Ludwig Christoph Heinrich Hölty (1748-1776) - Liebesgedichte

Ludwig Christoph Heinrich Hölty

 

Ludwig Christoph Heinrich Hölty
(1748-1776)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:

 

 

MINNEHULDIGUNG
den 15 Febr. 1773

Allbereits im Flügelkleide,
Waren minnigliche Fraun
Meine liebste Augenweide,
Konnte nimmer satt mich schaun.

Ich vergaß der Vogelnester,
Warf mein Steckenpferd ins Gras,
Wann bey meiner lieben Schwester
Eine schöne Dirne saß.

Freute mich der schönen Dirne,
Ihres rothen Wangenpaars,
Ihres Mundes, ihrer Stirne,
Ihres blonden Lockenhaars.

Ließ Virgilen, ließ Oviden,
Gieng ein Mädchen auf dem Plan,
Ruhen, traun, in gutem Frieden,
Mich der preißlichen zu nahn.

Was ich weiland that als Knabe,
Werd ich wahrlich immer thun,
Bis ich werd', im kühlen Grabe,
Neben meinen Vätern ruhn.

Immer meine besten Weisen
Minniglichen Frauen weihn,
Immer Minn‘ und Weiber preisen,
Und mich ihrer Schöne freun.
(S. 159)
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MAYLIED

Alles liebet! Liebe gleitet
Durch die blühende Natur,
Liebe zeuget Blumen, breitet
Manchen Teppich auf die Flur.
Das verliebte Haingefieder,
Das sich neue Zellen baut,
Tönet süße Liebeslieder,
Wenn der May vom Himmel thaut.

Liebe malt jezt hellre Rosen
Um den Mund der Schäferin,
Schäferin und Schäfer kosen
Manche goldne Stunde hin.
Sizen unter Apfelblüthen,
Arm in Arm, und Paar an Paar,
Kleine Liebesgötter bieten
Nektar ihren Lippen dar.

Unschuld blickt aus ihren Minen,
Unschuld ihres Standes Loos,
Rothe Blüthen taumeln ihnen
Aus dem Wipfel in den Schoos.
Blau und golden schwebt der Aether
Im bebüschten Gartenteich,
Alle Blüthen werden röther,
Werden Edens Blüthen gleich.

Durch die Blumen, durch die grünen
Kräuter, die der Sonnenschein
Übergoldet, summen Bienen,
Sammeln süßen Nektar ein.
Alles hauchet Scherz und Freude,
Wo des Frühlings Odem bläst,
Die Natur, im Blumenkleide,
Feirt ein allgemeines Fest.

Alles küßt jezt! Küße flüstern
In beschatteten Alleen,
Wo die Liebenden in düstern
Buchenlabyrinthen gehn.
Küße rauschen in den Lauben,
Um die Abenddämmerung,
Küße geben, Küße rauben
Ist der Welt Beschäftigung.
(S. 187-188)
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LIED EINES LIEBENDEN
1776

Beglückt, beglückt,
Wer dich erblickt,
Und deinen Himmel trinket;
Wem dein Gesicht,
Voll Engellicht,
Den Gruß des Friedens winket.

Ein süßer Blick,
Ein Wink, ein Nick,
Reißt mich zur Himmelssphäre;
Den ganzen Tag
Sinn ich ihm nach,
Und baue dir Altäre.

Dein liebes Bild,
So sanft, so mild,
Führt mich an goldner Kette;
Erwachet warm
In meinem Arm,
Und geht mit mir zu Bette.

Beglückt, beglückt,
Wer dich erblickt,
Und sich in dir berauschet;
Blick gegen Blick,
Nick gegen Nick,
Kuß gegen Kuß vertauschet.
(S. 240)
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Die Ersehnte

Brächte dich meinem Arm der nächste Frühling,
Tönten Vögel aus Blüten mir das Brautlied;
Dann, dann hätt' ich Seliger schon auf Erden
Wonne des Himmels!

Wonne! Sie wird mir Paradiese zaubern,
Wird lustwandeln mit mir in Gärten Gottes,
Wird, auf meinem Schooße gewiegt, den Frühlings-
Abend beflügeln!

Unter Gesang an ihrer Brust entschlummert,
Werd' ich träumen, wie neugeschafne Engel,
Werde, wachgeschimmert vom Mai, in Engel-
Seligkeit schwärmen!

