Friedrich von Hagedorn (1708-1754) - Liebesgedichte

Friedrich von Hagedorn

 


Friedrich von Hagedorn
(1708-1754)

 

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:

 


Der Zorn eines Verliebten
Aus Priors Gedichten

Brief und Wink verhießen mir
Schon um Zwey die liebste Schöne;
Doch der Zeiger gieng auf Vier,
Und mir fehlte noch Climene.

So Geduld als Zeit verstrich
Und ich schwur, den Trug zu rächen;
Aber endlich wies sie sich,
Endlich hielt sie ihr Versprechen.

Wie so schön, sagt' ich aus Hohn,
Hast du alles wahrgenommen!
Nur zwo Stunden wart' ich schon:
Konntest du nicht später kommen?

Eines Frauenzimmers Uhr
Braucht nicht Ziefer, braucht nicht Räder:
Schmückt sie Kett' und Siegel nur,
Was bedarf sie dann der Feder?

Da mein Eifer Raum gewann,
Wollt' ich sie noch schärfer lehren;
Doch, was lärmst du? hub sie an:
Wird man mich denn auch nicht hören?

Ach! was hab ich ietzt vor Schmerz
Von der Rosenknosp' erlitten,
Die mir, recht bis an das Herz,
Von der Brust hinabgeglitten!

O wie drückt michs! Himmel, wie!
Hier, hier, in der linken Seite.
Sieh nur selbst: mir glaubst du nie;
Doch was glaubt ihr klugen Leute!

Sie entblößte Hals und Brust,
Mir der Knospe Druck zu zeigen:
Plötzlich hieß der Sitz der Lust
Mich und die Verweise schweigen.
(S. 89-90)
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Der erste May

Der erste Tag im Monat May
Ist mir der glücklichste von allen.
Dich sah ich, und gestand dir frey,
Den ersten Tag im Monat May,
Daß dir mein Herz ergeben sey.
Wenn mein Geständniß dir gefallen,
So ist der erste Tag im May
Für mich der glücklichste von allen.
(S. 84)
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Die Wunder der Liebe

Der Liebe Macht ist allgemein,
Ihr dient ein jeder Stand auf Erden.
Es kann durch sie ein König klein,
Ein Schäfer groß und edel werden.
Tyrannen raubt sie Stolz und Wuth,
Den Helden Lust und Kraft zum Streiten;
Der Feigheit gibt sie starken Muth,
Der Falschheit wahre Zärtlichkeiten.

Der Einfalt schenkt sie den Verstand,
Den sie der Klugheit oft entwendet.
Ein Grillenfänger wird galant,
Wenn sie an ihm den Sieg vollendet.
Des strengen Alters Eigensinn
Verwandelt sie in Scherz und Lachen,
Und diese holde Lehrerinn
Kann auch die Jugend altklug machen.

Ein Spanier vergißt den Rang,
Unedlen Schönen liebzukosen:
Ein junger Franzmann den Gesang,
Den Wahn, das Selbstlob der Franzosen.
Wenn jenen Reiz und Schönheit körnt,
Entsaget er dem Hochmuthstriebe:
Und dieser seufzet und erlernt,
Die Freyheit prahle, nicht die Liebe.

Sie giebt der deutschen Männlichkeit
Die sanfte Schmeicheley beym Küssen,
Den Heiligen die Lüsternheit,
Und auch den Juden ein Gewissen.
Sie fand, so oft sie sich nur wies,
Verehrer in den besten Kennern.
Nur sie entwarf ein Paradies
Den ihr geweihten Muselmännern.

Ja! deine siegende Gewalt,
O Liebe! wird umsonst bestritten.
Dir unterwirft sich Jung und Alt
An Höfen und in Schäferhütten.
Doch meine Schöne hofft allein
Den Reizungen zu widerstehen.
O laß sie mir nur günstig seyn!
Wie wirst du dich gerächet sehen!
(S. 26-27)
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Der Frühling

Der mahlerische Lenz kann nichts so sinnreich bilden,
Als jene Gegenden von Hainen und Gefilden;
Der Anmuth Ueberfluß erquickt dort Aug und Brust:
O Licht der weiten Felder!
O Nacht der stillen Wälder!
O Vaterland der ersten Lust!

