Karl Immermann (1796-1840) - Liebesgedichte

Karl Immermann



Karl Immermann
(1796-1840)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:

 





Gebet

Aber dennoch ist erlaubt
Eine Bitte.
Vater, der du Alles hast,
Gieb mir Liebe!

Spende Andern Ruhm und Gold,
Ehrenkreuz und Ehrensold,
Jeden Segen
Ihren Wegen!
Vater, der du Alles hast,
Mir gieb Liebe!
(S. 25)
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An Lesbia

Laß uns leben, Lesbia, und lieben,
Und der Runzelstrengen Alten Kritteln
Nicht für einen leichten Heller achten!
Sonne sinkt und glänzt geboren wieder,
Doch wenn uns das kurze Licht geschwunden,
Kommt die Nacht mit ihrem ew'gen Schlafe.
Gieb mir tausend Küsse, darauf hundert,
Darauf andre tausend, zweites Hundert!
Haben wir gezählt nun viele Tausend,
Löschen wir, um's selber zu vergessen,
Und weil schmälen könnte sonst der Neidhart,
Wüßt' er um der Küsse Myriade.
(S. 28)
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Abschied

Jetzt wird es klar, du hast gescherzt
Mit meiner Lieb' und Treue.
Die Wunde brennt, die Wunde schmerzt,
Und heilt durch keine Reue.

Nicht will an Schilf und wankend Rohr
Ich meinen Nachen binden,
Daß, käm' ein Sturm, ich blöder Thor
Trieb' hin zu allen Winden.

Leb wohl! Ich scheide thränenvoll,
Mußt' ich so schwer mich irren?
Doch komme, was da kommen soll,
Mich wirst du nicht verwirren.

Ein tücht'ger Schiffer nie verzagt,
Er wird die Fahrt bestehen,
Und hoch am Mast in tiefster Nacht
Stäts heil'ge Feuer sehen.
(S. 31)
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Der Einsame

Ich bin allein,
Ich geh' auf magrer Weide!
Falb scheint der Himmel auf die falbe Haide,
Und sprießt ein Blümchen auf,
Mein Fuß tritt läßig drauf:
Ich bin allein!

Wo weilest du,
Der meine Adern klopfen?
Der sagen meines Blutes wärmste Tropfen,
Daß, was ich sinn' und sag'
Nichts beßres sagen mag,
Als immer: Du!
(S. 32)
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Bei Mondenlicht

Merkst du der Liebe Flügelschlag?
Fühlst du von leisem, inn'gem Weben
In holden Schaudern dich umgeben,
Sinnst zarten Stimmen träumend nach?

Und Alles lebt und Alles spricht!
Und jeder Baum will mit den Zweigen
Dir ferne theure Arme zeigen,
Die Ahnung ist des Herzens Licht!

Sie schafft dem Herzen solchen Tag,
Daß durch die Nacht in schaur'gen Gründen
Verbundne doch sich ewig finden,
Merkst du der Liebe Flügelschlag?
(S. 33)
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Philosophisches Ständchen

Von den Büchern hab' ich mich
Noch Clock Eilfe losgerissen,
Da ich einmal liebe dich,
Sollst du nicht des Ständchens missen.
Zärtlich steht dein Philosoph,
O Laurentia, hier im Hof.

Du ein Weib, und ich ein Mann,
Sind wir beiderlei Geschlechte,
Und in solchem Falle kann
Lieb' entstehn nach Fug und Rechte.
Was natürlich, ziemet sich,
Ergo darf ich lieben dich.

Von dem Wirbel bis zum Zeh
Bist du, Schatz, schlechthin vollkommen!
Das Vollkommne hat von je
Herz und Sinne eingenommen.
Ist denn nicht stringent der Schluß:
Daß ich drum dich lieben muß!

Im Begriff der Liebe sitzt
Thorheit fest, gleich einem Keile.
Thorheit ist es, daß ich itzt
Klimpernd, singend hier verweile.
Wär' ich aber nicht ein Thor,
Trät' ein Widerspruch hervor.