Komm! dich beschwört die Sehnsuchtsthrän‘ im Antliz,
Dich dies wallende Herz voll süßer Ahndung!
Trübe floß mein Leben! O Himmelsbotin,
Komm, es zu heitern!
(S. 210-211)
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DIE LIEBE

Diese Erd' ist so schön, wann sie der Lenz beblümt,
Und der silberne Mond hinter dem Walde steht;
Ist ein irdischer Himmel,
Gleicht den Thalen der Seligen.

Schöner lächelt der Hayn, silberner schwebt der Mond,
Und der ganze Olymp fleußt auf die Erd' herab,
Wann die Liebe den Jüngling
Durch die einsamen Büsche führt.

Wann ihr goldener Stab winket, beflügelt sich
Jede Seele mit Glut, schwingt sich den Sternen zu,
Schwebt durch Engelgefilde,
Trinkt aus Bächen der Seraphim.

Weilt, und trinket, und weilt, schwanket im Labyrinth;
Eine reinere Luft athmet von Gottes Stul
Ihr entgegen, und weht sie,
Gleich dem Säuseln Jehovahs, an.

Selten winket ihr Stab, selten enthüllet sie
Sich den Söhnen des Staubs! Ach, sie verkennen dich,
Ach, sie hüllen der Wollust
Deinen heiligen Schleyer um!

Mir erschienest du, mir, höheren Glanzes voll,
Wie dein Sokrates dich, wie dich dein Plato sah;
Wie du jenem im Thale
Seiner Quelle begegnetest.

Erd' und Himmel entflieht sterbenden Heiligen;
Lebensblüthengeruch strömet um sie herum,
Engelfittige rauschen,
Und die goldene Krone winkt.

Erd' und Himmel entfloh, als ich dich, Daphne, sah;
Als dein purpurner Mund schüchtern mir lächelte;
Als dein athmender Busen
Meinen Blicken entgegenflog.

Unbekanntes Gefühl bebte zum erstenmal
Durch mein jugendlich Herz! Froh wie Anakreon,
Goß ich Flammen der Seele
In mein zitterndes Saitenspiel!

Eine Nachtigall flog, als ich mein erstes Lied,
Süße Liebe, dir sang, flötend um mich herum,
Und es taumelten Blüthen
Auf mein lispelndes Spiel herab.

Seit ich Daphnen erblickt, raucht kein vergoßenes
Blut durch meinen Gesang; spend ich den Königen
Keinen schmeichelnden Lorbeer;
Sing ich Mädchen und Mädchenkuß.
(S. 211-212)
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AN EIN IDEAL

Du süßes Bild, das mir mit Feurentzücken
Die Seele füllt,
Wann werd ich dich an meinen Busen drücken,
Du süßes Bild?

Wenn mich am Bach, beym Wehn der Pappelweide,
Der Schlaf umwallt,
Erscheinst du mir, im weißen Abendkleide,
Du Traumgestalt.

Und flatterst oft, in früher Morgenstunde,
Durch mein Gemach,
Und küßest mich, mit deinem rothen Munde,
Vom Schlummer wach.

Lang glaub ich noch den Herzenskuß zu fühlen,
Der mich entzückt,
Und mit dem Strauß an deiner Brust zu spielen,
Der mir genickt.

So gaukelt mir, in tausend Phantaseyen,
Der Tag dahin.
Bald seh ich dich, im Schatten grüner Mayen,
Als Schäferin.

Und flugs darauf, im kleinen Blumengarten,
Wie Eva schön,
Des Rosenbaums, des Nelkenstrauchs zu warten,
Am Beete gehn.

Erblick ich dich, die ich vom Himmel bitte,
Erblick ich dich,
So komm, so komm in meine Halmenhütte,
Und tröste mich.

Ich will ein Dach von Rebenlaube wölben,
Dich zu erfreun,
Und deinen Weg mit rothen und mit gelben
Jesmin bestreun.

Ins Paradies, an deiner Brust, mich träumen,
Mein süßes Kind,
Und froher seyn, als unter Lebensbäumen
Die Engel sind.
(S. 132-133)
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DIE SELIGKEIT DER LIEBENDEN

Ein goldner Stern hing über euren Wiegen,
Wenn Gott ein liebend Herz euch gab;
Und geudete Vergnügen auf Vergnügen,
Aus voller Urn‘, auf euch herab!

Ein goldner Stern, wenn ihr das Mädchen findet,
Das euch im Jugendtraum begrüßt;
Wenn Arm um Arm, und Geist um Geist sich windet,
Und taumelnd Seel' in Seele fließt.

