Klara Held-Marbach (1824-1893) - Liebesgedichte

 



Klara Held-Marbach
(1824-1893)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 


Hörst Du das Lied?

Vom neuen Schmerz das alte Lied,
Hörst Du sein schallen?
Die Schwalbe singt's, die südwärts zieht,
Es rauscht's der Blätter Fallen:

Das alte Lied vom Trennungsleid,
Von gramerbleichten Wangen,
Von früh zerstörter Seligkeit,
Von einsam stillem Bangen.

Wenn kahl die Bäume, rauh die Luft,
Die Vöglein scheu entfliehen,
Nur eins, das krank zurückbleibt, ruft, -
Das sind die Melodien!

Dem tönt es, der mit heißem Schmerz,
Beim dumpfen Glockenbeben,
Ins Grab gesenkt ein teures Herz,
Das ihn beglückt im Leben.

Des Grabgeläutes düst'rer Schall
Beim hoffnungslosen Scheiden,
Aufs Bretterhaus der Schollen Fall, -
Das ist solch Lied vom Leiden!

Der hört es auch, dem nicht der Tod
Die Trennungswund' geschlagen,
Der seinem Liebchen, frisch und rot,
Auf ewig mußt' entsagen.

Nicht nur im dumpfen Glockensang,
In dürrer Blätter Rauschen, -
Er wird des alten Liedes Klang
In jedem Ton erlauschen.

Er hört's im kerzenhellen Saal,
Im fröhlichen Gedränge,
Ihm tönt das Lied von seiner Qual
In seiner Kammer Enge.

Ihm duften es ins Herze bang
Die Rosen selbst, die stummen;
Er lauscht ihm in der Vöglein Sang,
Wie in der Bienchen Summen.

Hörst Du das Lied? Es ist so alt,
Doch reich an neuen Schmerzen,
Und wem es je ins Ohr gehallt, -
Dem wird so weh im Herzen.

aus: Deutsche Dichterin[n]en und Schriftstelerin[n]en
in Wort und Bild
Herausgegeben von Heinrich Groß
II. Band Berlin 1885 (S. 229)
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Blick' nieder!

Blick' nieder, wenn Dein bestes Glück dahin, -
Die Thräne rinnt; Dein Mut ist bald gesunken,
Erinn'rung bleibt Dein einziger Gewinn,
Wie reich Du warst, wie stolz und glückestrunken.

Und was Dir blieb, was Dir noch jetzt gehört,
Wie ist sein Reiz, sein Glanz so schnell erblichen,
Das blühendste Gefild ist Dir verheert, -
Mit einem Schlag des Zaubers Kraft entwichen.

Du hörst vom Jubel, der Dich rings umtönt,
Nun keinen Laut, der nicht ein Mißton wäre,
Der gellend Deinen tiefen Schmerz nicht höhnt,
Der Dir nicht sagt, wie viel Dein Herz entbehre?

Und was Dein eigen noch, ist Dir vergällt,
Die Zuversicht in Mißtrau'n sich verkehrte:
Für andre, meinst Du, sei so schön die Welt, -
Nur Dir erlosch der Strahl, der sie verklärte.

O trübe Zeit, wo düst'rer Trauerflor
Das ganze Leben schwärzend hat umzogen;
Wo wir gewiß sind: was das Herz verlor, -
Wird nie von neuem Glück mehr aufgewogen.

O bange Zeit, wo sich in jeden Traum,
In jeden Herzschlag dränget der Gedanke:
Daß wir allein im weiten Weltenraum,
Daß unser Schifflein ohne Kompaß schwanke;

Wo wir dem Nachen gleich, der steuerlos
Umhertreibt, als ein Spielball flücht'ger Wellen,
Wo wir uns sehnen nach der Tiefe Schoß -
Die Klippen grüßend, die das Wrack zerschellen!

aus: Deutsche Dichterin[n]en und Schriftstelerin[n]en
in Wort und Bild
Herausgegeben von Heinrich Groß
II. Band Berlin 1885 (S. 230)
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O kehr' zurück!

Was ist das Leben ohne Dich?
Ein Frühling ohne Sonnenschein!
Wie bin ich in der Welt allein,
Seit unser Liebe Glanz erblich.

Die Sonne schied, es scheint kein Stern,
Die Ros' ist duftlos, stumm die Nachtigall,
Tot die Natur; - ins Ohr ein einz'ger Schall
Nur tönt hinfort und sagt, daß Du mir fern!

