Julius Hammer (1810-1862) - Liebesgedichte




Julius Hammer
(1810-1862)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 



Von dir, von deinem zauberreichen Bilde
Hab' ich, Geliebte, diese Nacht geträumt,
Und siehe, als der Morgen kam und milde
Den Horizont mit sanftem Roth gesäumt, -
Da war mein Herz in der Brust verschwunden,
Ich hab' es in Rosen verwandelt gefunden!

Frohlockend sprang ich auf von meinem Pfühle,
Und angeweht von frischer Morgenluft,
Eilt' ich hinaus mit trunkenem Gefühle,
Da grüßte mich der Auen Blumenduft; -
Ihr buntes Alltagsgewand war verschwunden,
Ich hab' es in Rosen verwandelt gefunden!

Mich dem Gefühl, dem süßen, überlassen
Und in mich selbst wollt' ich zurückegehn;
Doch die Gedanken, die ich wollt' erfassen,
Ich suchte sie vergebens zu erspähn: -
Zu preisen dich, waren sie alle verschwunden,
Ich hab' sie in Rosen verwandelt gefunden!
(S. 7)
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Weißt du, warum, du reizendes Wesen,
Sich meine Brauen krümmen in Bogen?
Weil sie im Buche der Schönheit lesen,
In tiefe Betrachtung zusammengezogen.

Auf deinen Wangen, den Rosenblättern,
In deiner Augen schwarzen Sternen
Kann ich aus wunderbaren Lettern
Das Unaussprechliche deuten lernen.
(S. 8)
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Deiner Locken süße Düfte
Rauben mir die losen Lüfte,
Tragen sie auf leisen Schwingen
Hin zur Hyacinthenblume,
Flüsternd: Wahre, was wir bringen,
In des Kelches Heiligthume!
(S. 9)
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Geliebte, deiner Schönheit Brief
Hat Gott geschrieben inhalttief;
Sollt' ich nun nicht mich sehnen müssen,
Voll Inbrunst Gottes Hand zu küssen?
(S. 9)
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Deine Locken sind wie schwarze Zeichen
Einer Schrift, die tiefen Sinnes voll,
Neulich, als aus deinem faltenreichen
Schleier plötzlich eine Locke quoll,
War mir's, als ob ein Gedicht der Liebe
Gottes Hand auf eine Lilie schriebe.
(S. 10)
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Ich sah im Traum, wie deines Silberleibes
Cypresse das Gewand verlor;
Da war es mir, als trät' aus nächt'ger Wolke
Plötzlich der Mond hervor.
(S. 10)
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Als gestern die Nachtigall
Mein Lied gesungen,
Da hat der süße Schall
Die Rosenknospen all'
Im Hain bezwungen.

Sie kamen schnell hervor
Aus ihrer Hülle
Und lauschten mit leisem Ohr,
Und blühten sacht empor
In duft'ger Fülle.

Mein Herz, von Liebe wund,
War im Gesange;
Er that's dem Frühling kund,
Nach welchem Purpurmund
Der Sänger bange.
(S. 11)
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Es fliegt, ein loser Schmetterling,
Um deiner Schönheit Licht
Mein liebekühnes Herz und scheut
Den Tod in Flammen nicht.

Und müßt' es in der Glut vergehn, -
Wer in der Schönheit stirbt,
Er stirbt nur, daß er ihr gehört
Und Leben sich erwirbt.
(S. 12)
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Mein Herz, war's nicht ein ungebändigt Roß,
Das seine Freiheit zügellos genoß!
Doch nun verschmäht es seiner Freiheit Flügel
Und trägt, ein stolzer Sklave, deinen Zügel.

O sporn' es, reizende Bezwingerin;
Von dir gelenkt, wie fliegt es kühn dahin!
Dein ist die Bahn, ich seh' sie lockend glänzen -
Es ist die Bahn der Schönheit ohne Grenzen.
(S. 13)
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Hältst du dein Händchen blütenweiß
Dir vor die Stirn, die klare,
Glaub' ich, fünfzeilige Inschrift sei's
Ueber dem Hochaltare.
(S. 14)
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Als du, Geliebte, meiner Verse Reihn,
Die schimmernden, mir jüngst gelesen hast,
Dacht' ich: sie müssen echte Perlen sein,
Sonst wären sie nicht in Rubin gefaßt.
(S. 14)
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Die Zähne zu schildern in deinem Mund,
Vertiefte sich meine Phantasei
O, in ein Meer von Schwärmerei,
Herniedertauchend bis zum Grund.

