
Wann ich immer kommen mag,
So bei Nacht und so bei Tag,
Stets auf ihrem Leichenstein
Glänzet Tau, wie Silber rein.

Zieht der Morgen erdenab,
Wallt er auch zu ihrem Grab,
Schüttet auf des Grabes Rain
Opfernd Perl' und Edelstein.

Zieht vorbei an ihrer Gruft
Abend mit Gesang und Duft,
Sprengt er sanften Regen hin,
Daß die Blumen fürder blühn.

Wenn in Kummer und Gebet
Nacht am frischen Hügel steht,
Ringt sich eine Träne los
Ihrem Auge hell und groß.

Mehr als Morgen, Abend, Nacht,
Hat des Taus Mittag gebracht;
Doch am Grab im Sonnenschein
Steh' nur ich, nur ich allein.


VI.
(Kränze)
Mancher Brautkranz sproßt' und blühte
Aus des Kirchhofs Mutterschoß:
Drum im Haar der Braut noch lispelt
Er vom Grab, dem er entsproß.

Mancher Totenkranz entkeimte
Luftig blühn'der Gartenflur:
Drum am Haupt der Leiche säuselt
Er von Lenz und Garten nur.


VII.
(Widerspruch)
Als an ihrem Mund ich hangend
Sog noch ihren Odem ein,
Träumt' ich viel von Tod und Trennung
Und von Sarg und Leichenstein.

Nun ich steh' an ihrem Grabe,
Träum' ich nur von Liebesgruß,
Und wie ihre Wangen glühten,
Und von ihrem ersten Kuß.


VIII.
(Die Grabrose)
Du Grabesrose wurzelst wohl
In ihres Herzens Schoß,
Und ihres ew'gen Schlafes Hauch
Zog deine Keime groß.

Du saugest Glut und Lebenskraft
Aus ihres Herzens Blut,
Sie gab ja Freude stets und Lust
Und gibt's noch, wenn sie ruht.

Dein Lächeln und dein Duften stahlst
Und schlürftest du aus ihr,
Den roten Kelch, den formtest du
Aus ihren Wangen dir;

Die Purpurblätter sogest du
Aus ihrem süßen Mund,
Drum sind sie auch so rot und lind,
So duftig und so rund.

Sie gab dir Blätter, Farb' und Duft,
Gab Glut und Leben dir,
Woher doch nahmst die Dornen du?
Die kommen nicht von ihr! -

Willkommen denn und bleibe mein!
Wenn Haß und Nacht mir droht,
Erinnre mich dein Flammenkelch
An Lieb' und Morgenrot.


IX.
(Im Winter)
Der Winter steigt, ein Riesenschwan, hernieder,
Die weite Welt bedeckt sein Schneegefieder.
Er singt kein Lied, so sterbensmatt er liegt
Und brütend auf die tote Saat sich schmiegt;
Der junge Lenz doch schläft in seinem Schoß,
Und saugt an seiner kalten Brust sich groß,
Und blüht wohl einst in tausend Blumen auf
Und jubelt einst in tausend Liedern auf.

So steigt, ein bleicher Schwan, der Tod hernieder.
Senkt auf die Saat der Gräber sein Gefieder
Und breitet weithin über stilles Land,
Selbst still und stumm, das starre Eisgewand;
Manch frischen Hügel, manch verweht Gebein,
Wohl teure Saaten, hüllt sein Busen ein; -
Wir aber stehn dabei und harren still,
Ob nicht der Frühling bald erblühen will? - -


X.
Mit dir zu jubeln, taugen wohl die Menschen,
Doch nicht zu weinen. Flammt dir Schmerz im Busen,
O suche dir bei Menschen nicht den Trost!
Der eine gibt dir Liebesschwänke preis;
Wenn eben du die Braut zu Grabe trugst;
Starb all dein Glück, Freund oder Vater, - frägt
Ein andrer gar: Schatz, Sie befinden sich - ?


