Friedrich Hölderlin (1770-1843) - Liebesgedichte

Friedrich Hölderlin

 

Friedrich Hölderlin
(1770-1843)

 

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 

[AN EINEN BAUM]

. . . und die ewigen Bahnen
Lächelnd über uns hin zögen die Herrscher der Welt,
Sonne und Mond und Sterne, und auch die Blitze der Wolken
Spielten, des Augenblicks feurige Kinder, um uns,
Aber in unsrem Innern, ein Bild der Fürsten des Himmels,
Wandelte neidlos der Gott unserer Liebe dahin,
Und er mischte den Duft, die reine, heilige Seele,
Die, von des Frühlinges silberner Stunde genährt,
Oft überströmte, hinaus ins glänzende Meer des Tages,
Und in das Abendrot und in die Wogen der Nacht,
Ach! wir lebten so frei im innig unendlichen Leben,
Unbekümmert und still, selber ein seliger Traum,
Jetzt uns selber genug und jetzt ins Weite verfliegend,
Aber im Innersten doch immer lebendig und eins.
Glücklicher Baum! wie lange, wie lange könnt ich noch singen
Und vergeben im Blick auf dein erbebendes Haupt,
Aber siehe! dort regt sich's, es wandeln in Schleiern die Jungfraun
Und wer weiß es, vielleicht wäre mein Mädchen dabei;
Laß mich, laß mich, ich muß - leb wohl! es reißt mich ins Leben,
Daß ich im kindischen Gang folge der lieblichen Spur,
Aber du Guter, dich will, dich will ich nimmer vergessen,
Ewig bist du und bleibst meiner Geliebtesten Bild.
Und käm einmal ein Tag, wo sie die meinige wäre,
Oh! dann ruht ich mit ihr, unter dir, Freundlicher, aus
Und du zürnetest nicht, du gössest Schatten und Düfte
Und ein rauschendes Lied über die Glücklichen aus.
(S. 211)
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DIOTIMA

Ach und da mein schöner Friede,
Wie ein Saitenspiel, zerriß,
Da von Haß und Liebe müde
Mich mein guter Geist verließ,
Kamst du, wie vom Himmel nieder
Und es gab mein einzig Glück,
Meines Sinnes Wohllaut wieder
Mir ein Traum von dir zurück.

Da ich flehend mich vergebens
An der Wesen kleinstes hing,
Durch den Sonnenschein des Lebens
Einsam, wie ein Blinder, ging,
Oft vor treuem Angesichte
Stand und keine Deutung fand,
Darbend vor des Himmels Lichte,
Vor der Mutter Erde stand,

Lieblich Bild, mit deinem Strahle
Drangst du da in meine Nacht!
Neu an meinem Ideale,
Neu und stark war ich erwacht;
Dich zu finden, warf ich wieder,
Warf ich meinen trägen Kahn
Von dem toten Porte nieder
In den blauen Ozean.-

Nun, ich habe dich gefunden!
Schöner, als ich ahndend sah
In der Liebe Feierstunden,
Hohe Gute! bist du da;
O der armen Phantasien!
Dieses Eine bildest nur
Du, in deinen Harmonien
Frohvollendete Natur!

Wie auf schwanker Halme Bogen
Sich die trunkne Biene wiegt,
Hin und wieder angezogen,
Taumelnd hin und wieder fliegt,
Wankt und weilt vor diesem Bilde
...
...

Hab, ins tiefste Herz getroffen,
Oft um Schonung sie gefleht,
Wenn so klar und heilig offen
Mit ihr eigner Himmel steht,
Wenn die Schlacken, die mich kümmern,
Dieses Engelsauge sieht,
Wenn vor meines Friedens Trümmern
Dieser Unschuld Blume blüht;

Habe, wenn in reicher Stille,
Wenn in einem Blick und Laut
Seine Ruhe, seine Fülle
Mit ihr Genius vertraut,
Wenn ihr Geist, der mich begeistert,
An der hohen Stirne tagt,
Von Bewundrung übermeistert,
Zürnend ihr mein Nichts geklagt.

Aber, wie, in zarten Zweigen,
Liebend oft von mir belauscht,
Traulich durch der Haine Schweigen
Mir ein Gott vorüberrauscht,
So umfängt ihr himmlisch Wesen
Auch im Kinderspiele mich,
Und in süßem Zauber lösen
Freudig meine Bande sich.
(S. 183-184)
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[AN EINE VERLOBTE]

Des Wiedersehens Tränen, des Wiedersehns
Umfangen, und dein Auge bei seinem Gruß, -
Weissagend möcht ich dies und all der
Zaubrischen Liebe Geschick dir singen.

Zwar jetzt auch, junger Genius! bist du schön,
Auch einsam, und es freuet sich in sich selbst,
Es blüht von eignem Geist und liebem
Herzensgesange die Musentochter.

Doch anders ist’s in seliger Gegenwart,
Wenn an des Neugefundnen Blicke dein Geist sich kennt,
Wenn friedlich du vor seinem Anschaun
Wieder in goldener Wolke wandelst.

Indessen denk, ihm leuchte das Sonnenlicht,
Ihn tröst und mahne, wenn er im Feld schläft,
Der Liebe Stern, und heitre Tage
Spare zum Ende das Herz sich immer.

Und wenn er da ist, und die geflügelten,
Die Liebesstunden schneller und schneller sind,
Dann sich dein Brauttag neigt und trunkner
Schon die beglückenden Sterne leuchten -

Nein, ihr Geliebten! nein, ich beneid euch nicht!
Unschädlich, wie vom Lichte die Blume lebt,
So leben, gern vom schönen Bilde
Träumend, und selig und arm, die Dichter.
(S. 301-302)
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AN DIE STILLE

Dort im waldumkränzten Schattentale
Schlürft ich, schlummernd unterm Rosenstrauch,
Trunkenheit aus deiner Götterschale,
Angeweht von deinem Liebeshauch.
Sieh, es brennt an deines Jünglings Wange
Heiß und glühend noch Begeisterung,
Voll ist mir das Herz vom Lobgesange,
Und der Fittich heischet Adlerschwung.

Stieg ich kühnen Sinns zum Hades nieder,
Wo kein Sterblicher dich noch ersah,
Schwänge sich das mutige Gefieder
Zum Orion auf, so wärst du da;
Wie ins weite Meer die Ströme gleiten,
Stürzen dir die Zeiten alle zu,
In dem Schoß der alten Ewigkeiten,
In des Chaos Tiefen wohntest du.

In der Wüste dürrem Schreckgefilde,
Wo der Hungertod des Wallers harrt,
In der Stürme Land, wo schwarz und wilde
Das Gebirg im kalten Panzer starrt,
In der Sommernacht, in Morgenlüften,
In den Hainen weht dein Schwestergruß,
Über schauerlichen Schlummergrüften
Stärkt die Lieblinge dein Götterkuß.

Ruhe fächelst du der Heldenseele
In der Halle, wann die Schlacht beginnt,
Hauchst Begeistrung in der Felsenhöhle,
Wo um Mitternacht der Denker sinnt,
Schlummer träufst du auf die düstre Zelle,
Daß der Dulder seines Grams vergißt,
Lächelst traulich aus der Schattenquelle,
Wo den ersten Kuß das Mädchen küßt.

Ha! dir träuft die wonnetrunkne Zähre
Und Entzückung strömt in mein Gebein,
Millionen bauen dir Altäre,
Zürne nicht! auch dieses Herz ist dein!
Dort im Tale will ich Wonne trinken,
Wiederkehren in die Schattenkluft,
Bis der Göttin Arme trauter winken,
Bis die Braut zum stillen Bunde ruft.

