An Marianne
        
        Holde Schöpferin geheimer Triebe,
        Die mich mit den Fesseln heißer Liebe
        Schnell an ihren Siegeswagen band,
        Gute, traute, sanfte Marianne!
        Heil mir, daß auf meinem Lebenskahne
        Ich im Ozean der Welt dich fand.
        
        Lange, lange sucht ich stets vergebens,
        Unter Truggestalten dieses Lebens,
        Eine weibliche Vollkommenheit;
        Nicht allein zum Durste nied'rer Sinne,
        Auch gemacht zur höhern Geisterminne
        Und zur wechsellosen Zärtlichkeit.
        
        Ach, schon fing mein Hoffen an zu wanken,
        Schon versank ich tief in dem Gedanken,
        Daß mein Suchen ewig fruchtlos sei:
        O, da sah ich dich, erhab'ne Schöne,
        Und der erste deiner Silbertöne
        Machte mich von meinem Zweifel frei.
        
        Mädchen, dem an Schönheit wen'ge gleichen,
        Dem an Klugheit tausend Männer weichen,
        Du, des weiblichen Geschlechtes Zier!
        Wie nach Wasser durst'ger Wand'rer Kehle
        Lechzet meine liebekranke Seele
        Innig, einzig, einzig nur nach dir.
        
        Seit dich, Engel, dieses Aug' erblickte,
        Liebe tief den Pfeil ins Herz mir drückte,
        Hab' ich fürder weder Rast noch Ruh',
        Einsam fließen meine stillen Thränen,
        All mein Wünschen, Hoffen, Denken, Sehnen,
        Holde Marianne, bist nur du!
        
        Wenn ich mit der Lerche Morgenschalle
        Flüchtig durch die bunten Fluren walle,
        Folgest, Liebchen, du mir überall;
        Ueberall, auf Wegen und auf Stegen,
        Lächelst, Zauberin, du mir entgegen,
        Hör' ich deiner süßen Stimme Schall.
        
        Sitz' ich einsam an der Felsenquelle,
        Schwebt auf jeder kleinen Silberwelle,
        Holde, dein geliebtes Bild mir vor.
        Jeder West, der mit den Blumen spielet,
        Leise meine heißen Wangen kühlet,
        Lispelt deinen Namen mir in's Ohr.
        
        Blick' ich Nachts zur blauen Himmelsferne,
        O so lächelt sanft aus jedem Sterne
        Dein geliebtes Engelsbildniß mir.
        Senkt auf meine müden Augenlider
        Endlich sich der süße Schlummer nieder,
        Sind all' meine Träume nur von dir.
        
        So verfolgt dein Zauberbild mich immer:
        Die verlor'ne Ruhe kehret nimmer
        In dies arme liebewunde Herz.
        Liebchen, Liebchen, habe doch Erbarmen!
        Nur an deinem Hals, in deinen Armen
        Find' ich Linderung für meinen Schmerz. 
        (S. 8-9)
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        Die todte Nachtigall
        
        Die ihr an süßer Lieder Schall
        Euch weidet, weint mit mir,
        Seht, meine traute Nachtigall
        Liegt todt im Käfig hier.
        
        Sie sträubte ihre Federchen,
        Gab mir den letzten Blick,
        Barg dann den Kopf in's Flügelchen
        Und fiel entseelt zurück.
        
        Und meine Freude starb mit ihr;
        Nun sitz' ich hier allein,
        Und ach, sie singt nicht mehr mit mir
        Bei stillem Mondenschein.
        
        Sie ruft nicht mehr voll Schmeichelei
        Mich an des Fensters Rand,
        Und pickt mir dort ein Ameisei,
        Ein Würmchen aus der Hand.
        
        Todt liegt sie da und starr und kalt,
        Die liebe Sängerin,
        Und ihre kleine Seele wallt
        In's Reich der Schatten hin.
        
        Dort flattert sie nun immerdar
        Im ewig grünen Hain,
        Und trillert manches liebe Paar
        In süßen Schlummer ein.
        
        Dort fliegt sie einst, o welche Lust,
        Mir, ihrem Nährer zu,
        Und lullt an meines Liebchens Brust
        Mich ein zu sanfter Ruh. 
        (S. 10-11)
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        Erinnerung
        
        Traurig und einsam sitz' ich hier, umhüllet
        Von den Flügeln der Nacht, in öder Halle;
        Und die Schatten meiner genossenen Freuden
        Schweben vor mir hin.
        