XI.
So träufle denn, Natur, du mir ins Herz
Des Trostes Balsam! - Doch, fleh' ich umsonst?
Und bleibst unwandelbar du, wenn sich auch
Mein innerst Selbst verwandelt mir entrückt?
Noch glänzet deiner Sonne Strahlenantlitz
Und lächelt, wie zur Lust einst, jetzt zum Schmerz;
Ihr öffnen sich, wie sonst, der Blumen Kelche,
Ihr Bildnis trägt noch stets der Strom am Herzen,
Und lautbegrüßt vom Hain und seinen Sängern,
Erwacht sie stets und schlummert stets hinüber. -
Schön ist dein Antlitz, o Natur, doch kalt,
Kalt, wie die schönen Menschenangesichter,
Und Mitleid spiegelte sich nie darauf.
Denn deine Träne selbst, den Tau, den du
Auf einsam stille Gräber weinst, den träufelst
Zugleich herab du auf des Glücks Paläste.


XII.
Sieh! nun auf ihren Leichenstein setzt flatternd
Ein weißes Täubchen sich. Der Liebe Grüße
Bringt's wohl von fernher ferner Liebe zu;
Jetzt wühlt es mit dem Schnabel sanft im Fittig,
Dann flattert's auf und fliegt ans frohe Ziel.
Dank dir, o Liebesbotin! - Ich verstand;
Du teurer Grabeshügel, sei auch mir
Ein Ruhsitz auf ermüdend rauher Bahn,
Und fort dann rüstig auf betönten Schwingen,
Ans Ziel fort, wo die Liebe meiner harrt! -
(Lyrische Dichtungen I S. 44-49)
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Mit einer Uhr als Angebinde für seine Gemahlin
(1845)

Die Stunden, wo ein Leid dich plagt,
Wo scheu dein Herz das meine flieht,
Wo Schmerz dein liebes Herzlein nagt,
Wo Trennung unsre Pfade schied,
Die Stunden der Disharmonie,
Die zeige diese Uhr dir nie.

Die Stunden, wo die Freude sprießt,
Wo Gottes Segen dich entzückt,
Wo sich dein Herz an meines schließt
Und deine Liebe mich beglückt,
Wo sich erfüllt, was du gehofft,
Die Stunden zeige sie recht oft.
(Lyrische Dichtungen II S. 218)
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Die Brücke

Eine Brücke kenn' ich, Liebchen,
Drauf so wonnig sich's ergeht,
Drauf mit süßem Balsamhauche
Ew'ger Frühlingsodem weht.

Aus dem Herzen, zu dem Herzen
Führt der Brücke Wunderbahn,
Doch allein der Liebe offen,
Ihr alleinig untertan.

Liebe hat gebaut die Brücke,
Hat aus Rosen sie gebaut!
Seele wandert drauf zur Seele,
Wie der Bräutigam zur Braut.

Liebe wölbte ihren Bogen,
Schmückt' ihn lieblich wundervoll;
Liebe steht als Zöllner droben,
Küsse sind der Brückenzoll.

Süßes Mädchen, möchtest gerne
Meine Wunderbrücke schaun?
Nun, es sei, doch mußt du treulich
Helfen mir, sie aufzubaun.

Fort die Wölkchen von der Stirne!
Freundlich mir ins Aug' geschaut!
Deine Lippen leg' an meine:
Und die Brücke ist erbaut.
(Lyrische Dichtungen I S. 30-31)
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Magie

Es hat ein Stern geleuchtet
In kalte dunkle Nacht;
Da sprühten Funken und Flammen,
Die schlugen zur Lohe zusammen,
Zum feurigsten Brand entfacht.

Es ist ein Hauch geflogen
Warm über verödetes Feld;
Aufs neu begann es zu lenzen,
Aufblühte in Blumen und Kränzen,
In Duft und Wonne die Welt.

Es ist ein Ton erklungen,
So innig, so rasch und bang;
In Liedern begann es zu schwellen
Von Nachtigallen und Quellen,
Nie hört' ich so lieblichen Klang!

Ein Rosenblatt ist gefallen
In einen Alpensee;
Sein Spiegel begann zu wallen,
Die kochenden Wellen zu ballen
Im Sturme so wild und jäh.

Dies alles hab' ich erfahren
In meiner seligsten Stund',
Als sich zwei rote Lippen,
Ach, nur zu flüchtigem Nippen,
Gelegt an meinen Mund.
(Lyrische Dichtungen II S. 23-24)
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Verwandlung

1.
Es lag ein lockiger Knabe
Am blüh'nden italischen Strand,
Zum blauen, ewigen Äther
Das flammende Aug' gebannt.

Die Glieder streckten sich wonnig
Im üppig schwellenden Grün.
Die hohen, schlanken Palmen
Umrauschten wie Harfen ihn.