Die Liebe streut den May auf Winterfluren,
Streut auf die Wildniß Tanz und Spiel;
Enthüllet uns der Gottheit lichte Spuren,
Giebt uns des Himmels Vorgefühl.
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Die Seligkeit der Liebenden
1776

Beglückt, beglückt, wer die Geliebte findet,
Die seinen Jugendtraum begrüßt;
Wenn Arm um Arm, und Geist um Geist sich windet,
Und Seel' in Seele sich ergießt!

Die Liebe macht zum Goldpalast die Hütte,
Streut auf die Wildniß Tanz und Spiel;
Enthüllet uns der Gottheit leise Tritte,
Giebt uns des Himmels Vorgefühl!

Sie macht das Herz der Schwermuth frühlingsheiter;
Sie bettet uns auf Rosenaun,
Und hebet uns auf eine Himmelsleiter,
Wo wir den Glanz der Gottheit schaun!

Die Liebenden sind schon zu beßern Zonen
Auf Flügeln ihrer Lieb' erhöht;
Empfahen schon des Himmels goldne Kronen,
Eh ihr Gewand von Staub verweht.

Sie kümmern sich um keine Erdengüter,
Sind sich die ganze weite Welt,
Und spotten dein, du stolzer Weltgebieter,
Vor dem der Erdkreis niederfällt!

Sanfthingeschmiegt auf seidne Frühlingsrasen,
Auf Blumen eines Quellenrands,
Verlachen sie die bunten Seifenblasen
Des lieben leeren Erdentands.

Ein Druck der Hand, der durch das Leben schüttert,
Und eines Blickes Trunkenheit,
Ein Feuerkuß, der von der Lippe zittert,
Giebt ihnen Engelseligkeit.

Ein Blick der Lieb', aus dem die Seele blicket,
In dem ein Engel sich verklärt,
Ein süßer Wink, den die Geliebte nicket,
Ist tausend dieser Erden werth.

Ein Herzenskuß, den selber Engel neiden,
Küßt ihren Morgenschlummer wach;
Ein Reihentanz von ewigjungen Freuden
Umschlingt den lieben langen Tag!

Ein süßer Schlaf sinkt auf ihr keusches Bette,
Wie auf die Lauben Edens sank!
Kein Endlicher mißt ihrer Freuden Kette,
Wer nicht den Kelch der Liebe trank!
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Die Seligkeit der Liebe

Beglückt, beglückt, wer die Geliebte findet,
Die seinen Jugendtraum begrüßt;
Wenn Arm um Arm, und Geist um Geist sich windet,
Und Seel' in Seele sich ergießt!

Die Liebe streut den May auf Winterfluren,
Streut auf die Wildniß Tanz und Spiel;
Enthüllet uns der Gottheit lichte Spuren,
Giebt uns des Himmels Vorgefühl.

Sie macht die Luft, die uns umathmet, heiter,
Schafft unsern Tritten Frühlingsaun;
Und hebet uns auf eine Himmelsleiter,
Wo wir den Thron der Gottheit schaun.

Sie giebt dem Kranz des Morgens hellre Röthe,
Und lichter Grün dem Schattenwald,
Uns süßern Klang der späten Abendflöte,
Die aus des Dorfes Büschen schallt.
(S. 236-238)
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DIE LIEBE

Eine Schale des Harms, eine der Freuden wog
Gott dem Menschengeschlecht; aber der lastende
Kummer senket die Schale,
Immer hebet die andre sich.

Irren, traurigen Tritts wanken wir unsern Weg
Durch das Leben hinab, bis sich die Liebe naht,
Eine Fülle der Freuden
In die steigende Schale streut.

Wie dem Pilger der Quell silbern entgegenrinnt,
Wie der Regen des Mays über die Blüthen träuft,
Naht die Liebe; des Jünglings
Seele zittert, und huldigt ihr!

Nähm‘ er Kronen und Gold, mißte der Liebe? Gold
Ist ihm fliegende Spreu; Kronen ein Flittertand;
Alle Hoheit der Erde,
Sonder herzliche Liebe, Staub.

Loos der Engel! Kein Sturm düstert die Seelenruh
Des Beglückten! Der Tag hüllt sich in lichters Blau,
Kuß, und Flüstern und Lächeln
Flügelt Stunden an Stunden fort.

