Auguste Hyrtl (1818-1901) - Liebesgedichte

Auguste Hyrtl

 

Auguste Hyrtl
(1818-1901)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 




Der Bote

Vöglein! was so froh du singst,
Ist's sein Gruß, den du mir bringst? -
Vöglein schüttelt sich und zieht
In den Wald, doch ohne Lied.

Wölkchen mit dem Rosen-Schein,
Du wirst wohl der Bote sein?
Rief sein Liebeswort dir zu,
Nahmst es mit, d'rum glühest du.
(S. 1)
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Des Herzens Kleinod

Wenn sich zwei Menschen lieben
So aus dem tiefsten Grund,
Wenn sie einander trauen
Mit Herz und Hand und Mund,

Wenn sie einander stützen
In Ungemach und Schmerz,
Wenn sie im Aug' schon lesen,
Was wünscht des Andern Herz,

Wenn sie genau es wissen,
Ich mach' des Andern Glück,
Und wenn er auch nicht redet,
Ich seh's in seinem Blick. -

Sagt, brauchen solche Menschen
Der Erde eitlen Tand,
Gesellschaft, Gold und Ehre,
Und wie er sonst genannt? -

Trägt Jeder nicht im Herzen
Ganz eine eigne Welt,
Und ist um solche Menschen
Nicht Alles wohl bestellt? -

Sie brauchen keinen Dritten,
Der ihren Werth erkennt:
Denn Einer ja den Andern
Des Herzens Kleinod nennt. -
(S. 8-9)
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Erinnerungs-Schatten

So wie Du fühlst in Deiner Brust
Der Freude silberhelle Wogen,
So ist auch mir die süße Lust
Oft durch die Seele hingezogen. -

Doch kaum den Becher in der Höh',
Mir zum Genuß ihn kühn genommen,
Da hat auch schon ein tiefes Weh
Mein ganzes Wesen überkommen.

Erinn'rungsschatten sah ich zieh'n
Herauf, aus weiten, fernen Räumen,
Da mußte wohl die Freude fliehn,
Aus war's mit Glückes gold'nen Träumen.
(S. 13)
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Mein Leben liegt im Abendschein

Mein Leben liegt im Abendschein,
Es sinkt die Sonne tiefer nieder,
Und nicht mehr lang, so geh' auch ich
Dahin, wo Keines kehret wieder.

Im Nebel liegt der Kindheit Glück,
Der Jungfrau Sehnen ward begraben,
Des Weibes heiße Wünsche hab'
Zum Theil ich auch dahin getragen.

Ein Stern nur, er hält still noch Wacht
Mit seinem hellen Zauber-Scheine,
Der Stern der Lieb' in seiner Pracht,
Ihn hielt ich fest im Herzensschreine.

Barmherzigkeit gab ich dazu,
Und Nächstenliebe ließ ich walten.
So wahrte ich des Herzens Ruh',
Und hab' auch frohen Sinn behalten.

Und wenn es heißt, jetzt ist es aus,
Heut mußt Du noch von dannen gehen,
So werd' ich sagen: wie Du willst,
Dein Wille, Herr, er mag geschehen.

Nur wahre mir mein Liebstes treu,
Ich leg' an Deine Brust es nieder;
Und wenn dann seine Stunde schlägt,
So sehen wir ja doch uns wieder.

So senk' dich tiefer Abend nun,
Ich hab' mein Theil an Freud und Schmerzen,
Ich geh' getrost an's letzte Ziel,
Die Liebe wahrend treu im Herzen.
(S. 18-19)
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Dem Gatten

Wenn Du auf dieser Erde
Betrübt und einsam bist,
Und das Gewühl der Menschen
Für Dich zu drückend ist,

Dann komm zur Schlummerstätte,
Wo ruht, was lebensmüd,
Und dort, an meinem Grabe,
Auch Dir der Friede blüht.

Dann mußt Du mir erzählen,
Wenn Dir ein Leid gescheh'n,
Ich werde Deinen Kummer
Und Deinen Schmerz versteh'n.

Und wenn Dir fort die Thräne
Der Abendwind geküßt,
So denk', daß meine Seele
In Deiner Nähe ist.

Du geh'st dann still nach Hause,
Beim hellen Sternenschein.
Und unter meinen Blumen
Träum' ich von Dir - allein.
(S. 33-34)
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Die Frauen

O, sage nicht, ich kenne sie,
Wenn Du nur flüchtig sie gesehen;
Wie willst Du denn, vom Sehen nur,
Herz und Genuß der Frau verstehen? -

Das Weib trägt wie das blaue Meer,
Verborgen tief in dem Gemüthe,
Gar Vieles, reich an Farben-Pracht,
Gar manche wunderbare Blüthe.