Es schlangen sich Rebengewinde
Von Palme zu Palm' empor,
Draus blickten purpurne Trauben
Wie küssende Lippen hervor.

Es guckten mit gaukelnden Häuptern
Die Rosen aus duft'gem Gesträuch,
Wie blühende Mädchengesichter,
Errötend und nickend zugleich.

Es raschelte fröhliches Leben
Durch schattige Blätternacht,
Gesänge von tausend Kehlen
Sind rings in den Zweigen erwacht!

Besät ist mit silbernen Segeln
Des Meeres unendlicher Plan,
Drauf schimmert die Morgenröte
Als zweiter Ozean.

Der Knabe schaut so selig
Meer, Erd' und Äthergezelt,
Und staunt in den herrlichen Himmel
Und freut sich der herrlichen Welt!

Der Träumer, von allen Wonnen
Italischen Himmels umglüht,
Er ist das Bild meiner Liebe,
Wie sie mir einst geblüht.

2.
Es wallt ein düstrer Pilger
Durch afrikanischen Sand,
Ein schmales Bündel am Rücken,
Den Knotenstab in der Hand.

So weit sein Ruf auch töne,
Kein Ruf, der widertönt!
So weit sein Herz sich sehne,
Kein Herz, das nach ihm sich sehnt!

Bei Gräbern und Pyramiden
Verweilt er gar manche Zeit!
Es mahnt die verwitterte Inschrift
Ihn schöner Vergangenheit.

In staub'gen Papyrusrollen
Liest er das Aug' sich fast blind,
Und liest und enträtselt die Kunde
Von Lenzen, die nimmer sind.

Gern möcht' er in Tempeln beten,
Nur Trümmer findet er mehr!
Altäre und Götter liegen
Zerstückelt am Boden umher.

So wankt er sinnend weiter
Durchs weite, wüste Land!
Rings über ihm glühender Himmel,
Rings um ihn glühender Sand!

Kein Quell, der ihn erquicke,
Kein Baum, der Schatten streut,
Kein Moos, darauf er schlummre,
Kein Strauch, der Früchte beut! -

Wer hätt' in dem finstern Wandrer
Den fröhlichen Knaben erkannt,
Der einst so selig gelagert
Am blüh'nden italischen Strand?
(Lyrische Dichtungen I S. 75-77)
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Name, Bild und Lied
(Drei Wanderer)

Es ziehn drei Gesellen ins Weite hinaus,
Es litt sie nimmer im engen Haus;
Ein jeder doch nahm was Liebes mit sich,
Das hegt' er und pflegt' er gar inniglich.

Der erste ein wackerer Goldschmied war,
Der trug ein Ringlein aus Liebchens Haar,
Das hatt' er gefaßt in Gold und Stein
Und ihren Namen gegraben darein.

Der zweite ein herrlicher Maler war,
Der trug ein Bildnis gar wunderbar,
Es war des Liebchens lächelndes Bild,
Das trug er auf seinem Herzen als Schild.

Ein Dichterjüngling der dritte war
Mit blühendem Antlitz und güldnem Haar,
Trug Bild und Namen im Herzen sein,
Manch schönes Lied noch obendrein.

Und wie sie einst sehn in den Strom hinab,
Sinkt 's Ringlein des ersten ins Wellengrab;
Und wie sie einst stehn auf hohem Turm,
Da raubt das Bildnis des zweiten der Sturm.

Die beiden ringen die Hände sich wund,
Doch jubelnd tönt des Dichters Mund;
Trägt Namen und Bild ja im Herzen sein,
Manch schönes Lied noch obendrein.
(Lyrische Dichtungen I S. 55-56)
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Blätter der Liebe

Liebe will so gerne sprechen,
Doch auch schweigen will sie gerne,
Drum durch Bilder, Blumen, Sterne
Muß sie - schweigend - sprechen.
Blätter und Lieder

Frühling ist's in allen Räumen!
Blüt' und Blume taucht empor,
Und aus Stauden und aus Bäumen
Sprießen Blätter grün hervor.

Jugend blüht auf meiner Wange,
Jugend glüht in meiner Brust;
Blättern gleich im Frühlingsdrange
Blühn mir Lieder aus der Brust.