Herrscher neideten ihn, kosteten sie des Glücks,
Das dem liebenden ward; würfen den Königsstab
Aus den Händen, und suchten
Sich ein friedliches Hüttendach.

Unter Rosengesträuch spielet ein Quell, und mischt
Dem begegnenden Bach Silber. So strömen flugs
Seel' und Seele zusammen,
Wenn allmächtige Liebe naht.
(S. 176)
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MINNELIED
den 16 Febr. 1773

Euch, ihr Schönen,
Will ich krönen,
Bis an meinen Tod,
Mit Gesangesweisen;
Bis an meinen Tod,
Eure Tugend preisen.

Ihr, o Guten,
Wohlgemuthen,
Macht das Leben süß,
Macht den Mann zum Engel,
Und zum Paradies
Eine Welt voll Mängel.

Wer die Süße
Treuer Küße
Nicht gekostet hat,
Irret, wie verloren,
Auf dem Lebenspfad,
Ist noch ungebohren.

Wer die Süße
Treuer Küße
Schon gekostet hat,
Tritt auf lauter Rosen,
Wo sein Fuß sich naht,
Blühen lauter Rosen.
(S. 160-161)
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BALLADE

Ich träumt', ich war ein Vögelein,
Und flog auf ihren Schoos,
Und zupft' ihr, um nicht laß zu seyn,
Die Busenschleifen los.
Und flog, mit gaukelhaftem Flug,
Dann auf die weiße Hand,
Dann wieder auf das Busentuch,
Und pickt' am rothen Band.

Dann schwebt' ich auf ihr blondes Haar,
Und zwitscherte vor Lust,
Und ruhte, wann ich müde war,
An ihrer weißen Brust.
Kein Veilchenbett' im Paradies
Geht diesem Lager vor.
Wie schlief sichs da so süß, so süß
Auf ihres Busens Flor!

Sie spielte, wie ich tiefer sank,
Mit leisem Fingerschlag,
Der mir durch Leib und Leben drang,
Den frohen Schlummrer wach.
Sah mich so wunderfreundlich an,
Und bot den Mund mir dar,
Daß ich es nicht beschreiben kan,
Wie froh, wie froh ich war.

Da trippelt' ich auf einem Bein,
Und hatte so mein Spiel,
Und spielt' ihr mit dem Flügelein
Die rothe Wange kühl.
Doch, ach, kein Erdenglück besteht,
Es sey Tag, oder Nacht!
Schnell war mein süßer Traum verweht,
Und ich war aufgewacht.
(S. 212-213)
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AN MINNAS GEIST

Im leichten Tanz, mit Flügeln der Minute,
Entfloh mir jeder Tag,
Als Minna noch mit mir im Schatten ruhte,
Mit mir von Liebe sprach.

Es folgeten, in lauten Harfenchören,
Mir Engel durch den Hain,
Ich hörte die Musik der Himmelsphären,
Und sang ein Lied darein.

Und fühlte das Koncert der Abendhaine,
Wie ichs noch nie gefühlt,
Wenn Minna mich, am Ufer meiner Leine,
Sanft in den Armen hielt.

Sie starb: - Stets bleibt im Innern meiner Seele
Des Mädchens Bild zurück!
Nun reizt mein Ohr kein Lied der Philomele,
Kein Blümchen meinen Blick.

Nun irr' ich durch verschränkte Tannenhaine,
Sink‘ auf verdorrtes Moos,
Und klage stets den Himmel an, und weine
Mein Leid in meinen Schoos.

Stets seh ich noch die Rosen ihrer Wangen,
Den zauberischen Gang,
Seh ihr Gelock, ein Spiel der Lüftgen, hangen,
Hör' ihrer Stimme Klang.

O schöner Geist! Durch Wiesen, durch Alleen,
Seh ich dich, bald im Kranz
Von Rosmarin und Tausendschönchen gehen,
Bald tanzen Geistertanz.

Du sitzest oft, erhöht zum Engelrange,
An meines Lagers Rand,
Und streichelst mir die bleichgehärmte Wange
Mit deiner weißen Hand;

Enttrocknest mit dem Schleyer mir die Thräne,
Die meine Seele weint,
Wenn deines Todes trauervolle Scene
Im Traume mir erscheint.