Keine Lauscher nahn der Schlummerstätte,
Kühl und schattig ist's im Leichentuch,
Abgeschüttelt ist die Sklavenkette,
Maigesäusel wird Gewitterfluch;
Schöner rauscht die träge Flut der Zeiten,
Rings umdüstert von der Sorgen Schwarm;
Wie ein Traum verfliegen Ewigkeiten,
Schläft der Jüngling seiner Braut im Arm.
(S. 102-103)
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DIOTIMA

Du schweigst und duldest, und sie verstehn dich nicht,
Du heilig Leben! welkest hinweg und schweigst,
Denn ach, vergebens bei Barbaren
Suchst du die Deinen im Sonnenlichte,

Die zärtlichgroßen Seelen, die nimmer sind!
Doch eilt die Zeit. Noch siehet mein sterblich Lied
Den Tag, der, Diotima! nächst den
Göttern mit Helden dich nennt, und dir gleicht.
(S. 219)
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LIED DER LIEBE
[Erste Fassung]

Engelfreuden ahndend wallen
Wir hinaus auf Gottes Flur,
Wo die Jubel widerhallen
In dem Tempel der Natur;
Heute soll kein Auge trübe,
Sorge nicht hienieden sein,
Jedes Wesen soll der Liebe
Wonniglich, wie wir, sich freun.

Singt den Jubel, Schwestern! Brüder!
Festgeschlungen! Hand in Hand!
Singt das heiligste der Lieder
Von dem hohen Wesenband!
Steigt hinauf am Rebehhügel,
Blickt hinab ins Schattental!
Überall der Liebe Flügel,
Wonnerauschend überall!

Liebe lehrt das Lüftchen kosen
Mit den Blumen auf der Au,
Lockt zu jungen Frühlingsrosen
Aus der Wolke Morgentau,
Liebe ziehet Well an Welle
Freundlichmurmelnd näher hin,
Leitet aus der Kluft die Quelle
Sanft hinab ins Wiesengrün.

Berge knüpft mit ehrner Kette
Liebe an das Firmament,
Donner ruft sie an die Stätte,
Wo der Sand die Pflanze brennt,
Um die hehre Sonne leitet
Sie die treuen Sterne her,
Folgsam ihrem Winke gleitet
Jeder Strom ins weite Meer.

Liebe wallt in Wüsteneien,
Höhnt des Dursts im dürren Sand,
Sieget, wo Tyrannen dräuen,
Steigt hinab ins Totenland;
Liebe trümmert Felsen nieder,
Zaubert Paradiese hin,
Schaffet Erd und Himmel wieder
Göttlich, wie im Anbeginn.

Liebe schwingt den Seraphsflügel,
Wo der Gott der Götter wohnt,
Lohnt den Schweiß am Felsenhügel,
Wann der Richter einst belohnt,
Wann die Königsstühle trümmern,
Hin ist jede Scheidewand,
Adeltaten heller schimmern,
Reiner, denn der Krone Tand.

Mag uns jetzt die Stunde schlagen,
Jetzt der letzte Othem wehn!
Brüder! drüben wird es tagen,
Schwestern! dort ist Wiedersehn;
Jauchzt dem heiligsten der Triebe,
Die der Gott der Götter gab,
Brüder! Schwestern! jauchzt der Liebe!
Sie besieget Zeit und Grab!
(S. 98-99)


LIED DER LIEBE
[Zweite Fassung]

Engelfreuden ahndend, wallen
Wir hinaus auf Gottes Flur,
Daß von Jubel widerhallen
Höhn und Tiefen der Natur.
Heute soll kein Auge trübe,
Sorge nicht hienieden sein,
Jedes Wesen soll der Liebe
Frei und froh, wie wir, sich weihn!

Singt den Jubel, Schwestern, Brüder,
Fest geschlungen, Hand in Hand!
Hand in Hand das Lied der Lieder,
Selig an der Liebe Band!
Steigt hinauf am Rebenhügel,
Blickt hinab ins Schattental!
Überall der Liebe Flügel,
Hold und herrlich überall!

Liebe lehrt das Lüftchen kosen
Mit den Blumen auf der Au,
Lockt zu jungen Frühlingsrosen
Aus der Wolke Morgentau,
Liebe ziehet Well an Welle
Freundlich murmelnd näher hin,
Leitet aus der Kluft die Quelle
Sanft hinab ins Wiesengrün.

Berge knüpft mit ehrner Kette
Liebe an das Firmament,
Donner ruft sie an die Stätte,
Wo der Sand die Pflanze brennt.
Um die hehre Sonne leitet
Sie die treuen Sterne her,
Folgsam ihrem Winke gleitet
Jeder Strom ins weite Meer.

Liebe wallt durch Ozeane,
Durch der dürren Wüste Sand,
Blutet an der Schlachtenfahne,
Steigt hinab ins Totenland!
Liebe trümmert Felsen nieder,
Zaubert Paradiese hin,
Schaffet Erd und Himmel wieder
Göttlich, wie im Anbeginn.

Liebe schwingt den Seraphsflügel,
Wo der Gott der Götter thront,
Lohnt die Trän am Felsenhügel,
Wann der Richter einst belohnt,
Wann die Königsstühle trümmern,
Hin ist jede Scheidewand,
Biedre Herzen heller schimmern,
Reiner, denn der Krone Tand.

Laßt die Scheidestunde schlagen,
Laßt des Würgers Flügel wehn!
Brüder, drüben wird es tagen!
Schwestern, dort ist Wiedersehn!
Jauchzt dem heiligsten der Triebe,
Den der Gott der Götter gab,
Brüder, Schwestern, jauchzt der Liebe,
Sie besieget Zeit und Grab!
(S. 100-101)
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HYMNE AN DIE LIEBE

Froh der süßen Augenweide
Wallen wir auf grüner Flur;
Unser Priestertum ist Freude,
Unser Tempel die Natur;
Heute soll kein Auge trübe,
Sorge nicht hienieden sein!
Jedes Wesen soll der Liebe,
Frei und froh, wie wir, sich freun!

Höhnt im Stolze, Schwestern, Brüder!
Höhnt der scheuen Knechte Tand!
Jubelt kühn das Lied der Lieder,
Festgeschlungen Hand in Hand!
Steigt hinauf am Rebenhügel,
Blickt hinab ins weite Tal!
Überall der Liebe Flügel,
Hold und herrlich überall!

Liebe bringt zu jungen Rosen
Morgentau von hoher Luft,
Lehrt die warmen Lüfte kosen
In der Maienblume Duft;
Um die Orione leitet
Sie die treuen Erden her,
Folgsam ihrem Winke, gleitet
Jeder Strom ins weite Meer;

An die wilden Berge reihet
Sie die sanften Täler an,
Die entbrannte Sonn erfreuet
Sie im stillen Ozean;
Siehe! mit der Erde gattet
Sich des Himmels heil'ge Lust,
Von den Wettern überschattet
Bebt entzückt der Mutter Brust.

Liebe wallt durch Ozeane,
Höhnt der dürren Wüste Sand,
Blutet an der Siegesfahne
Jauchzend für das Vaterland;
Liebe trümmert Felsen nieder,
Zaubert Paradiese hin
Lächelnd kehrt die Unschuld wieder,
Göttlichere Lenze blühn.

Mächtig durch die Liebe, winden
Von der Fessel wir uns los,
Und die trunknen Geister schwinden
Zu den Sternen, frei und groß!
Unter Schwur und Kuß vergessen
Wir die träge Flut der Zeit,
Und die Seele naht vermessen
Deiner Lust, Unendlichkeit!
(S. 149-150)
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[GEH UNTER, SCHÖNE SONNE...]