Blätter saugen aus der Erde
Leben, Farbe, Glanz und Saft,
Flattern wieder zu der Erde,
Wenn sie knickt des Sturmes Kraft.

Aus der Lieb' erblühen Lieder,
Blühn und sprossen auf zum Licht,
Flüchten zu der Liebe wieder,
Wenn der Zeiten Arm sie bricht.

Wenn ein neuer Lenztag blinket,
Blühn die Blätter wieder auf,
Und wenn neue Liebe winket,
Leben neu die Lieder auf.
(Lyrische Dichtungen I S. 19)
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Das Vermächtnis

Hör' des Sterbenden Vermächtnis,
Höre meinen letzten Laut:
Diese Blume, welk und farblos,
Sei als Gabe dir vertraut!

Wie sie teuer, wie sie kostbar,
Dir ist es ja ganz bewußt:
An dem Tag, als mein du wurdest,
Raubt' ich sie von deiner Brust.

Liebchen, laß an deinem Busen,
Laß die welke Blume ruhn,
Einst der Liebe traute Gabe,
Doch des Schmerzens Gabe nun!

Dann wirst du's im Herzen lesen,
Gleich der Schrift im Leichenstein:
Wann und wie sie dir geraubt ward,
Wann und wie sie wieder dein.
(Lyrische Dichtungen I S. 34)
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Unterschied

Horch, Liebchen! wo die Zweige wallen
Des Tränenbaums auf jenes Grab,
Dort ruft ein Chor von Nachtigallen
Sein schönstes Liedchen uns herab.
Sieh, Liebchen! wie aus Felsentrümmern
Des Bächleins Fluten tönend schimmern,
Und Blumen, erst emporgeblüht,
Die Welle kosend übersprüht.

Horch! froh auf Sangesflügeln irren
Die Weste durch den blauen Raum,
Horch, Liebchen! Liebesseufzer girren
Aus jenem blitzgespaltnen Baum,
In seinem Schoß zwei weiße Täubchen!
Der Tauber herzt das zarte Weibchen,
Es scheint, als ob sie wechselweis
Sich stritten um der Liebe Preis.

Sieh! unsre Lust weckt Lust in allen;
Doch wenn du scheidend von mir gehst,
Verstummen bang die Nachtigallen,
Es schweigen Tauben, Quell und West.
Die Weide nur mit ihren Zweigen,
Die seh' ich übers Grab sich neigen,
Rings Felsentrümmer, Wogenschaum
Und dort den blitzgespaltnen Baum.
(Lyrische Dichtungen I S. 23)
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Ihr Name

Ich grub in Gold, ich schnitt in manchen Stein,
In manche Rinde deinen Namen ein,
Und daß er sei geborgen für und für,
Schnitt ich wohl tief, gar tief ins Herz ihn mit.

Die rauhe Rinde tät nicht widerstehn,
Und Gold und Stein, die ließen's gern geschehn;
Jedoch als ich ihn einschnitt in das Herz,
Da gab es - Wunden, - Blut und - Schmerz.
(Lyrische Dichtungen I S. 22-23)
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Verloren!

Ihres Herzens heil'ge Zelle,
Ihres Blickes lichter Stern,
Ihres Wortes muntre Welle
Mir verloren, fremd und fern!

Wißt ihr, wie jetzt dem zumute,
Der, vom Nordpoleis umfaßt,
Einst doch unter Palmen ruhte
Als des Tropenhimmels Gast?

Könnt ihr dessen Leid ermessen,
Der jetzt lechzt im Wüstensand,
Einst an Quellen doch gesessen
In dem grünsten Alpenland?

Könnt ihr fühlen wie der Blinde,
Den einst Gottes Welt entzückt,
Wenn die mitternächt'ge Binde
Jetzt sein lichtlos Auge drückt?

Oder wie der Töne Meister,
Den einst Wohllaut nur umfloß,
Als der tückischste der Geister
Ihm der Tonwelt Pforten schloß?

Dann zu ahnen mögt ihr wähnen
Des verwaisten Herzens Leid,
Sein Erinnern, trostlos Sehnen,
Seine Todeseinsamkeit.