Dort läßt sich wiederum, in grünenden Tropheen,
Des Winters Untergang, der Flor des Frühlings sehen;
Sein schmeichelnder Triumph beglücket jede Flur;
Die frohen Lerchen fliegen
Und singen von den Siegen
Der täglich schöneren Natur.

Der Bach, den Eis verschloß und Sonn' und West entsiegeln,
In dem sich Luft und Baum und Hirt' und Herde spiegeln,
Befruchtet und erfrischt das aufgelebte Land.
Dort läßt sich alles sehen,
Was Flaccus in den Höhen
Des quellenreichen Tiburs fand.

Fast jeder Vogel singt; es schweigen Nord und Klage!
Wie schön verbinden sich, zum Muster guter Tage,
Die Hoffnung künftger Lust, der ietzige Genuß!
Ihr stolzen, güldnen Zeiten!
Sagt, ob, an Fröhlichkeiten,
Auch diese Zeit euch weichen muß.

An Reizung kann mir nichts den holden Stunden gleichen,
Da bey dem reinen Quell und in belaubten Sträuchen
Die alte Freundschaft scherzt, die junge Liebe lacht.
Am Morgen keimt die Wonne
Und steiget mit der Sonne
Und blüht auch in der kühlen Nacht.

Es spielen Luft und Laub; es spielen Wind und Bäche;
Dort duften Blum und Gras; hier grünen Berg und Fläche:
Das muntre Landvolk tanzt; der Schäfer singt und ruht:
Die sichern Schafe weiden,
Und allgemeine Freuden
Erweitern gleichfalls mir den Muth.

Es soll den Wald ein Lied von Phyllis Ruhm erfreuen:
Den Frühling will ich ihr und sie dem Frühling weihen.
Sie sind einander gleich, an Blüht und Lieblichkeit.
Ihr frohnen meine Triebe,
Ihr schwör' ich meine Liebe,
Fürs erste bis zur Sommerszeit.
(S. 85-87)
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Der Wunsch

Du holder Gott der süßten Lust auf Erden,
Der schönsten Göttinn schöner Sohn!
Komm, lehre mich die Kunst, geliebt zu werden;
Die leichte Kunst zu lieben weis ich schon.

Komm ebenfalls und bilde Phyllis Lachen,
Cythere! gieb ihr Unterricht;
Denn Phyllis weis die Kunst, verliebt zu machen;
Die leichte Kunst zu lieben weis sie nicht.
(S. 83)
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Die Empfindung des Frühlings

Du Schmelz der bunten Wiesen!
Du neu-begrünte Flur!
Sey stets von mir gepriesen,
Du Schmelz der bunten Wiesen!
Es schmückt dich und Cephisen
Der Lenz und die Natur.
Du Schmelz der bunten Wiesen!
Du neu-begrünte Flur!

Du Stille voller Freuden!
Du Reizung süßer Lust!
Wie bist du zu beneiden,
Du Stille voller Freuden!
Du mehrest in uns beyden
Die Sehnsucht treuer Brust.
Du Stille voller Freuden!
Du Reizung süßer Lust!

Ihr schnellen Augenblicke!
Macht euch des Frühlings werth!
Daß euch ein Kuß beglücke,
Ihr schnellen Augenblicke!
Daß uns der Kuß entzücke,
Den uns die Liebe lehrt.
Ihr schnellen Augenblicke!
Macht euch des Frühlings werth.
(S. 61-62)
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Der Tag der Freude

Ergebet euch mit freyem Herzen
Der jugendlichen Fröhlichkeit:
Verschiebet nicht das süße Scherzen,
Ihr Freunde, bis ihr älter seyd.
Euch lockt die Regung holder Triebe;
Dieß soll ein Tag der Wollust seyn:
Auf! ladet hier den Gott der Liebe,
Auf! ladet hier die Freuden ein.

Umkränzt mit Rosen eure Scheitel
(Noch stehen euch die Rosen gut)
Und nennet kein Vergnügen eitel,
Dem Wein und Liebe Vorschub thut.
Was kann das Todtenreich gestatten?
Nein! lebend muß man fröhlich seyn.
Dort herzen wir nur kalte Schatten:
Dort trinkt man Wasser, und nicht Wein.

