Ignaz Hub (1810-1880) - Liebesgedichte

 



Ignaz Hub
(1810-1880)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 



Verlust

Verlorenes kann man auch wieder finden,
Der Zufall hat es oft so schön gegeben,
Und Eine Liebe kann nicht Allen leben;
Was frommt die Rosenblüthe denn dem Blinden?

Der freuet sich an grünbehang'nen Linden,
Dem kann der Eichenwald Begeist'rung geben,
Der will Vergißmeinnicht zum Kranze weben,
Und dem die Lilie die Seele binden.

Zwei Herzen kann die Liebe nur entzünden,
Hält Sympathie magnetisch angezogen,
Ob auch Gefahr und Tod entgegenstünden.

Und reiner Liebe Zauber aufzukünden,
Sind ohne Macht des Schicksals Schreckenwogen,
Der Himmel bleibt der Liebe ja gewogen.
(S. 9-10)
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Der Liebe Macht

"Küsse flistern aus den Lauben
Um die Abenddämmerung;
Küsse geben, Küsse rauben,
Ist der Welt Beschäftigung."
H. Ch. Hölty

Selig in der Liebe Armen
Träumt die Welt ihr schönstes Glück,
Und in ihrem Schoos verarmen
Muß das finstere Geschick.
Durch der Schöpfung weite Hallen
Hört man Liebessehnsucht lallen,
Wie wenn sanfte Turteltauben
Küsse flistern aus den Lauben.

Liebe küßt im Morgenrothe
Aphroditens Rosen wach;
Liebe glüht im Abendrothe
Wie aus Cypris Brautgemach.
Die Natur in ihrer Schöne
Flötet rings der Liebe Töne
Auf der Sympathien Schwung
Um die Abenddämmerung.

Lebewohl der Abendsonne
Ist ein süßer Scheidekuß;
Und in tausendfacher Wonne
Strömt durch's All ihr Seelenguß.
Und durch Millionen Zungen
Ist der Liebe Macht gedrungen,
Bis die Lippen sich verschrauben,
Küsse geben, Küsse rauben.

Liebe bindet alle Herzen,
Liebe webt den Himmel rein;
Lindert dieses Lebens Schmerzen,
Gießet Honigbalsam ein,
Liebe glüht aus Himmelsflammen,
Liebe hält das All zusammen,
Liebe neu und ewig jung
Ist der Welt Beschäftigung.
(S. 17-18)
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Rosen

In dem Garten blühen Rosen,
Blüh'n im Thal, an Bachesrand,
Sanft umspielt von Zephyrs Kosen,
Still gepflegt von Flora's Hand.

Rosen streut der junge Morgen
Mit den Purpurfingern aus,
Rosen keimen unter Sorgen,
Blühn am stillen Grabeshaus.

Aber alle Rosen neigen
Sich beschämt vor deinem Bild,
Und die Nachtigallen schweigen,
Huldigend dir rein und mild.

Denn wer malt der Wange Rosen,
Die gleich lindem Frühlingsschein
Selbst mir armen, Freudelosen,
Streuten Wonn' in's Herz hinein?

Wer das Rosenpaar der Lippen,
Deines Mundes Rosenduft,
Der selbst Zephyr, um zu nippen,
Von dem Blumenteppich ruft?

Ach dürft' ich dir Rosen streuen,
Rosen auf des Lebens Pfad!
Dürft' ich dir mein Daseyn weihen;
Liebend nur in Wort und That!

O wie wollt' ich treu dich pflegen,
Meine Liebe, neu und rein!
Und des Himmels schönster Segen
Zög' in unsre Hütte ein.

Aber ach! der Hoffnungslose
Härmt umsonst sich sehnend ab,
Bis man eine weiße Rose
Pflücket auf sein junges Grab.
(S. 28-29)
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Ständchen

Sey gegrüßet, schöne Holde,
Mit dem Engels-Angesicht!
Mädchen mit dem Lockengolde
Um der Augen Sonnenlicht.

Komm hervor du süße Schöne,
Helle mir die dunkle Nacht,
Geuß den Silberlaut der Töne
Aus der Lippen Purpurschacht!

Laß dich sehen, laß dich grüßen,
Engel meiner Seele, du!
Laß dich sehen, grüßen, küssen,
Leg' das treue Herz zur Ruh'.

Du nur bist ja mein Verlangen,
Meiner Seele Paradies;
In dein Aug' wer sich verfangen,
Träumt den Himmel ganz gewiß.
(S. 32)
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Was ist ein Himmel für der Liebe Glück?
Der Schöpfung unerreichbar Weltgetriebe
Umkreist mit Zaubermacht die süße Liebe;
Das weite All sonnt sich in ihrem Blick.