Schließt in eine eh'rne Klammer
Allen Schmerz zusammen ein,
Es erreicht nicht seinen Jammer,
Es umfaßt nicht seine Pein.
(Lyrische Dichtungen II S. 25)
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Vogelsang im Winter

Indes wir im Stübchen, Liebste, hocken,
Und vor den windgerüttelten Scheiben
Des Winters weiße, schwere Flocken,
Im Sturme wirbelnd, vorübertreiben:

Wird jenes Wandervöglein, das freie,
Das du im Sommer gepflegt mit Kosen,
Sich sonnen in Südens Himmelsbläue
Und wiegen sich über Südens Rosen.

Auf grünende Myrten wird sich's schwingen,
Und abends vom Zweig im Mondenscheine
Die Lieder von seinen Fahrten singen
Der horchenden fremden Schwestergemeinde:

"Weit über dem Meer, am Donaustrande,
Dort steht ein Häuschen, ein niedliches, blankes,
Und aus dem Häuschen, am Fensterrande,
Winkt mir ein Mädchen, ein liebliches, schlankes.

Und wenn auf ihren Arm ich dann fliege,
Will fast mich des Nordens Schnee erschrecken,
Als ob auf silbernem Baum ich mich wiege,
Draus fünf der silbernen Zweige sich strecken.

Auf ihren Schultern am Lockenbuge,
Da fehlte nicht viel, daß Stolz mich berückte,
Da meint' ich der Adler zu sein, der im Fluge
Im Sonnenstrahlennetz sich verstrickte!

Und wenn aus der hohlen Hand zum Mahle
Der frische kristallene Born mir quillet,
Da schlürf' ich aus alabasterner Schale,
Wie sie dem Sultan der Sklave füllet.

Und wenn das Körnlein in ihren Lippen,
Mein täglich Brot, mir entgegenblickte,
Da meint' ich Purpurkirschen zu nippen,
Als ich den köstlichen Kern daraus pickte.

Und solches ist wohl in jenen Landen
Die süßeste Speise, das Mahl der Freude;
Denn einer, der oft daneben gestanden,
Der sah mein Picken immer mit Neide."

So wird dein Preis jetzt im Süden klingen!
Heil mir, dem solche Liebste zu eigen,
Von der die Vögel in Afrika singen
Und in Europa die Nachbarn schweigen!
(Lyrische Dichtungen I S. 72-73)
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Die Haarlocke

Kleinod, das als blondes Wölkchen
Einst an meinem Himmel stand,
Einst ein Ring der goldnen Krone,
Die ums Haupt ihr Schönheit wand!

Deucht mir nur ein welkes Blättlein,
Im verfloßnen Lenz gepflückt,
Das in bangen Winterstunden
Mir den Lenz vors Auge rückt.

Und so wird gar oft im Leben,
Was uns längst die Zeit entrafft,
Neu im kleinen uns gegeben,
Fesselnd mit verjüngter Kraft;

So ein Blatt nur von dem Baume,
Der einst Liebende umwallt!
So ein Bild nur aus dem Traume,
Welcher der Geliebten galt!
(Lyrische Dichtungen I S. 34)
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Im Freien

Komm, Mädchen, mit mir Hand in Hand
Dahin zum schatt'gen Blumenstrand,
Dort weht so linde Frühlingsluft
Und hauchet süßen Balsamduft.

Es murmelt traut der nahe Quell,
Es drückt sich liebend Well' an Well',
Am Strand ein junges Blümchen keimt,
An welches mild das Bächlein schäumt.

Dort girren Täubchen sonder Rast
Auf schattig kühnem Eichenast,
Es scheint, als ob sie wechselweis
Sich stritten um der Liebe Preis.

Sieh! wie sich alles freudig regt,
Doch wenn die Scheidestund' uns schlägt,
Ist alles traurig, still, und ach! -
Es schweigen Tauben, Luft und Bach.
(Lyrische Dichtungen II S. 200-201)
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Erste Liebe

Lenz, Lied und Liebe sind Geschwister
An seltner Treue reich;
Zugleich sind sie geboren worden
Und sterben auch zugleich.

Dir allein!

Möchte jedem gern die Stelle zeigen,
Wo mein Herz so schwer verwundet worden;
Aber dir möcht' ich mein Leid verschweigen,
Doch nur dir! denn du allein
Hast den Dolch, der mich vermag zu morden.