        Wandelnd und traurig lächeln ihrem Lieben
        Sie im weißen Gewand'; - ich will sie haschen,
        Doch wie Traumgestalten entschwinden sie mir
        Schnell aus den Armen.
        
        Welch' ein Strom der Wonne doch floß mir aus der
        Vorzeit Urne! Du, lieber Mond, der du so
        Traulich auf mich Trauernden niederblinkest,
        Hast es gesehen!
        
        Thränen der Wonne flimmerten an meinen
        Wangen, wenn ich, bestrahlt von deinem sanften
        Schimmer, wonnetrunken mein Liebchen an das
        Pochende Herz schloß.
        
        Wenn ich an ihrer Seite festgeschmieget,
        Arm in Arm, auf der bunten Flur einherging,
        Und ein Blümchen pflückte, zu schmücken ihren
        Schwellenden Busen.
        
        Freundlich und dankend nickte sie dem Jüngling,
        Küßte zärtlich das Blümchen, drückte mir den
        Arm, daß himmlischsüßes Erbeben in die
        Seele mir schau'rte.
        
        Hundert Mal saßen wir an jenes Bächleins
        Ufer, horchten der Nachtigall, und sahen,
        Wie das Bild des Mondes auf Silberwellen
        Zitternd dahin floß.
        
        Aber die Hand der Zeit riß meinen Namen
        Aus der Seele des Mädchens. Ruhe, Holde,
        Werd' uns Beiden: dir an des Gatten Busen -
        Mir in dem Grabe! - 
        (S. 11-12)
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        Die Thräne
        
        Wie der Thau im gold'nen Morgenschimmer
        An der Rose flimmert,
        Bebst du, Thräne, hier im Mondenscheine
        An des Mädchens Wange.
        
        Lieblich bist du - Aber du mußt sterben - -
        Wie die älter'n Schwestern,
        Die ich ihr mit heißen Lippen bebend
        Von der Wange küßte.
        
        O, daß sie auch eine solche Zähre,
        Wenn der Hauch des Frühlings
        Ueber meinen frühen Hügel lispelt,
        Meiner Asche weihte! -
        
        Doch, dann schwand schon lange mein Gedächtniß
        Aus des Mädchens Seele!
        Weiberlieb ist, ach, ein Regenbogen,
        Schön, doch auch vergänglich! 
        (S. 16-17)
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        An den Mond
        
        Trauter - silberner Mond, o wie so lieblich
        Lächelst du mir herab! Wenn ich dich sehe,
        Ruhebringender Wand'rer,
        Ist mir im Herzen so wohl.
        
        Voller wird mir die Brust, ein sanftes Schauern
        Wallet durch mein Gebein, und manche süße
        Tochter inn'ger Empfindung
        Flimmert die Wange hinab.
        
        Lieblich bist du, mein Freund, doch schöner Trauter,
        Zürne, zürne mir nicht, denn schöner noch ist
        Marianne, das Mädchen,
        Das mich mit Liebe erfüllt.
        
        Voll und blendend, wie du, wenn dünne Wolken
        Halb dich decken, wallt hoch ihr Busen unter'm
        Leichten Schleier. Der Himmel
        Strahlt aus dem blauenden Aug';
        
        Und, wie Aehren, gewiegt von leisen Westen,
        Ist ihr seidenes Haar, das dicht und lange
        Ihren marmornen Nacken
        Golden und lockig umweht.
        
        Aber kalt ist ihr Herz; denn ach, sie weiß nicht,
        Daß mich Liebe verzehrt. Kein Wort der Sehnsucht,
        Nicht Ein Seufzer enteilte
        Meinem zu schüchternen Mund'.
        
        Lieber, wenn sie vielleicht in ihrem Stübchen
        Trauernd jetzt nach dir blickt; so sag' ihr leise:
        Dort in fernen Gefilden
        Sehnt sich ein Jüngling nach dir! 
        (S. 17-18)
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        Der Frühlingsmorgen
        
        Auf, reizendes Mädchen,
        Verlasse dein Bettchen!
        Schon weicht von der Erde der nächtliche Flor;
        Schon lächelt, o Wonne,
        Die wärmende Sonne
        Dort über den Scheitel des Berges hervor.
        