Ergründen mußte man das Meer,
Um seine Wunder klar zu schauen,
O, glaub' es mir, so sollte man
Es eben machen bei den Frauen.
(S. 35)
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Reue

Ach, könnt' ich wieder Mädchen sein!
Ich dächt', die ganze Welt wär' mein.
Wie wollt' ich singen, jubeln,
Den ganzen lieben Tag,
Wie wollt' ich tanzen, springen,
So lang ich eben mag.

Und käm' ein Bursch, und wollt' mich frei'n,
Da rief von fern ich, nein, o nein!
Ich muß für mich ja bleiben;
Die ganze Welt ist mein,
Und auch das frohe Leben
Will nicht gefangen sein.

Und stört' er mir des Herzens Ruh',
Da macht' ich schnell die Augen zu;
Ich lieb' ja tief im Herzen
Die Blumen und die Welt,
Lieb' Sonne, Mond und Sterne,
Das blaue Himmelszelt.

Ach Gott! was hat man nur gedacht,
Und mich so jung zur Frau gemacht;
Da soll ich ernst nun bleiben,
Soll alle Freuden flieh'n,
Soll still am Herde schaffen,
Wenn sie zum Tanze zieh'n.
(S. 39-40)
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Gewissens-Frage

Er gab mir eine Rose
In voller reicher Pracht,
Er hatte sich als Sinnbild
Der Liebe sie gedacht.
Doch schon nach wenig Stunden
Erblich ihr ros'ger Schein,
Mir blieben nur die Dornen, -
Soll so die Liebe sein?
(S. 45)
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Mein heil'ger Schrein

Mein Herz, das ist ein heil'ger Schrein,
Da schließ' ich alle Jene ein,
Die treu mir hier zur Seite geh'n,
In Glück und Unglück bei mir steh'n.

Und wenn mir trüb und bang zu Sinn,
Geh' ich zum Heiligthume hin,
Und denk', wie muß dem Armen sein,
Der gar nichts hat im heil'gen Schrein.

Dann zieht's das Herz zu Gott mir hin
Mit dankbar frommem, treuem Sinn;
Denn undankbar darf der nicht sein,
Der so viel hat im heil'gen Schrein.
(S. 48)
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Der Doctor
(Ein Scherz mit einem Freunde)

Ich kenne einen Doctor,
Ein stattlich großer Mann; -
Obgleich ein echter Deutscher,
Nennt man ihn Don Juan.

Er liebet sehr die Frauen,
Doch müssen schön sie sein,
Das ist ihm aber ganz gleich,
Ob groß sie oder klein.

Ob zart, ob etwas voller,
Ob blond sie oder braun,
Wenn nur recht schön und lieblich
Die Damen anzuschau'n.

Auch könnte man ihn nennen
Den Wunderdoctor schier,
Bald ist er nah, bald ferne,
Bald da, bald dort, bald hier.

Denn Frauen haben Nerven,
Die krank und schwach oft sind,
Und daß die schwer zu heilen,
Das weiß doch jedes Kind.

Die Eine hat Migraine,
Der Andern schlägt das Herz,
Die Eine meint zu sterben
An Krämpfen oder Schmerz.

Der Doctor, er muß kommen,
Bestürzung herrscht im Haus,
Die Diener alle laufen
Ganz rathlos ein und aus.

Doch sieh', o welches Wunder!
Der Doctor spricht ein Wort,
Da fliehen hier die Krämpfe
Und dort die Schmerzen fort.

Hier giebt der Doctor Tropfen,
Da mischt er Geist hinein,
Dort giebt er wieder Pulver,
Mit Witz gerieben fein.

Da thut er in ein Tränkchen
Ein wenig seinen Scherz,
Hier legt er Theilnahms-Balsam
Auf's kranke, arme Herz.

Gar oft auch reicht er Pillen,
Die müssen bitter sein,
Doch diese giebt nur Männern
Der weise Doctor ein.

Die holden Frauen alle,
Die werden schnell gesund;
Es glänzet froh das Auge,
Es lächelt schön der Mund.

Und mit Vergött'rung hängen
Sie an dem Wundermann,
Wie das gewiß ein Jeder
Recht leicht begreifen kann.

Und wo er ist, da möchten
Die Frauen alle sein,
Und wenn der Doctor reiset,
Reis't Alles hinter drein.

Nur Eines ich von Allem
Nicht recht verstehen kann:
Was sagen Ehemänner
Zu solchem Wundermann?

Der Doctor ist trotz Ehre,
Trotz Wahrheit und trotz Lieb'
Ein feiner, sehr gewandter
Schön' Frauen Herzendieb.