Möchte keinem meine Leiden klagen,
Aber dir enthüllen alle Wunden,
Die gar tief mein Herz sich hat geschlagen;
Doch nur dir! denn du allein
Hast den Balsam, der mich macht gesunden.
(Lyrische Dichtungen I S. 21)
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Erinnerung

O Mädchen, das sie hier begraben,
Halb Jungfrau schon und doch halb Kind,
Einst konnte mich dein Anblick laben,
Wie eine Frühlingslandschaft lind.

Vorsprudelnd, wie der Bergquell, flogen
Einst in die Welt die Worte dein,
Demanten stäubend, Regenbogen!
Und doch so hell, gesund und rein!

Wie Rehlein wagten deine Blicke
Heran neugierig, arglos sich;
Scheu flohn, wie jene, sie zurücke,
Wenn nur von fern ein Laurer schlich.

Dir spielten, wogten die Gefühle,
Wie junge Saat, so leichtbewegt,
Die in sich schon der Keime viele
Zu Blüt' und edlem Kerne trägt.

Umflog ein jungfräulich Erröten
Dir leis dein lieblich Angesicht,
Wie Frührot war's auf Blumenbeeten,
Das einen sonn'gen Tag verspricht.

Und jauchztest du des Frohsinns Klänge,
War mir's, als hört' ich über mir
Heimzieh'nder Wandervögel Sänge
Von Südens schönem Lenzrevier.

Und ließest Liebeswort du gleiten
Zu deinem greisen Vater, lag
Im Ohre mir's wie Glockenläuten
An einem schönen Gottestag.

Gedenk' ich dein, seh' ich noch immer
In eine Frühlingslandschaft mild,
Darauf der Abendröte Schimmer
Im Scheidegruße sanft verquillt.

Darüber Abendglockentöne,
Daß mir's von Sternennächten ahnt;
Darüber segelnd goldne Schwäne
Nach einem fernen Südenland.
(Lyrische Dichtungen I S. 78-79)
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Dahin!

Seit du dich von mir gewendet,
Weiß ich erst, was du mir warst;
All der holde Zauber endet'
Und der Wunderring zerbarst.

Als des Hauses gute Stunde
Kamst und gingst du ein und aus,
Fröhlich Wort auf heitrem Munde
Führtest du das Glück ins Haus.

Wie der Lichtstrahl kamst du, Holde,
Der nur leuchten, wärmen mag,
Daß von seinem klaren Golde
Heller noch der hellste Tag;

Wie das Mondlicht kamst du, Süße,
Das nur zu verklären strebt
Und die lichten Silbergrüße
Still in dunkle Stunden webt;

Wie ein Lenzhauch, mit Entzücken
Füllend Fluren und Gemüt,
Der nicht prahlt: ich will beglücken!
Der nur kommt - und alles blüht! - -

Was der Götter Gunst verschwendet,
Kenn' ich jetzt, des Glückes bar;
Seit sie sich von mir gewendet,
Weiß ich erst, was sie mir war!
(Lyrische Dichtungen II S. 24)
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Glück oder Unglück

Sinnend saß ich einst im Stübchen,
Kam zu mir ein lieber Freund,
Freude glänzt' auf seinen Wangen,
Doch das Auge hat geweint.

"Sprich, o Freund, kennst du die Liebe,
Kennst du ihre Gluten nicht?
Ist ihr Strahl des Unglücks Fackel
Oder segnend Friedenslicht? -"

Doch ich wußt' ihm's nicht zu sagen,
Ob sie Unglück oder Glück?
Glück! rief seiner Wange Lächeln,
Unglück! rief sein Tränenblick.

Und als Tag' und Monde schwanden,
Glomm auch mein Herz hell und loh
"Liebe ist's!", rief's mir im Busen,
"Nur die Liebe zündet so!"

Und ihr meint, käm' er jetzt wieder,
Könnt' ich ihm's enträtseln auch:
Ob die Liebe Segensodem,
Oder ob Vernichtungshauch?

Traun! noch könnt' ich's ihm nicht künden,
Ob sie Unglück oder Glück?
Glück! sagt meiner Wange Lächeln,
Unglück sagt mein Tränenblick.
(Lyrische Dichtungen I S. 21-22)
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Vignetten für Liebende

Nimmer zweifl' ich, daß der Liebe
Sich manch sinnvoll Bild gestalte,
Wenn ihr Aug' nur liebend schauet,
Was die Hand mit Liebe malte,
Sei's nun Landschaft, Blume, Schlachtstück,
Was sich ihrem Blick entfalte.

