Otto Leonhard Heubner (1812-1893) - Liebesgedichte

 


Otto Leonhard Heubner
(1812-1893)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 


 




Die Rosenknospen

Ich war hinausgegangen
Zu meinem Rosenhag,
Mit rechter Lust zu grüßen
Den jungen Frühlingstag.

Da, weit vor allen andern,
Bot meinem Blick sich dar,
Nur eben erst erblühet,
Ein duftend Knospenpaar.

Sie küßten sich einander,
Vom Morgenwind gewiegt,
Und eine hatt' der andern
So traut sich angeschmiegt,

Als ob sie ohne diese
Nicht duften könnt' und blüh'n,
Und nur in ihrer Nähe
Vor Liebe möcht' erglüh'n.

Da dacht' ich gleich an Liebchen
Und hätte wohl gemeint:
So wallt ich gern durch's Leben,
So süß mit ihr vereint!

Ich träumte frohe Träume,
Im Geiste ganz entzückt. -
Da war die größte Knospe
Auf einmal abgeknickt. -

Fast hätten meine Augen
Mit Thränen sich gefüllt.
Was für ein traurig Zeichen
Auf solch ein liebes Bild!
(S. 17-18)
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Vermächtniß
An die einzig Geliebte

Nun, da Du diese Zeilen hast erhalten,
Die Dir die letzte Kunde von mir geben,
Nun hab' ich ausgelebt mein Erdenleben,
Und anders, neu mußt' sich mein Sein gestalten.

Kann nun der Geist sich fesselfrei entfalten?
Kann er Dich, Liebe, liebend nah umschweben?
Manch froh Gefühl, manch stille Lust Dir geben?
Kann segnend, schützen über Dir er walten?

Wohl weiß ich Antwort jetzt auf solche Fragen.
Doch als ich noch auf Erden sollte walten,
Ich durfte nichts verheißen von dem Allen.

Nur dieses konnt' ich mit Gewißheit sagen:
Noch glüh' ich in der alten Liebe Banden!
Sie ist verjüngt mit mir vom Tod erstanden.
(S. 19)
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Die Aeolsharfe
auf dem Altenstein

Dort, wo im grünen Kranze uralter Buchenwelt
Dem Inselsberg des Laubmeers Gelock vom Scheitel fällt,
Da ragt aus Waldestiefen weit in das Land hinein,
Von Felsen rings umgürtet, der graue Altenstein.

Viel wunderbare Dinge mag da das Auge schau'n,
Im hellen Sonnenglanze, in schwarzer Höhle Grau'n;
Doch vor den andern mächtig erregt des Herzens Drang
Im Halblicht stiller Grotte ein voller Harfenklang.

Die seltne Harfe tönet bald tiefen Orgelton,
Bald zauberisch Gesäusel, als käm's von Gottes Thron.
Und fragst du nach dem Meister, - hier keines Menschen Spur;
Denn auf der Harfe spielet die Meisterin Natur.

Bei diesen ernsten Klängen regt sich's im tiefen Schooß
Der Felsen und der Gründe, Gestalten werden los,
Und vor das Auge treten die Bilder all' hervor,
Die längst geruhet hinter der Zeit verschloss'nem Thor.

Dort, wo der Felsenplatte das hohe Kreuz entsteigt,
Ist's nicht ein Greisenantlitz, das sich zum Thale neigt?
Gewaltiger Apostel! Du predigst Einen Gott, -
Und seine alten Götter sind nun dem Volk ein Spott.

Gewaltiger Apostel! Du predigst neues Heil, -
Und in den grünen Thälern und auf den Bergen steil,
Rings herrscht die Macht der Kirche mit Kreuz und Glockenton,
Und zu dem Tempel wallfahrt't die gläub'ge Procession.

Wo nun der Friede Gottes beim Abendmahle wohnt,
Da hat noch jüngst der Rache blutgier'ger Stahl gethront;
Und die nichts Höh'res kannte, als wilde Kriegeslust,
Nun für das Wohl der Brüder erglüht die Christenbrust.

Und wieder and'res Tönen entquillt der Harfe Klang.
Hörst du dazu voll rauschend des Troubadours Gesang?
Er steht im Kranz der Ritter, in schöner Damen Kreis,
Und läßt sein Lied erschallen zu aller Frauen Preis.