        Die Lerchen entschwingen
        Dem Feld sich, und singen
        Ihr Lied, das hier wirbelnd den Frühling begrüßt,
        Noch flimmert im Schooße
        Der duftenden Rose
        Die Thräne von Phöbus ihr durstig entküßt.
        
        Komm', Liebchen, komm' pflücke
        Die Blumen, und schmücke
        Den Busen, der wallend dem Schleier entschwillt,
        Bald welken die Blumen,
        Die Lerchen verstummen,
        Der Busen seufzt traurig im Zobel verhüllt.
        
        Das Lüftchen, das spielend,
        Die Wange dir kühlend,
        Sanft beuget die Halme auf blühender Flur,
        Kommt brausend einst wieder
        Mit kaltem Gefieder,
        Und lullet zur Ruhe die Mutter Natur.
        
        D'rum, liebliches Mädchen,
        Entschlüpfe dem Bettchen,
        Genieß' nun des Lenzes, bevor er entweicht!
        Bald werden wir trauern
        In einsamen Mauern,
        Wohin uns der starrende Winter verscheucht.
        
        Zwar, Minna, einst lächelt,
        Von Westen gefächelt,
        Uns wieder der blumige Frühling herab:
        Doch leider, dann stehet,
        Von Kränzen umwehet,
        Vielleicht schon ein Kreuzlein auf unserem Grab. 
        (S. 18-19)
        _____
        
        
        
        
        Klagen einer Nonne
        
        Welche Stille, welches Trauern!
        Einem Grabe gleicht es hier,
        Nichts als hohe, kalte Mauern -
        Keine Seele fühlt mit mir.
        
        Einsam sitz' ich da und weine,
        Alles ist so todt, so leer.
        Todtenköpfe, Leichensteine,
        Blinken traurig auf mich her.
        
        Gott, er ist, er ist geschehen,
        Jener fürchterliche Schwur,
        Ewig soll ich widerstehen
        Der allmächtigen Natur! -
        
        Ach, was quälst du mich vergebens,
        Brausender, empörter Sinn?
        Jeder Hochgenuß des Lebens
        Ist auf ewig mir dahin.
        
        Einsam, wie die bunte Nelke,
        Von dem rauhen Nord zerknickt,
        Blüh' ich langsam ab und welke,
        Ungekannt und ungepflückt.
        
        Vater, ist es wohl dein Wille,
        Daß mein glühend Herz ein Stein,
        Ohne sinnlichem Gefühle,
        Daß ich Weib nicht Weib soll sein? -
        
        Nein, nur harte Tigerseelen
        Vom Genusse stumpf gemacht,
        Haben Mädchen, uns zu quälen
        Diese Foltern ausgedacht. 
        (S. 21-22)
        _____
        
        
        
        
        Der Abschied
        
        Hörst du die Glocke schlagen?
        Mir gilt ihr dumpfer Ton,
        Hörst du? Es rollt der Wagen,
        Das Posthorn rufet schon!
        Nicht darf ich bei dir weilen,
        Das harte Loos gebeut,
        Die Thräne beim Enteilen
        Sei scheidend dir geweiht.
        
        Du hältst in deinen Armen
        Mich fest, umsonst, ich muß.
        Die Pflicht hat kein Erbarmen;
        Nimm hin den Abschiedskuß!
        O du, mein Glück, mein Leben,
        Ich drücke, welch ein Schmerz! -
        Zum letzten Mal mit Beben
        Dich an mein blutend Herz.
        
        Dies Herz, es schwört im Scheiden
        Noch einmal Treue dir;
        Der Kranz von Liebesfreuden
        Entsinket welkend mir.
        Soll gleich kein Wiedersehen
        Für uns verhänget sein,
        Wird fest der Bund doch stehen:
        Auf ewig bleib' ich dein.
        
