August Kopisch (1799-1853) - Liebesgedichte

August Kopisch



August Kopisch
(1799-1853)

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 




O weh

Jüngst stand ich neben Liese,
Und bat um einen Kuß,
Ich bat so rührend: Liese!
O gieb mir einen Kuß!

Und sieh das lose Mädchen!
Lief sie zum klaren Bach,
Und ich lief wie ein Rädchen,
Ich lief der Bösen nach.

Da sprach sie: "holder Knabe!
Da holder Knabe," sprach
Die Liese, "holder Knabe
Siehst Du, dort an dem Bach

Steht eine schöne Blume,
Die ich jetzt haben muß,
Und bringst Du mir die Blume,
Gleich kriegst Du einen Kuß!"

Da sprang ich hin und dachte:
Bald ist die Blume mein!
Ich pflückte sie und lachte,
Und - fiel in Bach hinein.

O weh! die schöne Blume
Entführt der Wellen Lauf,
Und schnell entschwamm die Blume,
Der Kuß saß oben drauf.
(Band 1 S. 6)
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An Amor

Amor sag', wie bist du Knabe
Anders stets und doch derselbe,
Traurig heut und morgen fröhlich,
Sinnend ernst, dann leicht hinflatternd,
Erst unleidlich, dann behaglich,
Bald vertraut, bald wieder fremde,
Neckend und dann sanft und schmachtend,
Stark und wieder ganz ermattet,
Lautaufjauchzend, todt und düster,
Dumm und klug, und falsch und ehrlich -
Bist du Alles denn und Jedes,
Wunderbarer, lieblicher Knabe?
Ach, du lächelst, Schöner, Holder,
Während aus den Augen Thränen
Süßer Schmerzen niederfallen!
(Band 1 S. 361)
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Die Sorgen

Auf dem weichsten Blumenteppich
Dicht an Minna hingelagert,
Raubt ich viele süße Küsse.
Vor mir sah ich Amorn stehen;
Lächelnd hielt er in der Linken
Bei den Flügeln ungestalte
Graungeschöpfe, krallenhafte,
Fast den Fledermäusen ähnlich!
Und er sprach mit holder Stimme:
"Lebe nun beglückt, o Jüngling,
Von der Liebe! sieh' ich halte
Nun gefangen alle dunkeln
Bösen Sorgen die dich quälten.
Doch daß nicht ein Grämlichalter
Dich, du Guter, sorglos schelte,
Bring' ich dir viel andre Sorgen
Lieblich, hold und blumenflüglich,
Die nur nach den Blüthen flattern,
Daß sie süßen Honig finden."
Und nun that der schöne Knabe
Auf der Rechten Rosenfinger
Ließ in buntem Zug entflattern
Schmetterlinge, tausendfarbig,
Die mir nun um Stirn und Locken
Gaukelten und um die Holde
Spielten mit den Purpurflügeln
Und die Blumen all bedeckten,
Deren Duft, im Sonnenglanze
Sanft erwärmt, uns rings umhauchte.
Und ich rief entzückt: o Amor!
Halte fest die andern Sorgen,
In den Tartarus verbirg sie,
Ganz in Felsen eingeklammert: -
Aber von den süßen Sorgen,
Die um meine Minna flattern,
Gieb, so viel du hast, mir Amor.
(Band 1 S. 362-363)
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Amor und Minerva

"Amor, Amor," sprach Minerva,
Auf ihr Knie den Knaben hebend,
Ihm die Rosenwangen streichelnd,
"Laß von deinem blinden Willen,
Nimm doch meinen klugen Rath an!"
Aber in den Wind schlug Amor,
Glitt herab von ihren Knien:
"Wenn mein Wille dir nicht behaget,
So gefällt dein Rath mir auch nicht!"
Und, entfaltend die Purpurflügel,
Schwang er hoch sich auf zum Aether,
Schüttelt die geringelten Locken,
Spannet stolz den goldnen Bogen:
In die Brust des höchsten Gottes
Fliegt der Pfeil von seiner Senne!
(Band 1 S. 364)
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Amors Träume