Seht! Phyllis kommt: O neues Glücke!
Auf! Liebe, zeige deine Kunst,
Bereichre hier die schönsten Blicke
Mit Sehnsucht und mit Gegengunst.
O Phyllis! glaube meiner Lehre:
Kein Herz muß unempfindlich seyn.
Die Sprödigkeit bringt etwas Ehre;
Doch kann die Liebe mehr erfreun.

Die Macht gereizter Zärtlichkeiten,
Der Liebe schmeichelnde Gewalt,
Die werden doch dein Herz erbeuten;
Und du ergiebst dich nicht zu bald.
Wir wollen heute dir vor allen
Die Lieder und die Wünsche weihn.
O könnten Küsse dir gefallen,
Und deiner Lippen würdig seyn!

Der Wein, den ich dir überreiche,
Ist nicht vom herben Alter schwer.
Doch, daß ich dich mit ihm vergleiche,
Sey jung und feurig, so wie er.
So kann man dich vollkommen nennen:
So darf die Jugend uns erfreun,
Und ich der Liebe selbst bekennen:
Auf Phyllis Küsse schmeckt der Wein.
(S. 13-14)
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An eine Schläferin

Erwache, schöne Schläferinn,
Falls dieser Kuß nicht zu bestrafen:
Doch wenn ich dir zu zärtlich bin;
Schlaf, oder scheine mir zu schlafen.

Die Unschuld, die nur halb erwacht,
Wann Lieb und Wollust sie erregen,
Hat öfters manchen Traum vollbracht,
Den Spröde sich zu wünschen pflegen.

Was du empfindest, ist ein Traum:
Doch kann ein Traum so schön betriegen?
Giebst du der Liebe selbst nicht Raum:
So laß dich dann ihr Bild vergnügen.
(S. 22-23)
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Die verliebte Verzweiflung

Gewiß! der ist Beklagens werth,
Den seine Göttinn nicht erhört;
Dem alle Seufzer nichts erwerben.
Er muß fast immer schlaflos seyn,
Und weinen, girren, winseln, schreyn,
Sich martern und dann sterben.

Grausame Laura! rief Pedrill;
Grausame! die mein Unglück will,
Für dich muß ich noch heut erblassen.
Stracks rennet er in vollem Lauf
Bis an des Hauses Dach hinauf,
Und guckt dort in die Gassen.

Bald, als er Essen sah und roch,
Befragt er sich: Wie! leb ich noch?
Und zog ein Messer aus der Scheiden.
O Liebe! sagt' er: deiner Wut
Weih ich den Mordstahl und mein Blut;
Und fieng an, Brodt zu schneiden.

Nach glücklich eingenommnem Mahl
Erwägt er seine Liebesqual,
Und will nunmehr durch Gift erbleichen.
Er öffnet eine Flasche Wein,
Und lässt, des Giftes voll zu seyn,
Sich noch die zweyte reichen.

Hernach verflucht er sein Geschick,
Und holet Schemel, Nagel, Strick,
Und schwört, nun soll die That geschehen.
Doch, ach! was kann betrübter seyn!
Der Strick ist schwach, der Nagel klein,
Der Schemel will nicht stehen.

Er wählt noch eine Todesart,
Und denkt: Wer sich erstickt, der spart,
Und darf für Gift und Strick nicht sorgen.
Drauf gähnt er, seufzet, eilt zur Ruh,
Kriecht in sein Bett und deckt sich zu,
Und schläft bis an den Morgen.
(S. 17-18)
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Die Vergötterung
An Phyllis

Holde Phyllis, die Göttinnen
(Traue mir die Wahrheit zu)
Waren anfangs Schäferinnen
Oder Mädchen, so wie du.
Eine, die mit blauen Augen
Mehr als Männerwitz verband,
Konnte zur Minerva taugen
Und erwarb den Götterstand.

Dichterinnen hießen Musen
Und entzückten Herz und Ohr.
Reifer Schönen volle Busen
Bildete die Ceres vor.
Die durch Jugend uns ergetzte
Schien, mit Recht, des Tempels werth,
Den man ihr, als Heben, setzte,
Die der stärkste Held verehrt.