Es reitet aus dem Thore der Ritter mit dem Knecht;
Er führt den Spruch im Schilde: "Für Unschuld und für Recht!"
Wie hat der wack're Kämpe der Bösen Trotz gebeugt!
Wie hat dem Fleh'n des Schwachen er gern sein Ohr geneigt!

Zum frommen Zuge giebt ihm die Gattin treu Geleit,
Und waltet nun im Hause in Sitt' und Ehrsamkeit.
Die Pflüger unten kehren vom Tagwerk froh zurück;
Burgfriede sichert ihnen des Hauses stilles Glück. -

Doch warum tönt die Harfe so plötzlich schrillen Ton?
Und all' die frommen Bilder, wie sind sie schnell entfloh'n? -
Was taucht der finstre Priester die Fackel in die Gluth?
Wen zerrt man dort zum Holzstoß mit buntem Höllenhut?

Was jagt durch Flur und Saaten ein roh unbänd'ger Troß?
Wen schmettert frech zu Boden der Ritter wild zu Roß?
Was treibt man dort zusammen in Schaaren Weib an Weib?
Was müh't ihr euch, zu foltern den alten, morschen Leib?

O wundersame Harfe, mit solchen Schrecken flieh!
Hast du für solch Zerwürfniß denn keine Harmonie?
Lös't mir das dunkle Räthsel vom Segen und vom Fluch,
Von guten, bösen Werken dein sibyllinisch Buch?

Da voller, immer voller ertönt der Harfe Klang,
Und zwischen durch erschallt es wie lichter Engel Sang;
Und süßer, immer süßer in sanften Melodien
Läßt sie die reichen Töne durch ihre Saiten zieh'n.

Und in dem tiefen Herzen da tagt es wunderbar;
Des Räthsels Lösung ist ihm nun klar und offenbar.
Es herrschet durch das Chaos - ist's auch verhüllt oft, wie? -
Als höchste Gottesbotin der Liebe Harmonie.

Jahrtausend verrauschen; die Völker kommen, geh'n;
Des Wahns Geburten gelten, bis sie im Strom verweh'n; -
Nur Eines ist geblieben, ob Alles nahm ein End',
Die Liebe ist geblieben vom Anfang bis zu End'.

Die Liebe blieb im Herzen, seitdem ein Herz gefühlt!
Der Liebe heil'ge Flamme hat noch kein Wahn gekühlt!
Die Liebe altert nimmer, und fraget sie auch oft
Den Gott, in dem sie bleibet, - die Liebe trägt und hofft.
(S. 22-26)
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Vielliebchen

Wie heißt der Strahl von Oben,
Der rings das All durchglüht?
Der Knosp' an Knospe bindet,
Der Herz zum Herzen zieht?

Die Lieb' ist's, die die Wesen
Fest an einander hält,
Und in der Liebe nahet
Der Schöpfer seiner Welt.

Wo zwei sich eng verbinden,
Spricht man von Liebe auch;
So ist's bei großen Dingen,
Wie bei den kleinen Brauch.

Und ruht in einer Schaale
Gepaaret Kern an Kern,
So nennen wir's Vielliebchen
Und suchen's, finden's gern.

Und wär denn das: "Vielliebchen"
Und weiter nichts, als das?
Nein, nein! Man mag nur sinnen,
Und es ist dies und das.

Ist auch die zarte Brücke,
Die jedes Erdenkind
Sich mit geheimen Fäden
Zum Glück hinüberspinnt.

Bald ist's des Ruhmes Palme,
Bald Wissen oder Kunst,
Bald ist's die laute Freude
Und bald ein blauer Dunst.

Dem ist's ein wonnig Sehnen,
Dem ist's die süße Braut,
Und dem der Heerd des Hauses
Und Weib und Kinder traut.

Dem Christ ist's jeder Bruder,
Den Gott ihm nahgestellt.
Vielliebchen, heißt die Losung
Vielliebchen alle Welt.