Geh unter, schöne Sonne, sie achteten
Nur wenig dein, sie kannten dich, Heil'ge, nicht,
Denn mühelos und stille bist du
Über den Mühsamen aufgegangen.

Mir gehst du freundlich unter und auf, o Licht!
Und wohl erkennt mein Auge dich, Herrliches!
Denn göttlich stille ehren lernt ich,
Da Diotima den Sinn mir heilte.

O du des Himmels Botin! wie lauscht ich dir!
Dir, Diotima! Liebe! wie sah von dir
Zum goldnen Tage dieses Auge
Glänzend und dankend empor. Da rauschten

Lebendiger die Quellen, es atmeten
Der dunkeln Erde Blüten mich liebend an,
Und lächelnd über Silberwolken
Neigte sich segnend herab der Äther.
(S. 260)
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[GÖTTER WANDELTEN EINST...]

Götter wandelten einst bei Menschen, die herrlichen Musen
Und der Jüngling, Apoll, heilend, begeisternd wie du.
Und du bist mir, wie sie, als hätte der Seligen einer
Mich ins Leben gesandt, geh ich, es wandelt das Bild
Meiner Heldin mit mir, wo ich duld und bilde, mit Liebe
Bis in den Tod, denn dies lernt ich und hab ich von ihr.

Laß uns leben, o du, mit der ich leide, mit der ich
Innig und glaubig und treu ringe nach schönerer Zeit.
Sind doch wir's! und wüßten sie noch in kommenden Jahren
Von uns beiden, wenn einst wieder der Genius gilt,
Sprächen sie: es schufen sich einst die Einsamen liebend
Nur von Göttern gekannt ihre geheimere Welt.
Denn die Sterbliches nur besorgt, es empfängt sie die Erde,
Aber näher zum Licht wandern, zum Äther hinauf
Sie, die inniger Liebe treu, und göttlichem Geiste
Hoffend und duldend und still über das Schicksal gesiegt.
(S. 233)
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ABBITTE

Heilig Wesen! gestört hab ich die goldene
Götterruhe dir oft, und der geheimeren,
Tiefern Schmerzen des Lebens
Hast du manche gelernt von mir.

O vergiß es, vergib! gleich dem Gewölke dort
Vor dem friedlichen Mond, geh ich dahin, und du
Ruhst und glänzest in deiner
Schöne wieder, du süßes Licht!
(S. 220)
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TRÄNEN

Himmlische Liebe! zärtliche! wenn ich dein
Vergäße, wenn ich, o ihr geschicklichen,
Ihr feur'gen, die voll Asche sind und
Wüst und vereinsamet ohnedies schon,

Ihr lieben Inseln, Augen der Wunderwelt!
Ihr nämlich geht nun einzig allein mich an,
Ihr Ufer, wo die abgöttische
Büßet, doch Himmlischen nur, die Liebe.

Denn allzudankbar haben die Heiligen
Gedienet dort in Tagen der Schönheit und
Die zorn'gen Helden; und viel Bäume
Sind, und die Städte daselbst gestanden,

Sichtbar, gleich einem sinnigen Mann; itzt sind
Die Helden tot, die Inseln der Liebe sind
Entstellt fast. So muß übervorteilt,
Albern doch überall sein die Liebe.

Ihr weichen Tränen, löschet das Augenlicht
Mir aber nicht ganz aus; ein Gedächtnis doch,
Damit ich edel sterbe, laßt ihr
Trügrischen, Diebischen, mir nachleben.
(S. 341)
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RÜCKKEHR IN DIE HEIMAT

Ihr milden Lüfte! Boten Italiens!
Und du mit deinen Pappeln, geliebter Strom!
Ihr wogenden Gebirg! o all ihr
Sonnigen Gipfel, so seid ihr's wieder?

Du stiller Ort! in Träumen erschienst du fern
Nach hoffnungslosem Tage dem Sehnenden,
Und du mein Haus, und ihr Gespielen,
Bäume des Hügels, ihr wohlbekannten!

Wie lang ist's, o wie lange! des Kindes Ruh
Ist hin, und hin ist Jugend und Lieb und Lust;
Doch du, mein Vaterland! du heilig-
Duldendes! siehe, du bist geblieben.

Und darum, daß sie dulden mit dir, mit dir
Sich freun, erziehst du, teures! die Deinen auch
Und mahnst in Träumen, wenn sie ferne
Schweifen und irren, die Ungetreuen.

Und wenn im heißen Busen dem Jünglinge
Die eigenmächt'gen Wünsche besänftiget
Und stille vor dem Schicksal sind, dann
Gibt der Geläuterte dir sich lieber.

Lebt wohl dann, Jugendtage, du Rosenpfad
Der Lieb, und all ihr Pfade des Wanderers,
Lebt wohl! und nimm und segne du mein
Leben, o Himmel der Heimat, wieder!
(S. 291-292)
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MENSCHENBEIFALL

Ist nicht heilig mein Herz, schöneren Lebens voll,
Seit ich liebe? warum achtetet ihr mich mehr,
Da ich stolzer und wilder,
Wortereicher und leerer war?

Ach! der Menge gefällt, was auf den Marktplatz taugt,
Und es ehret der Knecht nur den Gewaltsamen;
An das Göttliche glauben
Die allein, die es selber sind.
(S. 222)
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MEINE GENESUNG
An Lyda

Jede Blüte war gefallen
Von dem Stamme; Mut und Kraft,
Fürder meine Bahn zu wallen,
War im Kampfe mir erschlafft;
Weggeschwunden Lust und Leben,
Früher Jahre stolze Ruh;
Meinem Grame hingegeben,
Wankt ich still dem Grabe zu.

Himmel, wie das Herz vergebens
Oft nach edler Liebe rang,
Oft getäuscht des Erdelebens
Träum und Hoffnungen umschlang!
Ach, den Kummer abzuwenden,
Bat ich, freundliche Natur!
Oft von deinen Mutterhänden
Einen Tropfen Freude nur.

Ha, an deinem Göttermahle
Trink ich nun Vergessenheit,
In der vollen Zauberschale
Reichst du Kraft und Süßigkeit.
In Entzückungen verloren
Staun ich die Verwandlung an!
Flur und Hain ist neugeboren,
Göttlich strahlt der Lenz heran. -

Daß ich wieder Kraft gewinne,
Frei wie einst und selig bin,
Dank ich deinem Himmelssinne,
Lyda, süße Retterin!
Labung lächelte dem Müden,
Hohen Mut dein Auge zu,
Hohen Mut, wie du zufrieden,
Gut zu sein und groß wie du.

Stark in meiner Freuden Fülle
Wall ich fürder nun die Bahn,
Reizend in der Wolkenhülle
Flammt das ferne Ziel mich an.
Mag's den Peinigern gelingen!
Mag die bleiche Sorge sich
Um die stille Klause schwingen!
Lyda! Lyda tröstet mich!
(S. 103-104)
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DIOTIMA

Komm und besänftige mir, die du einst Elemente versöhntest,
Wonne der himmlischen Muse, das Chaos der Zeit,
Ordne den tobenden Kampf mit Friedenstönen des Himmels,
Bis in der sterblichen Brust sich das Entzweite vereint,
Bis der Menschen alte Natur, die ruhige, große,
Aus der gärenden Zeit mächtig und heiter sich hebt.
Kehr in die dürftigen Herzen des Volks, lebendige Schönheit!
Kehr an den gastlichen Tisch, kehr in die Tempel zurück!
Denn Diotima lebt, wie die zarten Blüten im Winter,
Reich an eigenem Geist, sucht sie die Sonne doch auch.
Aber die Sonne des Geists, die schönere Welt, ist hinunter
Und in frostiger Nacht zanken Orkane sich nur.
(S. 214)
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AN DIOTIMA

Komm und siehe die Freude um uns; in kühlenden Lüften
Fliegen die Zweige des Hains,
Wie die Locken im Tanz; und wie auf tönender Leier
Ein erfreulicher Geist,
Spielt mit Regen und Sonnenschein auf der Erde der Himmel;
Wie in liebendem Streit
Über dem Saitenspiel ein tausendfältig Gewimmel
Flüchtiger Töne sich regt,
Wandelt Schatten und Licht in süßmelodischem Wechsel
Über die Berge dahin.
Leise berührte der Himmel zuvor mit der silbernen Tropfe
Seinen Bruder, den Strom,
Nah ist er nun, nun schüttet er ganz die köstliche Fülle,
Die er am Herzen trug,
Über den Hain und den Strom, und ...
...