Wer bebte je vor ihrer Macht zurück?
Sie hellet uns das Leben, ernst und trübe,
Zerreißt der kranken Sorgen Dornensiebe,
Und schrecket selbst das eiserne Geschick.

O laßt sie lieben mit dem reinen Herzen,
Laßt ihn das Mädchen seiner Liebe herzen,
Und zum Accord verschmelzen, zu dem Einen.

Und wie Gedanken sich umarmen und vereinen,
Und Sympathie sich theilt in Lust und Schmerzen,
Im heißen Kuß die Freudenperlen weinen!
(S. 51)
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Kranke Liebe

Es blinken die Sterne
So freundlich herab
Aus bläulicher Ferne
Auf's Erdengrab.

Sie lächeln und winken
Dem Frieden in's Herz;
Wir weinen und trinken
Nur Sehnsuchtsschmerz.

Da ziehet mit Grausen
Ein Nachtsturm heran,
Die Wolken umbrausen
Den Himmelsplan.

Da wird es so trübe,
Da ist es so leer! -
Die Lieb', ach, die Liebe
Schleicht still einher.

Das Herz pocht so traurig,
Dem Herzen thut's weh;
Das Leben fließt schaurig
Zur Himmelshöh'.
(S. 68-69)
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Liebe

Liebe, süße Liebe,
Machst die Welt so reich,
Und den Göttern gleich,
Süßester der Triebe!

Aus der Morgenrose
Lacht dein Zauberbild,
Und die Seele füllt
Himmlisches Gekose.

In dem Abendgolde,
Dort aus weiter Fern',
Blinkt dein milder Stern
Seligkeit, du Holde!

Und im Mondenscheine
Sink' an deine Brust
Ich in Herzenslust,
Lieb' nur dich, du Eine.

Liebe, süße Liebe,
Machst die Welt so reich,
Und den Göttern gleich,
Süßester der Triebe!
(S. 72)
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Camilla
(Nachdem ich Houwald's "Bild" gelesen)

In früher Jugend zarter Rosenblüthe
Vor jedem Hauch, vor jedem Bild beschützt,
Auf daß nicht Sehnsucht durch die Seele glühte,
Nicht Phantasie zur Flamme sich erhitzt':
Umfangen dich die festen Klostermauern,
Und im Verborg'nen solltest du erblüh'n,
Vertraut mit ihrer Klage heil'gen Schauern
Konnt' Frieden nicht aus deinem Herzen flieh'n;
Was du gefühlt, die frommen Engelstriebe,
War Unschuld nur und reine Gottesliebe.

So reift ein Diamant in dunkeln Grüften,
Verhüllt der Welt, dem lüstern Späherblick.
Nur wer berufen, darf die Hülle lüften,
Gibt diesen Talisman dem Tag zurück.
Dein milder Glanz, das Bildniß deiner Schöne,
Durchstrahlt entzückend eines Künstlers Brust;
Du hörest bald des Herzens zart're Töne,
Dich faßt der Liebe Zauber unbewußt.
Hin reißt es dich, dem Jüngling zu vertrauen,
Nur auf Antonio willst du jetzt bauen.

Ein Ideal, wie's stets sein Aug' gesehen,
Das voll geheimem Reiz er hingehaucht,
Noch ferne von der Kunst gewalt'gen Höhen,
Hat in die Farben seine Hand getaucht.
Tief trinket er Kamilla's reine Züge,
Und was er schafft, ist nur ihr Konterfei;
Als ob die ew'ge Kunst allein sie trüge,
Umfaßt er sie, und schöpfet immer neu.
Und was die kunstgeübte Seele füllte,
Camilla selbst wird zum Madonnabilde.

Doch solche Liebe sollte früh verbleichen,
Nicht fühlt der harte Vater deinen Schmerz.
Lieblos mußt du die Hand dem Gatten reichen,
Verschenken wieder ein verschenktes Herz.
Hart treffen dich und schwer des Schicksals Schläge,
Es duldet sanft dein fromm ergeb'ner Sinn;
Bald schauest du der Vorsicht dunkle Wege, -
Des Gatten Tod war bald auch dein Gewinn.
In Leid gebadet und in feuchtem Kummer
Sucht, ach, umsonst dein Blick den süßen Schlummer.

Der sanften Blicke reiner Quell versiechet;
Der schwarze Staar baut sich darin sein Nest.
Der Gram hat dich in finst're Nacht gewieget,
Wo nimmer weht der Hoffnung Friedenswest.
Das Licht der Sonne kannst du nicht mehr saugen,
Verhüllt ist dir des Abends ros'ger Duft;
Den Blick nicht mehr in grüne Wiesen tauchen,
Nicht senden in das Aetherblau der Luft.
Du siehst die gold'nen Sterne nicht mehr blinken,
Kannst Frieden nicht aus ihren Blicken trinken.