Wohl dem, den sein Vielliebchen
Mit solchem Geist durchweht,
Daß er die große Losung:
Für alle Welt! versteht.
(S. 27-29)
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Des Dichters Ernst

Taubeh schlug die goldnen Saiten,
Doch sie gaben trüben Klang,
Weil vom schwersten aller Leiden
Er aus wundem Herzen sang.

Denn die Dame seiner Liebe
Spottete des Dichters Schmerz,
Und sein Auge thränentrübe
Rührte nicht ihr stolzes Herz.

Manche Nacht zum Preis der Schönen
Stand er unter dem Altan,
Ließ manch Liebeslied ertönen -
Ach! umsonst stimmt' er sie an.

Eines Abends kam er wieder,
Still und bleich zum lieben Ort,
Und das Auge sank ihm nieder;
Dieses war sein letztes Wort:

"Die ich sang in goldnen Liedern,
Deren Stolz den Tod mir gab,
Dennoch, grüßt sie einst mein Grab,
Will ich gern den Gruß erwidern."

Leila, die stolze Schöne,
Hört des Dichters Schwanensang.
War'n so klar und rein die Töne,
Daß ihr's tief zum Herzen drang. -

Monden sind indeß verflossen;
Taubeh ruht im kühlen Grab,
Dem schon manche Blum' entsprossen,
Seit's dem Dichter Ruhe gab.

Und so grünt es still im Thale,
Als in glänzend reichem Staat
Mit dem prächtigen Gemahle
Leila, die Schöne, naht.

Spottend halb und halb mit Zagen
Denkt sie der Verheißung hier;
Doch es drängt sie, es zu sagen:
"Taubeh, Friede sei mit dir!"

Und es wird der stolzen Dame
Taubeh's Wort erfüllet schon;
Denn kaum ist des Dichters Name
Ihrem schönen Mund entfloh'n, -

Horch, da rauscht es aus den Blättern
Hinter Taubeh's Grab hervor;
Und es fliegt mit lautem Schmettern
Eine Nachtigall empor.

Doch ein arger Unheilsbote
Ward der Gruß aus Taubeh's Grab;
Denn es sank, erschreckt zum Tode,
Leila vom Roß herab.

Keine Sorge hat in's Leben
Wieder sie zurückgeruft.
Still und still erschloß sich neben
Taubeh's Hügel ihre Gruft.

Und dem Dichter und der Schönen
Hat noch manche Lenzesnacht
Nachtigall in vollen Tönen
Liebesklage dargebracht.
(S. 34-37)
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Der Schiffer

Es fuhr ein Schiffer auf weitem Meer,
Allein und voll Trübsinns fuhr er umher,
Es dacht' an längst verschollenes Glück,
An längst verschollene Liebe zurück.

Es lachte der Himmel, - er weinte dazu.
Es grollte der Donner, - er lachte dazu. -
Der Sturm ist gekommen, die See geht hohl;
Das Schiff ist versunken. - Dem Schiffer ist wohl!
(S. 38)
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Liebe

Die Liebe ist ein Strahl von dort,
Der nicht in jedem Busen zündet;
Doch wen er traf, und wen er bindet,
Hat hier schon Seligkeit am Bord.
(S. 82)
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Aus der Gefangenschaft

Am 12. Juni 1849
Morgens 8 Uhr

Leuchtend kam der Lenz gegangen,
Mir nur fremd und unbekannt;
Fenstergitter, Eisenspangen
Trennen mich von Luft und Land.
Heut' doch seh' ich Rosen prangen
In des Schlüsselmeisters Hand.

Wonnen tief im Herzen zittern
Bei dem hellen Frühlingsschein.
Thöricht Herz! Zu deinen bittern
Nächten bricht kein Strahl herein!
Hinter Schlössern, hinter Gittern
Können Rosen nicht gedeih'n.
(S. 90)
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Eine Stunde später

Hinter Schlössern, hinter Gittern
Können Rosen nicht gedeih'n -
Und es geben doch zwei Rosen
Meiner Zelle milden Schein.

An der Treusten Bildniß glühen
Sie in tiefem Purpurton,
Eine noch als Knospe schwellend,
Diese reich entfaltet schon.

Und die volle Blume kündet
Das genoss'ne süße Glück.
Und die Knospe? Kehrt noch einmal
Uns der Liebe Lenz zurück?