Und das Grünen des Hains, und des Himmels Bild in dem Strome
Dämmert und schwindet vor uns
Und des einsamen Berges Haupt mit den Hütten und Felsen,
Die er im Schoße verbirgt,
Und die Hügel, die um ihn her, wie Lämmer, gelagert
Und in blühend Gesträuch
Wie in zarte Wolle gehüllt, sich nähren von klaren
Kühlenden Quellen des Bergs,
Und das dampfende Tal mit seinen Saaten und Blumen,
Und der Garten vor uns,
Nah und Fernes entweicht, verliert sich in froher Verwirrung
Und die Sonne verlischt.
Aber vorübergerauscht sind nun die Fluten des Himmels
Und geläutert, verjüngt
Geht mit den seligen Kindern hervor die Erd aus dem Bade.
Froher lebendiger
Glänzt im Haine das Grün, und goldner funkeln die Blumen,
...
Weiß, wie die Herde, die in den Strom der Schäfer geworfen,
...
(S. 212)
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DIOTIMA
[Bruchstücke einer älteren Fassung]

Lange tot und tiefverschlossen,
Grüßt mein Herz die schöne Welt,
Seine Zweige blühn und sprossen,
Neu von Lebenskraft geschwellt;
Oh! ich kehre noch ins Leben,
Wie heraus in Luft und Licht
Meiner Blumen selig Streben
Aus der dürren Hülse bricht.

Die ihr meine Klage kanntet,
Die ihr liebezürnend oft
Meines Sinnes Fehle nanntet
Und geduldet und gehofft,
Eure Not ist aus, ihr Lieben!
Und das Dornenbett ist leer,
Und ihr kennt den immertrüben
Kranken Weinenden nicht mehr.

Wie so anders ist's geworden!
Alles was ich haßt und mied,
Stimmt in freundlichen Akkorden
Nun in meines Lebens Lied,
Und mit jedem Stundenschlage
Werd ich wunderbar gemahnt
An der Kindheit goldne Tage,
Seit ich dieses Eine fand.

Diotima! selig Wesen!
Herrliche, durch die mein Geist,
Von des Lebens Angst genesen,
Götterjugend sich verheißt!
Unser Himmel wird bestehen,
Unergründlich sich verwandt
Hat, noch eh wir uns gesehen,
Unser Wesen sich gekannt.

Da ich noch in Kinderträumen,
Friedlich wie der blaue Tag,
Unter meines Gartens Bäumen
Auf der warmen Erde lag,
Da mein erst Gefühl sich regte,
Da zum erstenmale sich
Göttliches in mir bewegte.
Säuselte dein Geist um mich.
(S. 181-182)
 

DIOTIMA
[Mittlere Fassung]

Lange tot und tiefverschlossen,
Grüßt mein Herz die schöne Welt;
Seine Zweige blühn und sprossen,
Neu von Lebenskraft geschwellt;
Oh! ich kehre noch ins Leben,
Wie heraus in Luft und Licht
Meiner Blumen selig Streben
Aus der dürren Hülse bricht.

Wie so anders ist's geworden!
Alles, was ich haßt und mied,
Stimmt in freundlichen Akkorden
Nun in meines Lebens Lied,
Und mit jedem Stundenschlage
Werd ich wunderbar gemahnt
An der Kindheit goldne Tage,
Seit ich dieses Eine fand.

Diotima! selig Wesen!
Herrliche, durch die mein Geist,
Von des Lebens Angst genesen,
Götterjugend sich verheißt!
Unser Himmel wird bestehen,
Unergründlich sich verwandt,
Hat sich, eh wir uns gesehen,
Unser Innerstes gekannt.

Da ich noch in Kinderträumen,
Friedlich, wie der blaue Tag,
Unter meines Gartens Bäumen
Auf der warmen Erde lag,
Und in leiser Lust und Schöne
Meines Herzens Mai begann,
Säuselte, wie Zephirstöne,
Diotimas Geist mich an.

Ach! und da, wie eine Sage,
Mir des Lebens Schöne schwand,
Da ich vor des Himmels Tage
Darbend, wie ein Blinder, stand,
Da die Last der Zeit mich beugte,
Und mein Leben, kalt und bleich,
Sehnend schon hinab sich neigte
In der Schatten stummes Reich;

Da, da kam vom Ideale,
Wie vom Himmel, Mut und Macht,
Du erscheinst mit deinem Strahle,
Götterbild! in meiner Nacht;
Dich zu finden, warf ich wieder,
Warf ich den entschlafnen Kahn
Von dem toten Porte nieder
In den blauen Ozean. -

Nun! ich habe dich gefunden,
Schöner, als ich ahndend sah
In der Liebe Feierstunden,
Hohe! Gute! bist du da;
O der armen Phantasien!
Dieses Eine bildest nur
Du, in ew'gen Harmonien
Frohvollendete Natur!

Wie die Seligen dort oben,
Wo hinauf die Freude flieht,
Wo, des Daseins überhoben,
Wandellose Schöne blüht,
Wie melodisch bei des alten
Chaos Zwist Urania,
Steht sie, göttlich rein erhalten,
Im Ruin der Zeiten da.

Unter tausend Huldigungen
Hat mein Geist, beschämt, besiegt,
Sie zu fassen schon gerungen,
Die sein Kühnstes überfliegt.
Sonnenglut und Frühlingsmilde,
Streit und Frieden wechselt hier
Vor dem schönen Engelsbilde
In des Busens Tiefe mir.

Viel der heil'gen Herzenstränen
Hab ich schon vor ihr geweint,
Hab in allen Lebenstönen
Mit der Holden mich vereint,
Hab, ins tiefste Herz getroffen,
Oft um Schonung sie gefleht,
Wenn so klar und heilig offen
Mir ihr eigner Himmel steht;

Habe, wenn in reicher Stille,
Wenn in einem Blick und Laut
Seine Ruhe, seine Fülle
Mir ihr Genius vertraut,
Wenn der Gott, der mich begeistert,
Mir an ihrer Stirne tagt,
Von Bewundrung übermeistert,
Zürnend ihr mein Nichts geklagt;

Dann umfängt ihr himmlisch Wesen
Süß im Kinderspiele mich,
Und in ihrem Zauber lösen
Freudig meine Bande sich;
Hin ist dann mein dürftig Streben,
Hin des Kampfes letzte Spur,
Und ins volle Götterleben
Tritt die sterbliche Natur.

Ha! wo keine Macht auf Erden,
Keines Gottes Wink uns trennt,
Wo wir Eins und Alles werden,
Da ist nur mein Element;
Wo wir Not und Zeit vergessen,
Und den kärglichen Gewinn
Nimmer mit der Spanne messen,
Da, da sag ich, daß ich bin.

