Otto Friedrich Gruppe (1804-1875) - Liebesgedichte

 




Otto Friedrich Gruppe
(1804-1875)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:

 





Die Rosen und die Nelken,
Und Flieder und Jasmin,
Die müssen wohl verwelken,
Und müssen wohl verblühn.

Die Lieb' ist Gab' und Güte,
Die Lieb' ist keine Pflicht,
Die Lieb' ist eine Blüte -
Verblüht und bleibet nicht!

Die Rosen und der Flieder,
Und Nelken und Jasmin,
Die kommen alle wieder
Und werden wieder blühn.

Nur nicht die Lieb' und Treue,
Wenn sie verloren ist!
Und keimt kein Herz aufs neue,
Das schon gebrochen ist!
(S. 31)
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In meinem Garten blühen mir
Die rothen Rosen nicht,
Und keine glühen mir
Am Baum im Abendlicht.

Und meine Herzgeliebte schenkt
Mir weder Kuß noch Blick,
An der mein Herz und Leben hängt,
Mit allem seinem Glück.

Und will ich bei der Liebsten sein,
Muß ich zum Kirchhof gehn:
Ihr Grab das ist mein Gärtelein,
Worauf nur Myrten stehn.
(S. 34)
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Wie pocht mir vor Lust
Das Herz in der Brust!
Mit den Vögeln möcht's in die Wipfel!
Und hinauf auf der Berge Gipfel!
Und wieder in schäumigen Fällen
Hinab mit den stürzenden Quellen!
Dann aber unten im grünenden Thal
Empor mit des Springquells steigendem Stral!

Ich habe zum Pfand
Den Ring an der Hand!
Heut mag noch manches Begehren
Mit süßer Täuschung sich nähren:
Ja schaut nach der Schönen noch heute,
Morgen wissen es alle Leute:
Heut aber wissen wir's nur allein,
Ich bin schön Röschens und Röschen ist mein!

Wie pocht mir vor Lust
Das Herz in der Brust!
Mit den Vögeln möcht's in die Wipfel!
Und hinauf auf der Berge Gipfel!
Und wieder in schäumigen Fällen
Hinab mit den stürzenden Quellen!
Dann aber unten im grünenden Thal
Empor mit des Springsquells steigendem Stral!
(S. 39-40)
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Ich steh' auf dem Hügel und schau' umher
Ueber Wälder und Felder und über Meer:
Herz, Herz, soweit nur reichet der Blick,
Ist dein zu Füßen das blühende Glück!
Ja mein gehöret die ganze Welt,
Mit Sonn' und Wonn' und mit Wald und Feld.
Zu Lehen vertheilt' ich die Güter umher,
Ich lass' es verwalten, mir ist's zu schwer!

Was seh' ich, da rauschet ein Wagen vorbei,
Mir ist es, als ob es mein Liebchen sei.
Ja freilich, ja freilich, ihr lieblich Gesicht!
Doch ist sie im Sprechen und sieht mich nicht.
Ach leider, ach leider, da hat den Platz
Ein andrer im Wagen bei meinem Schatz!
Nun ist mir zergangen der Muth und die Lust,
Und wieder so arm ist die reiche Brust.
(S. 41)
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Spaziert sie Abends mit der Tante,
Was da mein schönes Liebchen kann!
So vornehm knixt die Elegante,
Und sieht mich kaum ein wenig an.

Ich gehe meines Weges weiter,
Die andern alle bleiben stehn,
Am Arme zupft mich mein Begleiter:
Hast du die Schöne nicht gesehn!

Doch in verwachsner Fliederlaube,
Was da mein trautes Liebchen kann!
Kann kosen, girren wie die Taube,
Wie's Täubchen schnäbeln kann sie dann!
(S. 42)
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Locke nicht so süß und selig,
Süße, süße Schmeichlerin;
Zieht es doch unwiderstehlich
Mich im Busen zu dir hin.

Kommst du, um mich noch zu retten
Aus der Wogen wildem Drang?
Oder willst du nur mich ketten,
Du Sirene von Gesang?

Fliehen will ich! - Wohin fliehen? -
Zuflucht ist bei dir allein,
Und Gefahr und Rettung ziehen
Mich in deinen Arm hinein!
(S. 43)
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Von einer Blum' hab' ich gehört,
Die schnell sich schließt, wenn man sie stört,
Die, wenn ein Bienchen naschet,
Es fangend überraschet,
Und oft den losen Schmetterling
In ihren Blütenarmen fing:
Wie dauert mich das arme Ding
Von Schmetterling!

Und solche Blume nun fürwahr
Ist mein geliebtes Holdchen gar:
Ich wollte sacht nur nippen
Von ihren süßen Lippen:
Sie hatte kein Erbarmen,
Umfing mich mit den Armen.
(S. 44)
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Ja grüße, Freund, mein Mädchen,
Hast du zu wandern vor:
Du kommst wol durch ihr Städtchen,
Da wohnt sie gleich im Thor.