Sieh, so hab' ich Satz für Satz
Unsre Liebe demonstriret,
Und zugleich am selben Platz
Dir ein Ständchen construiret.
Schlafe wohl, Laurentia,
Denn des Schlafes Stund' ist da.
(S. 43-44)
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Frage und Antwort

"Sag selber mir, ob es den Mann noch giebt,
Der holde Liebe wiederliebt?
Ob ihr euch nicht mit unsrer inn'gen Gluth
Nur schmücken wollt, wie mit der Ros' am Hut?"

Aus Rauch muß sich die Flamme siegend winden,
In Zweifeln welch ein seltsam Finden!
Ich nahte, wankte, mein nicht mehr bewußt,
Die Antwort lag dir schluchzend an der Brust!
(S. 87)
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Das geraubte Tuch

Du suchst dein Tuch,
Ich suche mein Herz.
Wer hat das Tuch?
Wer hat das Herz?
Ich stahl dein Tuch,
Du stahlst das Herz.
Willst wieder dein Tuch?
"Ja, für dein Herz!"

Da, da dein Tuch!
Behalte mein Herz
Und wickl' in's Tuch
Das glückliche Herz.
(S. 92)
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Wenn ich dies und das wäre

Wenn ich der König wär',
Spräch' ich: Sei Königin!
Und reichte dir die goldne Binde hin.

Wenn ich ein Krieger wär',
Rief' ich vor jedem Strauß
Erst deinen Namen in die Welt hinaus.

Wenn ich ein Kaufmann wär',
Führ' ich nach Morgenland
Und brächte dir ein güldenes Gewand.

Wenn ich ein Vogler wär',
Fing' ich dir einen Staar,
Der sagte dir, daß ich so treu dir war.

Wenn ich ein Klausner wär',
Wollt' beten anders nie:
Herr, wie du willst mit mir! Nur schütze sie!

Weil ich ein Garnichts bin,
Geb' ich mich selber her,
O nimm die Gab', als ob sie etwas wär'!
(S. 93-94)
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Auf der Wiese

Morgenthau! Morgenlicht!
Klopfende Brust!
Halte den streifenden Fuß nicht auf
Schilf am Ufer!
Hab' keine Zeit.
Ladet nicht, schmeichelnde Wellen des Bachs
Ein zum Verweilen!
Hab' keine Zeit.
Wenn ich elend wieder,
Hol' ich mit euch die Gespräche nach.
Die Zweige sich regen,
Ihr entgegen
Durch Morgenthau, Morgenlicht!
(S. 95)
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Ständchen

Wachst du, mein Herz?
Darf ich mit flüsternder Laute
Singen in Schlaf dich, o Traute?
Giebst du es zu?

Gieb es nur zu!
Nacht, die vertraute, mag's wissen,
Was wir dem Tage verschließen:
Mir ist so wohl!

Ist mir so wohl,
Weiß, welch ein Honig zu nippen
Heimlich von schwellenden Lippen,
Weißt du es auch?

Weißt es ja auch!
Danket, am Fenster ihr Reben!
Schlafe, du himmlisches Leben,
Schlaf, süßes Herz!
(S. 97)
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Am Baume

Die Sonne ruhig sinket,
Der durst'ge Anger trinket
Den kühlen Abendthau;
Die Vögel schlafen gehen,
Die Lichter auferstehen
Am Himmel, dunkelblau.

Es wird so groß und stille,
Und aller herbe Wille
Zergeht im Dämmerraum.
Daß du mir bist versaget,
Und daß ich drum geklaget,
Ich fühl's, ich fühl' es kaum.

Mit dir, mit dir zu schleichen,
Mit dir, mit dir zu weichen
Bis an des Waldes Saum!
Mit dir, mit dir zu eilen!
Mit dir, mit dir zu weilen
An unsrem Friedensbaum!
(S. 98)
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Wie sie mir am besten gefällt

Herz, wir lieben, das ist klar,
Aber man liebt gern nach Gründen.
Suchen wir, mein Herz, zu finden,
Was so Sinnbezaubernd war.

Wenn ich sitzen sie gesehn,
Und das himmlische Gebilde
In sich ruhte klar und milde,
Ach, das schien mir wunderschön.

Doch sah ich sie stehn und gehn,
Und der Glieder frei Entfalten
Reize aus dem Reiz gestalten,
Das war auch doch gar zu schön.