Eine ward, in spröder Blässe
Und in strenger Häuslichkeit,
Hüterinn der Feueresse
Und die Vesta jener Zeit.
Die durch Reiz und Unglücksfälle
Sich den Raub der Grobheit sah,
Ward in ihres Ehstands Hölle
Kläglich zur Proserpina.

Majestätische Geberden,
Hoheit, die sich nie vergaß,
Ließen die zur Juno werden,
Die so großen Geist besaß.
Krone, Scepter, Wolken, Pfauen
Mussten ihren Muth erhöhn;
Zum Exempel aller Frauen,
Die das Regiment verstehn.

Ihr so wohlgepaarten Beyde:
Schönheit und Empfindlichkeit!
Und auch du, o süße Freude!
Mund, der lächelnd Lust gebeut;
Rosen aufgeblühter Wangen;
Schlaue Blicke; lockicht Haar!
Ihr nur stellet dem Verlangen
Venus oder Phyllis dar.

Phyllis! ja, in jenen Zeiten,
In der alten Götterwelt,
Wären deinen Trefflichkeiten
Gleichfalls Opfer angestellt:
Gleichfalls würden deinen Wagen
Tauben oder Schwäne ziehn,
Dich die Liebesgötter tragen
Und mit mir nach Paphos fliehn.
(S. 74-76)
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Der Traum

Ich schlief in einem Garten,
Den Ros' und Myrthe zierten,
In dem drey holde Schönen
Den halbentblößten Busen
Mit frischen Blumen krönten,
Die jede singend pflückte.
Bald gauckelten die Spiele
Des Stifters leichter Träume
Mir um die Augenlieder,
Und mich versetzten Morpheus
Und Phantasus, sein Bruder,
Ans Ufer von Cythere.
Der bunte Frühling färbte
Die Blumen dieser Insel;
Der leichte Zephyr küsste
Die Pflanzen dieser Insel;
Und sein Gefolge wiegte
Die Wipfel dieser Insel.
Wie manches Feld von Rosen,
Wie mancher Busch von Myrthen
War hier der Venus heilig!
Der Göttinn sanfter Freuden,
Der Freuden voller Liebe,
Der Liebe voller Jugend.
Ich sah die Huldgöttinnen,
Geführt vom West und Frühling,
Gefolgt von Zärtlichkeiten,
Mit Rosen sich umkränzen,
Sich Mund und Hände reichen
Und ohne Gürtel tanzen
Und bey den Tänzen lachen.
Hier fand ich auch den Amor,
Der seine Flügel sonnte
Die ihm vom Thau befeuchtet
Und so betröpfelt waren,
Als da er seinen Dichter
Anacreon besuchte.
Er wollte von mir wissen,
Wer von den holden Dreyen
Bey mir den Vorzug hätte,
Als mich von jenen Schönen,
Die sich die Blumen pflückten,
Die Schönste lächelnd weckte.
(S. 60-61)
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Die Verliebten

Ihr, deren Witz die Sehnsucht übt,
Und immer seufzet, harret, liebt,
Wie spät erreicht ihr, unbetrübt,
Der Liebe Freuden!

Furcht, Knechtschaft, Unruh und Verdacht,
Der wüste Tag, die öde Nacht
Sind, bis die Lieb euch glücklich macht,
Nicht zu vermeiden.

Wie groß muß ihr Vergnügen seyn!
Wie sehr muß ihr Genuß erfreun,
Wenn edle Seelen ihre Pein
So willig leiden!
(S. 81)
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Die Vögel

In diesem Wald, in diesen Gründen
Herrscht nichts, als Freyheit, Lust und Ruh,
Hier sagen wir der Liebe zu,
Im dicksten Schatten uns zu finden:
Da find ich dich, mich findest du.

Hier paaren sich Natur und Liebe,
Die Jugend und die Fröhlichkeit,
Die Lust und die Gelegenheit:
Und macht Gelegenheit ja Diebe;
So wird der Raub der Lust geweiht.

Die Vögel lieben hier und singen.
Es liebt der in den Lüften schwebt;
Es liebt was kaum der Fittich hebt
Und suchet aus dem Nest zu dringen;
Weil alles nach der Freyheit strebt.