O Freund, da hat mein Liebchen -
Wenn ich sie nicht verlor -
Ihr kleines feines Stübchen
Hoch überm Brückenthor.

Es trägt das schmucke Weibchen
Gescheitelt blondes Haar,
Von schwarzem Sammt ein Leibchen,
Mit Kanten weiß und klar.

Soll nennen dir das Städtchen?
Dich kenn' ich, Bösewicht,
Du Schalk bei hübschen Mädchen,
Du grüß sie lieber nicht!
(S. 45)
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Ach Gott, wer zeigt mir Haus und Gasse,
Wo ich das liebe Mädchen sah!
Hier irr' ich mit der Menschenmasse,
Bin ich ihr fern hier oder nah?

Ich kam bestäubt vom Thor gegangen:
Sie stand vor ihres Hauses Thür,
Ein weißes Tuch um Haupt und Wangen;
Ich fragte sie, sie sprach zu mir.

Sie sprach: Kehrt ein zu den drei Linden,
Und wies den Weg mir freundlich vor:
Nun kann ich nicht zurücke finden,
Und irr' umsonst von Thor zu Thor.

Wer sagt mir's in dem ganzen Städtchen?
Sie sähen mich nur lachend an,
Da ich nur nach dem lieben Mädchen,
Und nach nichts weiter fragen kann.
(S. 46)
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Der Apotheker als Nebenbuhler

'S ist wahr, mit blanken Scheiben
Ist Apothekers Haus
Und immer Leut' und Treiben
Sieht man da ein und aus.
Drum schaut schön Röschen lieber
Den Apotheker an,
Doch mir geht's Herz wol über,
Riech' ich den Salbenmann.

'S ist wahr, in seinen Schränken,
In seinen Büchschen fein
Hat er wohl viel zu schenken
An hübsche Mägdelein.
Ach, wenn ich auch bei Röschen
Allein nur einmal bin,
Riech' ich in ihren Döschen
Den Apotheker drin.

Wo er im Freien schweifet,
Verpestet er die Luft,
Und wo mir nahe streifet
Sein Rock mit strengem Duft,
Wenn ich in ihrer Nähe
Mit tausendfältgem Stank
Den Pillendreher sehe,
Dann wird das Herz mir krank.

Ja läg' ich zum Verscheiden,
Doch machte mich gesund
Sein Trank von allem Leiden,
Nähm' ihn nicht an den Mund.
Und, Röschen, willst ihn küssen,
Röschen! den Salbenmann!
O geh in dein Gewissen
Und nimm mich lieber an.
(S. 47-48)
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Uebelstand

Liebchens Laube die ist zu klein,
Eine Laube die muß für zweie sein,
Und gar die kleine Bank
Ist zerbrechlich und schwach und schwank.

Ach Gott, wir sitzen so eingeengt,
Ach Gott, so nah an einander gezwängt,
Es bräche die Bank, es ist das best',
An einander halten wir gut uns fest.
(S. 49)
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Lebensweise

Nachtigall liebt Busch und Laube,
Würmchen und der Wiese Born,
Nur auf Dächer fliegt die Taube,
Pickt sich Erbse nur und Korn.

Jedes hat so seine Weise,
Die's zum Leben haben muß:
Dichter braucht zu seiner Speise
Immer eines Mädchens Kuß.
(S. 50)
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Kann man's auch den Blumen wehren
Daß sie sich zur Sonne kehren?
Ja so wachsen, ja so ranken
In der Seele die Gedanken
Geliebter! Geliebter, nach dir!

Alle Blumen immer dürfen
Sonne schauen, Sonne schlürfen:
Ich nur muß dich immer meiden,
Darf mein Herz nicht schauend weiden,
Geliebter, Geliebter, an dir!

O begrabt mein Herz doch lieber,
Wälzet einen Stein darüber -
Wie der Keim die Scholle hebet,
Hebt mein Herz den Stein und strebet,
Geliebter, Geliebter, zu dir!
(S. 52)
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Seit ich dich sah, träum' ich immer,
Daß ich wär ein Blütenbaum,
Alle Nacht beim Morgenschimmer
Quält mich dieser bange Traum.

Ach zu dir die Zweige neigen
Und dich grüßen kann ich nicht,
Reden will ich und muß schweigen,
Und du gehst und kennst mich nicht.

Käme doch mit frischem Wüthen
Hergerauscht der Morgenwind,
Daß er alle meine Blüten
Schütten möcht' auf dich geschwind!
(S. 53)
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Die Trepp' hinunter geschwungen
Komm' ich in vollem Lauf,
Die Trepp' empor gesprungen
Kommt er und fängt mich auf:
Und wo die Treppe so dunkel ist,
Haben wir vielmal uns geküßt,
Und niemand hat's gesehen.

Ich komm' in den Saal gegangen,
Da wimmelt's von Gästen bunt,
Wohl glühten mir die Wangen,
Wohl glühte mir auch der Mund:
Ich meint' es säh' mirs jeder an,
Was wir da mit einander gethan, -
Doch niemand hat's gesehen.