Heute sah ich Amorn schweben
In der Luft, am lichten Tage,
Um ihn eine Schaar von Träumen,
In dem hellsten Sonnenglanze!
Er durchflog die bunten Reihen,
Als ihr König und Gebieter,
Sprach mit diesem und mit jenem,
Diesen dahin, jenen dorthin
Sandt' er aus nach allen Winden. -
Amor, rief ich, wehe denen,
Die sich dir so ganz ergeben!
Thoren sind es, arge Thoren,
Die am Tag mit Träumen spielen! -
Als ich kaum das Wort gesprochen,
Sandt' er lachend mir ein Traumbild,
Aehnlich meinem lieben Mädchen,
Daß ich, ganz entzückt und bebend,
Meine Arme danach streckte,
Und, mit gluterfüllten Lippen,
In die leeren Lüfte küßte!
(Band 1 S. 365)
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Die geraubten Waffen

Denkt euch, neulich fand ich Amorn
Ganz unschuldig und ganz harmlos
Unter Blumen fest entschlummert,
Wie ein Käferchen die Flügel
An den Rücken dicht geschlossen.
Und ich schlich hinan und raubte
Ihm den Bogen und den Köcher
Mit den unheilvollen Pfeilen.
Als ich sie nun hielt, die Waffen,
Rief frohlockend ich die Worte:
"Auf, o Knabe, komm, verwunde,
Nun die Waffen dir geraubt sind!"
Aber als er wieder erwachte
Und mich streichelnd bat und küßte,
Um mein Knie die Arme schlingend,
Gab ich ihm den goldnen Bogen
Und die Menge aller Pfeile
Einen nach dem andern wieder.
Als er sie nun alle hatte,
Wählt' er sich den allerschwersten,
Schoß mich so, daß mir die Thränen
Aus den Augen niederrollen.
(Band 1 S. 366)
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Bacchus und Amor

Bacchus zog den Amor schmeichelnd
Zu sich nieder, ließ ihn naschen
Von dem süßesten Most, und bat ihn
Um ein Weib voll Lieb' und Anmuth.
Lange ließ der Knab' ihn bitten,
Wand sich dann aus seinen Armen:
"Ei doch, sieh doch, guter Bacchus!
Wie du prahlst! im Rausche singend,
Dein sei dieses ganze Weltall,
Glücklicher, als du, sei Zeus nicht!"
(Band 1 S. 367)
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Amor gefangen

Bei den Flügelchen hatt' ich Amorn,
Gleich dem Schmetterling, gefangen,
Schloß in einen ehr'nen Käfig
Ihn, der flattert' und sich sträubte!
"Sieh, nun trag' ich dich nach Hause,
Da ich endlich dich erhaschte!
Wie ein Vogel sollst du singen,
Wenn ich ruhe mich ergötzen!" -
Als ich kaum dieß Wort gesprochen,
So entbrannte der ganze Käfig:
Eine helle Flamme schwebte
Amor in die blaue Luft auf!
Lachend rief er hoch herunter,
Schwirrend mit den bunten Flügeln:
"Armer, du willst Amorn halten,
Der durch Erd' und Himmel dringet,
Den der Tartarus nicht festhielt?
Der die Adler in den Lüften
Hascht und bändigt, der auf Erden
Quält die ungezähmten Löwen!
Der in Meerestiefen eintaucht
Und Wallfische drängt zusammen,
Den der Götter keiner bändigt,
Den nur die Chariten halten
Mit den schönen Blumenfesseln!" -
Wieder ab zur Erde schwirrt' er
Und umsummt mich wie die Wespe,
Neckend mit dem schärfsten Pfeile:
"Hasch' mich, hasch' mich, halte fest mich!"
(Band 1 S. 368-369)
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Der schönste Kranz