Da hat dem Blicke sich aufgethan
Die rosigste Muschel wunderbar,
Und Perlen fand ich rein und klar,
Wie noch kein Taucher im Ocean.
(S. 15)
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Vom Dache ihres Hauses rann
Der Frühlingsregen;
Schnell eilt' er nach dem Ocean
Auf Blumenwegen.

Der Mächt'ge flutet' auf, gequält
Von Liebessehnen,
Als ihm der kleiner Schelm erzählt
Von ihren Zähnen.

Und sieh, den Muscheln in der Flut,
Den stillen, schlichten,
Erfaßt die Brust Begeistrungsmuth,
Perlen zu dichten.
(S. 16)
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Wind, führet dich dein Lauf
Zu meiner Liebsten Locken,
O, wühle sie nicht auf,
Zerstreu' sie nicht in Flocken!

Du könntest, was dein Scherz
Entführt, ihr nicht ersetzen;
Denn drinnen ist mein Herz
Mit seiner Liebe Schätzen.
(S. 17)
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Nach Asiens himmlischen Gewässern
Trägt mich hinüber mein leichter Kahn;
An Asiens himmlischen Gewässern
Darf ich ihr ohne Späher nahn.

Wie nach der Wiege des Glücklichgebornen
Segnende Sterne schaun in der Nacht,
So schaut nach der Barke des Erkornen
Jetzt ihrer Augen Sternenpracht.

Noch ist umwölkt das Gestirn voll Segen,
Allein mein Kommen entschleiert es leicht;
Glanzvoll lacht mir der Himmel entgegen,
Wenn die Geliebte die Hand mir reicht.

Matraki! flüstert sie, Fremdling aus Norden,
Matraki! haucht's von den Bäumen herab;
O, wie so schnell vertraut geworden
Ist mir der Name, den sie mir gab!
(S. 18)
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Ein Garten zur Blütenzeit beim Sternenlicht
Ist, süßes Mädchen, dein holdes Augenlicht.

Dein schwarzes Lockenhaar in ernster Pracht,
Erfüllt von Wohlgerüchen, ist die Nacht.

Und in der Nacht zwei leuchtende Wundersterne,
Schöner als alle Gestirne der Himmelsferne.

Wie die Terrasse schimmert im Mondesscheine,
So schimmert die Stirn dir, die sanft umschattete, reine.

Platanen neigen sich gegeneinander in Bogen:
Sie sahen die Lilien deiner Brau'n gezogen.

In ihrem Schatten erhebet stolz und mild
Sich eines Hügels schön geformtes Bild.

Dem frischerblühten Rosengeheg am Teich,
Wo Schwäne ruhn, sind deine Wangen gleich.

Wie zwischen Granatglut schimmert der springende Quell,
So blinkt es von Perlen, wenn du lächelst, hell.

Doch süßer als Paradiesblütenduft
Würzt deines Purpurmundes Hauch die Luft.

Und wo das lieblichste Plätzchen im Garten sei
Für glücklich verschwiegene Liebeständelei?

O, könnt' ich berühren nur einmal dein schelmisches Kinn
Und, Mädchen, dir sagen, wie heiß ich von Liebe bin!
(S. 19-20)
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Auf, glücklich Briefchen, schwinge dich in der Liebe Reich
Mit ambraduft'gem Fittich, dem edlen Humaj gleich!
Dem schönen Wundervogel, der hoch und höher schwebt,
Der nie berührt die Erde, der nur von Aether lebt,
Und dessen Zauberschatten, streift er ein Menschenhaupt,
So mild weht, daß es plötzlich im Paradies sich glaubt.
Flieg' hin, mein Liebesbote, Geheimnißhüter, treuer,
Genährt, durchglüht, beflügelt von meines Herzens Feuer,
Berühr' der Liebsten Wangen mit schmeichelndem Gefieder,
Und laß dich ihr zu Füßen - du bist im Himmel - nieder.
(S. 21)
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Du Reicher, der mich Bettler schilt,
Du kennst nicht meinen Werth!
Weißt du, was meine Seele gilt,
Der vollstes Glück beschert?

