Victor Hadwiger (1878-1911) - Liebesgedichte




Victor Hadwiger
(1878-1911)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 




Mein Tag

Und tausend Nächte hatten mich genarrt
Da leuchtend lachend kam der Tag! -
Ich starb.
Den Tag der Liebe starb ich
Es war kein Puppenspiel, war kein Hetärenmärchen,
Ein starkes, warmes Glück, ein purpurner Triumph. -
Weltrauschen hört ich, Mutter. Immergrüne Träume
Band ich zum Kranze meiner Feldherrnstirne.
Das ich in Wüsten fand, das Herz,
Auf Marmorstufen führte ich mein Herz,
Wo der Gedanke weint der mich betrog,
In aller Schönheit Fiebergluten
Warf ich mein Herz und taumle, taumle, taumle!
In tausend Nächte tauch ich meinen Fluch!
Das war ein Tag, in seine Adern biß ich mich
Und sog ihn mit der Seele ein.
Ich starb den Tag der Liebe,
Ich starb zu Babel! - Leuchtend sprang
Das Glas, die Scherben klirrten!
Ein König! Ein Triumph! - Ich starb.
Die Garden salutierten.

Aus: Die Aktion Zeitschrift für freiheitliche Politik und Literatur
Herausgegeben von Franz Pfemfert
Nr. 17 Jahrgang 1911 (S. 553)
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Trüber Tag

So graues Wetter in den Gassen
Und schmale, kranke Flammen im Kamin,
An allen Dingen ein Erblassen
Und die Gebärden, müde im Erfassen
Schwanken verworren drüber hin.

Es fliegen ernste Vögel durch dein Land,
Und Lieder, die ihr pflegt und heilig haltet,
Weil sich darin ein liebes Bild gestaltet,
Sie sind mir wie von fern gesandt,
Ein Märchen, sonderbar entfaltet.

Es werden Dinge über uns geschehn,
Die sich in unsre armen Stirnen graben;
Und nur die Stummen werden es verstehn
Mit uns und über uns hinaus zu gehn,
Wenn wir genug verstanden haben.

Die süßen Schläfen komm ich dir zu küssen,
Und deine guten Hände trink ich aus. -
Und für alles, was wir wissen müssen,
Liegt mir ein Kranz bereit zu deinen Füßen
Und Sterne wandern um dein stilles Haus.

Aus: Die Aktion Zeitschrift für freiheitliche Politik und Literatur
Herausgegeben von Franz Pfemfert
Nr. 20 Jahrgang 1911 (S. 619)
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Bewegter Wald

Wie eine große Welle ist der Wald
Und wie das Ringen weiter Seligkeiten
Der Sturm. - -
Dann laß die Schatten meiner Seele untertauchen,
Und mich ins Herz der Erde horchen
Wenn meine Zeit kein Pendel mehr zerreißt -
Und horchen und suchen
Die Spur der Ausgangslosen.

Ein langes, langes Beten wird mein Leben,
Ein Schauen, ein Schauern wird es,
Und endlich kalt und groß
Und dunkel wie der Wald.
Was heiß und licht in meiner Seele war
Ich gabs dem Sturme
Was heiß und licht und sündig
Es rauscht, es rauscht,
Die Augen meiner Seele sehen
Den fernen Zug.
Wie eine Schaar von Wandervögeln
Wie ein beredtes Heer von tausend Drosseln
Aufsteigt aus dem Wacholderhain! -
Euch meine besten Sünden gab ich hin,
Dort - dort - und weiter, weiter -
Sie fliegen um den Mond
Den hellen Hof entlang
Vorbei, vorbei - -
Dort wohnt der liebe Gott. -
Ein langes, banges Beten war mein Leben
Ich hör das Herz der Erde pochen.
"Und gieb mir nur das Eine
Vergieb mir nichts,
Laß dort mein Angedenken weiterrauschen
Die braunen Wandervögel." -
Fühl ich es nicht, wie blaß und braun durchs Nebelmeer
Die weichen Flocken fallen, -
Und Flügelchen um Flügelchen. - - -

Das Herz der Erde pocht
Der Wald ist kalt und groß
Und stumm und schrecklich,
Wie eine schwarze Woge in den Himmel
Greift, gräbt der Wald -
Der Wald rächt mich.