Was ist das Leben ohne Dich?
Ein liebeleerer öder Raum;
Verklungen jedes Lied, verweht mein Traum;
O kehr' zurück und sprich: ich liebe Dich!

aus: Deutsche Dichterin[n]en und Schriftstelerin[n]en
in Wort und Bild
Herausgegeben von Heinrich Groß
II. Band Berlin 1885 (S. 230)
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Vorüber

Vorüber jagen in eiliger Hast
Die brausenden Fluten dahin ohne Rast;
Was goldig mit Glanz unsre Träume verklärt,
Was unsre Herzen mit Sorge beschwert, -
Vorüber!

Wie leuchtend der Ruhm auch, wie strahlend ein Glück,
Wie göttlich der Schönheit bezaubernder Blick;
Der Quell süßer Lieder von hinnen gerauscht,
Verweht alle Küsse, so selig getauscht, -
Vorüber!

Der Frühlingsduft schwindet, die Rose verblaßt,
Die Vöglein verstummen auf schwankendem Ast,
Und was unsre Seelen in Fesseln schlug,
Und was uns begeistert nach oben trug, -
Vorüber!

Dahin flieh'n die Stunden voll Freude und Lust,
Vorbei, was mit Centnerlast drückte die Brust,
Ein Treiben und Drängen, vom Wirbel erfaßt,
Ein Haschen nach Reichtum, ergeizt und erpraßt, -
Vorüber!

Und Du, der an Menschenwert fest noch geglaubt,
Wie war Dir die Zuversicht frevelnd geraubt!
Das Leben verrinnt; - in Vergessenheit sinkt,
Was heute allmächtig das Weltall bezwingt, -
Vorüber!

aus: Deutsche Dichterin[n]en und Schriftstelerin[n]en
in Wort und Bild
Herausgegeben von Heinrich Groß
II. Band Berlin 1885 (S. 231)
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Verstummt

Die Biene schwärmt im Garten ganze Stunden,
Und Lieder leise summt sie vor sich her, -
Doch wenn die schönste Blume sie gefunden,
Saugt sie sich fest daran und summt nicht mehr.

So mögest Du nicht meinem Schweigen grollen,
Die Laute rastend mir im Arme lehnt;
Von unserm Glück, was dürft' ich künden wollen!
- Ich hab' gesungen, als ich es ersehnt!

aus: Deutsche Dichterin[n]en und Schriftstelerin[n]en
in Wort und Bild
Herausgegeben von Heinrich Groß
II. Band Berlin 1885 (S. 231)
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Es war die Zeit der Rosen

Es war die Zeit der Rosen,
Als Du um mich gefreit,
Ein Duften, Blüh'n und Kosen
Gieng über die Erde weit.

Wie heiß die Strahlen glühten
In unsern Liebestraum,
Wie voll die Rosen blühten, -
Die andern ahnten's kaum.

Da hab' ich tief empfunden,
Wie Lenz und Liebe beglückt,
Du hast mich in schönen Stunden
Mit duftigen Rosen geschmückt.

Ich küßt' sie in süßem Erbeben,
Bei rascherem Herzensschlag,
Ich widmete Dir mein Leben -
Nun komme, was kommen mag!

Sie mußten so bald vergehen,
Das Glück und die Rosenzeit,
Ich habe Dich scheiden sehen, -
Du bist so weit, so weit.

Novemberstürme tosen,
Und Sonne und Liebe erblaßt:
Es war die Zeit der Rosen,
Wir brachen sie in Hast.

aus: Deutsche Dichterin[n]en und Schriftstelerin[n]en
in Wort und Bild
Herausgegeben von Heinrich Groß
II. Band Berlin 1885 (S. 231)
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Du bist's nicht wert

Du bist's nicht wert, daß ich mich gräme,
Ich weiß es wohl, Du bist's nicht wert;
Daß ich mich meiner Thräne schäme,
Ist, was zumeist mein Herz beschwert.
Hätt' uns des Schicksals Spruch geschieden,
Gewalt von außen uns getrennt, -

Dann milderte ein sel'ger Frieden
Das Leid, das mir die Trennung brennt.
Doch, daß ich selbst es mir muß sagen,
Nur Lüge war Dein Wort, Dein Kuß, -
Das hat die Wunde tief geschlagen,
An der mein Herz verbluten muß.

aus: Deutsche Dichterin[n]en und Schriftstelerin[n]en
in Wort und Bild
Herausgegeben von Heinrich Groß
II. Band Berlin 1885 (S. 232)
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Lied der jungen Spinnerin

Da sitz' ich und spinne,
Und heimlich ich sinne,
Wie ich es beginne,
Daß Glück ich gewinne.

