Leo Heller (1876-1949) - Liebesgedichte

 

Leo Heller
(1876-1949)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 




Frieden

Verlange nicht der Liebe ungestüme Glut,
Lass dich von stiller Zärtlichkeit umgeben,
Die Glut erlischt, doch sanfte Zärtlichkeit
Schmiegt sich für ewig an dein junges Leben.

Ich hab' für dich die stille Zärtlichkeit bereit:
Ein mildes Streicheln deiner zarten Wangen,
Den tiefsten Blick in deiner Seele Wunsch
Und der Erfüllung innigstes Umfangen.

Das knabentolle Werben hab' ich abgestreift,
Ein Friedensuchender ist dir geblieben,
Sei mir der Frieden, du mein süsses Weib,
Und meinem Frieden gilt mein ganzes Lieben . . .

Aus: Präludien der Liebe
Neue Gedichte und Lieder von Leo Heller
"HARMONIE" Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1907) (S. 7)

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Regina

Ich weiß nur eines: daß mein Herz
Gleichtönt mit deinem jungen Herzen,
Ich weiß, daß all mein Leid und Schmerz
Ein treues Echo deiner Schmerzen.

Ich weiß nur eines: daß dein Glück
So nah verwandt ist meinem Fühlen,
Daß es den Glanz in meinem Blick
Muß allerorten widerspielen.

Ich weiß nur eines: daß mein Sein
So nah verbunden mit dem deinen,
Daß meine Seele ewig dein
Und deine Seele in der meinen . . .

Aus: Präludien der Liebe
Neue Gedichte und Lieder von Leo Heller
"HARMONIE" Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1907) (S. 9)

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Ballade

Er gab ihr alles, sie wollte mehr.
Seine Hände wurden für sie leer,
Seine Hände wurden blutig und wund,
Sie schürften nach Gold im steinernen Grund.

Es höhnt der Stein seiner schwindenden Kraft,
Kein Beil, kein Hammer hätt' das geschafft,
Springt Eisen und Erz an dem starrenden Stein,
Hätt' alles müssen viel härter sein.

Sie lachte: Was Mannskraft, Eisen und Erz!
Hier nimm zum Schlagen mein eigens Herz!
Und als an dem Stein das Herz erklang,
Der Stein in vielhundert Stücke sprang.

Da faßte ihn Haß und Wut und Schmerz,
Weit weg von sich warf er des Weibes Herz,
Ließ Gold und Weib beisammen stehn,
Um fern dem Lachen zugrund zu gehn.

Aus: Präludien der Liebe
Neue Gedichte und Lieder von Leo Heller
"HARMONIE" Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1907) (S. 10)

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Erinnerung

Wie du in leisen Schuhn
In meine Stube schlichst. Dann mein Erwachen.
"Willst du noch ruhn?"
Und dann dein helles Kinderlachen,

Und dann das frohe Spiel an jedem Morgen - -
Heut kommt mir wieder alles in den Sinn,
Da ich in bangen Sorgen
So einsam bin.

Aus: Präludien der Liebe
Neue Gedichte und Lieder von Leo Heller
"HARMONIE" Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1907) (S. 11)

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Rat

Lieber Junge, die mußt du nur lassen,
Kannst sie ja doch nicht fangen und fassen;
So was fliegt eben heute ins Haus,
Und morgen ist es wieder hinaus.
Da hilft kein Halten und kein Beschützen,
Und Tränen, mein Junge, können nichts nützen.

Freilich, die Liebe fragt beim Vergaffen
Nimmer: Was sagen Richter und Pfaffen?
Ist sie auch wert, daß man sie so liebt
Und ihr sein bestes zu eigen gibt?
Aber kommt es, wie hier es gekommen,
Heißt es: Jungchen, ein Herz sich genommen.

Und da heißt es, den Schmerz still zu tragen
Und nicht über sein Schicksal zu klagen,
Und begräbst du zehnmal dein Glück,
Bringst sie doch kein Schrittchen zurück.
So was will sich ein bißchen vergnügen
Und dann wiederum weiterfliegen.

Lieber Junge, nun laß nur das Grämen,
Wirst eine andere finden und nehmen,
Hast ja noch Zeit zur Liebe genug,
Bist ja so jung, so knabenjung.
Und auf deinen sonnigen Wegen
Kommt dir die Rechte doch noch entgegen . . .


Aus: Präludien der Liebe
Neue Gedichte und Lieder von Leo Heller
"HARMONIE" Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1907) (S. 12)

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Er war ein Mann . . .

Er war ein Mann, der seine Seele zwang,
Wenn ihm das Schicksal an die Gurgel griff,
Und wenn sein leckgewordnes Lebensschiff
Sich mühsam über Wellenberge rang.

Er war ein Mann und schien von Stahl zu sein,
Was galt ihm Sturm, was Kampf und starre Not?
Und wenn er seine blanke Stirne bot,
So war's wie freier, heller Wetterschein.

Und diesen Mann, wie eigen mir da war:
Ich sah ihn weinen wie ein schwaches Kind,
Da er zum letzten Mal des Mädchens Haar
Verflattern sah im kühlen Morgenwind . . .

Aus: Präludien der Liebe
Neue Gedichte und Lieder von Leo Heller
"HARMONIE" Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1907) (S. 13)

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Volkslied

Wenn ich scheiden muß,
Wenn ich scheiden muß,
Jeden Abend scheiden muß, mein Lieb,
Ist mir immer so,
Als ob das, was froh
Mir im Herzen war, bei dir verblieb.

All mein Traurigkeit,
All mein Herzeleid
Nehm' ich mit in meine Einsamkeit,
Schmerz und Harm ist mir,
Alles Glück bei dir,
Und der Weg von dir zu mir ist weit.

Aber wenn ich dann
Wieder wandern kann
Jenen lieben Weg zu deinem Haus,
Lacht die ganze Welt,
Lacht mir Flur und Feld,
Und das Glück fliegt meinem Pfad voraus.

Aus: Präludien der Liebe
Neue Gedichte und Lieder von Leo Heller
"HARMONIE" Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1907) (S. 15)

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Charlatan Herbst

Der späte Herbst hat nach vielen Bemühn
Vom Sommer sich einen Tag geliehn,
Ein wenig warmen Sonnenschein
Und ein Stückchen Blauhimmel obendrein,
Zuletzt, was konnte das wohl schaden,
Ein Restchen hellen Sommerfaden,
Und dann, dann protzt er mit stolzem Sinn:
Seht her, ob ich nicht schöner bin,
Nicht schöner und begehrenswerter
Als euer Sommer, euer verehrter! -
Und ließen sich viele Vöglein betören
Dem Herbste gläubig zuzuhören.
Sie alle sahen den Sonnenschein
Und das Stückchen Blauhimmel obendrein
Und fingen, befangen vom Sommerwahn,
So froh, wie einst zu singen an.
Auch Schmetterlinge fanden sich ein
Und wiegten sich spielend im Sonnenschein,
Und aus dem Boden, vom Glanze bestochen,
Sind flinke Käfer zu Tage gekrochen. -
Mein Liebchen und ich, wir gingen durchs Feld
Und sahen die helle, sonnige Welt.
Da rief ich, als ich dies Wunder sah:
Wahrhaftig, der Sommer ist wieder da,
Und alles erwacht, was längst schon geruht,
Und alles, alles wird wieder gut! -
Da hat mein Liebchen stillbewegt,
Den Arm um meinen Hals gelegt
Und wies nach einem Lindenbaum,
Der uns zunächst am Feldersaum.
Die Blätter waren dran verdorrt,
Sie hingen welk und müde dort,
Ein Lüftchen, - keines widersteht,
Sie sinken hin und sind verweht. -
Da schwieg ich still, mein Auge klar
Mit einem Mal so trübe war,
Ich sah nicht mehr den Sonnenschein
Und das Stückchen Blauhimmel obendrein.
Und wir sind beide voll Gram und Bangen
Durch den sonnigen Tag nach Hause gegangen . . .