O warum wall ich noch im Erdenstaube?
O wohnt' ich schon mit dir,
Du schöner Geist, in deiner Himmelslaube!
Was weil' ich länger hier?
(S. 137-138)
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AN DAPHNENS KANARIENVOGEL

Liebes, trautes Vögelchen, ach, wie ruhig
Schläfst du, mit dem nickenden Köpfchen unterm
Flügel, träumst Gesänge des vorgen Tages,
Pickest ein Stücklein

Zucker, oder was dich für schöne Träume
Letzen. Neidenswerther, ach, neidenswerther
Ist dein Loos, mein Vögelchen, als mein düstres
Trauriges Schicksal.

Nie umschwebt die Schwinge des Balsamschlummers
Meine naßen sinkenden Augen. Laura
Klopfet mir in jechlichem Puls, und Laura
Fliehet mich Armen.

O was frommt das Leben mir ohne Laurens
Blick und Kuß! O wandelten mich die guten
Götter in ein Wesen, wie du, mein kleiner
Fröhlicher Vogel!

Ach, dann wollt' ich Lauren entgegenschwirren,
Mich auf ihren niedlichen Armen wiegen,
Auf der weißen Schulter ein Minneliedgen
Täglich ihr zwitschern.

In die Silbersaiten des Flügels girren,
Die ihr kleiner fliegender Finger weckte,
Girren, bis das sinkende Sonnenroth die
Fenster bemahlte.

Nein, dann wollt' ich wahrlich mit keinem König,
Kniet' auch halb Europa vor seinem Throne,
Tauschen. O dann würden mich selbst die guten
Götter beneiden.
(S. 115-116)
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GEBET

Noch einmahl laß mich, Vater! bevor dein Tod
Dies Auge schließet, schauen die Sterbliche,
Die meine Seele liebt! noch einmahl
Dich in der Tugend des Mädchens schauen!

In neuer Schöne, lächelt die Lenzflur dann
Mir Engelwonne! Nachtigallsang wird mir
Dann süßer durch die Seele strömen,
Süßer das Rieselgeräusch der Quelle.

Dann werd ich meinen Schöpfer, geschärftern Ohrs,
Im Morgensäuseln hören, im Abendwehn,
Geschärftern Blicks, im farbenhellen
Blumengewimmel des Frühlings lesen.

Mit heißerm Eifer, werd' ich dem Kronenziel
Entgegenfliegen! Keine Syrene wird,
Durch ihrer Taumelschale Zauber,
Pfade der Ruh, mich von euch verlocken!

Wie Silberblüthen fallen, entsäusl' ich dann
Dem Pilgerleben! Lächelnd und himmelhell
Erscheint der Tod, und weht mit seiner
Palme mir göttlichen Trost entgegen.
(S. 180-181)
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SEHNSUCHT NACH LIEBE

Süße Kehle des Hains, welche mir sonst, im May,
Ganz den Himmel ins Herz flötete, Nachtigall,
Warum flötet dein Lied mir
Keine Wonne mehr in die Brust?

Liebe lächelt dir nicht! seufzet die Nachtigall,
Die den Blumen des Mays hellere Röthe giebt,
Und den Kehlen des Waldes
Einen helleren Wonneklang.

Liebe lächelt dir nicht! rauschet mir jedes Blatt -
Quillt die Thräne mir schon? Flattert mir das Phantom
Todter Freuden schon wieder
Vor den Augen der Phantasie?

Rosicht schwebt es herauf - - Laura, die Grazie,
Laura hüpfet daher, die mir den ersten Rausch
Ueberirrdischer Wonne
Durch die bebende Seele goß.

Flieh hinweg, o Phantom! Laura, die Grazie,
Liebt das Dörfchen nicht mehr, gaukelt von Ball zu Ball,
Fleugt, im zirkelnden Reigen,
Durch den schallenden Kerzensaal.

Sie miskennet mein Herz, wähnet mich kalt und dumm,
Weil kein goldener Prunk mir vom Gewande blitzt,
Und mein Fuß die Talente,
Die Lutetien lehrt, nicht hat.

Soll denn nie das Gefühl, welches ein Feuerkuß
An der klopfenden Brust einer Geliebten giebt,
Meine Seele durchströmen,
Bis die Blume der Jugend welkt?

Geuß mir Lieb' in die Brust, wenn du des Sonnensaals
Zinnen wieder entsinkst, lächelnder Mayenmond,
Oder wecke, mit lindem
Odem, Blumen auf meiner Gruft.
(S. 142-143)
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DER KUSS
1776

Ward Unsterblichkeit mir? Stieg ein Olympier
Mit der Schale herab? Bebte sein goldner Kelch,
Voll der Trauben des Himmels,
Um die Lippe des Taumelnden?