Und was noch mehr mich wundert:
So treibt er's nicht allein;
Er lehrt dies Praktiziren
Auch seinen Söhnen ein.

Die müssen ihn begleiten,
Wenn er Visiten macht,
Und wenn man das nicht gutheißt,
Der Doctor herzlich lacht.

Jetzt wird wohl Mancher denken,
Das ist gewiß nicht wahr;
Doch kann ich es beweisen,
So wie die Sonne klar.

Er trägt ja auf dem Herzen
Ein Album, groß, nicht klein,
Das schließt dreitausend Bilder
Der schönsten Frauen ein.

Nun möcht' gewiß man wissen,
Wo wohnt Herr Don Juan?
Doch das bleibt mein Geheimniß,
Das ich nicht sagen kann.

Der Titel hat er viele,
Der Namen noch viel mehr,
So einen Mann zu finden
Ist sicher immer schwer.

Der Eine nennt ihn Wunder-,
Der And're Doctor Fleiß,
Ich aber nenn' ihn immer
Den edlen Frauen-Preiß.
(S. 55-59)
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Herzenseinfalt

Des Köhlers ros'ges Töchterlein
Sitzt still im Wald am Bach,
Sie schaut hinein gedankenvoll
Und sieht den Wellen nach.

Ich möcht' nur wissen, ob der auch
Wohl Liebe fühlen mag -
Mir scheint, es geht ihm so wie mir,
Er ruht nicht Nacht noch Tag.

Da neigt sie sich zur Well' hinab
Und sieht ihr schön' Gesicht,
Wie's lieblich ihr entgegenstrahlt,
Doch kannte sie es nicht.

Denn einen Spiegel hat sie nicht,
Wo sollte sie sich seh'n?
D'rum sagt sie unschuldsvoll zum Bach:
Jetzt kann ich dich versteh'n:

Du trägst auch auf dem Herzensgrund
Dein Lieb geschlossen ein,
Dir geht es g'rade so wie mir,
Kannst du auch traurig sein?

Der Waldbach, der springt froh davon,
Weil er ja gar nichts weiß,
Ihn macht nicht Herzenssehnsucht still,
Noch seine Liebe heiß.
(S. 60-61)
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Ich liebe Dich

Ich lieb' Dich, wie das Sonnenlicht,
Das spielt auf Flur und Hain,
Ich lieb' Dich, wie die Blumen hold,
Die nur in ihm gedeih'n.
Ich lieb' Dich, wie den Silberquell,
Der durch die Welle spricht.
Ich lieb' Dich, wie den Abendstern,
Mit seinem reinen Licht.
Ach! wie ich lieb', das weiß nur Gott,
So fromm, so ernst, so rein,
Er war's auch, der die Liebe gab
In's kranke Herz hinein.
(S. 70)
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Frühlingslust

Sag! kannst Du es deuten,
Das Singen, das Klingen,
Das Beugen, das Neigen
Von Blumen, von Zweigen? -
Das Stöhnen, das Tönen,
Das Knospen, das Blühen,
Das Sehnen, das Glühen,
In Seele und Brust? -
Ist Frühlings erwachte Lust.
(S. 88)
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Die Sträuße

Er hatt' mich ausgewählet
Aus einer ganzen Schaar,
Weil ich der Stern von Allen,
Wie er mir sagte war.

Als Braut lag auf dem Fenster,
Schon Morgens zeitig Früh,
Ein reizend Blumen-Sträußchen,
Geschrieben d'rauf: Für Sie.

Das war im Mai, im Juni,
Da legt' er Rosen hin,
Die Rosen haben Dornen,
Das flog mir durch den Sinn.

Ich bin sein Weib geworden,
Von Blumen keine Spur;
Ich hör' nur immer Schelten,
Seh' Unzufried'nes nur.

Oft freilich bringt er Sträuße,
Die er verborgen trägt;
Doch sind das Birken-Zweige,
Womit mein Kind er schlägt.
(S. 97-98)
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Das Vöglein

Liebes, holdes, kleines Vöglein,
Wart' nur, ich dich herzlich bitt',
Hab' hier hundert tausend Grüße,
Diese gebe ich Dir mit.

Und die bringst Du meinem Liebsten,
Doch die Aeuglein schließe zu:
Hast Du einmal ihn gesehen,
Fort ist Deines Herzens Ruh'.

Sag' ihm, daß ich sein gedenke,
Frag', warum so lang' er fern,
Sehnsucht füllt die Brust zum Springen, -
Nach ihm selbst, und Abendstern.
(S. 100)
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Der Todtengräber

Das thränenschwere Auge
Zur Tiefe ernst gewandt,
Der greise Todtengräber
Am off'nen Grabe stand.