Ich mußt' hinaus in den Garten
Und wollte die Blumen sehn,
Ich konnt' es nicht erwarten
In den Garten hinaus zu gehn.
Da blühten die Rosen überall,
Da sangen die Vögel mit lautem Schall,
Als hätten sie's gesehen.
(S. 56-57)
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O Gott, ich glaubt' er grüßte mich,
Wohl dankt' ich ihm geschwinde:
Du armes Herz! er schützte sich
Doch nur den Hut im Winde.

Ich glaubt', er spräng' entgegen mir,
Ich hielt die Arm' ihm offen -
Das galt dem Freund dicht hinter mir,
Und er war sehr betroffen.

Ich barg solang mein liebend Herz,
Nun sprengt' es seine Bande;
Ich trug solang der Liebe Schmerz,
Doch trag' ich nicht die Schande.
(S. 58)
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Du bist der Fluß, der breit vorüberfließet,
Der nie versiegt und nie verdirbt;
Ich bin die Blume, die den Thau genießet,
Die Blume, die an ihrer Blüte stirbt.

Du bist die Sonne, die mit Lichte segnet,
Und die sich ewig neu verklärt;
Ich bin die Wolke, welche zieht und regnet,
Und die in linden Thränen sich verzehrt.
(S. 59)
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Ich kann mich an euch nicht weiden,
Ich kann euch nicht sehn und leiden,
Ihr Myrten, ich muß euch verderben,
Ich schlage die Töpf' in Scherben.
Er nannte mich Braut -
Dich pflanzt' ich zum Brautkranz - schon' ich dein?
Drum mußt du eben zertreten sein!

O mein gepflegter Garten,
Dein kann ich nicht mehr warten:
Ich weiß, wo man alles ganz vergißt,
Sagt nur, wo der See am tiefsten ist!

Ich kann mich an euch nicht weiden,
Ich kann euch nicht sehn und leiden,
Ihr Rosen, ich muß euch zerpflücken,
Entblättern, zerreißen, zerdrücken.
Er nannte mich schön -
Du schönste Knospe, schon' ich dein?
Drum mußt du eben zertreten sein!

O mein gepflegter Garten,
Dein kann ich nicht mehr warten:
Ich weiß, wo man alles ganz vergißt,
Sagt nur, wo der See am tiefsten ist!
(S. 60-61)
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Die Lieb' ist aller Sterne feste Sonne,
Die durch den weiten Himmel Leben sprühet
Und schafft, daß jede Farbe lustig glühet;
Die Wesen dürsten, und sie stillt mit Wonne.

Die Erde wäre sonst nur eine Nonne,
Die Sonn' auf ihren Wangen wär verblühet,
Nur Tod und Winter hätten sich verfrühet:
Die Welt wär nichts als eine finstre Tonne.

Wer zweifelt noch, woher die Lieb' entstamme?
Auf jeglichem Altar ist sie die Flamme,
Und ist die Flamm' auf Vesta's keuschem Heerde.

Nehmt ihrer wahr! Sonst wächst sie ungeheuer,
Verschlingt in Flammen Himmel euch und Erde,
Und überflammet Höll' und Fegefeuer!
(S. 355)
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Wie sündlich, Knospen vor der Blüthe Prangen,
Wie sündlich, Blühte vor der Frucht zu fällen:
Laß ab, unreifem Kusse nachzustellen,
O, wenn du kannst, bezähm ein wild Verlangen.

Weißt du den Kuß auf schönstem Mund dir hangen,
So braucht er Schatten und muß still bei hellen
Thränen erblühn, sich süßen und sich schwellen,
Und langsam reifen bei verschämten Wangen.

Wer gab? wer nahm? Er fällt in trauter Stunde,
Wie reife Frucht, leis' angerührt, zum Munde,
Und für dies Leben ist das Herz erquicket.

Er ist so sanft von stillgeweinten Thränen,
So heiß und ungestüm von herbem Sehnen,
Und süßes Flüstern wird davon ersticket!
(S. 356)
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Was hebt den jungen Busen zum Gesange,
Daß er so mächtig schlägt, so innig klaget?
Die Liebe, die sich nicht zu denken waget,
Und wieder Liebe mit dem starkem Drange!

Schau ich nun aber deine blasse Wange,
Ach, nur ein Schmerz ists, der am Herzen naget,
Und auch dein thränenfeuchtes Auge saget,
Vertraut dem Gram ist dieses Herz schon lange.

Die Kunst ward keinem der mit reinem Munde
Nicht Lieb' und Schmerz aus vollem Kelch getrunken,
Den bittern wie den süßen bis zum Grunde.

Den einen trankst du; hoch mit Sangeslippen
Sollst du der sel'gen Liebe Kelch auch nippen:
Und zünde dir ins Herz ihr heil'ger Funken!
(S. 357)
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Aus: Gedichte von O. F. Gruppe
Berlin Gedruckt und verlegt bei G. Reimer 1835
 


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Friedrich_Gruppe



 

 


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