Ewald Christian von Kleist (1715-1759) - Liebesgedichte

Ewald Christian Kleist



Ewald Christian von Kleist
(1715-1759)

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:




Phyllis an Damon

Ja, liebster Damon, ich bin überwunden!
Ich fühl', ich fühle, was dein Herz empfunden!
Mich zwingt die Dauer deiner starken Liebe
Zu gleicher Liebe.

Als ich die Hand jüngst, die dein Auge deckte,
Vorwitzig fortriss: Himmel! was erweckte
Dein schönes Auge, nass von stillen Schmerzen,
In meinem Herzen!

Ich floh und weinte, warf am Bach mich nieder.
Ein heftig Feuer drang durch meine Glieder.
Ach! ewig werden diese Flammen währen,
Die mich verzehren.

Komm, treuster Damon! den ich mir erwähle!
Auf meinen Lippen schwebt mir schon die Seele,
Um durch die deinen, unter tausend Küssen,,
In dich zu fliessen.
(S. 33-34)
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Galathee

Beglückter Schmerz, der in den Hain mich führte!
Dort schläft im Klee
Die Ursach meiner Pein, die schöne Galathee.
O! wär ich doch der Klee,
Dass mich ihr Leib berührte!
Weh sanft, o Luft! dass sich die Blätter nicht bewegen. -
Doch sie erwachet schon, und fliehet. - Folg' ich ihr?
O nein! sie zürnet und sie entfliehet mir.
Hier will ich, welch ein Glück! da, wo sie lag, mich legen,
Auf Klee, der ihren Leib berührte.
Hier tret' ich, welch ein Glück! auf der beblühmten Flur
Die schönen Füsse Spur.
(S. 37)
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Die Heilung

Ein kleines Kind mit Flügeln,
Das ich noch nie gesehen,
Kam jüngst mit leichten Schritten
In Doris Bluhmengarten.
Es irrt' in allen Hecken,
Und sah nach allen Beeten,
Und pflückte Rosenknospen,
Und haschte Schmetterlinge,
Die um die Rosen buhlten,
Und strich die goldnen Stäubchen
Von den gesprengten Flügeln.
Itzt wollt' es wieder haschen,
Und hob die Hand behutsam,
Und griff, und zischte plötzlich,
Und zog sie schnell zurücke.
Ein Dorn vom Stamm der Rosen
Stach ihm den zarten Finger.
Es schwang die Hand vor Schmerzen,
Und sahe nach der Wunde,
Und machte saure Mienen.
Ich lauscht' ihm gegenüber
Bey Doris in der Laube,
Und lachte seiner Mienen.
Schnell nickt' es mit dem Kopfe,
Und sagte leise: Spötter,
Weisst du wie Wunden schmerzen?
Du sollst es bald erfahren.
Es zielte mit dem Bogen,
Und eh ich mirs versahe,
Sass mir der Pfeil im Herzen.
O! wie ward mir zu Muthe!
Ich sank vor Schmerzen nieder,
Und dachte schnell zu sterben.
Doch Doris, meine Taube,
Entzog den Pfeil der Wunde,
Und salbte sie mit Salben,
Und streichelte sie zärtlich:
Und so ward ich geheilet.
Hinfort will ich des Kindes,
Diess weiss ich, nicht mehr spotten,
Wenn ich es wieder sehe;
Hätt' mich die schöne Doris
Aus Mitleid nicht geheilet,
So wär' ich schon gestorben.
(S. 39-40)
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Lied eines Lappländers

Komm, Zama, komm! lass deinen Unmuth fahren;
O du, der Preis
Der Schönen, komm! in den zerstörten Haaren
Hängt mir schon Eis.

Du zürnst umsonst, mir giebt die Liebe Flügel,
Nichts hält mich auf;
Kein tiefer Schnee, kein Sumpf, kein Thal, kein Hügel
Hemmt meinen Lauf.

Ich will im Wald' auf hohe Bäume klimmen,
Dich auszuspähn,
Und durch die Flut der tiefsten Ströme schwimmen,
Um dich zu sehn.

Das dürre Laub will ich vom Strauche pflücken,
Der dich verdeckt,
Und auf der Wies' ein jedes Rohr zerknicken,
Das dich versteckt.

Und solltest du, weit übers Meer, in Wüsten
Verborgen seyn,
So will ich bald an Grönlands weissen Küsten,
Nach Zama schreyn.