Beide Rosen, beide blühen
An der Brust dir glühend, mild,
Wechsellose Immortellen,
Unsrer Liebe treues Bild!
(S. 91-92)

Der Dichter hatte in der zwischen
den beiden Gedichten liegenden Stunde
das Bild seiner Gattin - auf dem sie mit zwei
dunklen Rosen, einer vollen und einer Knospe,
an der Brust gemalt ist -
aus der Heimath empfangen.

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An die Gattin

Weil düsterem Verhängniß wir zu eigen,
Das unser Sehnen fesselnd bindet,
Und nun Dein Auge meines nicht mehr findet,
Mein Blick den Deinen nicht mehr kann erreichen;

Will sich der Himmel als Vermittler zeigen.
D'rum wenn das letzte Abendglühen schwindet,
Und hell am Firmamente sich entzündet
Zahlloser Sonnen wundervoller Reigen;

So blick' empor zu diesen Sternenauen!
Und siehst Du leuchtend dort den goldnen Wagen,
Laß tief hinein Dein Auge schauen!

Das Lichtgespann wird dann im Augenblicke
Von Dir zu mir, von mir zu Dir sie tragen,
Die sich begegnen d'rin, der Liebe Blicke.
(S. 103)
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Vergessen oder nicht?
1825. 1841. 1850.
(Zum Geburtstage der Gattin)

"Das ist der Tag des Herrn!" Wie Mythen
Zieh'n mir durch's Herz die heil'gen Töne. -
Ich kann Dir nicht vom Lethe bieten,
So nimm statt seiner eine Thräne!

Denkst Du der Zeit, der liebdurchglühten,
Der Erdenwonnen, Erdenpläne? -
Ich kann Dir nicht vom Lethe bieten,
So nimm statt seiner eine Thräne!

Nun ewig, ewig ungeschieden!
Eins, bis der Tod grüßt - wie ich wähne -!
Ich kann Dir nicht vom Lethe bieten,
So nimm statt seiner eine Thräne!

Ich denk' an Deines Herzens Frieden,
Den ich umsonst zurück ersehne; -
Ich kann Dir nicht vom Lethe bieten,
So nimm statt seiner eine Thräne!

Ich denke der geknickten Blüthen,
Der schmerzgeweihten Jugendschöne;
Ich kann dir nicht vom Lethe bieten,
So nimm statt seiner eine Thräne!

Ich denk' an Deinen Trost hienieden,
An Deine Töchter, Deine Söhne. -
Ich will Dir nicht vom Lethe bieten,
So nimm statt seiner eine Thräne!
(S. 105-106)
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Lieder Anakreons
Aus dem Griechischen


Ode 1.
Auf die Lyra

Ich will von Atreus Söhnen,
Von Kadmus will ich singen!
Doch nur zu Liebestönen
Will meine Leier klingen.
Da nehm' ich andre Saiten,
Nehm' eine andre Leier,
Sing' von Herkul'schen Streiten -
Und Liebe tönt die Leier.
So fahrt denn hin, ihr Helden,
Fahrt hin auf ew'ge Zeiten!
Denn meine Saiten melden
Nur Lieb' und Liebesfreuden.
(S. 111)
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Ode 2.
Auf die Frauen

Es hat die gütige Natur
Mit starkem Horn verseh'n den Ur;
Sie gab den Huf dem edlen Roß,
Und flinken Fuß der Hasen Troß;
Ein grimm'ger Rachen ward' dem Leu'n;
Die Fische können schwimmen fein;
Die Vögel fliegen himmelan,
Und hohen Muth empfing der Mann.
Nur für die Frauen hatte sie
Noch nichts. - Was nun empfingen die?
Es hat statt aller Wehr,
Statt Helm und Schild und Speer
Das Weib der Schönheit Prangen
Von der Natur empfangen;
Und Helm und Schild und Feu'r und Stahl
Besiegt ein schönes Weib zumal.
(S. 112)
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Ode 4.
Auf sich selbst

Wo duft'ge Myrthen winken,
Und üpp'ger Lotos blüht,
Da will ich ruh'n und trinken,
Von süßer Lust durchglüht.