Da geht er vorüber,
Mein Süßer, mein Lieber,
Die Augen, die blauen,
Nach mir nur sie schauen!

Gern rief ich Dich, Schätzchen,
Hätt' ich nur ein Plätzchen,
Dich hier zu verstecken;
Doch, ach, welcher Schrecken,
Wenn man Dich hier fände, -
Des Lärms wär kein Ende!

So geh' nur vorüber.
Du Süßer, Du Lieber,
Und lies in den Blicken
Mein liebend Entzücken,
Mein zärtliches Nicken,
Es mög' Dich beglücken!

Es darf nur Dein Grüßen
Mein Leben versüßen,
Schwer müßt' ich es büßen,
Wollt je ich Dich küssen!

Drum gehe nur weiter,
Ein treuer Begleiter
Mein Herz wird Dir bleiben
Bei all Deinem Treiben.

So schnurre, mein Rädchen,
Und drehe die Fädchen
Gleichmäßig und fein,
Es soll ja nicht sein;
Ein trauriges Mädchen
Hier sitz' ich allein.

aus: Deutsche Dichterin[n]en und Schriftstelerin[n]en
in Wort und Bild
Herausgegeben von Heinrich Groß
II. Band Berlin 1885 (S. 232)
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Ein Wandelbild

Nicht wie ein Blitz durch Wolken bricht,
Ist mir mein Leid gekommen;
Des Glückes Traum, der Liebe Licht,
In Nebel ist's verschwommen.

Allmählich, wie die Dämmrung trüb
Verhüllt des Tages Helle,
So wurde dunkler Glück und Lieb,
Verblich der Strahlen Quelle.

Ich danke dir, o Dämmerschein,
Für deiner Schonung Milde;
Nach Sonnenglanz, so blendend rein,
Dies öde Nachtgefilde. -

Es wäre für ein Menschenherz
Zu viel des Leids gewesen,
Um ganz zu fassen seinen Schmerz
Und jemals zu genesen!

aus: Unsere Frauen in einer Auswahl aus ihren Dichtungen
Poesie-Album zeitgenössischer Dichterinnen
Von Karl Schrattenthal
Mit zwölf Porträts in Lichtdruck
Stuttgart 1888 (S. 171-172)
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Wie ist der Schmerz

Wie ist der Schmerz so reich an Glanz und Tönen,
Wie rauscht so voll dahin der Klagen Macht;
So düster ist, so schaurig keine Nacht,
Daß uns das Lied nicht sollt mit ihr versöhnen.

Doch kommt das Glück, mit Blumen uns zu krönen,
Und drängt es uns tief aus des Herzens Schacht
Zu zeigen jubelnd unsre reiche Pracht, -
Da fehlt das Wort zum Preise all des Schönen.

Er rollt sich auf in schimmernd reichen Bildern,
Was unsre Brust bedrückt als schwere Last;
Das Wort entquillt ihr leicht, den Gram zu mildern.

Doch wenn uns glühend auch der Wunsch erfaßt
Zu künden unser Glück, - die Farb' erblaßt, -
Die Kraft gebricht, was uns bewegt, zu schildern.

aus: Unsere Frauen in einer Auswahl aus ihren Dichtungen
Poesie-Album zeitgenössischer Dichterinnen
Von Karl Schrattenthal
Mit zwölf Porträts in Lichtdruck
Stuttgart 1888 (S. 172)
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Biographie:

Held-Marbach, Klara, geboren den 24. November 1824 in Breslau, gestorben den 17. November 1893.

- Leidvoll u. freudvoll. Gedichte. Breslau 1876

aus: Lexikon deutscher Frauen der Feder.
Eine Zusammenstellung der seit dem Jahre 1840 erschienene Werke weiblicher Autoren, nebst Biographieen der lebenden und einem Verzeichnis der Pseudonyme. Hrsg. von Sophie Pataky
Berlin 1898

 


 

 


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