Aus: Präludien der Liebe
Neue Gedichte und Lieder von Leo Heller
"HARMONIE" Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1907) (S. 16-17)

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Es geht ein Hauch . . .

Es geht ein Hauch durch die Linden,
Sie fangen zu raunen an,
Sie flüstern von alten Sünden,
Die die Liebe hier getan.

Von Worten, Küssen und Schwüren
Und manchem lockenden Sang
Und wie aus des Schicksals Türen
Im Taumel die Sorge drang.

Und wie sie mit Grau bedeckte
Der Liebe leuchtendes Rot,
Und wie sich das Glück versteckte
Vor dem gewaltigen Tod . . .

Aus: Präludien der Liebe
Neue Gedichte und Lieder von Leo Heller
"HARMONIE" Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1907) (S. 18)

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Nachtlied

Nie ist's so still, wie ich mir's still ersehne,
Wenn ich mein Haupt an deine Schulter lehne.
Der Sprache dieser Stadt, darin wir leben,
Ist keine Rast und keine Ruh gegeben.

Auch jetzt, an dieses müden Tages Wende
Schwatzt unsre Stadt und kennt kein spätes Ende;
Noch rollen Wagen auf den trüben Wegen,
Und fernher tönt es noch von Hammerschlägen.

Und während wir in unsrer Lust verstummen,
Sind tausend, die das Lied der Großstadt summen,
Das finstre Lied, kann keiner dazu tanzen,
So schwer ist es, voll greller Dissonanzen.

Aus: Präludien der Liebe
Neue Gedichte und Lieder von Leo Heller
"HARMONIE" Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1907) (S. 19)

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Wandlung

Nun sollst du mich zu sanfter Rast bekehren,
Mich, der ich ruhlos auf den Wogen trieb,
Und hatte ich die wilden Stürme lieb,
Nun magst du mich die süße Ruhe lehren.

Was nie gelang, dir sollte es gelingen:
Ich tauschte gern das Meer mit sicherm Port,
Von deinen Lippen nur ein leises Wort,
Und stiller Frieden schloß mein hartes Ringen.

Und deine Hand, o lasse sie verweilen
Auf meiner Stirn, die sonst dem Feind gedroht,
Und laß die tiefen Zeugen bittrer Not,
Die Falten, unter deiner Güte heilen . . .

Aus: Präludien der Liebe
Neue Gedichte und Lieder von Leo Heller
"HARMONIE" Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1907) (S. 26)

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Das Mädchen flüstert:

Was seh' ich: weiß liegt es wegebreit,
Da hat es wirklich heut nacht geschneit;
Die Welt ist wie mit Zucker bestreut.

Wie bin ich dir dankbar, liebe Fee,
Da ich hinab zum Gartenweg seh',
Fußspuren schau' ich im frischen Schnee!

Die gehn schnurstracks ans Fensterlein mein,
O Gott, wie fühl' ich's im Herzen drein:
Das muß mein Liebster gewesen sein . . .


Aus: Präludien der Liebe
Neue Gedichte und Lieder von Leo Heller
"HARMONIE" Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1907) (S. 27)

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Erlebnisse

Erlebnisse, du lieber Gott,
Sie sind mir wirklich fremd geblieben.
Mein Los hat mich im schlappen Trott
Die Tage vor sich hergetrieben.

Ich mein', was man so Großes nennt,
Das hab' ich nimmermehr empfunden,
Was meine junge Seele kennt,
Sind Leiden, Freuden stiller Stunden

Ein wenig Lieb', ein wenig Trug,
Verhaltner Gram, ein leises Lachen,
Ein Blick, ein Kuß, just Stoff genug,
Um ein Gedicht daraus zu machen.

Noch steht das Große mir bevor.
Was wird es sein? Ein Glück? Ein Schmerzen?
Du süße Frau, die ich erkor,
Gib Antwort meinem bangen Herzen!


Aus: Präludien der Liebe
Neue Gedichte und Lieder von Leo Heller
"HARMONIE" Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1907) (S. 29)

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Am Bachrand

Leise Wasser hör' ich fließen;
So, Geliebter, ist es gut;
Laß mich nun die Augen schließen
Unter deiner lieben Hut.

Laß mich sinnen, laß mich träumen
Unter deinem milden Blick,
Um uns golden zu umsäumen,
Naht ein stilles Abendglück.

Laß die Stunde uns genießen,
Da ihr Schimmer auf uns ruht,
Meine Augen will ich schließen,
So, Geliebter, ist es gut.


Aus: Präludien der Liebe
Neue Gedichte und Lieder von Leo Heller
"HARMONIE" Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1907) (S. 31)

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Deine Güte

Wie eine lichte Maienblüte
Ist, liebes Mädchen, deine Güte.
So wie die Blüte sich erschließt
In wunderbaren Frühlingstagen
Und, ohne nach dem Lohn zu fragen,
In ihrer Schönheit mich begrüßt,
So ist auch deines Herzens Güte,
Die mich beseligt und beglückt
Und die mein innerstes Gemüte
Mit hellen, frohen Farben schmückt.

Wie eine lichte Maienblüte
Ist, holde Freundin, deine Güte.
So wie die Blüte, die sich bald
Zu voller Blumenpracht entfaltet
Und hundertfältig Wunder waltet
In ihrer Reinheit Wohlgestalt,
So ist auch deines Herzens Güte.
Sie reift empor zu vollem Glanz -
Daß mir mein Gott dies Glück behüte,
In seinem Lichte steh' ich ganz.


Aus: Präludien der Liebe
Neue Gedichte und Lieder von Leo Heller
"HARMONIE" Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1907) (S. 33)

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Das Spitzentüchlein

Madam Pierette begibt sich heut zum Ball,
Pierrott beschaut sie erst mit strengen Augen:
"Solch tiefes Decollete! Auf jeden Fall
Mag derlei nicht für fremde Blicke taugen."

Ein Spitzentüchlein holt er aus dem Schrein:
"Für dich, mein Kind, die Blößen zu verhüllen -"
Madam Pierette hat dafür kein "Nein"
Und müht sich, seinen Wunsch schnell zu erfüllen.

"Bien!" - Ein Wagen bringt sie rasch zum Ball,
Bald ist Pierette mitten im Gedränge,
Herr Pierrot flieht den hellen Geigenschwall,
Er liebt sie nicht, die buntgeputzte Menge.

Aus einem Gläschen werden neun und zehn,
Herr Pierrot nickt, ein frohgestimmtes Lallen, -
Der Nachtwind läßt im Park ein Tüchlein wehn
Und ungeschützt muß es zur Erde fallen . . .


Aus: Präludien der Liebe
Neue Gedichte und Lieder von Leo Heller
"HARMONIE" Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1907) (S. 34)

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Allerlei Arbeit
Klara Zetkin gewidmet

Was muß der Schuster machen?
Der Schuster, der muß klopfen.
Was muß das Bärbchen machen?
Das Bärbchen, das muß stopfen.
Der Schuster meine Schuhe klopft,
Das Bärbchen meine Strümpfe stopft,
Das ist halt so ihr Walten,
Mög' Gott sie mir erhalten!

Was muß der Schreiner machen?
Der Schreiner, der muß leimen.
Was muß der Dichter machen?
Der Dichter, der muß reimen.
Der Schreiner leimt mir Tisch und Bett,
Der Dichter reimt mein Brautsonett,
Das ist halt so ihr Walten,
Mög' Gott sie mir erhalten!

Was muß mein Liebchen machen?
Mein Liebchen muß mich küssen.
Was muß sie sonst noch machen?
Mein Liebchen muß nur küssen!
Soll früh und spat nichts müssen,
Als nur den Liebsten küssen,
Das ist halt so ihr Walten,
Mög' Gott sie mir erhalten!

Aus: Präludien der Liebe
Neue Gedichte und Lieder von Leo Heller
"HARMONIE" Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1907) (S. 35)

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Sonntagsgang

Ich trag' den Glockenklang im Herzen,
Der uns am Morgen leis erscholl,
Vom hohen Glanz der hellen Kerzen
Ist meine junge Seele voll.