Die bleiche Wehmuth thront auf deinen Wangen,
Von deinen Lippen lacht kein froher Ton.
Nur ihn, der stets mit Liebe dich umfangen,
Umfassest du auf deinem nächt'gen Thron.
"Antonio! auf welchen fernen Wegen
Führt dich der Abend jetzo heim in's Thal?
Wer tritt aus deiner Hütte dir entgegen,
Wer würzt mit Liebe dir das kleine Mahl?"
Der Ahnung Fittich hat dich sanft berühret,
Du findest Lenz, wo ihn dein Aug' verlieret.

Von der Vollendung Sonnenstrahl umflossen
Naht Spinarosa aus Italien's Au'n,
Den Sohn, auch ihm in's Vaterherz gegossen,
Dem Vater gleich, der Mutter zu vertrau'n.
Lenardo ziehet ein als Friedensbote,
So lang ersehnt der treuen Mutterbrust;
Doch seinen Meister opfert er dem Tode,
Voll Innigkeit, sich selber unbewußt. -
Das Werk, es muß ja stets den Meister loben,
Drum sollt' er wohl bestehen harte Proben.

Zur Kunst soll ihm die blinde Tochter dienen;
Der Meister schafft ein engelgleiches Bild.
Erinn'rung naht - die Ahnung! - diese Mienen,
Sie zeigen ihm, was stets die Brust gefüllt.
"Du bist's!" - Er darf den Namen nicht entdecken,
Den treu und wahr dein milder Sinn verehrt;
Die vor'ge Liebe soll ihn wieder wecken,
Und geben, was das Mißgeschick verwehrt.
Doch euch sollt' nie das süße Band umschlingen,
Der kühne Flug, er sollte nicht gelingen.

Du fühl'st dich so beglückt in seiner Nähe,
Und kennst ihn nicht, der liebend auf dich blickt!
O daß dein Aug' aus schwarzer Nacht erspähe,
Was tief verborgen deine Brust beglückt!
Dein Trauter ist's, der dich verehrt im Bilde,
Der liebeglühend seine Schöpfung küßt;
Ein schöner Stern strahlt dir in reiner Milde,
Er athmet deine Seel', von dir vermißt. -
Des Gatten Bruder will die Hand dir reichen,
Doch Edelsinn will schön'rer Liebe weichen.

Argwohn und List zersprengen alle Bande.
Das letzte "Lebe wohl!" - Noch weilt in Nacht
Sein trüber Sinn, entsagend diesem Lande;
Noch fesselt ihn dein Heil'genbild mit Macht.
Da grinzet dort dein Gatte ihm entgegen,
Verhaßt in tiefer Seele seinem Blick;
Herab reißt er im Ahnensaal verwegen
Das Schreckensbild - er ruft sein hart Geschick.
Da stürzt hervor der grimmig harte Vater,
Vollendet mit dem Schwerte gift'gen Hader.

"Camilla!" ruft's in schwachen Sterbetönen,
Du hörest ihn, hörst den Geliebten wahr!
Der Liebe Allgewalt durchzucket deine Sehnen,
Die Nacht entweicht, es flieht der schwarze Staar.
Der Vater mit dem blutgetränkten Eisen
Steht vor dir da in grauser Mordgestalt.
Die Liebe ruft - Vollenddung muß es heißen, -
Dein Auge bricht, die Lippen ruhen kalt.
Was euch des Vaters Härte hat entwunden,
Habt ihr vereint im Tode noch gefunden.
(S. 73-76)
_____



Skolie

Würzt euch das Leben,
Liebet und herzt,
Preiset die Reben,
Küsset und scherzt!

Freut euch des Maien,
Hascht den Genuß!
Mädchen zu freien,
Macht nicht Verdruß.

Rosen verblühen,
Rasch ist die Zeit,
Eh' sie verglühen,
Zeigt euch bereit.

Bald auch ereilet
Uns das Geschick;
Fröhlichkeit eilet
Nimmer zurück.

Moosige Hügel
Laden uns ein,
Hemmet den Flügel
Leichengestein.

Auf denn zu haschen
Lebensgenuß,
Schlürfet der Flaschen
Goldenen Fluß!

Einmal im Leben
Lacht nur das Glück;
Thörichtes Streben,
Kehrt nie zurück.

Pflücket die Rosen,
Trinket den Wein;
Laßt um die losen
Mädchen uns frei'n!
(S. 77-78)
_____


Aus: Lyra-Klänge Gedichte von Ignaz Hub
Augsburg 1833 Gedruckt bei J. C. Wirth


 

Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Ignaz_Hub


 


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