        Erfährst du, dein Getreuer
        Verblich auf ferner Flur,
        Weih' ihm zur Todtenfeier
        Ach, Eine Thräne nur,
        Und denk', wenn Nachts so gerne
        Dein Aug' zum Himmel blickt,
        Daß von dem Liebessterne
        Der Liebe Gruß dir nickt. 
        (S. 22-23)
        _____
        
        
        
        
        Ständchen
        
        Ihr Herren, laßt euch sagen,
        Es hat jetzt Eilf geschlagen:
        So ruft in stiller Nacht
        Der Mann, der uns bewacht.
        Er wacht auf Feu'r und Diebe,
        Doch nicht auf Feu'r der Liebe,
        Die, wenn der Tag entweicht,
        Auf Raub der Minne schleicht.
        
        Auch mich, von diesem Bunde,
        Treibt in der Geisterstunde
        Zur Herzens-Königin
        Der Drang nach Beute hin . . .
        Ha, sieh, dort ist ihr Stübchen,
        Dort wohnt mein trautes Liebchen!
        Fein's Liebchen, höre mich,
        Dein Treuer rufet dich.
        
        Das frömmste der Gespenster
        Steht jetzt an deinem Fenster,
        Zeig' ihm im Mondenlicht
        Dein holdes Angesicht!
        Lass' strahlen ihm von ferne
        Der blauen Aeuglein Sterne
        Und nick' ihm freundlich du
        Den Gruß der Liebe zu.
        
        Wenn dann dein Herz erglühet,
        Dich etwas zu mir ziehet,
        So komm' und lass' mich ein!
        Ich will verschwiegen sein . . .
        Sie hört mich nicht, - Ach Liebchen,
        Du schläfst in deinem Stübchen,
        Du träumst vielleicht von mir -
        Und ich . . .? verschmachte hier.
        
        So ist, ich armer Zecher!
        Aus Amors Honigbecher
        Kein Tröpfchen heut beschert
        Dem Durst, der mich verzehrt? . . .
        Doch horch! - Es knarrt die Pforte,
        Pst! Pst! - Die Losungsworte,
        Nun, Mond, entferne dich,
        Mein Himmel öffnet sich.
        (S. 24-25)
        _____
        
        
        
        Die späte Rose
        
        Sei willkommen, schöne Rose,
        Jüngste Tochter dieser Flur.
        Spät entblühest du dem Schooße
        Der entschlummernden Natur.
        
        Mit des Sommers frühem Scheiden
        Schieden deine Schwestern auch;
        Sind verweht, wie Menschenfreuden,
        Von des Herbstes kaltem Hauch.
        
        Holdes Röschen, laß dich pflücken,
        Sieh, Sefine wird mit Lust
        Dich an ihre Lippen drücken,
        Heften dann an ihre Brust.
        
        Dort auf Amors Lilienthrone,
        Harrt ein süßes Welken dein;
        Möcht, auch mir dem Leidensohne
        Solch ein Tod beschieden sein.
        (S. 25-26)
        _____
        
        
        
        An Käthchen
        
        Wohl in der Welt ich manches Mädchen
        Im Blüthenschmuck der Jugend fand,
        Das seiner Reize Zauberfädchen
        Gar schlau um Männerherzen wand;
        Doch keines hab' ich noch gefunden,
        Das, holdes Käthchen, ganz dir glich,
        Die Männerherzen zu verwunden
        Verstehst nur du so meisterlich.
        
        Sie, deiner Anmuth Zauberspiele
        Erweckten auch in meiner Brust,
        Schon lange schlummernde Gefühle,
        Nun wogend zwischen Schmerz und Lust.
        Dir nah und doch von dir getrennet
        Muß ich vergeh'n in stiller Qual,
        Die Gluth geheimer Sehnsucht brennet
        In meinem Innern tausendmal.
        
        Es ewig an mein Herz zu drücken
        Das Liebchen mit dem Rabenhaar,
        Der Schwarzen Augen Flammenblicken,
        Des vollen Busens wallend Paar;
        Zu küssen seine Rosenwangen,
        Die Purpurlippen, honigsüß,
        Ist, ach, das glühende Verlangen,
        So mir die Lebensruh' entriß.
        