Wie der Stern der Tyndariden,
Der in leichter Majestät
Seine Bahn, wie wir, zufrieden
Dort in dunkler Höhe geht,
Nun in heitre Meereswogen,
Wo die schöne Ruhe winkt,
Von des Himmels steilem Bogen
Klar und groß hinuntersinkt:

O Begeisterung! so finden
Wir in dir ein selig Grab,
Tief in deine Woge schwinden
Stillfrohlockend wir hinab,
Bis der Hore Ruf wir hören,
Und mit neuem Stolz erwacht,
Wie die Sterne, wiederkehren
In des Lebens kurze Nacht.
(S. 185-188)
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[AN LOUISE NAST]

Laß sie drohen, die Stürme, die Leiden
Laß trennen - der Trennung Jahre,
Sie trennen uns nicht!
Sie trennen uns nicht!
Denn mein bist du! Und über das Grab hinaus
Soll sie dauren, die unzertrennbare Liebe.

Oh! wenn's einst da ist,
Das große selige Jenseits,
Wo die Krone dem leidenden Pilger,
Die Palme dem Sieger blinkt,
Dann, Freundin - lohnet auch Freundschaft -
Auch Freundschaft - der Ewige.
(S. 64)
_____

 

DIOTIMA
[Jüngere Fassung]

Leuchtest du wie vormals nieder,
Goldner Tag! und sprossen mir
Des Gesanges Blumen wieder
Lebenatmend auf zu dir?
Wie so anders ist's geworden!
Manches, was ich trauernd mied,
Stimmt in freundlichen Akkorden
Nun in meiner Freude Lied,
Und mit jedem Stundenschlage
Werd ich wunderbar gemahnt
An der Kindheit stille Tage,
Seit ich Sie, die Eine, fand.

Diotima! edles Leben!
Schwester, heilig mir verwandt!
Eh ich dir die Hand gegeben,
Hab ich ferne dich gekannt.
Damals schon, da ich in Träumen,
Mir entlockt vom heitern Tag,
Unter meines Gartens Bäumen,
Ein zufriedner Knabe, lag,
Da in leiser Lust und Schöne
Meiner Seele Mai begann,
Säuselte, wie Zephirstöne,
Göttliche! dein Geist mich an.

Ach! und da, wie eine Sage,
Jeder frohe Gott mir schwand,
Da ich vor des Himmels Tage
Darbend, wie ein Blinder, stand,
Da die Last der Zeit mich beugte,
Und mein Leben, kalt und bleich,
Sehnend schon hinab sich neigte
In der Toten stummes Reich:
Wünscht ich öfters noch, dem blinden
Wanderer, dies Eine mir,
Meines Herzens Bild zu finden
Bei den Schatten oder hier.

Nun! ich habe dich gefunden!
Schöner, als ich ahndend sah,
Hoffend in den Feierstunden,
Holde Muse! bist du da;
Von den Himmlischen dort oben,
Wo hinauf die Freude flieht,
Wo, des Alterns Überhoben,
Immerheitre Schöne blüht,
Scheinst du mir herabgestiegen,
Götterbotin! weiltest du
Nun in gütigem Genügen
Bei dem Sänger immerzu.

Sommerglut und Frühlingsmilde,
Streit und Frieden wechselt hier
Vor dem stillen Götterbilde
Wunderbar im Busen mir;
Zürnend unter Huldigungen
Hab ich oft, beschämt, besiegt,
Sie zu fassen, schon gerungen,
Die mein Kühnstes überfliegt;
Unzufrieden im Gewinne,
Hab ich stolz darob geweint,
Daß zu herrlich meinem Sinne
Und zu mächtig sie erscheint.

Ach! an deine stille Schöne,
Selig holdes Angesicht!
Herz! an deine Himmelstöne
Ist gewohnt das meine nicht;
Aber deine Melodien
Heitern mählich mir den Sinn,
Daß die trüben Träume fliehen,
Und ich selbst ein andrer bin;
Bin ich dazu denn erkoren?
Ich zu deiner hohen Ruh,
So zu Licht und Lust geboren,
Göttlichglückliche! wie du? -

Wie dein Vater und der meine,
Der in heitrer Majestät
Über seinem Eichenhaine
Dort in lichter Höhe geht,
Wie er in die Meereswogen,
Wo die kühle Tiefe blaut,
Steigend von des Himmels Bogen,
Klar und still herunterschaut:
So will ich aus Götterhöhen,
Neu geweiht in schönrem Glück,
Froh zu singen und zu sehen,
Nun zu Sterblichen zurück.
(S. 188-191)
_____

 

MELODIE
An Lyda

Lyda, siehe! zauberisch umwunden
Hält das All der Liebe Schöpferhand,
Erd und Himmel wandeln treu verbunden,
Laut und Seele knüpft der Liebe Band.
Lüftchen säuseln, Donner rollen nieder -
Staune, Liebe! staun und freue dich!
Seelen finden sich im Donner wieder,
Seelen kennen in dem Lüftchen sich.

Am Gesträuche lullt in Liebesträume
Süße Trunkenheit das Mädchen ein,
Haucht der Frühling durch die Blütenbäume,
Summen Abendsang die Käferlein;
Helden springen von der Schlummerstätte,
Grüßt sie brüderlich der Nachtorkan;
Hinzuschmettern die Tyrannenkette,
Wallen sie die traute Schreckenbahn.

Wo der Totenkranz am Grabe flüstert,
Wo der Wurm in schwarzen Wunden nagt,
Wo, vom grauen Felsenstrauch umdüstert,
Durch die Heide hin der Rabe klagt,
Wo die Lerch im Tale froher Lieder,
Plätschernd die Forell im Bache tanzt,
Tönt die Seele Sympathien wieder,
Von der Liebe Zauber eingepflanzt.

Wo des Geiers Schrei des Raubs sich freuet,
Wo der Aar dem Felsennest entbraust,
Wo Gemäuer ächzend niederdräuet,
Wo der Wintersturm in Trümmern saust,
Wo die Woge, vom Orkan bezwungen,
Wieder auf zum schwarzen Himmel tost,
Trinkt das Riesenherz Begeisterungen,
Von den Schmeicheltönen liebgekost.

Felsen zwingt zu trauten Mitgefühlen
Tausendstimmiger Naturgesang,
Aber süßer tönt von Saitenspielen
Allgewaltiger ihr Zauberklang;
Rascher pocht im angestammten Triebe,
Bang und süße, wie der jungen Braut,
Jeder Aderschlag, in trunkner Liebe
Findt das Herz den brüderlichen Laut.

Aus des Jammerers erstarrtem Blicke
Locket Labetränen Flötenton,
Im Gedränge schwarzer Mißgeschicke
Schafft die Schlachttrommete Siegeslohn,
Wie der Stürme Macht im Rosenstrauche,
Reißt dahin der Saiten Ungestüm,
Kosend huldiget dem Liebeshauche
Sanfter Melodie der Rache Grimm.

Reizender erglüht der Wangen Rose,
Flammenatem haucht der Purpurmund,
Hinggebannt bei lispelndem Gekose
Schwört die Liebe den Vermählungsbund;
Niegesungne königliche Lieder
Sprossen in des Sängers Brust empor,
Stolzer schwebt des Hochgesangs Gefieder,
Rührt der Töne Reigentanz das Ohr,

Wie sie langsam erst am Hügel wallen,
Majestätisch dann wie Siegersgang,
Hochgehoben zu der Freude Hallen,
Liebe singen und Triumphgesang,
Dann Labyrinthe hingetragen
Fürder schleichen in dem Todestal,
Bis die Nachtgefilde schöner tagen,
Bis Entzückung jauchzt am Göttermahl.