In meinen Augen ist das Scheinen
Der frohen, bunten Frühlingswelt,
Und meine Hand will fast vermeinen,
Daß sie das Glück umschlossen hält.

In dieser Zeit, da Glockenklänge
Sich mit dem Glanz des Lichts vermählt,
Hab' ich, entfernt dem Weltgedränge,
Von meiner Liebe dir erzählt.

Aus: Präludien der Liebe
Neue Gedichte und Lieder von Leo Heller
"HARMONIE" Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1907) (S. 36)

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Es wird noch schöner . . .

Wie sie ihm fragend in die Augen sah:
"Nun kommt der Lenz und macht mich bald genesen?"
Aus seiner Brust ringt sich ein leises "Ja",
Kein Ja ist ihm bisher so schwer gewesen.

Die bleiche Hand hält er in seiner Hand
Und muß ihr zögernd in das Antlitz schauen,
Er sieht des Fiebers wilden Feuerbrand,
Die matten Augen unter zarten Brauen.

Und jenen Blick voll sanfter Zuversicht:
"Nun kommt der Lenz und macht mich bald genesen."
Und dann ein leises: "Liebster, weine nicht,
Es wird noch schöner, als es einst gewesen . . ."

Aus: Präludien der Liebe
Neue Gedichte und Lieder von Leo Heller
"HARMONIE" Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1907) (S. 37)

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Seit dem Tag . . .

Sie war bleich geworden seit dem Tage,
Da sie ihn mit einer anderen gesehn.
Weder Vorwurf fand ihr Mund, noch Klage,
Und in ihren Augen lag kein Flehn.

Als sie ihm den letzten Brief geschrieben:
"Da ich, Liebster, dich für immer nun verlor . . ."
Ist die Hand so fest und stark geblieben
Und ihr Sinn so stolz als wie zuvor.

Keiner hörte, wie in bangen Nächten
Bebend stockte ihres armen Herzens Schlag,
Wie sich seine Sünden an ihr rächten,
Seit sie bleich geworden an dem Tag - - -


Aus: Präludien der Liebe
Neue Gedichte und Lieder von Leo Heller
"HARMONIE" Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1907) (S. 39)

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Volkslied

Ach, daß ich nicht so lieben müßt',
Ach, daß ich nicht so leiden müßt',
Mir ist, als ob ich weinen müßt',
Wenn er mich küßt,
Wenn er mich küßt.

Wenn er mich küßt, dann bin ich froh,
Wenn er mich küßt, dann wird mir weh,
Ich freu' mich so, ich kränk' mich so
In seiner Näh',
In seiner Näh'.

Weil ich dann immer denken muß:
Ach, daß er stets so treu mir blieb'!
Doch nimmer ewig währt ein Kuß
Und eine Lieb',
Und eine Lieb'.

Und preßt er heute mich an sich
Auch noch so fest, auch noch so warm,
Wie bald, dann ruht er sicherlich
In fremdem Arm,
In fremdem Arm - - -


Aus: Präludien der Liebe
Neue Gedichte und Lieder von Leo Heller
"HARMONIE" Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1907) (S. 40)

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Vorzeitiges Erwachen

Nun, da es Abend werden will
Und aller Hast ein Ende wird,
Hat sich mein tiefes Fühlen still
In einen Wundertraum verirrt:

Das Land deckt zartes Abendrot,
Auf müden Blumen liegt der Tau,
Auf düsterm Gartenweg entbot
Ich meinen Gruß der jungen Frau.

Und wie sie ihre Lider senkt
Und sich zu späten Rosen neigt,
Und wie sie mir die schönste schenkt
Und wie die Nacht herniedersteigt, -

Da war mein schönster Traum dahin
Und meine Seele ist erwacht,
Und flammenrote Rosen glühn
Wie Brände in der schwülen Nacht . . .

Aus: Präludien der Liebe
Neue Gedichte und Lieder von Leo Heller
"HARMONIE" Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1907) (S. 41)

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Und immer wenn es Frühling wird . . .

So weh ist mir, so kummerschwer,
Doch keinem Menschen kann ich's klagen,
Ist doch die Welt zu liebeleer,
Um mir ein Wörtlein Trost zu sagen.

Die eine, der ich mich vertraut,
Hat meine Schmerzen nicht verstanden,
Sie hat mich lachend angeschaut,
Wenn meine Arme sie umwanden.

Und lachend schied sie auch; es hat
Ein Lenzwind sie von mir getrieben.
Ich bin in dieser lauten Stadt,
Ein stiller Bursch, zurückgeblieben.

Und immer, wenn es Frühling wird,
Dann höre ich ihr helles Lachen,
Dann will mein allertiefstes Leid
Mir in der kranken Brust erwachen. -


Aus: Präludien der Liebe
Neue Gedichte und Lieder von Leo Heller
"HARMONIE" Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1907) (S. 44)

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Das Kleeblatt

In einem Buche, das ich heut fand,
Beim Ordnen meiner bunten Regale,
Entdeckte meine blätternde Hand,
Ein trocknes Kleeblatt mit einem Male.

Und bei dem Blatte ein Flöckchen Haar
Von einem Blondkopf, so weich wie Seide,
Und an dem Buchrand zu lesen war:
"Das Kleeblatt bringt das Glück für uns beide."

Und noch das Datum: Vierzehnter Mai,
Die Jahrzahl war fast nimmer zu lesen;
Der dieses schrieb, ist lange vorbei
Und die, der es galt, ist lange gewesen.

Still legte ich Blatt und Haar zurück
Und träume in den dämmernden Stunden,
Ob sie ihr heißersehntes Glück
Gefunden oder nicht - gefunden. - - -

Aus: Präludien der Liebe
Neue Gedichte und Lieder von Leo Heller
"HARMONIE" Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1907) (S. 45)

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Bildchen
Professor William Wolf zu eigen

Zum Becher formte sie die Hände
Und schöpfte aus dem hellen Quell,
Es schien die Sonne frühlingshell
Und färbte rot des Bechers Wände.

Und da sie ihn zum Munde brachte,
Sah sie sich keck nach einem um,
Der stand im Schatten bleich und stumm,
Ihr Röckchen wehte, und sie lachte.

Sie lachte, daß die jungen Brüste
Verlockend bebten. Er trat her
Und trank den hellen Becher leer,
Eh' er die Hände trocken küßte - - 

Aus: Präludien der Liebe
Neue Gedichte und Lieder von Leo Heller
"HARMONIE" Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1907) (S. 47)

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Dass du fein still bist

Daß du fein still bist,
Wenn ich dir sage,
Wie so viel Liebe
Ich zu dir trage.

Daß du fein still bist,
Wenn ich dich fasse,
Wenn ich dich küsse
Und dich nicht lasse.

Mütterlein schlummert,
Ach, gar so leise,
Käme herüber
Ängstlicherweise.

Hieß' mich wohl gehen,
Wüßt' nichts zu sagen,
Kann dich zu freien
Heut noch nicht wagen.

Daß du fein still bist,
Liebchen, beim Küssen,
Soll keine Seele
Noch darum wissen,
Daß du fein still bist -


Aus: Präludien der Liebe
Neue Gedichte und Lieder von Leo Heller
"HARMONIE" Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1907) (S. 48)

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Liebe

Ihm war doch stets, wenn sie die Nacht verscheucht,
Als ob sie nimmer wieder zu ihm fände,
Als ob zum letzten Mal sich ihre Hände
Zum liebewarmen Drucke still gereicht.
Ihm war, als ob die Welt im Nebel stände
Und alles Glück im grünen Meer verschwände
Und kam sie später doch zu ihm zurück,
Dann grüßt' er sie wie eine neue Liebe,
Er fragte nicht, wo sie so lange bliebe,
Und fand sich froh bei seinem neuen Glück.
Und seiner selig faltet er die Hände
Und wünscht der Stunde Dauer ohne Ende . . .

Aus: Präludien der Liebe
Neue Gedichte und Lieder von Leo Heller
"HARMONIE" Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1907) (S. 51)

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Die Mädchen singen

Kam einer einst gegangen
Und wußte niemand woher,
Er trug ein heißes Verlangen,
Die Schönste wollte er.

