Sophie Hasenclever (1824-1892) - Liebesgedichte

Sophie Hasenclever

 

Sophie Hasenclever
(1824-1892)



Der junge Witwer

"Sie schläft! erwacht sie denn nicht bald?
Hält denn der Schlummer mit Gewalt
Verschlossen ihre Augenlider?
Wie tief ist diese lange Rast,
Wie drückend dieses Schlafes Last,
Regt sie denn endlich nicht die Glieder?

Heut flattert ach kein holder Traum
Um ihrer Wimpern zarten Saum,
Wie scheint sie mir so bleich, so stille!
Weckt nicht der Stunde lauter Schlag,
Weckt nicht der morgenschöne Tag
Dich auf zu neuer Lebensfülle?

Gleich nehm' ich dich in meinen Arm
Und spreng' mit Küssen lebenswarm
Des Schlummers Bann, der dich bezwungen.
Horch, deine Kinder sind erwacht,
Horch, wie dein kleines Mädchen lacht,
Schon kommt dein Sohn an's Bett gesprungen.

Sie regt sich nicht - weh' starr und kalt
Die Brust, die sonst so liebreich wallt,
Der Busen Stein und Eis die Hände!
Wie lang gestreckt der zarte Leib!
Hilf Gott, hilf Gott, mein Weib, mein Weib
O dieser Schlaf geht nie zu Ende!"
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Gedicht aus: Unsere Frauen in einer Auswahl aus ihren Dichtungen
Poesie-Album zeitgenössischer Dichterinnen
Von Karl Schrattenthal
Mit zwölf Porträts in Lichtdruck
Stuttgart 1888 (S. 164)

Biographie:

Hasenclever, Frau Sophie, geb. von Schadow, Novellistin, Dichterin und Übersetzerin, geboren den 6. Januar 1824 in Berlin, gestorben am 9. Mai 1892 in Düsseldorf.

- A. Briseux'. Gedichte Übers. 1874
- Aus der Kriegszeit von 1870-1871. Novellen 1877
- Dantes göttliche Komödie 1890
- Erzählungen und Märchen 2 Bde. 1884
- Michelangelos Gedichte Übers. 1875
- Novellen und Märchen 1883
- Rheinische Lieder 1881

aus: Lexikon deutscher Frauen der Feder.
Eine Zusammenstellung der seit dem Jahre 1840 erschienene Werke weiblicher Autoren, nebst Biographieen der lebenden und einem Verzeichnis der Pseudonyme. Hrsg. von Sophie Pataky
Berlin 1898
 

 

 


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