Ha! und wann mir in des Sanges Tönen
Näher meiner Liebe Seele schwebt,
Hingegossen in Entzückungstränen
Näher ihr des Sängers Seele bebt,
Wähn ich nicht vom Körper losgebunden
Hinzujauchzen in der Geister Land? -
Lyda! Lyda! zauberisch umwunden
Hält das All der Liebe Schöpferhand.
(S. 105-107)
_____

 

DER KAMPF DER LEIDENSCHAFT

Ras ich ewig? noch nicht ausgestritten
Ist der heiße Streit der Leidenschaft?
Hab ich Armer nicht genug gelitten?
Sie ist hin - ist hin - des Kämpfers Kraft.
Engelsauge! immer um mich schweben -
O warum? warum? du liebe Grausame!
Schone! schone! sieh! dies schwache Beben!
Weibertränen weint der Überwundene.

Weibertränen weinen? Weibertränen?
Wirklich? wein ich wirklich, Zauberin?
Und dies Klopfen, dieses bange Sehnen,
Ist's um Luzias Umarmungen?
Nein! ich kann nicht! will nicht! diese Tränen
Stieß der Zorn ins Auge, sie vergoß der Grimm;
Oh! mich schmelzen keine Mädchenmienen,
Nur der Freiheit brauste dieses Ungestüm.

Aber wie? dein Stolz hat sich betrogen,
Siehe! Lügen straft die Liebe mich;
Männergröße hat dein Herz gelogen,
Und im schwachen Kampf verkennst du dich.
Stolz verschmähst du alle Mädchenherzen,
Weil dir Luzia ihr großes Herz nicht gibt,
Kindisch heuchelst du verbißne Schmerzen,
Armer Heuchler! weil dich Luzia nicht liebt.

Weh! sie kann, sie kann mich nimmer lieben,
Mir geraubt durch ein tyrannisch Joch,
Nur die Wunde noch ist mir geblieben,
Fühlst du's? Fühlst du's? Weib! die Wunde noch.
Ha! ein Abgrund droht vor meinen Sinnen -
Laß mich! laß mich! todesvolle Leidenschaft!
Höllenflamme? willt du ewig brennen?
Schone! schone! sie ist hin, des Kämpfers Kraft.
(S. 52-53)
_____

 

AN DIOTIMA

Schönes Leben! du lebst, wie die zarten Blüten im Winter,
In der gealterten Welt blühst du verschlossen, allein.
Liebend strebst du hinaus, dich zu sonnen am Lichte des Frühlings,
Zu erwarmen an ihr, suchst du die Jugend der Welt.
Deine Sonne, die schönere Zeit, ist untergegangen
Und in frostiger Nacht zanken Orkane sich nun.
(S. 214)
_____

 

MENONS KLAGEN UM DIOTIMA

1.
Täglich geh ich heraus, und such ein Anderes immer,
Habe längst sie befragt, alle die Pfade des Lands;
Droben die kühlenden Höhn, die Schatten alle besuch ich,
Und die Quellen; hinauf irret der Geist und hinab,
Ruh erbittend; so flieht das getroffene Wild in die Wälder,
Wo es um Mittag sonst sicher im Dunkel geruht;
Aber nimmer erquickt sein grünes Lager das Herz ihm,
Jammernd und schlummerlos treibt es der Stachel umher.
Nicht die Wärme des Lichts, und nicht die Kühle der Nacht hilft,
Und in Wogen des Stroms taucht es die Wunden umsonst.
Und wie ihm vergebens die Erd ihr fröhliches Heilkraut
Reicht, und das gärende Blut keiner der Zephire stillt,
So, ihr Lieben! auch mir, so will es scheinen, und niemand
Kann von der Stirne mir nehmen den traurigen Traum?

2.
Ja! es frommet auch nicht, ihr Todesgötter! wenn einmal
Ihr ihn haltet, und fest habt den bezwungenen Mann,
Wenn ihr Bösen hinab in die schaurige Nacht ihn genommen,
Dann zu suchen, zu flehn, oder zu zürnen mit euch,
Oder geduldig auch wohl im furchtsamen Banne zu wohnen,
Und mit Lächeln von euch hören das nüchterne Lied.
Soll es sein, so vergiß dein Heil, und schlummere klanglos!
Aber doch quillt ein Laut hoffend im Busen dir auf,
Immer kannst du noch nicht, o meine Seele! noch kannst du's
Nicht gewohnen, und träumst mitten im eisernen Schlaf!
Festzeit hab ich nicht, doch möcht ich,die Locke bekränzen;
Bin ich allein denn nicht? aber ein Freundliches muß
Fernher nahe mir sein, und lächeln muß ich und staunen,
Wie so selig doch auch mitten im Leide mir ist.

3.
Licht der Liebe! scheinest du denn auch Toten, du goldnes!
Bilder aus hellerer Zeit, leuchtet ihr mir in die Nacht?
Liebliche Gärten seid, ihr abendrötlichen Berge,
Seid willkommen und ihr, schweigende Pfade des Hains,
Zeugen himmlischen Glücks, und ihr, hochschauende Sterne,
Die mir damals so oft segnende Blicke gegönnt!
Euch, ihr Liebenden auch, ihr schönen Kinder des Maitags,
Stille Rosen und euch, Lilien, nenn ich noch oft!
Wohl gehn Frühlinge fort, ein Jahr verdränget das andre,
Wechselnd und streitend, so tost droben vorüber die Zeit
Über sterblichem Haupt, doch nicht vor seligen Augen,
Und den Liebenden ist anderes Leben geschenkt.
Denn sie alle, die Tag und Jahre der Sterne, sie waren
Diotima! um uns innig und ewig vereint;

4.
Aber wir, zufrieden gesellt, wie die liebenden Schwäne,
Wenn sie ruhen am See, oder, auf Wellen gewiegt,
Niedersehn in die Wasser, wo silberne Wolken sich spiegeln,
Und ätherisches Blau unter den Schiff enden wallt,
So auf Erden wandelten wir. Und drohte der Nord auch,
Er, der Liebenden Feind, klagenbereitend, und fiel
Von den Asten das Laub, und flog im Winde der Regen,
Ruhig lächelten wir, fühlten den eigenen Gott
Unter trautern Gespräch; in einem Seelengesange,
Ganz in Frieden mit uns kindlich und freudig allein,
Aber das Haus ist öde mir nun, und sie haben mein Auge
Mir genommen, auch mich hab ich verloren mit ihr.
Darum irr ich umher, und wohl, wie die Schatten, so muß ich
Leben, und sinnlos dünkt lange das übrige mir.

5.
Feiern möcht ich; aber wofür? und singen mit andern,
Aber so einsam fehlt jegliches Göttliche mir.
Dies ist's, dies mein Gebrechen, ich weiß, es lähmet ein Fluch mir
Darum die Sehnen, und wirft, wo ich beginne, mich hin,
Daß ich fühllos sitze den Tag, und stumm wie die Kinder,
Nur vom Auge mir kalt öfters die Träne noch schleicht,
Und die Pflanzedes Felds, und der Vögel Singen mich trüb macht,
Weil mit Freuden auch sie Boten des Himmlischen sind,
Aber mir in schaudernder Brust die beseelende Sonne,
Kühl und fruchtlos mir dämmert, wie Strahlen der Nacht,
Ach! und nichtig und leer, wie Gefängniswände, der Himmel
Eine beugende Last über dem Haupte mir hängt!