Die Schönste sprach im Hohne:
"Mußjö, was ist Er so kühn!
Wo ließ Er Zepter und Krone,
Wo Thron und Hermelin!

Bei Seinem hohen Stande
Kommt Er auf Schusters Rapp?
Sind denn in Seinem Lande
Die Rosse also knapp?" -

Er hat ihre Worte vernommen
Und faßte stumm seinen Stab,
Er ist nicht weit gekommen,
Am Weg fand er sein Grab.

Sie hat das Grab gefunden
Laut schluchzend an einem Tag:
"O Gott, wer doch auch da drunten
Im Frieden schlafen mag!"


Aus: Präludien der Liebe
Neue Gedichte und Lieder von Leo Heller
"HARMONIE" Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1907) (S. 53)

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Du meines Herzens . . .

Du meines Herzens selige Rast,
Du meiner Seele süße Ruhe,
Ich nahe dir, ein müder Gast,
Nach dieses Tages Lärm und Hast,
Daß mir dein Händchen Liebe tue.

Daß es mich streichle sanft und lind
Und still sich biete meinen Küssen,
Daß alle Sterne, gutes Kind,
Die über unsern Häuptern sind,
In lichter Reinheit lächeln müssen.

Und daß in dieser hellen Nacht
Der Himmel näher rück' zur Erde,
Und daß ein leuchtend Glück erwacht
Und daß ich dann in Glanz und Pracht
Zum König allen Lichtes werde.

Aus: Präludien der Liebe
Neue Gedichte und Lieder von Leo Heller
"HARMONIE" Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1907) (S. 55)

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Mitleid

Aus Mitleid schenken, aus Mitleid geben,
O du mein armes seltsames Leben!
Denk ich, daß eine aus Mitleid gab,
Wird meiner Liebe ein schauriges Grab.

Mitleid mit meinem Hoffen und Harren,
Mitleid mit mir, dem schmachtenden Narren,
Andere nahmen mit kecker Gier,
Was ich mit Weinen erbettelte mir.

Liebste, laß es mich hören und lesen,
Daß es Liebe, nicht Mitleid gewesen,
Daß es die Liebe gewesen ist,
Daß du mir zärtlich und gütig bist . . .

Aus: Präludien der Liebe
Neue Gedichte und Lieder von Leo Heller
"HARMONIE" Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1907) (S. 56)

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Verlobung

Sieh meine Hand, sie ist mein Hort, mein Gott.
Ihr dank' ich meines kargen Lebens Plunder.
Zur Faust geballt, vernichtet sie den Spott
Und wo sie fällt, entstehen "blaue Wunder".

Sieh meine Hand, von Arbeit ist sie hart,
Ein harter Gott, zu dem ich immer bete.
Und dennoch hat sie niemals mich genarrt
Und gab mir das, wonach ich täglich flehte.

Du treue Hand, du Kraft und meine Stärke!
Heut will ich dich in eine andre legen.
Verbindet euch zu doppelt festem Werke
Und spendet doppelt frohen Sonntagssegen.

Aus: Präludien der Liebe
Neue Gedichte und Lieder von Leo Heller
"HARMONIE" Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1907) (S. 57)

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Mädchenlied

All meine Sehnsucht einzufassen,
Wie viel Träume braucht' ich dazu;
Ist sie doch reich und über die Maßen
Bunt und ohne Rasten und Ruh.

Blitzt in tausend schillernden Tönen,
Reicht bis in die Sterne hinein,
Schließt ein fröhliches Jauchzen und Tränen,
Seufzer und Lachen in sich ein.

Weiß nicht Anfang und weiß nicht Ende,
Schlummert weder bei Tag noch Nacht,
O, daß sich erst der Richtige fände,
Der meine Sehnsucht enden macht.

Aus: Präludien der Liebe
Neue Gedichte und Lieder von Leo Heller
"HARMONIE" Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1907) (S. 59)

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Küß ihre Lippen . . .

Küß ihre Lippen, eh' sie kalt geworden
Und sprich ein leises: Ich gedenke dein.
Dann füllt das Zimmer, das so trüb geworden,
Mit einem Mal der helle Sonnenschein.

Und sie, auf deren Antlitz sich die Schmerzen
Der letzten Stunde herrisch eingeprägt,
Sie hält die bleiche Hand auf ihrem Herzen,
An das der leise Laut der Liebe schlägt.

Und lächelt zärtlich, und die tiefen Falten
Der hohen Stirne werden klar und rein -
Küß ihre Lippen, ehe sie erkalten,
Und sprich ein leises: Ich gedenke dein.


Aus: Präludien der Liebe
Neue Gedichte und Lieder von Leo Heller
"HARMONIE" Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1907) (S. 62)

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Das Krönlein

Mein Schatz hat lange schon gewollt
Ein Krönlein blank aus purem Gold,
Ich dacht' die Kreuz, ich dacht' die Quer:
Wo nehme ich ein Krönlein her!

Und ist mein Herz auch voll und schwer,
Mein armes Beutelchen ist leer,
Für meine Lieb', ich wette drauf,
Gibt keins ein Krönlein mir in Kauf.

Und wie ich wieder dacht' und dacht',
Da ist der Sonnenschein erwacht
Und hat mein Lieb mit Gold geschmückt,
Ein Krönlein ihr aufs Haupt gedrückt.

Das war so recht nach ihrem Sinn.
Sie dünkte sich als Königin,
Bis daß der sanfte Abend kam
Und ihr vom Kopf die Krone nahm.

Da weinte sie und seufzte schwer:
"Nun habe ich kein Krönlein mehr."
Ich drängte leis mich zu ihr hin:
"Du bleibst doch meine Königin!"

Aus: Präludien der Liebe
Neue Gedichte und Lieder von Leo Heller
"HARMONIE" Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1907) (S. 64)

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Komm zu mir . . .

Komm zu mir, ich komme dir
Bis zur Mitte des Weges entgegen.
Nun sind wir nah, und nun stehen wir
Und sind um ein erstes Wort verlegen.

Komm zu mir, ich komm' zu dir,
Das mußten wir beide heimlich denken,
Wir waren so kühn, und nun müssen wir
Beide die mutigen Augen senken.

Aber ein Weilchen harr' nur, Lieb,
Dann werden sich unsere Hände fassen,
Und das Wort, das bisher im Herzen blieb,
Wird nimmer auf sich warten lassen.

Aus: Präludien der Liebe
Neue Gedichte und Lieder von Leo Heller
"HARMONIE" Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1907) (S. 66)

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Verliebte

"Sag', Nachtigall, wem gilt dein süßer Sang?" -
"Dir und ihr die hellen Nächte lang."

"Sprich, lieber Mond, wem gilt dein milder Schein?" -
"All mein Glanz gilt dir und ihr allein."

"Sag', Rose du, wem gilt dein Duft allhier?" -
"Was du nur fragst, er gilt nur dir und ihr."

Was Nachtigall, Rose und Mond gestand,
Gar sicheren Glauben bei jenen fand.

Wo gäb' es Verliebte, die nicht gedacht,
Daß alle Schönheit für sie nur erwacht.


Aus: Präludien der Liebe
Neue Gedichte und Lieder von Leo Heller
"HARMONIE" Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1907) (S. 68)

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Volksweise

Und soll ich dich lieben, mein Leben,
Mußt du ein Krönlein mir geben.

Ach Gott, wo nehm' ich ein Krönlein her,
Ein König bin ich wohl nimmermehr.

Und soll ich mit Lieb' an dich denken,
Mußt du ein Schlößlein mir schenken.

Ach Gott, wo nehm' ich ein Schlößlein her,
Ein Schloßherr bin ich wohl nimmermehr.

Und soll ich mit Liebe dich preisen,
Mußt du ein Ringlein mir weisen.

Ach Gott, wo nehm' ich ein Ringlein her,
Ein Goldschmied bin ich wohl nimmermehr.

Und soll ich dich lieben, mein Leben,
Sag' an, was willst du mir geben!