Hab' ich lächeln sie gesehn,
Drang ein fröhlich Lenzesbeben
In mein innertiefstes Leben,
Ach, das schien mir wunderschön.

Leichtgenetzt ihr Auge sehn,
War's, wie wenn aus hehrer Ferne
Funkelnd grüßten gute Sterne,
Das war auch doch gar zu schön.

Hab' ich freundlich sie gesehn,
Wär' ich, ihr zu Lieb', verwandelt,
Auf den Vieren gern gewandelt,
Ach, das schien mir wunderschön.

Doch hab' ich sie zürnen sehn,
Seufzt' ich schwer in meinen Aengsten,
Wenn mir's grade war am bängsten:
O sie ist auch zürnend schön!

Mich allein mit ihr zu sehn,
Ist ein Glück, nicht zu bezahlen,
Seh' ich sie vor Vielen strahlen,
Das ist auch mitunter schön.

Wenn sie küßt, ich muß gestehn,
Das ist gar nicht zu verachten,
Wenn sie allzudreistem Trachten
Sich entzieht, ist's wieder schön.

Hab' ich Morgens sie gesehn,
Denk' ich: Schöner kann nichts werden,
Sinkt der Abend drauf zur Erden,
Dann bedünkt sie mich erst schön.

Herz, wohin soll dieses gehn?
Kannst du nicht zum Schlusse kommen,
Was dich also eingenommen?
War denn Alles gar zu schön?

Liebes Herzchen, wie wir sehn,
Gehn wir doch in festern Ketten,
Als wir je geträumet hätten,
Aber sie sind wunderschön!
(S. 100-102)
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Sehnsucht

Könnt' ich sie einmal treffen an
Im tiefen Wald, da Niemand ginge,
Es wär' um allen Schmerz gethan,
Ach daß es, daß es doch gelinge!

Wir schritten immer weiter ein,
Und sähen nimmermehr zurücke,
Und würden fein geborgen seyn,
Und scheuten keines Menschen Tücke.

Und Alle, die uns sonst gehöhnt,
Und schlimmen Sieg an uns erworben,
Sie wären Alle nun versöhnt,
Und sprächen sanft: Sie sind gestorben!
(S. 103)
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Reizende Weisheit

O wie hab' ich gewünscht, in den Armen der Liebe zu ruhen,
Dann vor jeglichem Sturm glaubt' ich im Hafen zu seyn!
Schweigend ertrug ich ein ehern Geschick und die leidigsten Tage,
Hofft' ich im Winter den Lenz, hofft' ich auch herzlichen Bund.
Und jetzt ist es erfüllt, jetzt besitz' ich, wonach ich verlangte,
Hab' ein geliebtestes Du, holde Rosalie, dich!
Bin ich nun fröhlich und ist mir nun leicht? Wer deutet mich selbst mir?
Undank bleibe mir fern, aber so bin ich verwirrt.
Ach, mir schleichet die Adern hindurch unendliche Wehmuth,
Welche die Kraft mir verzehrt, schauerlich, giftig und süß.
Bin ich allein und bin ich bei ihr, an der zuckenden Wimper
Hängt mir die Thräne wie oft! Holde, dich kränkt es, ich seh's.
Gestern fragte sie mich: Du bist so schweigsam, du küssest
Viel zu wenig, mein Freund, ward dir die Liebe zum Schmerz?
Theure, sagt' ich, die Liebe ist Lust, und der ewigen Schönheit
Herrlichprangendes Kind, Knospe und Blüthe und Frucht.
Sprich, was soll sie bei uns? Was soll das zarte Geheimniß
In der ernüchternden Zeit, in der entgötterten Welt?
Siehe, drum weinet aus mir die sich selber beweinende Liebe,
Eros weinet aus mir, der die Verbannung beklagt.
Schaue den luftige Kelch der in Farben aufjauchzenden Blume,
Aber im innersten Grund perlen die Thränen. Warum?
Auch die Blume, sie weint. Sie erkennt das schwarze Verhängniß,
Sieht in der Fülle des Safts schon sich erstorben und welk.
Denk des Adonis! Des Ebers gedenk! Feinfühlenden Griechen
Sagte der blühende Mai ewig des Jünglings Geschick.
Eilen wir denn, versetzte Rosalie, die Rosen zu brechen,
Da nur flüchtigen Glanz ihnen die Götter gewährt.
Lieblich schauet die Rose der Lust aus der athmenden Lippe,
Pflücke sie, eh' sie verwelkt, küsse mich, grübelnder Freund.
War denn das Glück, das Adonis genippt in dem Arm Cytherea's,
Weniger süß, weil so kurz weilte sein reizender Fuß?
Der nur vermag zu lieben, mein Freund, der vermag zu genießen,
Jeder sel'ge Moment schenkt eine Ewigkeit dir.
(S. 106-108)
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Novembertag