6.
Sonst mir anders bekannt! o Jugend, und bringen Gebete
Dich nicht wieder, dich nie? führet kein Pfad mich zurück?
Soll es werden auch mir, wie den Götterlosen, die vormals
Glänzenden Auges doch auch saßen an seligem Tisch,
Aber übersättiget bald, die schwärmenden Gäste,
Nun verstummet, und nun, unter der Lüfte Gesang,
Unter blühender Erd entschlafen sind, bis dereinst sie
Eines Wunders Gewalt, sie, die Versunkenen, zwingt,
Wiederzukehren, und neu auf grünendem Boden zu wandeln. -
Heiliger Othem durchströmt göttlich die lichte Gestalt,
Wenn das Fest sich beseelt, und Fluten der Liebe sich regen,
Und vom Himmel getränkt, rauscht der lebendige Strom,
Wenn es drunten ertönt, und ihre Schätze die Nacht zollt,
Und aus Bächen herauf glänzt das begrabene Gold. -

7.
Aber o du, die schon am Scheidewege mir damals,
Da ich versank vor dir, tröstend ein Schöneres wies,
Du, die Großes zu sehn, und froher die Götter zu singen,
Schweigend, wie sie, mich einst stille begeisternd gelehrt;
Götterkind! erscheinest du mir, und grüßest, wie einst, mich,
Redest wieder, wie einst, höhere Dinge mir zu?
Siehe! weinen vor dir, und klagen muß ich, wenn schon noch,
Denkend edlerer Zeit, dessen die Seele sich schämt.
Denn so lange, so lang auf matten Pfaden der Erde
Hab ich, deiner gewohnt, dich in der Irre gesucht,
Freudiger Schutzgeist! aber umsonst, und Jahre zerrannen,
Seit wir ahnend um uns glänzen die Abende sahn.

8.
Dich nur, dich erhält dein Licht, o Heldin! im Lichte,
Und dein Dulden erhält liebend, o Gütige, dich;
Und nicht einmal bist du allein; Gespielen genug sind,
Wo du blühest und ruhst unter den Rosen des Jahrs;
Und der Vater, er selbst, durch sanftumatmende Musen
Sendet die zärtlichen Wiegengesänge dir zu.
Ja! noch ist sie es ganz! noch schwebt vom Haupte zur Sohle,
Stillherwandelnd, wie sonst, mir die Athenerin vor.
Und wie, freundlicher Geist! von heitersinnender Stirne
Segnend und sicher dein Strahl unter die Sterblichen fällt,
So bezeugest du mir's, und sagst mir's, daß ich es andern
Wiedersage, denn auch andere glauben es nicht,
Daß unsterblicher doch, denn Sorg und Zürnen, die Freude
Und ein goldener Tag täglich am Ende noch ist.

9.
So will ich, ihr Himmlischen! denn auch danken, und endlich
Atmet aus leichter Brust wieder des Sängers Gebet.
Und wie, wenn ich mit ihr, auf sonniger Höhe mit ihr stand,
Spricht belebend ein Gott innen vom Tempel mich an.
Leben will ich denn auch! schon grünt's! wie von heiliger Leier
Ruft es von silbernen Bergen Apollons voran!
Komm! es war wie ein Traum! Die blutenden Fittiche sind ja
Schon genesen, verjüngt leben die Hoffnungen all.
Großes zu finden, ist viel, ist viel noch übrig, und wer so
Liebte, gehet, er muß, gehet zu Göttern die Bahn.
Und geleitet ihr uns, ihr Weihestunden! ihr ernsten,
Jugendlichen! o bleibt, heilige Ahnungen, ihr
Fromme Bitten! und ihr Begeisterungen und all ihr
Guten Genien, die gerne bei Liebenden sind;
Bleibt so lange mit uns, bis wir auf gemeinsamem Boden
Dort, wo die Seligen all niederzukehren bereit,
Dort, wo die Adler sind, die Gestirne, die Boten des Vaters,
Dort, wo die Musen, woher Helden und Liebende sind,
Dort uns, oder auch hier, auf tauender Insel begegnen,
Wo die Unsrigen erst, blühend in Gärten gesellt,
Wo die Gesänge wahr, und länger die Frühlinge schön sind,
Und von neuem ein Jahr unserer Seele beginnt.
(S. 265-270)
_____

 

DIE LIEBENDEN

Trennen wollten wir uns, wähnten es gut und klug;
Da wir's taten, warum schröckt' uns, wie Mord, die Tat?
Ach! wir kennen uns wenig,
Denn es waltet ein Gott in uns.
(S. 221)

*

DER ABSCHIED
[Erste Fassung]

Trennen wollten wir uns, wähnten es gut und klug,
Da wir's taten, warum Schröckte, wie Mord, die Tat?
Ach wir kennen uns wenig,
Denn es waltet ein Gott in uns.

Den verraten? ach ihn, welcher uns alles erst,
Sinn und Leben erschuf, ihn, den beseelenden
Schutzgott unserer Liebe,
Dies, dies eine vermag ich nicht.

Andere Sünde doch denket der Menschen Sinn,
Andern ehernen Dienst übt er und andres Recht,
Und es fodert die Seele
Tag für Tag der Gebrauch uns ab.

Wohl! ich wußt es zuvor. Seit der gewurzelte
Allentzweiende Haß Götter und Menschen trennt,
Muß, mit Blut sie zu sühnen,
Muß der Liebenden Herz vergehn.

Laß mich schweigen! o laß nimmer von nun an mich
Dieses Tödliche sehn! daß ich in Frieden doch
Hin ins Einsame wandte,
Und noch unser der Abschied sei!

Reich die Schale mit selbst! daß ich des rettenden
Heil'gen Giftes genug, daß ich des Lethetranks
Mit dir trinke, daß alles,
Haß und Liebe, vergessen sei.

Hingehn will ich. Vielleicht seh ich in langer Zeit,
Diotima, dich einst. Friedlich und fremde gehn
Wie Elysiums Schatten
Wir im alternden Haine dann.

Und uns führet der Pfad unter Gesprächen fort,
Bald mit liebender Kraft fesselt die Träumenden
Hier die Stelle des Abschieds,
Und es dämmert das Herz in uns;

Staunend seh ich dich an, Stimmen und süßen Sang,
Wie aus voriger Zeit, hör ich und Saitenspiel,
Und es schimmert noch einmal
Uns im Auge die Jugend auf.
(S. 286-287)

*

DER ABSCHIED
[Zweite Fassung]

Trennen wollten wir uns? wähnten es gut und klug?
Da wir's taten, warum schröckte, wie Mord, die Tat?
Ach! wir kennen uns wenig,
Denn es waltet ein Gott in uns.

Den verraten? ach ihn, welcher uns alles erst,
Sinn und Leben erschuf, ihn, den beseelenden
Schutzgott unserer Liebe,
Dies, dies eine vermag ich nicht.

Aber anderen Fehl denket der Menschen Sinn,
Andern ehernen Dienst übt er und anders Recht
Und es fodert die Seele
Tag für Tag der Gebrauch uns ab.

Wohl! ich wußt es zuvor. Seit der gewurzelte
Allentzweiende Haß Götter und Menschen trennt,
Muß, mit Blut sie zu sühnen,
Muß der Liebenden Herz vergehn.

Laß mich schweigen! o laß nimmer von nun an mich
Dieses Tödliche sehn, daß ich im Frieden doch
Hin ins Einsame ziehe,
Und noch unser der Abschied sei!

Reich die Schale mir selbst, daß ich des rettenden
Heil'gen Giftes genug, daß ich des Lethetranks
Mit dir trinke, daß alles,
Haß und Liebe, vergessen sei!

Hingehn will ich. Vielleicht seh ich in langer Zeit
Diotima! dich hier. Aber verblutet ist
Dann das Wünschen und friedlich
Gleich den Seligen, fremd sind wir,

Und ein ruhig Gespräch führet uns auf und ab,
Sinnend, zögernd, doch itzt faßt die Vergessenen
Hier die Stelle des Abschieds,
Es erwarmet ein Herz in uns,

Staunend seh ich dich an, Stimmen und süßen Sang,
Wie aus voriger Zeit, hör ich und Saitenspiel,
Und befreiet, in Lüfte
Fliegt in Flammen der Geist uns auf.
(S. 288-289)

*

DER ABSCHIED
[Dritte Fassung]

Trennen wollten wir uns? wähnten es gut und klug?
Da wir's taten, warum schröckte, wie Mord, die Tat?
Ach! wir kennen uns wenig,
Denn es waltet ein Gott in uns.