Mein Herz, mein Herz, das geb' ich dir hin,
Ist stark und jung und von treuem Sinn.

Und kann mir weiter nichts frommen,
Den Weg geh', den du gekommen!

So magst du hüten dein feiles Herz,
Es gibt noch manch Mägdlein anderwärts.
Braucht keines Krone, Schlößlein noch Ring,
Schätzt keins wie du, ein Herz so g'ring.

Aus: Präludien der Liebe
Neue Gedichte und Lieder von Leo Heller
"HARMONIE" Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1907) (S. 69)

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Im Zwielicht

Das ist ein hartes Streiten:
Es ringt der Abend mit dem Tag,
Die ist ein hartes Streiten:
Es ringt der Abend mit dem Tag,
Die grauen Nebel gleiten
Das Tal hinab und breiten
Sich sonnegrollend über Feld und Hag.

Die Sonne will sich wehren,
Sie drängt sich in den Kampf hinein,
Die Nebel zu zerstören.
In düstern Trauerflören
Erstickt ihr letzter, müd gewordner Schein.

Nun ist der Kampf zu Ende,
Die ganze Welt um uns ist grau.
Ich fasse deine Hände
Und wünsche nur, es fände
Das Glück den Weg zu uns, du süße Frau.

Aus: Präludien der Liebe
Neue Gedichte und Lieder von Leo Heller
"HARMONIE" Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1907) (S. 70)

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Wissende Augen

Wie mädchenhaft erscheint ihr schlanker Leib,
In seiner Zartheit spiegelt sich das Kind,
Und dieses Kind ward heut mein Eheweib.

Erst als der Abend kam, war's mir bewußt.
Fast schämte ich mich meiner rohen Kraft
Vor diesen Ärmchen und der jungen Brust,

Vor dieser Stirn, so rein und unschuldsvoll
Und diesem feinen Mund, noch ungeküßt,
Der leise bebt nach dem, was kommen soll - - -

Und wie Zerstörung fürchtend, blieb ich stehn,
Da sah ich ihrer Augen fieberheißen Glanz, -
Das Kind verschwand. - Ich hab' das Weib gesehn.


Aus: Präludien der Liebe
Neue Gedichte und Lieder von Leo Heller
"HARMONIE" Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1907) (S. 74)

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Besuch

"Guten Abend, Junker Fadenschein.
Wie kam Er bloß zu mir herein?
Der Riegel lag doch vor der Tür.
Wie kam Er nur herein zu mir?"

"Sie weiß, Mamsellchen Honigfrisch,
Die Liebe macht erfinderisch.
Nun hör Sie eifrig zu: ich kroch
Durch's Schlüsselloch, durch's Schlüsselloch."

"Ei, Junker, solche Art von Reis',
Die mach Er nur dem Teufel weiß.
Ich aber bin ein Jungfräulein
Und mag nicht so belogen sein!"

"Belogen her, belogen hin.
Genug, daß ich im Stübchen bin.
Und wenn ich einen Kuß begehr,
Mamsellchen, mach Sie mir's nicht schwer!"


Aus: Leo Heller Neue Gedichte
Verlag der Fr. Lintz'schen Buchhandlung Trier
Alle Rechte vorbehalten
Copyright 1919 by Reuss & Itta Konstanz (Baden) (S. 13)

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Morgengruß

Ich bin die ganze lange Nacht
Den Weg zu dir gegangen.
Da ist der neue Tag erwacht
Mit purpurroten Wangen.

Es singt der erste Vogel hell
Durch Morgenluft und Frühe,
Da ich, der fahrende Gesell,
An deiner Schwelle kniee.

Aus: Leo Heller Neue Gedichte
Verlag der Fr. Lintz'schen Buchhandlung Trier
Alle Rechte vorbehalten
Copyright 1919 by Reuss & Itta Konstanz (Baden) (S. 14)

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Liebe Geige . . .

Liebe Geige, heute nacht
Sollst du meine Liebe singen,
Sollst du meiner Liebsten singen,
Liebe Geige, heute nacht.

Deine Stimme soll erklingen,
Jeder Klang ein süßes Wort,
Und die Luft weht jedes fort,
Um sie meinem Schatz zu bringen.

Liebe Geige, heute nacht
Sollst du meine Liebe singen.
Was ich fühlte und gedacht,
Liebe Geige, heute nacht
Soll es in den Saiten schwingen.
Liebe Geige . . .

Aus: Leo Heller Neue Gedichte
Verlag der Fr. Lintz'schen Buchhandlung Trier
Alle Rechte vorbehalten
Copyright 1919 by Reuss & Itta Konstanz (Baden) (S. 22)

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Der Traum

Reibe dir aus den Augen den Schlaf,
Den Traum mit ihm zugleich:
Es war einmal ein junger Graf,
Schlank, interessant und bleich.
Der sank vor dir aufs Knie:
"Madame, ich liebe Sie.
Wenn Sie alle Schätze der Welt begehren,
Ich will sie Ihnen gern verehren!" -
Und lächelnd hast du just gedacht:
"Mein Gott, wie hübsch er spricht. - - -,"
Da bist du erwacht
Und sahst mein Gesicht
Und seufzest: "Ach, du bist kein Graf,
Nicht interessant und bleich.
Was wecktest du mich aus dem Schlaf
Und aus dem Traum zugleich?!"

Aus: Leo Heller Neue Gedichte
Verlag der Fr. Lintz'schen Buchhandlung Trier
Alle Rechte vorbehalten
Copyright 1919 by Reuss & Itta Konstanz (Baden) (S. 23)

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Alte Briefe

Ein Päckchen Briefe, das ein blaues Band
Umwand,
Hielt sie im Schrein, daß keiner es entdeckt,
Versteckt.
Nur selten holt sie es, wenn sich der Tag verlor,
Hervor
Und liest und weint und lächelt froh und nickt
Beglückt.


Aus: Leo Heller Neue Gedichte
Verlag der Fr. Lintz'schen Buchhandlung Trier
Alle Rechte vorbehalten
Copyright 1919 by Reuss & Itta Konstanz (Baden) (S. 24)

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An ein Mädchen

Sei mir willkommen und tritt ein!
Deine Füße will ich waschen mit Wein,
Dein Haar will ich mit Blumen zieren,
Dein Herz will ich durch Lieder rühren
Und deinen kleinen Mund mit diesen
Bebenden Lippen fest verschließen!

Aus: Leo Heller Neue Gedichte
Verlag der Fr. Lintz'schen Buchhandlung Trier
Alle Rechte vorbehalten
Copyright 1919 by Reuss & Itta Konstanz (Baden) (S. 61)

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Der Nebenbuhler

Ich sah, wie er sie an sich drückte
Und wie sein Mund begehrlich war,
Und wie er ihr das weiche Haar
Mit Blumen seines Gartens schmückte

Und wie er sie auf Wegen führte,
Die sich im Düsteren verzweigt,
Wie sich einander zugeneigt,
Der Atem beider heiß berührte

Und wie ein schwarzer Wolkenballen
Des Mondes Angesicht zerriß.
Dann fühlte ich nur Finsternis
Mein Auge und mein Herz umkrallen . . .