Die lange Nacht kömmt schon, still' mein Verlangen,
Und eil' zurück!
Du kömmst, mein Licht! du kömmst, mich zu umfangen?
O welch ein Glück!
(S. 42-43)
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Liebeslied an die Weinflasche

O Flasche, voll vom Saft der Rheinschen Traube,
Du Schmuck der Welt!
Beglückt ist der, der in der Rosenlaube
Im Arm dich hält!

Nun du mich liebst, ist gut und schlimm Geschicke
Mir gänzlich gleich;
Du bist mein Trost, mein Leben, Ruh und Glücke,
Und Himmelreich.

Wenn andre sich in Grausame vergaffen,
O! wie lach' ich
Der Thoren! Du bist für mein Herz erschaffen,
Und ich für dich.

Du stärkst den Muth und führest Himmels-Freuden
In meine Brust.
Des Wassers Freund muss Pein und Schwermuth leiden,
Und missen Lust.

Fiel Adam wohl, der Trauben gnug gegessen,
Dadurch in Noth?
Der Biss in Frucht, aus der man Cider pressen,
Verdiente Tod.

Bleib mir forthin, was du mir stets gewesen,
Mein Ruhm und Heil!
Dich hab' ich mir aus einer Welt erlesen
Zum besten Theil.

Und sterb' ich einst, so wein' auf meine Asche,
Und schluchz' betrübt:
Hier ruhet der, der mich gekränkte Flasche
Getreu geliebt.
(S. 44-45)

Cider: Aepfelmost

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Die Versöhnung
Damöt und Lesbia

Damöt
Du liebtest mich: kein Glück war meinem gleich;
In dir hatt' ich ein irdisch Himmelreich!

Lesbia
Du liebtest mich: mein Kummer floh von hinnen;
Durch dich war ich beglückter, als Göttinnen.

Damöt
Nun fesselt mich Naidens holder Blick:
In ihr find' ich mein jüngst verlornes Glück.

Lesbia
Nun streb' ich nur Amynten zu gefallen:
Und bin aufs neu die seligste von allen.

Damöt
Wahr ists, dass dir Naid' an Schönheit gleicht:
Doch weicht sie dir, wenn mir Amynt nur weicht.

Lesbia
Du sollst von ihm mein Herz auf ewig erben.
Dein wünsch' ich nur zu leben, dein zu sterben.
(S. 47-48)
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Chloris
Nach dem Italiänischen des Zappi

Ein Heer von Liebesgöttern
Schwärmt' um die schöne Chloris,
Und viele Götter flogen,
Nachdem sie gnug geschwärmet,
In Chloris braune Locken,
Und schwebten mit den Locken;
Viel' in den Putz des Kopfes,
Und auf des Halses Perlen.
Zwey sassen in den Augen,
Und in den Augenbrauen
Versteckten sie die Bogen.
Zwey andre schossen Pfeile
Aus Grübchen in den Wangen.
Ein loser Gott flog abwärts
In ihres Busens Mitte,
Und sah herauf, und sagte:
Wer sitzt von uns am besten?
(S. 50-51)
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Milon und Iris
Idylle
An Herrn Lessing

Milon
Komm, Iris, komm mit mir ins Kühle, komm!
Die Geissblattlaube dort erwartet uns
In grüner Dunkelheit, und streut Geruch.
Die holde Stimme hab' ich lange nicht
Gehört, mit welcher du mir ehedem
Den Himmel öffnetest, und in mein Herz
Ruh und Vergnügen sangst. Die Musen sind
Mir auch anitzt nicht feind, sie lehren mich
Gesänge, die das Chor der Nymphen liebt,
Und die der Wiederhall im Haine singt.
Komm, lass uns singen! Komm, o meine Lust!

Iris
O Milon! wie wird mich dein Lied erfreun,
Das Liebe dich gelehrt und Grazien!
Dein Ton, indem du sprichst, ergötzt mich mehr,
Als wenn im Veilchenthal der Westwind rauscht,
Als wenn der laute Bach durch Bluhmen rinnt:
O! wie vielmehr wird mich dein Lied erfreun!
Komm in die Laube, komm! mir schlägt das Herz.

Sie gingen fröhlich hin, und Milon sang:

Milon
O Wiederhall, der meine Pein erfuhr,
Als Iris spröde war,
Vernimm nun auch mein unaussprechlich Glück,
Und breit' es aus: Sie liebet mich!

Sie liebet mich: wer ist so froh als ich?
Wer ist so schön als sie?
Aurora, die in rosenfarbner Tracht
Vom Himmel sieht, ist nicht so schön.