Und wäre dein auch eine Welt,
Doch würd' ich reicher sein:
Mehr ist mir als die ganze Welt
Die Heißgeliebte mein!
(S. 22)
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Ich bin verwandelt um und um,
So eigen ist mir zu Sinn,
Daß ich mich frag': Ist auf einmal
All' deine Weisheit hin? -

Mein ist das Herz, die Locke dein,
In der es gefangen sich;
Sie fesselt eines Thoren Herz,
Ach, und der Thor bin ich!
(S. 23)
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Aus einem Weisen ward ein Thor,
Der nun der Liebe Preis weiht;
Was hilft, da dies mein Schicksal ist,
Mir alle meine Weisheit?

Und wenn die Weisheit nicht versteht
Der Liebe süßes Treiben,
So will ich lieber, was ich bin,
Ein Thor für immer bleiben.
(S. 24)
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Ich sprach: Geliebte, reich' mir deine Lippen;
Wer sagt dir, daß die Küsse schaden sollen? -

"Geliebter", sprach sie, "reicht' ich dir die Lippen,
So würdest du mich auch umarmen wollen!" -

Und weiter sprach ich: Diese starken Arme,
Sie werden auch dich schützen und vertreten! -

"O, stärker", sprach sie drauf, "sind meine Arme,
Wenn ich sie frei erheben darf zum Beten!"
(S. 25)
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Ein leibgewordener Geist erscheinst du, Zauberin,
Ros' aus dem Paradies und Lilie und Jasmin!

Ein wunderbares Spiel von Farbenschmelz und Licht
Webt, süßer Reize voll, auf deinem Angesicht.

Gleich zweien Bogen sind die stolzen Augenbrauen,
Der Augen funkelnd Paar wie Schützen anzuschauen.

Nein, wie der Venus Glanz, der liebestrahlenreichen,
Die mit geheimer Macht wirkt in des Schützen Zeichen.

Und jenes Muttermal, - ein Mohrenknabe liegt
An einem Silberleib vertraulich angeschmiegt.

Dein schlanker Wuchs steigt auf, hochstämm'gem Buchsbaum gleich,
In dessen vollem Laub die Anmuth hat ihr Reich.

O, nicht aus niederm Thon kannst du geschaffen sein,
Der Urstoff deines Seins ist Seele himmlisch rein!
(S. 26)
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Dein Mündchen ist eine Perlenschrift,
Die blitzend in die Herzen trifft;
Dein Haar ist eine lange Sage
Voll traurig süßer Liebesklage;
Andächt'ge Gebete sind deine Brauen,
Die Brücken in den Himmel bauen;
Die Wimpern sind wie Epigramme,
Aus denen hervorschießt Geistesflamme;
Die Stirn ist wie ein Titelblatt,
Das hinter sich die Weisheit hat;
Dein Kinn - ein rührend Scherzgedicht,
Das lächelnd von ernsten Dingen spricht;
Und deine Wangen - ein ganzer Diwan
Von Liedern, rosig aufgethan. -
O Buch der Schönheit ohne gleichen
Voll welterleuchtender Himmelszeichen,
Laß mich in dir des Lebens Wesen,
Des Lebens tiefst Geheimniß lesen!
(S. 27)
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Du bist der Sonne Prangen, du bist des Mondes Milde;
Jupiter's Schönheit bist du, die glänzt aus deinem Bilde.

Nun strahlt die Welt und leuchtet in deinem Widerscheine,
Und wird von deinen Lippen zum blühnden Rosenhaine.

Dein Antlitz lächelt Güte, und Kraft beseelt dein Wesen,
Gedicht, darin erhaben dein Schöpfer ist zu lesen.
(S. 28)
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Als du plötzlich aus dem Dunkel
Der Cypressen tratest, däuchten
Wie ein spielend Blitzgefunkel
Deine Augen mir zu leuchten.

Zwischen Todtenmälern, düstern,
Scheinst du Genius des Lebens;
Jede Inschrift hör' ich flüstern
Von der Anmuth deines Schwebens.