Gott Amor, komm' und schürze
Dein rosiges Gewand,
Und füll' mit Nektarwürze
Den Becher bis zum Rand.

Schnell, wie das Rad am Wagen,
Werd' ich durch's Leben hin
Zum nahen Ziel getragen,
Bis wenig Staub ich bin.

Was frommt's, den Stein zu salben?
Der Erde Meth zu weih'n?
Bringt mir die duft'gen Salben,
Bringt mir den süßen Wein!

Bekränzt mein Haupt mit Rosen,
Und ruft die holde Maid!
Will trinken, singen, kosen,
Bis mir's der Tod verbeut!

So lang' ich athm' und lebe,
Sei dies mein Lebenslauf;
Denn alle Sorgen hebe
Ich für den Orkus auf.
(S. 113-114)
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Ode 5.
Auf die Rose

Wo die vollen Gläser blinken,
Muß die schöne, duft'ge Rose,
Muß der Liebe Blume glänzen.
Meine Schläfe will ich kränzen
Mit der schönen duft'gen Rose,
Selig lächelnd will ich trinken.

Rosen, Blumenköniginnen,
Selbst den Göttern seid ihr theuer,
Zart gepflegt im Lenzesschooße.
Amors Locke schmückt die Rose,
Tanzt er zu des Festes Feier,
Mit den holden Charitinnen.

Nun so will ich mich bekränzen!
Will zu meiner Laute singen
Bei Lyäus Göttertranke,
Und die Maid, die holde, schlanke,
Froh zum muntern Tanz umschlingen,
Reich geschmückt mit Rosenkränzen.
(S. 114-115)
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Ode 30.
Auf den Amor

Den Gott der Liebe banden
Die Musen jüngst, und sandten
In Rosenketten ihn
Zur Schönheit hin.

Da zog mit Lösegelde
Cythere schnell zu Felde,
Um aus der Knechtschaft Pein
Ihn zu befrei'n.

Brecht seine Ketten immer!
Cupido gehet nimmer.
Solch Sclaventhum gewiß
Ist süß, ist süß.
(S. 117)
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Ode 34.
An ein Mädchen

Liebe, solltest mich nicht fliehen
Wegen meiner weißen Haare,
Nicht, weil dir die Jugendjahre
Noch im heitern Glanze blühen,
Meine Liebe von dir stoßen!
Sieh! wie herrlich in den Kränzen
Diese weißen Lilien glänzen
Mitten unter rothen Rosen.
(S. 118)
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Oder 40.
Auf den Amor

Cupido lag im Grünen
Und sah die muntern Bienen
Im Rosenstrauche nicht.
Und eh' er sich's versehen,
Da war's um ihn geschehen.

Ein Bienchen kam gekrochen
Und stach den armen Wicht,
Als hätt' er 'was verbrochen,
Und stach ihn tief hinein
In's zarte Fingerlein.
Da rang er sehr die Hände
Und sprang und flog behende
Zu seiner lieben Mutter;
Und unter vielen Zähren
Begann er zu Cytheren:
Ich bin verloren, Mutter!
Ich bin verloren, Mutter!
Ich lebe nicht mehr lange.
Die kleine Flügelschlange,
Die stach so fürchterlich
Tief in den Finger mich.
Cythere sprach geschwind:
Sag an, o liebes Kind,
Schmerzt so der Biene Stachel,
Wie sollen die denn klagen,
Die deines Pfeiles Stachel
Tief in dem Herzen tragen?
(S. 118-119)
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Nach einem spanischen Liede

Heiße Liebesflammen lodern
Ewig fort in meinem Herzen.
Ewig neue Thränen fodern
Unbeglückter Liebe Schmerzen.

Und die Thränen können nimmer
Löschen solch ein flammend Sehnen.
Und die Flammen können nimmer
Trocknen solche bittre Thränen.
(S. 122)
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Aus: Gedichte von Otto Heubner
Zum Besten seiner Familie
herausgegeben von seinen Brüdern
Mit der Lebensbeschreibung
und dem Porträt des Verfassers:
Zweite vermehrte Auflage
Zwickaus Verlag von Gebrüder Thost 1850

 


Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Leonhard_Heubner


 

 

 


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