O daß des Lebens schönster Wein
Auch herbe kann und sauer seyn!
Stumm und bestürzt und abgewandt
Nahm ich die Thür in meine Hand.

Die Luft war rauh, der Wind ging schon,
Weiß lag der Reif, des Herbstes Sohn.
Im Garten, in dem weißen Schein
Fand ich ein rothes Röselein.

Und wie ich stand und staunte, da
Klang mir ein Silberstimmchen nah:
Komm doch zurück, du Närrchen, komm,
Ich bin ja wieder gut und fromm.

Da brach ich ab das Röslein roth,
Und bracht' es der, die mir gebot,
Und sprach: Natur die rastet nicht,
Treibt ewig Knospen an das Licht.

Und Liebe thut's darin ihr nach,
Sie hat so manchen rauhen Tag,
Es wehet, stürmet, reift und friert,
Doch nie der Lieb' ihr Herz erfriert.
(S. 109-110)
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Ihr Spiegel

Zeigt dir der Spiegel herbe Züge,
Ein düstres Auge, streng Gesicht,
So darfst du sagen, daß er lüge,
So rufe nur: Das bin ich nicht!

Wenn aber von des Glases Fläche
Dir Huld und Liebreiz widerstrahlt,
Dann glaube, daß er Wahrheit spreche,
Dann hat er treu dich abgemalt.

Ich will ihm helfen, o Geliebte,
Daß er stäts Wahrheit sagen kann:
Wenn sich dein holdes Bildniß trübte,
Zeigt er nicht meine Schuld mir an?
(S. 112)
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Die Federn

Ihr Federn, so ich hier der Liebsten schneide,
Hört zu, ich will euch jetzo unterrichten
Von euren Rechten und von euren Pflichten,
Kommt ihr in Dienst bei meiner Augen Weide:

Wofern sie Andern schreibet, mir zum Leide,
Erweiset ja euch dann behend mit nichten,
Nein, schleichet, haftet, stockt gleich trägen Wichten,
Durch Ungeschick dient dem verliebten Neide!

Ja, ich erlaub' euch, Schalkheit auszuüben,
Wird sie zu warm, so dürft ihr schrammen, kritzeln
Und euren Mund im Bodensatze trüben.

Soll aber mir ein Wort von theurer Stelle
Zufliegen auf den postpapiernen Schnitzeln,
Dann, Federn, eilt, rennt, jagt Gedankenschnelle!
(S. 113)
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Ihre Lippen

Feurig Verlangen,
Glühendes Bangen
Habt ihr entzündet!
Schelmisch verbündet
Listiglich kamet ihr,
Räuberisch nahmet ihr
Mein leichtes Geblüt,
Mein frohes Gemüth.

Räuber und Brenner bringt man zur Haft,
Es bleibe die Ordnung der Welt in Kraft!
Kerker und Schloß und Riegel mein Mund,
Er hält euch gefangen bis zur jüngsten Stund.
(S. 118)
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Vorgefühl

Laß uns die Erdbeeren suchen
Geschwinde!
Drüben von den Buchen
Wehen so schwüle Winde.
Liebste, was reif, wir müssen's pflücken,
Eh' wir haben den Schaden!
Ueber die Berge die Wolken blicken
Wettergeladen.
(S. 121)
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Stumme Erklärung

Ich bin zu starr und kräftig,
Ich bin zu stolz und heftig
Für sanftes Minnespiel.
Laß, den du kennst, nun scheiden,
Willst du denn ewig leiden,
Weil ich dir einst gefiel?