Brauenbogen, lasset fliegen
Eure Pfeil' in diesen Räumen,
Daß die Schläfer, die hier liegen,
In das Paradies sich träumen.
(S. 29)
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Ein Doppelvers sind deine Augenbrauen
Ueber zwei hell aufflammenden Altären;
Gern wollt' ich ruhig lesend mich erbauen,
Wenn nur die Flammen nicht so nahe wären!
(S. 30)
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Sinnbilder der Schönheit sind die Brücken,
Zum Land der Wahrheit hingezogen;
Drum wandelt rastlos mein Entzücken
Auf deiner Augenbrauen Bogen.
(S. 30)
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Enthülle, Geliebtester, dein Angesicht,
Erleuchte den Himmel und die trübe Erde;
Verwandle die Welt mit deiner Augen Licht,
Daß sie zum himmlischen Paradiese werde!

Laß deine süßen Lippen sich öffnen schnell,
O Jüngling, löse dein Haar voll Ambradüfte;
Laß strömen deiner Rede göttlichen Quell,
Erfülle mit lieblichem Geruch die Lüfte!

Dann sprich zum Zephyr nur ein Wörtchen leis,
Und fliegen wird er rasch auf leichten Schwingen,
Mit deinem Reiz begabt, auf dein Geheiß
Durch seinen Hauch dir China zu bezwingen!

Entsagen will ich der Eitelkeit fortan,
Denn sie ist schwächlich weibische Begierde,
Und werden will ich wie der Geliebt' - ein Mann,
Wie er so einfach, schmucklos, ohne Zierde.
(S. 31)
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So bist du mein im Glauben süßer Liebe,
So bin ich dein, du Schönheitsbild der Liebe,
In einem Glauben sind wir treu verbunden!
Durchweht von Isa's Wunderhauch der Liebe,
Hast, Leila, du den Weg zu mir gefunden,
Denselben Weg zum Paradies der Liebe,
Den mir Riswan* gekommen zu bekunden.
Krank waren wir, eh' Einheit unsrer Liebe
Zur reinsten Seligkeit uns ließ gesunden;
In uns erfüllt ist das Gesetz der Liebe,
Und jeder Zwiespalt mächtig überwunden;
So hat der Gott der Schönheit und der Liebe,
O Schönheitsbild, uns gnadenvoll verbunden!
(S. 32)

* Riswan: Der Hüter des Paradieses

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Jetzt weiß ich, was mein Herz so fest gebunden, -
Ein Haar aus deinen Locken hat's umwunden!
Rehaugen, schüchtern sanfte, wären dein?
O nimmer, - Zauberaugen müssen's sein!
Auf deinen Rosenlippen sucht mein Herz
Den Balsam der Genesung, - doch gefunden
Hab' ich nur spitze Pfeile, die verwunden;
Du lächelst glücklich, - doch mein Los ist Schmerz!

Wenn mir dein Mund, einladend zu Genüssen,
Entgegenblühet mit willfähr'gen Küssen,
Gleichwie die Frühlingsrose zart bethaut -
Dann wird es rings von Nachtigallen laut,
Die dich in wechselndem Gesange grüßen!
Du lässest zwar mit heißern Leiden büßen,
Als Gift, den Armen, der dich lieben muß,
Doch süßer als der Honig ist dein Kuß!
(S. 35)
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Du bist zu stolz! O nein, du gleichest nimmer
Dem kleinen Bächlein dort im Rosenhaine!
Weiß ist dein Antlitz, wie sein Silberschimmer,
Doch kalt und hart dein Herz, wie seine Steine.

Du bist zu stolz! O nein, du gleichest nimmer
Der duft'gen Blüte, die der Westwind küßte;
Frisch glänzt auf deinen Lippen Rosenschimmer,
Doch deine Seel' ist öd' wie eine Wüste.
(S. 36)
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Laßt mich mit der Geliebten, mein Mädchen kennt mich wohl!
Die Nachtigall läßt klagen, die Rose kennt sie wohl!
Frag', Arzt, mich um die Wunden von ihrer Locken Schlangen, -
Schlafloser Nächte Qualen, der Kranke kennt sie wohl!
Der Zephyr geizt um Stäubchen, darauf ihr Fuß gegangen, -
Den Werth der duft'gen Ambra, der Kaufmann kennt ihn wohl!
O Rose, willst du hören von heißem Liebesbangen,
Die Nachtigall laß singen von Schmerz, sie kennt ihn wohl!
(S. 37)
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Da du mir das Herz genommen,
Nimm nun auch der Seele Leben;
Denn was soll mir dieses frommen,
Seit ich jenes hingegeben?