Die Nachtigall in diesen Sträuchen
Gleicht durch die süße Stimme dir;
In ihrer Scherzlust gleicht sie mir:
Und sucht, uns beiden mehr zu gleichen,
Die sichern Schatten, so wie wir.

Die Lerche steiget in die Höhe.
Ihr buhlerischer Lobgesang
Verehrt und lobet lebenslang
Die freye Liebe, nicht die Ehe;
Die stete Wahl, und keinen Zwang.

Wie scherzt und hüpfet durch die Felder
Die oft gepaarte Wachtelbrut!
Die frohen Schläge, die sie thut,
Erschallen in die nahen Wälder
Und tönen nur von Lust und Muth.

Wie buhlen dort die Turteltauben:
Wer kann ihr Girren nicht verstehn?
Die Liebe macht es doppelt schön,
Und will und soll uns auch erlauben,
Das Schnäbeln ihnen abzusehn.

Der Sperling theilt sein kurzes Leben
In Zwitschern und in Lieben ein.
Man weiß, er liebet ungemein:
Will man sein Singen nicht erheben,
So wird er wol zu trösten seyn.

Noch eh wir uns von hier entfernen,
Nimm ietzt nebst mir doch den Entschluß,
Bey jedem Scherz, bey jedem Kuß
Den Vögeln etwas abzulernen,
Das dir und mir gefallen muß.
(S. 19-20)
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Chloris

In jenem zarten Alter,
Als ich mit meinem Schäfchen
Mich noch zu messen pflegte
Und älter war, doch kleiner,
Als mein getreues Schäfchen,
Da folgt ich schon der Chloris,
Wie mir mein treues Schäfchen.
Auch schon in jenen Zeiten
War sie in meinen Augen
Mehr als ein sterblich Mädchen,
Und ist noch eine Göttinn,
Und mir die schönste Göttinn,
Die jemals sichtbar worden.
Einst sagt ich ihr: Ich liebe;
Ich liebe dich, o Chloris.
Dieß war des Herzens Sprache,
Dieß sagten meine Seufzer;
Die kindisch blöde Zunge
Ließ Herz und Seufzer reden
Und fand sich keine Worte.
Doch mich verstand die Schöne
Und schenkte mir ein Mäulchen,
Ein unvergeßlich Mäulchen,
Und sprach zu mir: Du Kleiner,
Du kennst noch nicht die Liebe.
Seitdem entbrannte Chloris,
Jedoch für andre Schäfer.
Seitdem fieng mancher Schäfer
Aus Chloris Augen Feuer.
Seitdem kam ich ins Alter,
In dem wir Menschen lieben,
Wie unsre Väter liebten.
Es reiften meine Jahre,
Es gab mir jeder Frühling
Mehr Zärtlichkeit und Wünsche.

Noch ietzt verehr ich Chloris;
Mir aber ist sie spröde
Und wünscht nicht zu erfahren,
Ob ich die Liebe kenne;
Und jener süßen Stunde
Und ihres kleinen Schäfers
Und ihres holden Kusses
Vergisst die stolze Schöne.
Nur ich kann ihrer Lippen,
Die sie mir lächelnd reichte,
Nur ich kann ihres Kusses
Und ihrer nicht vergessen.
(S. 58-60)
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Mirene

Mirene stund an einer Quelle,
Bey welcher schöne Veilchen blühn,
Und sah um rasche Wasserfälle
Die ungezählte Heerde ziehn.
Die zählte sie mit wenig Freude,
Und sprach: Kaum daß ichs dulden kann;
Bey allen Weibchen, die ich weide,
Treff' ich nur einen Widder an.

Will meine Mutter mich nur hören,
Ihr Schafe, so gelob ich euch,
Ich will bald euer Wohl vermehren,
Und meines auch vielleicht zugleich.
Ich kenne schon aus eignem Triebe,
Wie ungerecht das Glück verfährt,
Wann es der Jugend und der Liebe
Die Freyheit und die Wahl verwehrt.

Nichts auf der Welt ist fast verliebter,
Als Damon, der sich mir geweiht:
Doch auf der Welt ist nichts betrübter,
Als seine trockne Zärtlichkeit.
Er folgt mir, wo ich geh und stehe,
Und kennet noch nicht meine Brust.
Ein solches Lieben gleicht der Ehe:
Allein, ihm fehlt noch ihre Lust.