Amor sprach, mein Kinn erhebend:
"Laß die Rose doch den Bienen,
Daß sie, in den süßen Kelch sich
Tief einwühlend, Honig suchen,
Laß die Schmetterlinge naschen.
Eine Blum' aus meinem Garten,
Die auf Silberfüßen herschwebt,
Will ich in den Arm dir geben.
Sieh doch an dein liebes Mädchen!
Ist ein Kranz von schönen Armen,
Innig um den Leib geschlungen,
Nicht viel schöner als von Rosen?"
'Amor, Amor, rief ich küssend,
Diese Ros' ist ohne Stacheln!'
Aber er sanft lächelnd sagte,
Mit den Flügelchen sich fächelnd,
Hoch die Augenbrauen hebend,
Nickend mit dem Lockenköpfchen:
"O, das glaub' ich, jetzt wohl, jetzt wohl!
Doch die Stacheln wirst du fühlen,
Wenn entfernt von ihr du schmachtest!"
(Band 1 S. 370)
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Amor Schöpfer

An dem Hang des grünen Bergwalds
Auf den weichen Blumen ruhend,
Wang' an Wange mit der Geliebten,
Sah ich in das schöne Thal hin:
Auf die Bäch', und wie die Sonne
Purpurn sank, wie auf der Mond stieg.
Innig Arm um Arm geschlungen,
Bei der Nachtigallen Flöten,
Sprachen wir vom schönen Weltall,
Und es rannen in unsre Küsse
Heil'ge Thränen süßer Wonne,
Und vom Himmel schwebte Amor
Auf zart ausgespannten Schwingen,
Schmiegte dicht und warm sich an mich,
Mit der Lippen Rosenknospen
Flößt er mir, wie süßen Honig,
Ein der Worte lieblichen Zauber:
"Wohl nun glaubst du lieber Jüngling,
Was dich selig weinen machet,
Daß ich alles dies geschaffen,
Als ich einst das Ei des Anfangs
Auseinander drückt', und leuchtend,
Leben gab dem starren Chaos!"
(Band 1 S. 371)
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Amors Pfeil

Als, an deiner Seite stehend,
Amor mich ins Herz getroffen
Mit dem unabschirmbar'n Pfeile,
Bis ans Ohr die Senne ziehend
Seines weltberühmten Bogens,
Rief er siegend noch die Worte:
"Laß dir einen Ring dran schmieden,
Schling darein dir eine Kette,
Woran festgespannet ziehen
Der Lebendigen Geschlechte,
Selbst die Götter angestrenget!
Traue, sie entziehn dir nimmer
Das Geschoß von meiner Senne!"
Mitten durch die Seele drang es. -
(Band 1 S. 372)
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Langsam!

Amor sprach, den Becher haltend:
"Nipp' ein Wenig, nur vom Rande!"
Doch, als ich nun erst gekostet,
Nahm ich mir den Becher schräger.
"Langsam! rief er, rückwärts beugend:
Denn ich gab dir nur zu kosten.
Alles trinkst du ja auf einmal!
Glaubst du denn, der Becher Amors
Halt' in sich die ganze Meerflut?"
(Band 1 S. 373)
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Im Walde

Wie hallet durch die Waldung
Der Schrei der schnellen Hirsche
Die Amor quält, zur Lust sich,
Die tief in kühlen Wassern
Nicht seine Flammen löschen!
Mich macht der Knabe seufzen:
Ach, wie im Dickicht find' ich
Den Weg zu meiner Lieben?
(Band 1 S. 374)
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Wiederum an Amor

Amor, wilder Knabe,
Quäl doch nicht allein mich,
Flieg zu meinem Mädchen,
Quäl auch die ein wenig;
Daß sie Sehnsucht fühle,
Daß sie heißer küsse,
Wenn ich sie umfasse!
(Band 1 S. 375)
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Lotosessen

Von dem Land der Lotophagen
Sagt Homeros, dem die Muse
Lieblichen Gesang verliehen,
Daß, wer einmal dort gegessen
Von dem süßen Kraut des Lotos,
Nimmermehr hinweg begehre:
Lotos-Essen dünkt ihm süßer
Als zum Vaterland zu kehren.
Aehnlich wird mir, wenn ich küsse:
Hang' ich stumm an Minna's Lippen,
Nimmermehr hinweg begehr' ich!
(Band 1 S. 376)
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Das Schönste

Drei Körner im Brod, vier Blätter im Klee,
Wer die gefunden der rufe juchhe!
Und wer sich gehascht eine holde Frau,
Dem wird der graueste Himmel blau;
Und denkt man sich noch so Schönes aus,
Das Schönste bleibt immer die Frau im Haus.
(Band 1 S. 381)
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Auch ein Frühlingslied

Frühling, Frühling, liebliche Zeit!
Füllt das Herz mit Seligkeit.
Ach, wie wird mir die Brust so weit!
Frühling, Frühling, liebliche Zeit!