Aus: Die Aktion Zeitschrift für freiheitliche Politik und Literatur
Herausgegeben von Franz Pfemfert
Nr. 21 Jahrgang 1911 (S. 661)
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An stillen Nachmittagen

An stillen Nachmittagen sang ichs in die blauen Lichter,
Wenn meine Mutter murrte, weil ich müßig war,
Ich sang es in den Hohn der Bösewichter
Und blieb ein Dichter und ein Narr.
Es gingen viele, stille Nachmittage
An meinem großen Schmerz vorbei,
Da wurde es zu einer frommen Frage
Ein braver Spruch und bald ein stolzer Schrei.
Ich lernte es von einem Spielmann rasch und froh,
Wie man es singt und nimmermehr vergißt,
Von einem Spielmann, der in einem alten Volkslied wo
An einem Frühlingstraum gestorben ist.
Du lege deinen Kopf in meine Hände
Es dämmert die Dezembernacht,
Und sing' es in der Dunkelheit zu Ende,
Was ich im Lichte mir erdacht.
Ich will mit dir in deine Länder fahren
Und deine leisen Engel sehn;
Dir meine Seele offenbaren
In deiner Seele untergehn.

Aus: Die Aktion Zeitschrift für freiheitliche Politik und Literatur
Herausgegeben von Franz Pfemfert
Nr. 23 Jahrgang 1911 (S. 723)
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In den Lampen leuchten . . .

In den Lampen leuchten meine Geheimnisse,
Meine Psalmen jubeln
Die Grosstaten meiner Liebe.
Mordende Mächte
Sind die schweigsamen Gluten
Und der grosse Tag
Höhnt in den Laternen! -
Ich möchte mich in die Leuchter verirren,
Die Reise deiner Seele zu begleiten,
Deiner bangen Betfahrt
Ein Priester sein.
In den Lampen blutet die Sünde
Weite Seligkeiten haben ihre Rätsel dort. -
Ich möchte dich verlieren und wiederfinden,
Weil du schon bist wie Maria. -
In den Lampen leuchten meine Geheimnisse.
Und der grosse Tag
Lacht in den Laternen.

Aus: Die Aktion Zeitschrift für freiheitliche Politik und Literatur
Herausgegeben von Franz Pfemfert
Nr. 25 Jahrgang 1912 (S. 788-789)
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Begraben

Dann werden tausend tiefe Nächte tauen,
Mit ihrem nassen Schauer mich befühlen,
Und tausend freche, frevelhafte Frauen
Mit großen Augen meinen Leib zerwühlen.
Dann wird ein Feiern sein, ein breites, lautes Lachen,
Bis hart ans Morgenrot.
Dann werf ich meine Sündensiebensachen
In letzter Laune in den Tod.
Bin unter einer Weide wo begraben;
Die Kinder aus dem nächsten Markte haben
Dort ihren Tummelplatz, die Kinder und die Raben.
Und geht's ans Grünen dann, und geht's ans Reifen,
Dann schneiden sich die Jungen kleine Rindenpfeifen.
Ein blasser Blonder hat mich um den Schlaf betrogen,
Er pfiff sein Weinen in die weite Heide - -
Die Raben kreischen auf im Bogen,
Und einsam schleicht der Abend um die Weide.

Aus: Die Aktion Zeitschrift für freiheitliche Politik und Literatur
Herausgegeben von Franz Pfemfert
Nr. 2 Jahrgang 1914 (S. 9)
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Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Victor_Hadwiger



 

 


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