Aus: Leo Heller Neue Gedichte
Verlag der Fr. Lintz'schen Buchhandlung Trier
Alle Rechte vorbehalten
Copyright 1919 by Reuss & Itta Konstanz (Baden) (S. 63)

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Sonnentag

Als mein armes Mädel im Sterben lag,
Da gab's einen hellen Sonnentag:

Durch die offenen Fenster breit und weit
Ergoß sich des Frühlings Seligkeit,

Und es schimmerte goldig im Kämmerlein
Als lägen Demanten und Perlen drein,

Als kniete ein König mit hohem Sinn
Am Lager der sterbenden Königin,

Als hätten wir niemals Not gelitten -
So wollt' uns der Lenz mit Glanz überschütten. -

Das sterbende Mädel glückselig war
Und strich mir durch's wellige Lockenhaar

Und sah mich mit großen Blicken an,
Wie's die Sonne, der Lenz, das Leben gethan,

Und wies mit der schmalen, weißen Hand
Hinaus in das ferne lachende Land,

Wo schlanke Bäume im Junglaub stehn,
Wo glückliche Menschen voll Liebe gehn,

Wo hüpfende Herzen winken und werben,
Und Einsamkeiten und Trübsal sterben. - - -

Die Sonne verglomm im westlichen Land,
Da nahm ich ein schmales, blaues Band

Und flocht es sanft in ihr Seidenhaar,
Und sie war so hold, - so wunderbar. - - -

Als mein armes, geputztes Mädel tot,
Da gab's schimmerndes Abendroth - - - 

Aus: Leo Heller Volkslieder in modernem Gewande
HARMONIE Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1902) (S. 7-8)

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Fein Röschen

Fein Röschen lag im Bettchen
Und trug ein güld'nes Kettchen
An ihrem Hals zur Zier;
Das Bettchen, das war von Papa,
Die Polster waren von Mama,
Das Kettchen war von mir.
Ei lala juchheilala!

Fein Röschen stand im Gärtchen
Und küßt ein blondes Bärtchen
Mit ungestümer Gier;
Fein Röschen, das war von Papa,
Das Gärtchen, das war von Mama,
Das Bärtchen war von mir.
Ei lala juchheilala!

Fein Röschen saß im Stübchen
Und trug ein kleines Bübchen,
Ihr brach das Herze schier;
Das Stübchen, das war von Papa,
Das Wieglein, das war von Mama,
Das Bübchen war von mir.
Ei lala juchheilala!

Fein Röschen liegt im Zimmer
Bei güld'nem Kerzenschimmer,
Zwei Englein steh'n bei ihr;
Das Särglein, das war von Papa,
Das Kreuzlein, das war von Mama,
Das Kränzlein war von mir.
Ei lala juchheilala!

Aus: Leo Heller Volkslieder in modernem Gewande
HARMONIE Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1902) (S. 9-10)

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Lockung

Wir wollen Mutter ein Schnippchen schlagen:
Heut Abend, mein Schatz, so liegt's mir im Sinn,
Da will ich in meinen Armen Dich tragen
Bis hin zum weichgepolsterten Wagen,
Und drin, drin will ich Dir endlich sagen,
Wie gut, wie herzensgut ich Dir bin.
Und liegt erst die Stadt in unserem Rücken,
Hei Schätzel, dann weiß ich auch, was ich thu':
Dann deck' ich Dein Mündchen mit Küssen zu,
Ja Sträuben das hilft nicht, das geht so im Nu.
Im Mondglanz, da tanzen die Mücken
Und summen und brummen dazu.
Und sind wir beim harrenden Birkenhain,
Dann geht's in das tiefste Dunkel hinein.
Wo die Zweige den Boden liebkosen.
Dort giebt es ein Plätzchen auf grünweichem Grund,
Dort wiegen und neigen sich in der Rund
Die schirmenden Heckenrosen - - - - - -

Und was wir dorten auch immer gethan,
Der Mond wird's nimmer berichten,
Das geht ihn ja eigentlich gar nichts an,
Das sind discrete Geschichten.
Und eh's noch im Osten sachte beginnt
In rosiger Hoffnung zu tagen,
Und eh' sich mein Schätzel noch richtig besinnt,
Da sitzen wir wieder im Wagen,
He, Schatz, nun laß doch Dein Zagen,
Wir wollen ja nur,
Wir wollen ja nur
Der Mutter ein Schnippchen schlagen - - -

Aus: Leo Heller Volkslieder in modernem Gewande
HARMONIE Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1902) (S. 17-18)

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Träume

Daß ich immer von Dir träume,
Kannst Du, Kleine, mir nicht wehren,
Weil die rothen Zauberträume
Mir allein nur angehören.

Wenn das Purpurabendfeuer
Sanft auf grauem Feld verglommen,
Hat ein wunderselig Träumen
Meine Seele mitgenommen.

Meine Träume sind mir heilig,
Will sie gleich dem Gott verehren,
Beuge mich vor ihren Wundern,
Weil sie mir das Glück gebären.


Aus: Leo Heller Volkslieder in modernem Gewande
HARMONIE Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1902) (S. 19)

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Auf der Treppe

Heißa wie schön war's doch heute Nacht:
Habe ein Liebchen mir heimgebracht,
Heim in mein trauliches Häuschen;
War ein Mamsellchen Uebermut,
Trug einen gelben Sommerhut
Und am Busen ein Sträußchen.

Treppe lag finster in Mitternachtsrast,
Schätzel hat mich am Arme gefaßt,
Furchtsam in Bangen und Zagen.
Treppe, die knistert und stöhnet im Schlaf -
Schätzel sei muthig, Schätzel sei brav,
Schätzel, belohnt wird Dein Wagen.

Bald war die erste Stufe besiegt,
Liebchen an meine Brust sich schmiegt,
Und ich erprobte ein Schmätzchen.
Droben am Dach im Epheusgerank,
Saßen bei sinnigem, minnigem Sang
Murnekater und Kätzchen.

Ehe die letzte Stuf' wir erreicht,
Hat sich der Himmel im Osten gebleicht:
Hell wird's im traulichen Häuschen.
Schätzel auf meinem Bettlein ruht -
Hat - - 'nen zerknitterten Sommerhut
Und ein verwelktes Sträußchen - - -

Aus: Leo Heller Volkslieder in modernem Gewande
HARMONIE Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1902) (S. 20)

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Im Volkston

Wenn es warm und hell durch die Büsche weht'
Und die Sonne durch die Aecker geht,
Dann ist der Frühling kommen. -
Der hat dem Mädel über Nacht
Den Allerliebsten zugebracht
Und hat ihr Leid genommen.
Unten ein Röcklein,
Oben zwei Löcklein,
In der Brust ein hüpfendes Herz.

Wenn es heiß und satt durch die Felder weht,
Und die Sonne über Wiesen und Wäldern steht,
Dann ist der Sommer kommen. -
Der hat dem Mädel über Nacht
Die brennende Liebe ins Herz gebracht
Und hat ihre Blüte genommen.
Unten ein Röcklein,
Oben zwei Löcklein,
In der Brust ein zagendes Herz.

Wenn es kühl und starr durch die Gassen weht,
Und die Felder und Wiesen abgemäht,
Dann ist der Herbst gekommen. -
Der hat dem Mädel über Nacht
Ein kleines Büble zugebracht
Und hat ihre Freude genommen.
Unten ein Röcklein,
Oben zwei Löcklein,
In der Brust ein zuckendes Herz.

Wenn es eisig und kalt durch die Straßen weht,
Und der Brunnen im starren Frost vergeht,
Dann ist der Winter kommen. -
Der hat dem Mädel über Nacht
Das allerseligste Glück gebracht
Und hat ihren Schmerz genommen.
Unten ein Röcklein,
Oben zwei Löcklein,
In der Brust ein - todtes Herz - - -


Aus: Leo Heller Volkslieder in modernem Gewande
HARMONIE Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1902) (S. 21-22)

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Mädel weint

"Mädel, Du weinst?
Ach weine doch nicht,
Kann Deine Thränen nicht sehen,
Kriegst ja davon ein blasses Gesicht,
Mädel, mein Mädel, weine doch nicht,
's ist Dir ja nichts geschehen.
Wegen des Küßchens grämst Du Dich so?
Kostet ein Kuß das Leben?
Es hat uns dabei kein Mensch geseh'n,
Und was geschehen ist, ist mal gescheh'n,
Ich werde Dir keinen mehr geben." - -
Mein Mädel weint fort und lispelt dabei
Mit schluchzender Stimme und Beben:
"Warum ich weine, hast Du gefragt?
Nur wegen des Kusses; ganz wie Du gesagt,
Weil Du mir nur einen gegeben!"


Aus: Leo Heller Volkslieder in modernem Gewande
HARMONIE Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1902) (S. 23)

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Schöne Frauen

Schelmenaugen, Seidenlöckchen,
Ach, das sind die schönen Frauen,
Die gleich lüsternen Gebeten
In den dunkeln Sehnsuchtsnächten
An mein Ruhelager treten
Und nach meiner Armut schauen.

