Hugo von Hofmannsthal (1874-1929) - Liebesgedichte



Hugo von Hofmannsthal
(1874-1929)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 




Die Beiden

Sie trug den Becher in der Hand -
Ihr Kinn und Mund glich seinem Rand -,
So leicht und sicher war ihr Gang,
Kein Tropfen aus dem Becher sprang.

So leicht und fest war seine Hand:
Er ritt auf einem jungen Pferde,
Und mit nachlässiger Gebärde
Erzwang er, daß es zitternd stand.

Jedoch, wenn er aus ihrer Hand
Den leichten Becher nehmen sollte,
So war es beiden allzu schwer:
Denn beide bebten sie so sehr,
Daß keine Hand die andre fand
Und dunkler Wein am Boden rollte.

Aus: Hugo von Hofmannsthal  Gesammelte Werke
Erste Reihe in drei Bänden Berlin S. Fischer 1924 (S. 7)

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Dein Antlitz ...

Dein Antlitz war mit Träumen ganz beladen.
Ich schwieg und sah dich an mit stummem Beben.
Wie stieg das auf! Daß ich mich einmal schon
In frühern Nächten völlig hingegeben

Dem Mond und dem zuviel geliebten Tal,
Wo auf den leeren Hängen auseinander
Die magern Bäume standen und dazwischen
Die niedern kleinen Nebelwolken gingen

Und durch die Stille hin die immer frischen
Und immer fremden silberweißen Wasser
Der Fluß hinrauschen ließ - wie stieg das auf!

Wie stieg das auf! Denn allen diesen Dingen
Und ihrer Schönheit - die unfruchtbar war -
Hingab ich mich in großer Sehnsucht ganz,
Wie jetzt für das Anschaun von deinem Haar
Und zwischen deinen Lidern diesen Glanz!

Aus: Hugo von Hofmannsthal  Gesammelte Werke
Erste Reihe in drei Bänden Berlin S. Fischer 1924 (S. 9)

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Im Grünen zu singen

1.
Hörtest du denn nicht hinein,
Daß Musik das Haus umschlich?
Nacht war schwer und ohne Schein,
Doch der sanft auf hartem Stein
Lag und spielte, das war ich.

Was ich konnte, sprach ich aus:
"Liebste du, mein Alles du!"
Östlich brach ein Licht heraus,
Schwerer Tag trieb mich nach Haus,
Und mein Mund ist wieder zu.


2.
War der Himmel trüb und schwer,
Waren einsam wir so sehr,
Voneinander abgeschnitten!
Aber das ist nun nicht mehr:
Lüfte fließen hin und her;
Und die ganze Welt inmitten
Glänzt, als ob sie gläsern wär.

Sterne kamen aufgegangen,
Flimmern mein- und deinen Wangen,
Und sie wissens auch:
Stark und stärker wird ihr Prangen;
Und wir atmen mit Verlangen,
Liegen selig wie gefangen,
Spüren eins des andern Hauch.


3.
Die Liebste sprach: "Ich halt dich nicht,
Du hast mir nichts geschworn.
Die Menschen soll man halten nicht,
Sind nicht zur Treu geborn.

Zieh deine Straßen hin, mein Freund,
Beschau dir Land um Land,
In vielen Betten ruh dich aus,
Viel Frauen nimm bei der Hand.

Wo dir der Wein zu sauer ist,
Da trink du Malvasier,
Und wenn mein Mund dir süßer ist,
So komm nur wieder zu mir!"


Aus: Hugo von Hofmannsthal  Gesammelte Werke
Erste Reihe in drei Bänden Berlin S. Fischer 1924 (S. 19-20)

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Canticum canticorum
IV. 12-16

Du bist der verschlossene Garten,
Deine kindischen Hände warten,
Deine Lippen sind ohne Gewalt.
Du bist die versiegelte Quelle,
Des Lebens starre Schwelle,
Unwissend herb und kalt.

Nimm, Wind von Norden, Flügel,
Lauf, Südwind, über die Hügel
Und weh durch diesen Hain!
Laß alle Düfte triefen,
Aus starren Schlafes Tiefen
Das Leben sich befrein!

Aus: Hugo von Hofmannsthal Gesammelte Werke
Gedichte. Dramen 1 Frankfurt/ M. 1979 (S. 147)

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Wenn kühl der Sommermorgen ...

Wenn kühl der Sommermorgen graut,
Vom Himmel rosig wie Heidekraut,
Wie rosige Blüte von Heidekraut
Die blasse Sichel niederschaut:

Dann gehen auf silbernen Sohlen da
Aus ihres Gartens Tor
Umgürtet mit Schönheit und Schweigen ja
Die jüngsten Träume hervor.

Sie gehen durch eine blasse
Leisrauschende Pappelallee,
Durch eine Heckengasse
Und durch den duftigen Klee,

Sie öffnen mit feinen Fingern leis
Am dämmernden Hause das Tor
Und gehen die kleine Treppe leis
Zu deiner Kammer empor,

An deinem Bette sie stehen lang
Und haben keinen Mut,
Auf deine Seele sie horchen bang,
Die siedet und nicht ruht.

 Sie sind für dich gekommen, weh!
Du atmest allzu schwer,
Rückgehen sie beklommen weh!
Hin, wo sie kamen her,
Hin, wo der Sommermorgen graut
Wie rosig Blühn von Heidekraut.

Aus: Hugo von Hofmannsthal Gesammelte Werke
Gedichte. Dramen 1 Frankfurt/ M. 1979 (S. 148)

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Fronleichnam

Von Glockenschall, von Weihrauchduft umflossen,
Durchwogt die Straßen festliches Gepränge
Und lockt ringsum ein froh bewegt Gedränge
An alle Fenster, - deines bleibt geschlossen.

So hab auch ich der Träume bunte Menge,
Der Seele Inhalt, vor dir ausgegossen:
Du merktest's kaum, da schwieg ich scheu-verdrossen,
Und leis verweht der Wind die leisen Klänge.

Nimm dich in acht: ein Tag ist schnell entschwunden,
Und leer und öde liegt die Straße wieder;
Nimm dich in acht: mir ahnt, es kommen Stunden,

Da du ersehnest die verschmähten Lieder:
Heut tönt dir, unbegehrt, vielstimmiger Reigen,
Wenn einst du sein begehrst, wird er dir schweigen.


Aus: Hugo von Hofmannsthal Gesammelte Werke
Gedichte. Dramen 1 Frankfurt/ M. 1979 (S. 90)

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Sturmnacht

Die Sturmnacht hat uns vermählt
In Brausen und Toben und Bangen:
Was unsre Seelen sich lange verhehlt,
Da ist's uns aufgegangen.

Ich las so tief in deinem Blick
Beim Strahl vom Wetterleuchten:
Ich las darin mein flammend Glück,
In seinem Glanz, dem feuchten.

Es warf der Wind dein duft'ges Haar
Mir spielend um Stirn und Wangen,
Es flüsterte lockend die Wellenschar
Von heißem tiefem Verlangen.

Die Lippen waren sich so nah,
Ich hielt dich fest umschlungen;
Mein Werben und dein stammelnd Ja,
Die hat der Wind verschlungen ...


Aus: Hugo von Hofmannsthal Gesammelte Werke
Gedichte. Dramen 1 Frankfurt/ M. 1979 (S. 93)

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Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Hugo_von_Hofmannsthal



 

 


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