Oder gib mein Herz zurücke,
Gib es mir zurück mit deinem,
Und zu tausendfachem Glücke
Leben beide wir in einem.
(S. 38)
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Das Paradies ist hier,
Wo die Geliebte weilt;
Doch ach, was frommt es mir,
Wenn mich ihr Kuß nicht heilt?

Im Paradieseshain,
Wie himmlisch er auch prangt,
Kann der nicht selig sein,
Der Gott zu schaun verlangt.
(S. 39)
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O du mein liebstes Traumgebild,
Die blasse Furcht ist nicht in dir:
Geschirmt von deiner Schönheit Schild,
Kommst du in finstrer Nacht zu mir!

O du mein liebstes Traumgesicht,
Du bringst mir Leben, Licht und Lust,
Und nimmt dich mir das Morgenlicht,
Wird's finstre Nacht mir in der Brust.
(S. 40)
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Wie oft mich auch dein Auge mocht' erblicken,
Mich kannt' es nimmer doch.
Kein Wunder ist's - nach solchen Zauberblicken,
Kenn' ich mich selbst denn noch?
(S. 41)
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Ausspendend ringsum Lust und Wonne,
An makelloser Schönheit reich,
Bist du vollkommen wie die Sonne,
Doch ach, wie sie, auch gegen jeden gleich!
(S. 41)
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Sie alle, die das Gift getrunken
Der Sehnsucht, ach, nach deinem Mund,
Sind welk und bleich dahingesunken,
Im heißen Herzen todeswund.

Verzehrt hat sie die Glut, die rasche,
Doch noch im Tod ist Liebe reich;
Man fand in ihrer kalten Asche
Rubinen, deinen Lippen gleich.
(S. 42)
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Sie spann - ich konnte den Blick nicht wenden -
Mit ihren kampherweißen Händen
Ein Netz, ein schlingenreiches,
Ein ambraduftend weiches;
Drin sah ich gefangen
Ein Wesen kraftlos hangen.
Verschmachtend rang es,
Doch ach, das Mädchen,
Nur mutrer schlang es
Die seidnen Fädchen.
Mit wem, Grausame, fragt' ich da,
Treibst du so quälenden Scherz? -
Sie sprach: Du weißt, was dir geschah;
Das Netz sind meine Locken ja,
Darin sich fing dein Herz!
(S. 43)
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Nimmer seh' ich die Geliebte,
Aber klagen kann ich nicht;
Denn mich selbst betracht' ich staunend
Mit des innern Auges Licht.

Liebekrank im tiefsten Herzen,
Fühl' ich leidend süße Lust,
Und ein Balsam wunderthätig
Ist die Qual in meiner Brust.

Welch ein zauberhaftes Siechthum,
Das Gesundheit nicht verlangt,
Welch ein ruheloses Treiben,
Dem es nicht nach Frieden bangt!

Hat die Trennung auch wie Asche
In die Winde mich versprüht,
Flammenlodern ist geblieben,
Das mein Wesen heiß durchglüht.

Ssofi, der, der Lieb' entsagend,
Ihrem Schmerze feig entwich
Und nach Eden trägt Verlangen,
Einen Thoren schelt' ich dich.

Tausend Himmelsparadiese
Gibt der Dichter hin entzückt
Für die Wonne, die ihn quälet,
Für die Qual, die ihn entzückt!
(S. 44-45)
_____



Wend' ich zu dir die Augen, - schnell ergossen,
Sind sie zwei Seen, die wogend überschwellen;
Das Paradies ist leuchtend mir erschlossen
Auf deinem Angesicht, dem himmlisch hellen.

Wenn ich, entzückt vom Bilde deiner Wangen
Und deiner Locken, durch die Haine walle,
So scheinen mir die Hyacinthen Schlangen
Und fahle Dornen nur die Rosen alle.