Runde Arme, volle Busen,
Ja, das sind die schönen Sünden,
Die ich stets so gern begangen,
Und die schwere Buße fordern,
Wenn sie in die Seele drangen
Und sich mit dem Herzen bünden.

Schelmenaugen, Seidenlöckchen,
Wie verwünsch' ich Euch, Ihr Bösen,
Habt mich in den Kot getreten,
Habt mich in die Schand' gestoßen,
Beten will ich, brünstig beten,
Wollt' Ihr mich von Euch erlosen.

Aus: Leo Heller Volkslieder in modernem Gewande
HARMONIE Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1902) (S. 25)

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Im Mai

Das klang wie eine Symphonei,
Wie eine Liebessymphonei;
Mein Liebchen sang ein kleines Lied
Vom Rosenknösplein, das erblüht
Im Mai.
Und wie um's rote Röslein wirbt
Der kleine Falter keck im Mai,
Und wie der kleine Falter stirbt
Dabei.

Das war im stillen Birkenhain,
Der Abendschatten spann uns ein.
Mein Liebchen sang ein kleines Lied
Vom Burschen, der sein Mädel sieht
Im Mai'n.
Und wie um's dralle Mädel wirbt
Der kecke Bursch. Gott mög's verzeih'n!
Und wie das Mädel dann verdirbt
Allein.

Ich hab' dem kleinen Lied gelauscht,
Und in den Bäumen hat gerauscht
Der Abendwind. - Das kleine Lied
Noch immer in die Weite zieht
Im Mai.
Ich habe Liebchens Mund geküßt
Ganz ohne Furcht und Scheu,
Bis daß das Lied gestorben ist
Dabei - - - - - - -

Aus: Leo Heller Volkslieder in modernem Gewande
HARMONIE Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1902) (S. 32)

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Der schwatzhafte Fliederstrauch

Draußen im Frühlingsgarten,
Da steht im süßen Hauch
Von abertausend Blüten
Ein herrlicher Fliederstrauch.

Dort sitzen wir jeden Abend
Liebkosend Hand in Hand
Und träumend uns hinüber
Ins zaub'rische Wunderland.

Und neugierig drängen die Zweige
An unseren Häuptern sich hin,
Und Blüten umschmeicheln das Antlitz
Im milden Sonnenverglüh'n.

Das lauscht und lispelt seltsam
In grüner Blätterpracht,
Die Flatterdinge erzählen
Von manch' einer Liebesnacht.

Das sind viel tausend Sachen
Zum Lachen und Weinen auch,
Warum bist Du so schwatzhaft,
Du herrlicher Fliederstrauch? -


Aus: Leo Heller Volkslieder in modernem Gewande
HARMONIE Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1902) (S. 39)

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Und wenn Ihr's noch nicht all wißt

Und wenn Ihr's noch nicht alle wißt,
Wie mir um's Herz gewesen ist,
Als ich mein Liebchen einst küßte,
Ich sag' Euch, es war eine Seligkeit,
Ich sag' Euch, es war eine Himmelsfreud',
Ein Sonnenstrahl, der mich grüßte.

Und wenn Ihr's noch nicht alle kennt,
Wie heiße Liebe im Herzen brennt
In frühlingssonnigen Tagen,
Ich sag' Euch, das ist ein stilles Glück,
Ich sag' Euch, das ist ein Nimmerzurück
Zu härmendem Wehe und Klagen.

Und wenn Ihr's noch nicht alle gefühlt,
Was wehe und bang im Herzen wühlt,
Dann sargt erst ein Eu're Ruhe.
Ich sag' Euch, das war eine Gotteswut,
Aus meinen Augen floß rotes Blut
Hinab in die offene Truhe.


Aus: Leo Heller Volkslieder in modernem Gewande
HARMONIE Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1902) (S. 47)

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Das Märlein vom armen Prinzen

Ich hab's vom Hörensagen:
Es lebte einst ein Prinz,
Ein schöner, junger Prinz,
In einem fernen Reiche.
Deß' Wangen waren bleiche
Wie frischgefall'ner Schnee.
O weh!

Allein der schöne Prinz
War auch ein armer Prinz,
Denn an demselben Hofe
Da lebte eine Zofe,
Die liebt' er fest und zäh.
O weh!

Doch leider war der Prinz
Ein gar verschwieg'ner Prinz,
Er konnt' es nicht verstehen,
Die Lieb' ihr zu gestehen,
War schüchtern wie ein Reh.
O weh!

So kam's, daß dieser Prinz
Bald war ein toter Prinz:
Er konnt' sie nicht verschmerzen,
Starb an gebroch'nem Herzen
Auf seinem Kanapee.
O weh!

Vor'm Tode hat der Prinz,
Als ritterlicher Prinz
Ein Testament geschrieben,
Darin sind hinterblieben
Die Schätze all' der Maid.
O Freud'!

Vergessen war der Prinz
Der gute, liebe Prinz.
Das Mädel liebt das Scherzen,
Läßt sich vom Kutscher herzen
Für Prinzleins rotes Geld . . .
Du bitterböse Welt!

Ich hab's vom Hörensagen - - -

Aus: Leo Heller Volkslieder in modernem Gewande
HARMONIE Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1902) (S. 48-49)

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Tanzliedchen

Komm', mein nettes Schmollemäulchen,
Tanz' mit mir ein kleines Weilchen,
Wenn wir uns im Tanz erst dreh'n,
Wird Dein Herzeleid vergeh'n,
Wird vergeh'n, wird vergeh'n,
Wird Dein Herzeleid vergeh'n.
Lala.

Hell und schrill die Geigen klingen,
Wollen uns zum Tanze zwingen,
Und willst Du mich selig seh'n,
Laß mich Dich im Walzer dreh'n,
Walzer dreh'n, Walzer dreh'n,
Laß mich Dich im Walzer dreh'n.
Lala.

Sind erst müde Deine Füßchen,
Geb' ich Dir ein süßes Küßchen,
Und dann laß uns abseits geh'n,
Keine Seel' hat uns geseh'n,
Keine Seel' hat uns geseh'n.
Lala.


Aus: Leo Heller Volkslieder in modernem Gewande
HARMONIE Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1902) (S. 50)

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Dolce far niente

Die Lichter verscheiden, der Wein ist gar,
Auf weichem Pfühl ruht ein seltsames Paar,
Ein weißes Männchen und Weibchen.
Er hält die Kleine so enge umspannt
Und legt seine dreiste, lüsterne Hand
Gar keck um das weiße Leibchen:
"Lirla,
Wie lieb' ich Dich, doch, mein Täubchen."

Herr Pierrot ist es und Fräulein Pierette,
Die hier sich ganz ohne Etiquette
Die herrlichsten Sachen berichten.
Herr Pierrot, was nimmst Du den Mund so voll,
Pierettchen, was lachst Du so übertoll
Zu diesen losen Geschichten?
"Lirla,
Wie schön kann Pierrot doch dichten!"

Die Lichter verscheiden, der Glanz ist aus,
Wie duftet vom Tisch der Fliederstrauß
So süß, so arg und berückend.
Herr Pierrot begehrlich die Lippen spitzt,
Pierrettchens Auge flimmert und blitzt,
Sie findet Pierrot entzückend:
"Lirla,
Ach, wär er nur weniger drückend!"

Die Nacht verschwindet, der Morgen graut,
Die Sonne verwundert in's Kämmerlein schaut
Und gleitet gar lustig zum Bettchen.
Drin schläft Herr Pierrot mit offenem Mund
Und schnarcht wie ein alter Schäferhund,
Und ärgerlich wendet im Stättchen,
Lirla,
Sich um das feine Pierrettchen. - - - - - -

Aus: Leo Heller Volkslieder in modernem Gewande
HARMONIE Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1902) (S. 57-58)

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Meine kleine, süße Frau

Wiesengrün und Himmelsblau,
Sonnengold und Morgenthau
Liebt die kleine, süße Frau.