Deutung

Tief im Gewühl des Jahrmarkts
Da stand ein Puppenspiel;
Der Mann, dem es zu eigen,
Der war gar blaß und still.

Mit Schwänken und mit Possen
Ergötzt er wohl den Schwarm;
Er selbst blieb trüb und traurig,
Versenkt in stillen Harm.

Die Menge klatscht' ihm Beifall
Und lohnt' ihm reich mit Gold;
Der Mann blieb trüb und traurig,
Was soll ihm auch das Gold?

Ein Gönner schickt' zur Labung
Manch schönes Faß mit Wein,
Der Mann blieb trüb und traurig,
Was soll ihm auch der Wein?

Ein dritter Kunstentzückter
Sandt' ihm gar einen Kranz;
Der Mann blieb trüb und traurig,
Was soll ihm auch der Kranz?

Ein Mädchen sah von ferne
Zum bleichen Manne hin;
Ihr Auge blieb nicht trocken,
Als naß das seine schien.

Der Mann war nimmer trübe,
Sein Aug' ist heller Glanz;
Erst jetzt gewann Bedeutung
Ihm Wein und Gold und Kranz.

Sein Glas, voll edlen Weines
Schwingt er nun lustverklärt;
Ein Herz ist ja gefunden,
Auf dessen Wohl er's leert.

Ein friedlich Haus zu bauen,
Genügt das Gold ja ganz,
Und in des Mädchens Locken
Fügt sich so schön der Kranz.
(Lyrische Dichtungen I S. 50-51)
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Begegnung

Verschlossen willst du's tragen,
Du willst es nie ihr sagen,
Wovon dein Herz so wund;
Sie wird ja nie dein eigen,
Drum hüte männlich Schweigen
Den Hort im Seelengrund.

Doch da vernimmt dein Lauschen
Leis ihres Kleides Rauschen,
Den Schritt, dir wohlbekannt,
Dies leichtbeschwingte Schreiten,
Wie Feen im Mondlicht gleiten,
Bis selbst sie vor dir stand.

Die Brust wird dir so enge,
Der Atem stockt, es dränge
Heraus kein Wörtchen klein;
Mit Schauern, die beglücken,
Mit Gluten, die erquicken,
Durchfiebert's dein Gebein.

Es will das Knie sich beugen,
Von ihrem Wert zu zeugen,
Zu huld'gen ihrer Macht;
Die Arme möchten fliegen,
Den Liebreiz zu umschmiegen,
Doch hältst du strengen Wacht.

Wie deine Augen leuchten,
Dann wieder mild sich feuchten,
Wie dir die Wange glüht!
Das Herz muß hörbar schlagen;
Wie sich die Pulse jagen,
Wie's durch die Adern sprüht!

Ein Aufschrei aller Sinne
Verrät die stille Minne,
Gibt dein Geheimnis kund;
Und reden solche Zeugen,
Dann spricht mit seinem Schweigen
Viel lauter noch dein Mund.
(Lyrische Dichtungen II S. 21-22)
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Eins und zwei

Warum, o Mutter, o Natur,
Gabst deinem Sohn, dem Menschen nur
Ein Herz du, um in süßen Trieben
Geliebt zu werden und zu lieben,
Und einen Mund nur, um zu küssen,
Und Wonn' und Seligkeit zu saugen;
Jedoch zum Weinen, ach! - zwei Augen? -
(Lyrische Dichtungen I S. 26)
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Der Verlobten

Wenn deine Hochzeit nahet,
Leg' ich ins Grab mich hinein;
Dann fließt doch keine Träne
In euren Freudenwein.

Dann lacht dir keiner ins Antlitz,
Wenn Treue du versprichst;
Brauchst dich nicht zu verstecken,
Wenn du den Brautkranz flichtst.

Und hast du zu wenig Blumen,
Um sie durch den Kranz zu ziehn;
Geh nur zu meinem Grabe,
Da werden wohl einige blühn.
(Lyrische Dichtungen I S. 33)
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Fragen

Wenn die Stern' am Himmel blinken,
Wenn ihr Reigen nächtlich webt,
Künde treu mir, wo der erste,
Wo der Sterne letzter schwebt?