So hart hat er die Arbeit
Wohl niemals sich gedacht,
Wie heut', wo er die Grube
Für's treue Weib gemacht.

Manch Jahr in Leid und Freude
Floh still an ihnen hin,
Und Alles, was erlebt sie,
Zog nun durch seinen Sinn.

Er sah Vergang'nes kommen,
Dem Grab entstieg die Zeit,
Wo er als holde Jungfrau
Die Gattin sich gefreit.

Wo er sie in das Häuschen
Am Friedhof hin gebracht,
Umgeben von den Schrecken,
Des Todes ew'ger Nacht.

Doch, wo die Liebe weilet,
Was machen Gräber da?
Es war ja Glück und Freude
Dem jungen Paare nah!

Auch fiel ja auf das Häuschen
Am Tag der Sonne Schein,
Und in der Nacht, da nickten
Die Sterne grüßend 'rein.

Und Epheu schmückt' die Mauern,
Und drinnen hat die Braut,
Durch Zierlichkeit und Ordnung,
Es lieb gemacht und traut.

Den Friedhof selber hatte
Zum Garten sie gemacht,
Da grünte es, und blüht' es,
In wahrer Frühlings-Pracht.

Und Abends, wenn das Glöckchen
Vom Kirchlein hell erklang,
Da brachten sie dem Schöpfer
Aus voller Seele Dank.

So hatten sie zusammen
Gewaltet vierzig Jahr,
Heut' war sie ihm gestorben,
Lag auf der Todtenbahr.

Und er, er sollte betten
Sie in den engen Schrein,
Sollt' scharren in die Erde
Sein Liebstes nun hinein.

Da wandt' er zu den Gräbern
Den müden, schweren Schritt -
Gebt jedes eine Gabe
Von eurer Zierde mit.

Die Blumen alle bracht' er
Ihr dann zum engen Haus,
Und schmückte seiner Liebe
Die Schlummerstätte aus.

Und als auch das geschehen,
Die Arbeit all' vollbracht,
Da schlich er still zum Häuschen,
Und sagt' ihr gute Nacht.

Doch als der Morgen grüßte
Die Welt im Purpur-Roth,
Da lag der treue Gatte
Bei seinem Weibe todt.

Jetzt schmückt ein Kreuz die Stätte,
Da ruhen sie vereint,
Von Kindern, Enkeln, Nachbarn
Aus treuer Brust beweint.
(S. 101-104)
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Du hast die Wunder all' vollbracht

Wer hat die Welt so schön gemacht,
Wer gab den Tag, und wer die Nacht,
Die Sterne, Sonn- und Mondes-Schein,
Wer brachte Ordnung da hinein?
Wer hat die Blümchen denn gelehrt,
Die Köpfchen nach der Sonne kehrt.
Wer gab die helle Farbenpracht,
Aus der ihr Frühlingsschmuck gemacht?
Wer gab dem Vöglein in die Brust
Das Lied der Lieb', das Lied der Lust;
Wer sagte ihm, jetzt bau' dein Nest,
So statt' es aus, so mach' es fest?
Und wer, ich frage, gab das Herz,
Empfänglich gleich für Freud und Schmerz?
Und wer das helle Himmels-Licht,
Die Seele, die vom Höh'ren spricht?
Das, Herr und Gott, war Deine Kraft,
Du hast die Wunder all' vollbracht.
(S. 113)
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Aus: Gedichte von Auguste Hyrtl
Wien 1875
Wilhelm Braumüller k. k. Hof- und Universitätsbuchhändler



 


Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Auguste_Hyrtl



Hyrtl, Auguste, geb. v. Gaffron, Wien-Perchtoldsdorf, am 22. Februar 1817 in Braunschweig als Tochter eines Majors geboren, vermählte sie sich mit dem später berühmt gewordenen Anatomen Josef Hyrtl. Ihre zahlreichen, in den verschiedenen Zeitschriften des In- und Auslandes veröffentlichten lyrischen Dichtungen sind in zwei Bänden gesammelt und herausgegeben.

- Gedichte 2 Bdchn. (1875) 1880

aus: Lexikon deutscher Frauen der Feder.
Eine Zusammenstellung der seit dem Jahre 1840 erschienene Werke weiblicher Autoren, nebst Biographieen der lebenden und einem Verzeichnis der Pseudonyme. Hrsg. von Sophie Pataky
Berlin 1898

Porträt von Auguste Hyrtl siehe:
http://scopeq.cc.univie.ac.at/query/detail.aspx?ID=14121

 

 

 


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