Er schneidet in die nahen Linden
Wohl zehnmal meines Namens Zug.
Die Mühe kann mich zwar verbinden,
Und ihm scheint auch mein Dank genug.
Mein Lob erklingt auf seiner Leyer;
Mich wecket oft sein Saitenspiel:
Hingegen wird er nimmer freyer,
Und ehret mich vielleicht zu viel.

Ich ehrt' und liebt' ihn selbst vor Zeiten;
Das aber that ich als ein Kind.
Nun wachs' ich auf, und gleiche Leuten,
Die klüger und erfahrner sind.
Wahr ists: mir hat er sich verschrieben.
Soll ich daraus die Folge ziehn:
Ich müsse Damon ewig lieben,
Und keinen lieben, als nur ihn?

Will hier ein Schäfer sich erfreuen:
(Mich däucht, ich merk es ziemlich oft,)
So führet er mich zu den Reihen,
Und tanzt und küsst mich unverhofft.
Ein einzger scheint mir zu gefallen.
Verräth mir Damon seinen Neid,
Ihr Schäfer; ja, so gönn ich allen
Den Kuß, den Damon mir verbeut.
(S. 20-22)
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Hoheit und Liebe

Monarch im Reiche stolzer Thoren,
Dich, hohes Glück, verehr ich nicht!
Mir ward in Phyllis mehr gebohren,
Als alles, was dein Tand verspricht.
Der Traum der Wachenden, die Ehre,
Der Sklavenstand der Eitelkeit,
Schließt dein Gefolg an Höf' und Heere,
Bis es der letzte Schlaf befreyt.

Das Recht, mein Herze zu entzücken,
Und meiner Wünsche Ziel zu seyn,
Räum ich nur einer Phyllis Blicken,
Nur Ihrer seltnen Schönheit ein.
Wie stolz war ich, Sie zu gewinnen!
Auch dieser Ruhm verewigt sich.
Beneidet Sie, ihr Königinnen!
Und, Könige! beneidet mich.

O Phyllis, Seele meiner Lieder!
Mich reizt kein himmelhoher Flug.
Mich liebest Du, Dich lieb ich wieder.
Sind wir nicht beide froh genug?
An treuer Brust, an treuer Seiten
Macht uns die Liebe groß und reich.
Ach sey, an wahren Zärtlichkeiten,
Unendlich jener Taube gleich!

Den Adler sah die Turteltaube,
Die in der Stille girrt und liebt,
Wie ihm Gewalt und Muth zum Raube
In königlichen Thaten übt.
Sie sah ihn Sieg und Ehre finden,
Dem Kranich stolz entgegen ziehn,
Sich heben, kämpfen, überwinden,
Und alle Vögel vor ihm fliehn.

Sie sprach: Ich will dich nicht beneiden:
Sey immer groß und fürchterlich.
Geprüfter Liebe süße Freuden!
Nur ihr allein beglücket mich.
Mir will ich keinen Sieg erwerben,
Als den mein Gatte mir gewährt.
Mit ihm zu leben und zu sterben
Ist alles, was mein Wunsch begehrt.
(S. 82-83)
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Doris und der Wein

O Anblick, der mich fröhlich macht!
Mein Weinstock reift, und Doris lacht,
Und, mir zur Anmuth, wachsen beyde.
Ergetzt der Wein ein menschlich Herz,
So ist auch seltner Schönen Scherz
Der wahren Menschlichkeit ein Grund vollkommner Freude.

Was die Empfindung schärft und übt,
Was Seelen neue Kräfte giebt,
Wird unsre heisse Sehnsucht stillen.
Wie reichlich will die mildre Zeit,
Die sonst so sparsam uns erfreut,
Den tiefsten Kelch der Lust für unsre Lippen füllen.

Der Wein, des Kummers Gegengift,
Die Liebe, die ihn übertrifft,
Die werden zwischen uns sich theilen.
Wer mir der Weine Tropfen zählt,
Nur der berechnet unverfehlt
Die Küsse, die gehäuft zu dir, o Doris! eilen,

Weil deine Jugend lernen muß,
So laß dich meinen öftern Kuß
Die Menge deiner Schätze lehren.
Gieb seinem treuen Unbestand
Stirn, Augen, Wangen, Mund und Hand,
Und laß ihn jeden Reiz, der dich erhebt, verehren!