Luft und Licht ist hell und klar,
Vöglein flattern nun Paar um Paar,
Und mein Liebchen trägt im Haar
Blümlein hold und wunderbar.

Hals und Nacken sind befreit
Von dem neidischen Winterkleid,
Und ich seh' nun, seit es mai't,
Mehr von all der Lieblichkeit.

Fort ist Winter und Verdruß,
Eben spiegelt der Wiesenfluß;
Blüthenhauch, und Kuß auf Kuß,
Alles, alles ist Genuß!

Horch, im Walde weit und breit
Süßer Nachtigallen Streit.
Ach, wie wird mir die Brust so weit!
Frühling, Frühling, liebliche Zeit!
(Band 1 S. 382)
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Sommernacht

Liebchen, welche Lust im Dunkeln
Plaudern, wenn die Sterne funkeln:
Wie wir herzen, wie wir küssen,
Keiner kann es jetzo wissen.
Küsse mich,
Ich küsse dich!
Küsse mich, ich küsse dich!
(ad libitum)

Alles ruht in süßen Träumen,
Blüthen fallen von den Bäumen,
Und den süßen Duft der Linde
Regen sommerlinde Winde.
Küsse mich,
Ich küsse dich!
(ad libit.)

Keiner hört das leise Flüstern,
Schrick nicht vor des Blattes Knistern!
Alles schläft ja lange, lange,
Herzchen poche nicht so bange!
Küsse mich,
Ich küsse dich!
(ad libit.)

Laß die Basen, laß die Muhmen!
Ruhe du mit mir auf Blumen,
Von der Nachtigall umsungen,
Innig Arm um Arm geschlungen!
Küsse mich,
Ich küsse dich!
(ad libit.)

O der selig schönen Stunde:
So zu athmen Mund an Munde,
Seel' in Seele zu versinken
Und der Liebe Hauch zu trinken!
Küsse mich,
Ich küsse dich!
(ad libit.)
(Band 1 S. 383-384)
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Schifferlied

Im Meere möcht' ich fahren mit dir, mit dir allein,
Möcht' auf einsamem Eiland mit dir verschlagen sein!

Da wären nicht Muhmen und Basen, nur du und ich allein,
Da würdest du nicht spröde, nicht hart und grausam sein!

Da schlängst du die Lilien-Arme mir liebend um Hals und Brust,
Und ich, ich dürfte dich küssen nach meines Herzens Lust!

Wir säßen und strickten uns Netze und fingen uns Fische im Meer,
Und Gast wär' allein die Liebe, sonst weiter niemand mehr!

Im Meere möcht' ich fahren mit dir, mit dir allein,
Möcht' auf einsamem Eiland mit dir verschlagen sein!
(Band 1 S. 385)
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Barcarole

Bist du müd' o Meerflut,
Daß so matt du anrollst?
Schlummert, der die aufweckt,
Schlummert jeder Lufthauch?
Odem meiner Sehnsucht,
Flieg zu dem Geliebten,
Seine Segel füll' ihm,
Treib ihn, treib ihn, treib ihn,
Daß der Abendstern ihn
Find' in meinen Armen!
(Band 1 S. 386)
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Das Meeresleuchten
(Barcarole)

O komm in mein Schiffchen,
Geliebter, daher!
Die Nacht ist so still und
Es leuchtet das Meer.

Und wo ich hin rudre,
Entbrennet die Flut,
Es schaukelt mein Nachen
In wallender Glut. -

Die Glut ist die Liebe,
Der Nachen bin ich:
Ich sink' in den Flammen,
O rette du mich!
(Band 1 S. 387)
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Ständchen am Vesuv

Unruhige du, du rufst mir "ruhe!" zu:
Bin todesmüd' und finde doch nicht Ruh!
Wo ruht des Schiffers Haupt im Sturmesdrang?
Ach Gott, ach Gott, wie ist die Nacht so lang!