Sie sah nicht auf, sie sagte,
Als ich betrübt sie fragte,
Mir weder Ja noch Nein.
Mein Bildniß, das beschmutzte,
Nahm sie vom Nagel, putzte
Sie still und emsig rein.
(S. 122)
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Hoher Sinn

Ja, dich erfüllt der Liebe hoher Trutz,
Du fühlst, wir stehn am Abgrund ohne Schutz,
Du fühlst, daß jeder Tag den grimm'gen Bann
Aussprechen kann.

Und dennoch, rief' ein Götterspruch herab:
"Versichert sei das Glück euch bis an's Grab,"
Du wendetest dein königlich Gesicht
Und danktest nicht.
(S. 123)
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Zauberei der Liebe

Scherzend frug sie: möchtest du
Wohl ein Zauberkleinod haben?
Sei es! sagt' ich, mustern wir
Der Magie geheime Gaben!
Lächelnd setzt sie sich zu mir,
Und ich horche auf zu ihr.

"Jener Säckel Fortunats
Wär' erfreulich zu besitzen."
Trautes Kind, was sollte mir
Wohl der Zaubersäckel nützen?
Hab' ich keinen rothen Knopf,
Liebst du doch mich armen Tropf.

"Schönheitswasser, Anmuthzier
Spendend dem Gesicht und Leibe?"
Herz, die Wäsche lass' ich gern
Jedem alten eitlen Weibe.
Schönheitswasser brauch' ich nicht,
Liebst du doch mein schnöd Gesicht.

"Wählst vielleicht dir Rolands Schwert,
Stahl und Fels damit zu spalten?"
Gegen eine Welt von Erz
Will ich, dich vertheid'gend, halten.
Lieb' ist tapfer, kühn und scharf,
Fremder Waffen nicht bedarf.

"Karols Ring, der dich beliebt
Macht bei Jedermann auf Erden?"
Diesen woll'n wir suchen gehn,
Wenn du anfängst kühl zu werden.
Siehst du mich nur freundlich an,
Frag' ich viel nach Jedermann!

"Faustens Mantel, weiß ich schon,
Würde dir zuletzt behagen!"
Um zu reiten durch die Luft?
Närrchen, welch ein thöricht Sagen!
Wer an deinem Busen liegt,
Ob der wohl von dannen fliegt?

Nein, ich will nur, was mir ward,
Laß die Wünsche! Laß sie kommen,
Wenn der Liebe schöner Brand
Ist im Herzen ausgeglommen!
Und ich kann schon zaubern, ich,
Horch, die Künste lehr' ich dich.

Bring' uns gleich in's Paradies,
Seine Herrlichkeit zu nippen;
Jetzt merk auf! Neig dich zu mir,
Gieb mir deine rothen Lippen,
Laß dein Köpfchen an mir ruhn,
Schließ die Augen, schließ sie nun!

Hörst du, wie die Palme rauscht?
Wie die Quellen stäubend springen?
Weht es nicht wie Blüthenduft,
Aufgewühlt von Bienenschwingen?
Leise drückt sie mir die Hand:
"Ja, wir sind im Zauberland!"
(S. 126-128)
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Kurzes Glück

Die Liebe ruht, ein zarter Flügelstaub,
Auf unsres Lebens ausgespannten Schwingen,
Wir schlüpfen jauchzend durch der Ranke Schlingen,
Wir ruhen selig aus auf Blüth' und Laub.

Ihr Götter, wäret ihr nicht kalt und taub,
Mitleiden wär' euch Harten abzuringen,
Vor der Dämonen Schleichen, Nahen, Dringen
Beschütztet ihr den schwachen, süßen Raub.

Auch ich flog jüngst mit jenem Wunderflügel,
Mich badend in dem Strom des reinen Lichts!
Was hatt' ich? Und was blieb mir? Nichts!

Warum bedeckt denn nun ein Grabeshügel
Mein Glück von einem Augenblick? - Warum?
Ist nicht die Lieb' ein Flügelstaub? Darum!
(S. 137)
_____


Aus: Karl Immermann's Schriften
Erster Band Gedichte
Düsseldorf Verlag von J. E. Schaub 1835

 


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Immermann




 

 


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