Himmelsblau lädt freundlich ein,
Freundlicher der Sonnenschein:
"Ihm entgegen rasch zu zwei'n!"

Morgenthau am Blümchen hing,
Duftet wonnig dieses Ding,
Blitzt so hell und blitzt so blink.

In der Wiesen weiches Grün
Streck' ich mich behaglich hin,
Kraus das Herz und kraus den Sinn.

Neben mir ruht Frauchen braun,
Muß in ihre Aeuglein schau'n,
Muß ihr Dinge anvertrau'n - Dinge -

Wiesengrün und Himmelsblau,
Sonnengold und Morgenthau
Liebt meine kleine, süße Frau - - -

Aus: Leo Heller Volkslieder in modernem Gewande
HARMONIE Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1902) (S. 61)

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Koseliedchen

Du ein Gläschen, ich ein Gläschen,
Hei, nun woll'n wir fröhlich sein!
Kleine Perlen wirft der Wein,
Du ein Mäschen, ich ein Mäschen.

Du ein Küßchen, ich ein Küßchen,
Tausch um Tausch, das muß so sein.
Ist's etwa nicht wunderfein?
Du ein bißchen, ich ein bißchen.

Du ein Spitzchen, ich ein Spitzchen,
Was, mein Kind, das macht vergnügt?
Hast ein lustig Herz gekriegt:
Du ein Witzchen, ich ein Witzchen.

Du ein Händchen, ich ein Händchen,
Ei, nun laß' ich's nimmer aus,
Nehm's mir heute mit nach Haus:
Du ein Pfändchen, ich ein Pfändchen.

Du ein Bettchen, ich ein Bettchen,
Ach wie stört das Lampenlicht!
Drehe ab, doch blase nicht.
Du und ich in einem Bettchen.

Aus: Leo Heller Volkslieder in modernem Gewande
HARMONIE Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1902) (S. 66)

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Schelmenliedchen

Du hast zwei Schelmenaugen,
Mein wunderliebliches Kind,
In denen zwei kleine Teufel
Tagsüber verborgen sind.

Die höhnen mich und lachen
Und treiben es kunterbunt
Und spielen mit meinem Herzen,
Mit meinem Herzen wund.

Doch kommt auf milden Schwingen
Die Nacht ins Land herein,
Dann sitzen in Deinen Augen
Zwei süße Engelein;

Die sind so lieb und artig,
So wohlerzogen und fein
Und lassen sich gerne küssen
Und schlafen dabei ein.

Du hast zwei Schelmenaugen,
Mein wunderliebliches Kind,
In denen zwei wundernette
Englein verborgen sind.


Aus: Leo Heller Volkslieder in modernem Gewande
HARMONIE Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1902) (S. 68)

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Gedenkst Du noch?

Gedenkst Du noch der schönen Zeit:
Du trugst ein blaugestreiftes Kleid
Und schwarze Strümpflein und weiße Schuh.
Und wir gingen den schmalen, wilden Weg
Hinauf ins dichteste Waldgeheg'
Und sangen ein Liedchen dazu.

Und kam darin viel von Liebe vor:
Wie der Schäferknab' die Prinzessin verlor,
Und wie er weinte bei Nacht und Tag,
Und wie er sie dann wiederfand,
Und wie Jubel war im ganzen Land,
Und wie er in ihren Armen lag. - - -

Gedenkst Du noch der Abendstund:
Wir lagen im Walde Mund an Mund,
Vergaßen die Welt und uns selbst dazu
Und kannten damals kein Weh, kein Leid - -
Du trugst ein blaugestreiftes Kleid
Und schwarze Strümpflein und weiße Schuh. -


Aus: Leo Heller Volkslieder in modernem Gewande
HARMONIE Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1902) (S. 78)

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Ein Brief

"Verehrte schöne Frau! - Sie sind
Erstaunt, wenn Sie die Zeilen lesen,
Sie glaubten, daß mein letzter Kuß
Das Endkapitel des Romans gewesen.
Ich sehe Sie frappiert. - Vielleicht ist gar
Der Pudermantel Ihrer Schulterpracht entfallen;
Vielleicht, daß Sie ob meiner Arroganz
Die kleinen, allerliebsten Händchen ballen.

Ich weiß, der Brief gehört den Flammen an,
So wie auch ich verfiel in Ihres Herzens Gluten,
Da wir, war nicht der Herr Gemahl daheim,
Einst Brust an Brust auf weichem Pfühle ruhten.

O fürchten Sie sich nicht. Ich will
Von uns'rer Liebe keiner Seele sagen,
Mein Glück gehöre der Vergangenheit, -
Mein Leid der Zukunft grauen Tagen."

Aus: Leo Heller Volkslieder in modernem Gewande
HARMONIE Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1902) (S. 79)

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Kußwarnung

Wer einmal einen Mann geküßt,
Ich wette, der küßt wieder,
Wer einmal sich zur Lieb' gerüst',
Ich wette, der rüst' wieder.

Drum halt' Dich, Mädel, wohl verschanzt
Vor'm ersten Kuß in Ehren
Und tracht', so lang Du trachten kannst,
Das Küßlein zu verwehren.

Denn hast genippt Du erst einmal,
Hat Dich die Lieb' geworben.
Schon manches Mädel ist in Qual
Am ersten Kuß gestorben.

Aus: Leo Heller Volkslieder in modernem Gewande
HARMONIE Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1902) (S. 90)

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Und wie es kam . . .

Und wie es kam und wie's geschah,
Ich weiß es nimmer klar,
An meinem schwellenden Munde hing
Ein durstiges Lippenpaar.

Es war so dreist, so ungestüm,
Und doch so süß und weich.
Es war ein Stückchen Hölle und
Ein ganzes Himmelreich.

Rings glänzte uns das Sternenzelt,
So überreich besät,
Und durch die schlanken Wipfel mild
Ein leises Rauschen geht.

Und wer ihm leiht ein willig Ohr
In stiller Sommernacht,
Dem hat der alte Eschenbaum
Ein Märlein zugedacht.

Das Märlein von dem armen Ding,
Das hier so müd' und bleich
Den bitterlichen Weg begann
Empor zum Himmelreich.

Und wie es kam und wie's geschah,
Ich weiß es nimmer klar,
Ich trag' ein Kind auf meinem Arm
Und fluch' dem Lippenpaar.

Aus: Leo Heller Volkslieder in modernem Gewande
HARMONIE Verlagsgesellschaft für Literatur und Kunst
Berlin W 35 (1902) (S. 91)

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Biographie:

Leo Heller geb. 18.3.1876 in Wien, gest. 1949 (Ort nicht ermittelt).
Schriftsteller, Redakteur; studierte auf Wunsch des Vaters an der Prager Handelsakademie, nach vier Jahren als Angestellter der Böhm. Union-Bank in Prag. Redakteur des "Dt. Abendbl." ebd. 1901 Umzug nach Berlin. Trat in Ernst von Wolzogens Kabarett "Überbrettl" auf, 1912 Redakteur d. "Dt. Tagesspiegel" und ab 1917 Kritiker d. "National-Zeitung", in den 1920er Jahren Autor für die von Trude Hersterberg gegründeten polit.-lit. Kabaretts "Wilde Bühne" und "Die Wespen" in Berlin. Lebte ab 1933 in Teplitz-Schönau.
Lyrik, Erzählungen, Lied, Mundart (berlin., wienerisch).
Schriften (Auswahl):
Volkslieder in modernem Gewande 1902
Bunte Lieder 1903
"Garben" Neue Gedichte 1906
Präludien der Liebe. Neue Gedichte und Lieder 1907
Neue Lieder 1908
Die Wiese (Ged.) 1914
Neue Gedichte 1919
Lieder vom Frühling (Ged.) 1921

Aus: Deutsches Literatur-Lexikon. Das 20. Jahrhundert
Biogr.-bibl. Handbuch begründet von Wilhelm Kosch
Hrsg. von Lutz Hagestedt 17. Band
Walter de Gruyter Berlin / Boston 2011
 


 

 


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