Spann' an den Bogen deiner Augenbrauen
Den Faden meines Herzens, festgezogen,
Und staunend wird die Welt das Wunder schauen
Und preisen hoch den neuen Liebesbogen.

Zu den Narzissen deiner Augen sage:
Was bergt ihr euch in Locken, schelm'sche Lichter?
O blickt, daß er zu hoffen wieder wage,
Blickt freundlich einmal doch auf euern Dichter!
(S. 46)
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Ein Pfeil, ein ungeahnter, weh',
Schießt hin dein Blick, verderblich Allen!
Er stellt sich schüchtern wie ein Reh,
Um kühn, wie Löwen, anzufallen.
(S. 47)
_____



Wie schnellen Wandel doch erdulden muß
Mein armes Herz, das nimmer ruht!
Zur Rose wird's durch deiner Blicke Gruß,
Von dir getrennt ist's Feuerglut.
(S. 47)
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Des Herzens Spiegel hielt ich rein -
Für Liebe, - ach, was frommt mir's auch?
Kein liebend Wesen schaut hinein,
Nun trübt er sich durch Seufzerhauch!
(S. 48)
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Liebeschmachtend und geliebtes Herz
Sind wie Herbst und Frühling unterschieden;
Jener beugt sich welkend niederwärts,
Dieser blüht, ein Paradies hinieden.
(S. 48)
_____



Nicht inne hält mein Thränenquell,
Zu netzen des Herzens Wunden,
Damit sie immer frisch und hell
Mein Liebesweh bekunden.

So blühet roth der Rose Brust,
Getränkt von lichtem Thaue,
Damit auf ihren Glanz mit Lust
Der Liebsten Auge schaue.
(S. 49)
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In deines Auges dunkler Macht,
In deines Auges Sonnenpracht,
Geliebt', ist Tag zugleich und Nacht.

Kein Wunder, holde Zauberin,
Daß mir verwirrt sind Seel' und Sinn,
Seit ich in dir nur leb' und bin.

Zugleich erschreckt, zugleich entzückt,
Zugleich gequält, zugleich beglückt,
Bin ich der Welt und mir entrückt.

Ich bin nicht todt und lebe nicht,
Dich schauend, ach, mein Auge bricht,
Und Eins ist Finsterniß und Licht.
(S. 50)
_____



Der hohe Himmel entzündet Sonn' und Mond
Als Spiegel deines wunderbaren Glanzes
Und feiert, weil deine Schönheit auf Erden wohnt,
Das Fest des Sternentanzes.

Weh' mir, ich Armer, dem du sein Herz geraubt,
Ich bin Medschnun, erstanden aus dem Grabe,
Und in der Wüste nistet auf meinem Haupt
Der Schmerz, der Unglücksrabe.
(S. 51)
_____



Und wenn ich Tollheit sänge, könnt ihr mich schelten wollen?
Ach, meine Herzensängste, sie machten mich zum Tollen!
Mein Kleid ist rosenfarben, von blut'gen Thränen trunken,
Und durch mein Wesen schimmern der Liebesflammen Funken.
Wie Wasserlilien schwimmen die Wangen in der Flut,
Und über meinem Scheitel stürmt der Begierde Wuth.
Mein Augenpaar strömt schwellend wie Nil und Oxus über,
Und meine Brauen schlagen vergebens Brücken darüber.
Bedroht sind Erd' und Himmel von meinen Thränengüssen,
Drum hat der neue Mond sich zum Schiff gestalten müssen,
Doch mir weissagt ein Jeder, daß ich verschont nicht bliebe,
Wer mich im Kampf sieht gegen die Hochflut meiner Liebe.
(S. 52)
_____



Ein Syrien sind, ein dunkelbelaubtes,
Die Locken deines stolzen Hauptes;
Aegypten ist, das helle, lichte,
Mein allzu arglos Herz.

Dein Syrien, wie mit Löwenkrallen
Hat's mein Aegypten überfallen;
Gefangener bin ich nun, - o, richte
Mich auf in meinem Schmerz!
(S. 53)
_____



Ich klage meine heißen Schmerzen -
Wem? Niemand ist bei mir.
Sie klagen möcht' ich meinem Herzen,
Doch ach, das ist bei dir!