Uns klopft ein Vorwitz in der Brust,
Der stumme Rath ererbter Lust,
Der Liebe Leidenschaft zu kennen.
O lerne meine Holdinn seyn!
Ich schwöre dir, bey Most und Wein,
Mich soll auch Most und Wein von keiner Doris trennen.

Es mögen künftig Wein und Most
Des trägen Alters Ernst und Frost
Durch feuerreiche Kraft verdringen!
Alsdann ertönt für sie mein Lied;
Itzt, da die Jugend noch verzieht,
Will ich allein von dir, auch in der Lese, singen.
(S. 94-95)
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Die erste Liebe

O wie viel Leben, wie viel Zeit
Hab ich, als kaum beseelt, verlohren,
Eh mich die Gunst der Zärtlichkeit
Begeistert und für dich erkohren!
Nun mich dein süßer Kuß erfreut,
O nun belebt sich meine Zeit!
Nun bin ich erst gebohren!
(S. 80)
_____


 

Die Rose

Siehst du jene Rose blühen,
Schönste! so erkenne dich!
Siehst du Bienen zu ihr fliehen,
Phyllis! so gedenk an mich.
Deine Blühte lockt die Triebe
Auf den Reichthum der Natur,
Und der Jugend süße Liebe
Raubt dir nichts, und nährt sich nur.
(S. 87)
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Die Schönheit

Wie lieblich ist des heitern Himmels Wonne,
Der reine Mond, der hellen Sterne Heer,
Aurorens Licht, der Glanz der güldnen Sonne!
Und doch ergetzt ein schön Gesicht weit mehr.
Der Tropfen Kraft, die Wald und Feld verjüngen,
Belebt sie kaum, wie uns ein froher Kuß,
Und nimmer kann ein Vogel süßer singen,
Als uns ein Mund, den man verehren muß.

Eleonor! auf Deren zarten Wangen
Der Jugend Blüht in frischen Rosen lacht,
Und Zärtlichkeit, Bewundrung und Verlangen
Dir, und nur Dir so zeitig eigen macht;
Ob Psyche gleich die Liebe selbst regierte,
Als sie, mit Recht, des Gottes Göttinn hieß;
So glaub ich doch, daß ihn nichts schöners rührte,
Als die Natur in Deiner Bildung wies.

Dein Auge spielt und Deine Locken fliegen
Sanft, wie die Luft im Strahl der Sonne wallt;
Gefälligkeit und Anmuth und Vergnügen
Sind ungetrennt von Deinem Aufenthalt.
Dir huldigen die Herzen muntrer Jugend;
Das Alter selbst beneidet Deinen Witz.
Es wird, in Dir, der angenehmsten Tugend,
Und nirgend sonst der angenehmste Sitz.

Man schmeichelt mir, daß, in zufriednen Stunden,
Eleonor auch meine Lieder singt,
Und manches Wort, das viele nicht empfunden,
Durch Ihre Stimm' in aller Herzen dringt,
Gewähre mir, den Dichter zu beglücken,
Der edler nichts als Deinen Beifall fand,
Nur einen Blick von Deinen schönen Blicken,
Nur einen Kuß auf Deine weisse Hand.
(S. 79-80)
_____


 

Der Kuß

Wie unvergleichlich ist
Die Schöne, die recht küsst!
In ihren Küssen steckt
Was tausend Lust erweckt.

Den Mund gab die Natur
Uns nicht zur Sprache nur:
Das, was ihn süßer macht,
Ist, daß er küsst und lacht.

Ach, überzeuge dich
Davon, mein Kind! durch mich
Und nimm und gieb im Kuß
Der Freuden Ueberfluß.
(S. 76-77)
_____


 

Alle Gedichte aus: Des Herrn Friedrichs von Hagedorn
sämmtliche poetische Werke Dritter Theil
Carlsruhe bey Christian Gottlieb Schmieder 1775


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_von_Hagedorn

 

 


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