        Drum, schlankes Käthchen, hab' Erbarmen,
        Sprich mir das Wonnewörtchen: Dein!
        Und lass' in deinen Schwanenarmen
        Der Dichter Glücklichsten mich sein.
        Trink, - nicht in kaltem Weltgetriebe -
        Im Schatten der Verschwiegenheit
        Den wahren Nektarkelch der Liebe,
        Den dir mein Herz so liebend beut.
        (S. 26-27)
        _____
        
        
        
        Haß und Liebe
        
        Es wehet, es flammt auf dem irdischen All
        Ein endloses Hassen und Lieben,
        Selbst unserer Heimat umnebelter Ball
        Wird so um die Sonne getrieben.
        Es zieht ihn die Liebe zur Flammenden hin,
        Es treibt ihn der Haß in die Weite;
        Die kämpfenden Mächte, sie nöthigen ihn,
        Daß er sie langkreisicht umschreite.
        
        All seinen Bewohnern ist von der Natur
        Zu hassen Bestimmung geworden;
        Luft, Wasser und Erde beflecket die Spur
        Von rastlosen Kämpfen und Morden.
        Voran allen Würgegeschlechtern doch geht
        Der Mensch, so sich selbst nicht verschonet,
        Den Künstler, der Brüder zu morden versteht,
        Mit Lorbeern und Würden belohnet.
        
        Verstand ist die Fackel, womit dies Geschlecht
        Die Erde zerstörend durchwandelt,
        Behauptet des Stärkeren eisernes Recht
        Wornach es sich feindlich behandelt.
        Wild lodert die Herrschsucht in jeglicher Brust,
        Will Kronen und Throne erringen,
        Um dann über Brüder mit teuflischer Lust
        Die blutige Geißel zu schwingen.
        
        Längst hätte den Erdball der Sterblichen Haß
        Verödet zu Leichengefilden,
        Drum sorgte Natur, die allwirkende, daß
        Stets Wesen aus Wesen sich bilden.
        Und dieser Erzeugungen bildende Kraft
        Entströmt der allmächtigen Liebe,
        Die rastlos aus Formen die Formen erschafft
        Durch Alles beherrschende Triebe.
        
        Was lebet, was athmet im All der Natur,
        Muß ihren Gesetzen sich beugen,
        Doch ewig all seine Verjüngungen nur
        Dem Hasse zum Opfer erzeugen.
        Der Mensch, gleich dem Thiere, der Sinnlichkeit Knecht,
        Muß so nach der Liebe Geboten
        Erhalten sein Räuber- und Sklavengeschlecht
        Dem Joche der Erdendespoten.
        
        Zwar schwingt sich zuweilen sein besseres Ich
        Empor auf des Geistes Gefieder,
        Schnell klebt an die Ferse die Endlichkeit sich
        Und zieht es zum Staube hernieder.
        Halb Thier und halb Engel, so taumelt er hin,
        Gepeinigt von unsteten Trieben,
        Ihr inneres Toben, es nöthiget ihn
        Zum ewigen Hassen und Lieben.
        
        Drum wall' ich als Fremdling auf dorniger Bahn,
        Mich treibet unnennbares Sehnen
        Zur Heimat, die nimmer erreichen ich kann
        Im düsteren Lande der Thränen.
        Mich drücket, mich presset des Staubes Gewand,
        Der Menschen Insectengetriebe.
        Ihr himmlischen Mächte, wo find' ich das Land
        Veredelter Menschheit und Liebe.
        
        Dort über den Sternen erscheint es mir schon
        In blühender Anmuth und Schöne.
        Die Liebe steht lächelnd auf glänzendem Thron
        Und trocknet des Kommenden Thräne.
        Dort wehet der Sterblichen Freiheitspanier,
        Entfallen der Endlichkeit Bande . . .
        Ruf', himmlische Liebe, den Dulder zu dir,
        Entlastet vom Erdengewande!
        (S. 30-32)
        _____
        
        
        Aus: Johann Ritter 
        von Kalchberg's gesammelte Schriften
        Ausgewählt, nach den Handschriften und besten Quellen revidirt,
        mit literarisch-historischen Einleitungen,
        Anmerkungen und der Biographe Kalchberg's
        herausgegeben von Dr. Anton Schlossar
        Erster Band: Einleitung. Poetische Schriften I. Wien 1878 
        k. k. Hof- und Universitätsbuchhändler Wilhelm Braunmüller
        
 
      
        
        Biographie:
        
        
        https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Ritter_von_Kalchberg