Den verraten? ach ihn, welcher uns alles erst,
Sinn und Leben erschuf, ihn, den beseelenden
Schutzgott unserer Liebe,
Dies, dies eine vermag ich nicht.

Aber anderen Fehl denket der Weltsinn sich,
Andern ehernen Dienst übt er und anders Recht,
Und es listet die Seele
Tag für Tag der Gebrauch uns ab.

Wohl! ich wußt es zuvor. Seit die gewurzelte
Ungestalte, die Furcht Götter und Menschen trennt,
Muß, mit Blut sie zu sühnen,
Muß der Liebenden Herz vergehn.

Laß mich schweigen! o laß nimmer von nun an mich
Dieses Tödliche sehn, daß ich im Frieden doch
Hin ins Einsame ziehe,
Und noch unser der Abschied sei!

Reich die Schale mit selbst, daß ich des rettenden
Heil'gen Giftes genug, daß ich des Lethetranks
Mit dir trinke, daß alles,
Haß und Liebe, vergessen sei!

Hingehn will ich. Vielleicht seh ich in langer Zeit
Diotima! dich hier. Aber verblutet ist
Dann das Wünschen und friedlich
Gleich den Seligen, fremde gehn

Wir umher, ein Gespräch führet uns ab und auf,
Sinnend, zögernd, doch itzt mahnt die Vergessenen
Hier die Stelle des Abschieds,
Es erwarmet ein Herz in uns,

Staunend seh ich dich an, Stimmen und süßen Sang,
Wie aus voriger Zeit, hör ich und Saitenspiel,
Und die Lilie duftet
Golden über dem Bach uns auf.
(S. 289-290)
_____

 

[AN LYDA]

Trunken, wie im hellen Morgenstrahle
Der Pilote seinen Ozean,
Wie die Seligen Elysens Tale
Staunt ich meiner Liebe Freuden an,
Tal‘ und Haine lachten neugeboren,
Wo ich wallte, trank ich Göttlichkeit,
Ha! von ihr zum Liebling auserkoren,
Höhnt ich stolzen Muts Geschick und Zeit.

Stolzer ward und edler das Verlangen,
Als mein Geist der Liebe Kraft erschwang,
Myriaden wähnt ich zu umfangen,
Wenn ich Liebe, trunken Liebe sang,
Wie der Frühlingshimmel, weit und helle,
Wie die Perle schön und ungetrübt,
Rein und stille wie der Weisheit Quelle
War das Herz von ihr, von ihr geliebt.

Sieh! im Stolze hatt ich oft geschworen,
Unvergänglich dieser Herzverein!
Lyda mir, zum Heile mir geboren,
Lyda mein, wie meine Seele mein,
Aber neidisch trat die Scheidestunde,
Treues Mädchen! zwischen mich und dich,
Nimmer, nimmer auf dem Erdenrunde,
Lyda! nahn die trauten Arme sich.

Stille wallst du nun am Rebenhügel,
Wo ich dich und deinen Himmel fand,
Wo dein Auge, deiner Würde Spiegel,
Mich allmächtig, ewig an dich band!
Schnell ist unser Frühling hingeflogen!
O du Einzige! vergib, vergib!
Deinen Frieden hat sie dir entzogen,
Meine Liebe, tränenvoll und trüb.

Als ich deinem Zauber hingegeben
Erd und Himmel über dir vergaß,
Ach! so selig in der Liebe Leben,
Lyda! meine Lyda! dacht ich das?
(S. 107-108)
_____

 

ABSCHIED

Wenn ich sterbe mit Schmach, wenn an den Frechen nicht
Meine Seele sich rächt, wenn ich hinunter bin,
Von des Genius Feinden
Überwunden, ins feige Grab,

Dann vergiß mich, o dann rette vom Untergang
Meinen Namen auch du, gütiges Herz! nicht mehr,
Dann erröte, die du mir
Hold gewesen, doch eher nicht!

Aber weiß ich es nicht? Wehe! du liebender
Schutzgeist! ferne von dir spielen zerreißend bald
Auf den Seiten des Herzens
Alle Geister des Todes mir.

O so bleiche dich denn, Locke der mutigen
Jugend! heute noch, du lieber als morgen mir,

... hier, wo am einsamen
Scheidewege der Schmerz mich,
Mich der Tötende niederwirft.
(S. 260-261)
_____

 

DAS UNVERZEIHLICHE

Wenn ihr Freunde vergeßt, wenn ihr den Künstler höhnt,
Und den tieferen Geist klein und gemein versteht,
Gott vergibt es, doch stört nur
Nie den Frieden der Liebenden.
(S. 223)
_____

 

DIE LIEBE

Wenn ihr Freunde vergeßt, wenn ihr die Euern all,
O ihr Dankbaren, sie, euere Dichter schmäht,
Gott vergeb es, doch ehret
Nur die Seele der Liebenden.

Denn o saget, wo lebt menschliches Leben sonst,
Da die knechtische jetzt alles, die Sorge, zwingt?
Darum wandelt der Gott auch
Sorglos über dem Haupt uns längst.

Doch, wie immer das Jahr kalt und gesanglos ist
Zur beschiedenen Zeit, aber aus weißem Feld
Grüne Halme doch sprossen,
Oft ein einsamer Vogel singt,

Wen sich mählich der Wald dehnet, der Strom sich regt,
Schon die mildere Luft leise von Mittag weht
Zur erlesenen Stunde,
So ein Zeichen der schönern Zeit,

Die wir glauben, erwächst einziggenügsam noch,
Einzig edel und fromm über dem ehernen,
Wilden Boden die Liebe,
Gottes Tochter, von ihm allein.

Sei gesegnet, o sei, himmlische Pflanze, mir
Mit Gesange gepflegt, wenn des ätherischen
Nektars Kräfte dich nähren,
Und der schöpfrische Strahl dich reift.

Wachs und werde zum Wald! eine beseeltere,
Vollentblühende Welt! Sprache der Liebenden
Sei die Sprache des Landes,
Ihre Seele der Laut des Volks!
(S. 284-285)
_____

 

[WOHL GEH ICH TÄGLICH]

Wohl geh ich täglich andere Pfade, bald
Ins grüne Laub im Walde, zur Quelle bald,
Zum Felsen, wo die Rosen blühen,
Blicke vom Hügel ins Land, doch nirgend,

Du Holde, nirgend find ich im Lichte dich
Und in die Lüfte schwinden die Worte mir,
Die frommen, die bei dir ich ehmals
...

Ja, ferne bist du, seliges Angesicht!
Und deines Lebens Wohllaut verhallt, von mir
Nicht mehr belauscht, und ach! wo seid ihr
Zaubergesänge, die einst das Herz mir

Besänftiget mit Ruhe der Himmlischen?
Wie lang ist's! o wie lange! der Jüngling ist
Gealtert, selbst die Erde, die mir
Damals gelächelt, ist anders worden.

Leb immer wohl! es scheidet und kehrt zu dir
Die Seele jeden Tag, und es weint um dich
Das Auge, daß es helle wieder
Dort wo du säumest, hinüberblicke.
(S. 259-260)
_____
 

aus: Friedrich Hölderlin: Sämtliche Werke und Briefe.
Erster Band. Carl Hanser Verlag München 1981 (3. Auflage)

 

siehe auch:
Fragmente aus Hyperion


 

Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Hölderlin


 

 


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