Wehe Kühlung mir zu, wann du mir wiederum
Reichst den glühenden Kelch, daß mir die Seele nicht
Ganz im Feuer zerfließe;
Wehe, wehe mir Kühlung zu!

Unter Blüthen des Mays spielt' ich mit ihrer Hand;
Kos'te liebelnd mit ihr, schaute mein schwebendes
Bild im Auge des Mädchens;
Raubt' ihr bebend den ersten Kuß!

Ewig strahlt die Gestalt mir in der Seel' herauf;
Ewig flieget der Kuß, wie ein versengend Feur,
Mir durch Mark und Gebeine;
Ewig zittert mein Herz nach ihr!
(S. 241)
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AN DIE GRILLE
1772

Warum zirptest du mich, o böse Grille,
Aus dem süßesten Traume? - Laura saß mir,
Überschattet von Rosen, gegenüber,
Wand aus weißen und rothen Blumen Kränze,
Sang, wie Engel im Paradiese singen,
Ach, und lächelte, daß mein trunknes Herz mir
Vor Entzückung beinah zerfloßen wäre. -
Warum zirptest du mich, o böse Grille,
Aus dem süßesten Traume? Flieh mein Lager,
Kleine Zirperin, wecke, wecke Lauren
Aus dem Schlummer. Vielleicht gedenkt sie meiner,
Beym Erwachen, und seufzet, »armer Jüngling,
Warum waltet ein Unstern über unsrer
Liebe? Könnt' ich die deine werden, könnt' ich
An dies klopfende Mädchenherz dich drücken,
Traun, du würdest mich zärtlich, zärtlich lieben,
Bis zum Grabe mich lieben[«], ach, und weinet
Auf ihr Küßen das schönste Thränchen, welches
Je ein Mädchen geweint hat. - Bleib, o Grille,
Keine Zähre soll Laurens Auge trüben,
Ich will Klagen in deine Klagen wimmern,
Will mein trauriges Herz mir leichter weinen.
(S. 118)
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AN EINEN SCHÖNEN BUSEN

Weiße, blendende Brust, welche den Einsiedler,
Den die Klause verschleußt, mit der verhaßten Welt
Auszusöhnen vermöchte,
Stets berauschest du meinen Blick.

Stets, o Himmel von Reiz, wenn du das Busentuch
Und die Bänder daran, hebest und niedersenkst,
Oder hinter der lichten
Silberwolke des Schleiers wallst.

Dir, o blendende Brust, will ich den Erstling weyhn,
Den der Blüthenmond zollt, will ich, im Blumentopf,
Junge Rosen erziehen,
Wenn der Winter die Flur durchheult.

Trotz der Beete voll Eis lächelt der Rosenstraus
Dann am Mieder, ah dann sinket mein trunknes Haupt
An den offenen Busen,
Deßen Farbe der Straus erhöht.
(S. 135)
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DIE KÜNFTIGE GELIEBTE


Wenn ich dich Engel fände, wenn der nächste
Mond der knospenden Rosen meinem Arm dich
Brächte; dann, dann hätt' ich den Himmel schon auf
Erden gefunden!

Jeglicher Pulsschlag würde heißer schlagen,
Jede Nerve der Seele heller zittern;
Umgeboren würd' ich die Welt in neuer
Schönheit erblicken.

Trunken an ihrer weißen Brust entschlummern,
Und im Traume mit ihrem Busen tändeln,
Und, bestralt vom Morgen, in ihrer Arme
Himmel erwachen!

Wenn ich dich fände! Komm, du Engel Gottes,
Komm mein Leben zu heitern! Wenig Freuden
Sprießen auf den Ufern des Lebens! Engel,
Komm, mich zu heitern!
(S. 209)
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DIE GELIEBTE

Würde mein heißer Seelenwunsch Erfüllung,
Brächt' ein gütig Geschick mich ihr entgegen,
Eine flügelschnelle Minut' in ihrem
Himmel zu athmen;

Seliger wär' ich dann als Staubbewohner,
O dann würd' ich den Frühling besser fühlen,
Besser meinen Schöpfer in jeder Blume
Schauen und lieben!
(S. 183)
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Alle Gedichte aus: Ludwig Christoph Heinrich Hölty: Gesammelte Werke und Briefe. Kritische Studienausgabe. Hrsg. von Walter Hettche. Wallstein Verlag 1998


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Hölty

 

 


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