Wenn im regen Wogentanze
Welle mit der Welle tauscht,
O so zeig' mir, wo die erste,
Wo der Wellen letzte rauscht?

Und vermagst du's, so gib Kunde,
Löse mir das Schwerste frei.
Wann im Herzen wohl die Stunde
Erster, - letzter Liebe sei?
(Lyrische Dichtungen I S. 38)
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Träumen und Wachen

Wenn ich Liebchen heiß umfange,
Aug' und Mund nur Liebe spricht,
Tönt des Herzens Ruf so bange,
"Täuscht ein eitler Traum dich nicht?" -

Doch die Stunde hör' ich schlagen,
Wo der Trennung Ruf gebeut,
Und im Herzen hör' ich's sagen:
"Träumer, es war Wirklichkeit!"

Mild in Schlummer eingewieget
Wähn' ich mich an ihrer Brust,
Denn es tönt der Ruf: "Nun trüget
Dich kein Traum in deiner Lust."

Doch des Schlummers Bilder schwinden;
Liebchen ach! ist auch dahin,
Und die Stimme hör' ich künden:
"Traumbild war's, was dir erschien."

Und so sitz' ich denn im Trüben,
Bis die Zeit es einst enthüllt:
Ob wohl Wirklichkeit mein Lieben
Oder bloß ein Traumgebild'?! -
(Lyrische Dichtungen II S. 201)
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Fern und nahe

Weste säuseln deinen Namen,
Rosen zeigen mir dein Bild,
Und die Quelle, süß und mild,
Spiegelt es im Blütenrahmen.

Und in deinen Namen schlingen
Perlen sich im Wiesengrün;
In den Sternen les' ich ihn,
Hör' ihn, wenn die Wellen klingen.

Also, bin ich dir auch ferne,
Bleibst du doch mir ewig nah; -
Doch warum, wenn ich dir nah,
Bleibst du mir, ach! ewig ferne?
(Lyrische Dichtungen I S. 24)
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Die Wunder

Willst du es sehn, wie lohe Flammenglut
Beisammen friedlich wohnt mit Wasserflut,
Wie beide ineinander frei bestehn,
So mußt du ihr ins klare Auge sehn;
Drin wohnt ein Feuer wie die Glut der Sonne,
Draus siehst du, wie aus glühem Flammenbronne,
Oft klar den Perlenquell der Tränen taun,
Kannst Glut in Flut und Flut in Gluten schaun.

Willst du auch sehn den Becher wunderbar,
Draus tötend Gift und Honig süß und klar
Mit einem einz'gen Zug man saugen kann:
O blicke ihren Rosenmund nur an!
Die Wunderbecher sind die Purpurlippen,
Draus Süß und Herb mit einem Zug zu nippen,
Ein Honigseim, der's Herz belebt und nährt,
Ein Gift, das wild am Lebensmarke zehrt.

Und kennst das goldne Wundernetz du nicht,
Wo sich kein Faden in den andern flicht,
Das fest zugleich, wenn locker auch und los,
Manch bebend Herz verstrickt in seinen Schoß?
Siehst du der Lockenhaare goldig Prangen?
Das ist das Wundernetz, das mich gefangen,
Das fest zugleich, wenn locker auch und los,
Mein zitternd Herz verstrickt in seinen Schoß.

Willst du es sehn, wie Ätnas Flammenbrand
Mit Thules eis'gen Schollen sich verband,
Der eine Gottes flammender Altar,
Die andern frostig, kalt und ewig starr?
Das sind wir zwei und unsre beiden Herzen,
Ungleich an Lust, ungleicher noch an Schmerzen,
Das meine wie des Ätnas Brand so heiß,
Das ihre kalt und starr wie Nordpols Eis.
(Lyrische Dichtungen I S. 24-25)
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Alle Gedichte aus: Anastasius Grüns Werke in sechs Teilen.
Zweiter Teil: Lyrische Dichtungen I
Dritter Teil: Lyrische Dichtungen II
Hrsg. von Eduard Castle. Berlin Leipzig Wien Stuttgart
Deutsches Verlagshaus Bong & Co. 1909

 

Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Anastasius_Grün


 

 


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