Daß ich mich selber nicht vergesse,
Muß ich von fern dich sehn;
Ich seh' dich, wandelnde Cypresse,
Im Hain der Anmuth gehn.

Doch wie ich flehte, wie ich litte,
Du wendest dein Gesicht,
Und meine Qual und meine Bitte,
Grausame, rührt dich nicht!
(S. 54)
_____



Weh, Chijali's Nachtverhängniß
Hat sein Angesicht mishandelt,
Hat's in Stürmen und Bedrängniß
In ein herbstlich Laub verwandelt!

So, ein Frühverwelkter, Bleicher,
Darf er, Lenz der Schönheit, wagen,
Dir, du Blütenüberreicher,
Als Geschenk es anzutragen?
(S. 55)
______



Dir sterb' ich lebend, die den Tod mir gab,
So will es meiner Liebe süßer Fluch;
Dies Kleid soll werden deines Treuen Grab,
Dies Hemd mein Todtentuch.

Und wenn's in meinem ausgedorrten Haupt
Einst schon von Skorpionen grausig schwillt, -
Sie müssen träumen, ihres Gifts beraubt,
Von deiner Schönheit Bild.
(S. 56)
_____



Der Wünsche hab' ich zwei. Gerechter, laß
Die einzigen mir in Erfüllung gehn:
Der Liebsten Antlitz ohne Unterlaß,
Des Nebenbuhlers Auge nie zu sehn!

Denn wenn ich bin von ihren Augen fern,
Ist, ach, die Welt ein Nebenbuhler mir;
Er blickt mich aus jedem Himmelsstern
Und spricht: Mich ruft die holde Nacht zu ihr!
(S. 57)
_____



Seicht nur, dacht' ich in meinem Wahn,
Ist der Liebe Ocean -
Und so stürzt' ich mich hinein.
Weh' mir, Wog' auf Woge thürmend,
Bricht die wilde Flut umstürmend
Ueber meinem Scheitel ein!
(S. 58)
_____



Aufgezehrt von heißem Sehnen,
Bin ich, ach, ein Schatten nur!
Solcher nur, bethaut von Thränen,
Folg' ich der Geliebten Spur.
(S. 58)
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Arglistig den hohen Wuchs umwallen
Die Locken ihr, die weichen, langen,
Wie um Cypressen sich ringeln Schlangen,
Sich zu erlisten Nachtigallen.
(S. 59)
_____



In meines Auges Thränenspiegel
Wohnt tief das Bild von ihrem Mund;
So ist einst Salomonis Siegel
Gefunden tief zum Meeresgrund.
(S. 59)
_____



Nie wünscht dir deine Mihri Schmerzen,
Nur eins erfleh' ich treugesinnt:
Daß du stets lieben mögest Herzen,
Die gleich dem deinen sind.

Doch wenn dein Feind, von Haß getrieben,
Qualvollstes niederwünscht' auf dich,
So wünscht' er dir: du mögest lieben
So qualvoll heiß, wie ich!
(S. 60)
_____



O süß Verbundensein,
Ja, du wirst wiederkehren
Nach banger Stunden Pein,
Nach schmerzlichem Entbehren!
Wie sacht die Zeit auch rücke,
Sie schlägt zum alten Glücke,
Zur neuen Lust die Brücke; -
O süß Verbundensein,
Ja, du wirst wiederkehren!

O süß Verbundensein,
Ja, du wirst wiederkehren;
Dann wird verschwunden sein
Die Quelle bittrer Zähren!
Von allem Weh genesen,
Darf ich, was einst gewesen,
In ihren Augen lesen; -
O süß Verbundensein,
Ja, du wirst wiederkehren!

O süß Verbundensein,
Ja, du wirst wiederkehren;
Gott wird den Wunden mein
Der Heilung Ruh' gewähren!
O Freude meines Lebens,
Ich hoffe nicht vergebens
Die Krone meines Strebens; -
O süß Verbundensein,
Ja, du wirst wiederkehren!
(S. 61-62)
_____


Aus: Unter dem Halbmond
Ein osmanisches Liederbuch
von Julius Hammer
Leipzig F. A. Brockhaus 1860

 


Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Julius_Hammer



 

 


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