Iris
Auch du bist schön, auch du erfreust mein Herz!
Die Ros' ist nicht so schön,
Voll Silberthau, die zarte Lilje nicht,
Vom Morgenroth gefärbt, als du!

Milon
Wenn in dem Teich das Bild des Gartens hängt,
Und jedes blühnden Baums,
Um den ein Heer von Schmetterlingen sich
Mit hundertfarb'gen Flügeln jagt.

Denn freu' ich mich; doch wenn im Rosenkranz
Am Ufer Iris geht:
Alsdann seh' ich des Gartens Bildniss nicht:
Dann seh' ich nur ihr Bild und sie.

Iris
Schön ist der Bach, wenn Zephyrs Fittig drauf
Der Bäume Blüthen weht;
Die Silberflut, auf ihre Decke stolz,
Rauscht froh dahin, und hauchet Duft.

Doch schöner ists, wenn sanfter Wind die Flut
Von Milons finsterm Haar
Mit Blüthen und mit goldnen Veilchen schmückt:
Dann fliess', o Bach! ich seh' sein Haar!

Milon
O, welch ein Glück ist treue Liebe! Wenn
Dein sanftes Auge sagt,
Dass du mich liebst, denn seh' ich aufwärts hin,
Zum Sitze der Unsterblichen.

Ich seufze denn, und Thränen fliessen mir
Vom Aug'; ich dank' entzückt
Dem Himmel für mein Glück, und bitte nicht
Um Schätze, nur um Ruh und dich.

O! sey mir stets, was du mir itzo bist,
Mein Reichthum, Glück und Ruhm!
Mit dir ist mir die finstre Wüste schön,
Und, ohne dich, die Welt ein Grab.

Iris
Wenn mir dein Auge sagt, dass du mich liebst,
Dann fühl' ich auch mein Glück;
Geschwinder läuft mein Blut, der Busen wallt,
All meine Sinnen sind Gefühl.

Ich suche dann einsame Gänge, wo
Nichts die Gedanken stört.
Ich seh' dein Bild, und seufze sehnsuchtsvoll,
Und dank' dem Himmel für mein Glück.

Sey mir auch stets, was du mir itzo bist,
Mein Wunsch, mein Trost, mein Ruhm!
Mit dir ist mir die finstre Wüste schön,
Und, ohne dich, die Welt ein Grab. -

Indem sie sangen, schwieg der Wind im Hain,
Der Himmel hörte zu, das Volk der Luft
Lauscht' auf ihr Lied, versteckt in dunkles Laub.
Die kleine Lalage lauscht' auch darauf

Im krausen Schatten vom Gebüsch, und sprang
Hervor, und sprach bewegt: Itzt hab' ich euch
Belauscht! recht sehr belauscht! ihr singet schön!
Sie seufzt', und die Brust empörte sich. -

Was seufzest du? warum bist du bewegt?
Fragt' Iris. Aber sie erröthete
Und seufzt', und wollte nicht gestehn, warum.
(S. 70-75)
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Amynt
Idylle

Sie fliehet fort! es ist um mich geschehen!
Ein weiter Raum trennt Lalagen von mir.
Dort floh sie hin! komm, Luft, mich anzuwehen,
Du kömmst vielleicht von ihr.

Sie fliehet fort! Sagt Lalagen, ihr Flüsse,
Dass, ohne sie, der Wiese Schmuck verdirbt;
Ihr eilt ihr nach: sagt, dass der Wald sie misse,
Und dass ihr Schäfer stirbt.

Welch Thal blüht itzt, von ihr gesehen, besser?
Wo tanzt sie nun ein Labyrinth? wo füllt
Ihr Lied den Hain? welch glückliches Gewässer
Wird schöner durch ihr Bild!

Nur Einen Blick, Ein Wort aus ihrem Munde,
Und, was mir oft das Leben wiedergab,
Nur Einen Kuss! dann schlage meine Stunde:
Mit Freuden tret' ich ab.

So klagt' Amynt, die Augen voll von Thränen,
Den Gegenden die Flucht der Lalage;
Sie schienen sich mit ihm nach ihr zu sehnen,
Und seufzten: Lalage!
(S. 76-77)
_____
 

Aus: Des Herrn Ewald Christian Kleist
sämmtliche Werke
Erster Theil Vierte Auflage
Berlin bey Christian Friedrich Voss 1778
 

Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Ewald_Christian_von_Kleist

 

 

 


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