Ich bin der glüh'nde Stein, der dort entfleugt
Dem Schlund und, schon im Fallen, wieder steigt,
Emporgewirbelt von erneutem Drang.
Ach Gott, ach Gott, wie ist die Nacht so lang!

Ein Ameisenhaufen bin ich, den gestört
Die Lieb', all meine Sinne sind verkehrt!
Am Himmel wankt vor mir der Sterne Gang.
Ach Gott, ach Gott, wie ist die Nacht so lang!

Ich bin die Wachtel, über Meer verirrt,
Kein Land erblickt sie, jagt und schlägt und schwirrt,
Dicht unter ihr der Wellen Grabgesang.
Ach Gott, ach Gott, wie ist die Nacht so lang!
(Band 1 S. 388)
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An den Mondschein

O Mondschein, lieber Mondschein,
Guck in ihr Fensterlein,
Weck sie und sag der Liebsten:
Dein Liebster harret dein!
Dein Liebster harret dein!

Sag ihr, sie soll erscheinen
Ohn allen Schmuck der Welt:
Weil Schönheit, holde Schönheit
Ohn allen Schmuck gefällt,
Ohn allen Schmuck der Welt.

Ihr Aeuglein soll mir glänzen,
Nicht sanfter Perlen Schein:
Ihr Hälschen will ich küssen,
Nicht Kett' und Edelstein,
Nicht Kett' und Edelstein.

Auch nicht mit Blumen soll sie
Sich schmücken, duftend, bunt:
Sie ist ein Rosensträuschen,
Ihr Mund ein Nelkenmund,
Ihr Mund ein Nelkenmund!

Da will ich Biene werden
Und fest mich saugen ein:
Und müßt' ich davon sterben,
Ich ließ es doch nicht sein,
Ich ließ es doch nicht sein!
(Band 1 S. 389-390)
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Seufzer

Wehet die Luft in den Wipfel,
Träuft der beregnete Baum;
Ach, und an dich der Gedanke
Wieget in schmerzlichen Traum!
(Band 1 S. 390)
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Walzer

Du holdes, du süßes, du liebliches Kind,
Gieb, gieb mir, hier dunkelts, ein Küßchen geschwind!
Dein Aeuglein es funkelt wie Edelgestein,
Ein Küßchen von dir muß Rosenduft sein!
Wende dich nicht
Ab von mir,
Möchte so dicht
Ruhen an dir!
Sehnen und Trachten
Und Thränen und Schmachten
Hab' ich um dich, o mein himmlisches Kind,
Gieb mir ein Küßchen, ein Küßchen geschwind!
Leih' mir es nur, gieb mir es nicht,
Leih' mir es nur, gieb mir es nicht,
Nimm es dann wieder du Engelsgesicht!
(Band 1 S. 391)
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Das heimliche Plätzchen

O Hügel und Berge so luftig und blau,
O Wälder und Felder in duftiger Au.
Hier stehen die saftigen Weiden im Kranz,
Hier flattern Libellen den hüpfenden Tanz.
O heimliches Plätzchen am Bache so klar,
Hier wird mir als wäre der Winter nicht wahr,
Als fielen nie Flocken vom Himmel herab,
Als wäre kein Tod, als wäre kein Grab.
Hier laß uns Geliebte auf Blumen liegen
Und über uns Wölkchen wie Träume fliegen.
(Band 1 S. 392)
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An Sie

Ach, im Kampfe der Liebe
Sinkt mein ringender Mut;
Länger nicht kann ich verbergen
Mächtig entflammte Glut.
Leise nur Dich zu berühren
Hab ich gefürchtet, gebangt,
Während im innersten Busen
Ganz Dich die Seele verlangt.

Streift Dein Finger, durchbebt mich
Schauerndes süßes Weh;
Sage, wie kann ich Dich lassen,
Wenn ich vor Sehnen vergeh?
Immer muß ich Dir folgen,
Immer Dir nahe sein:
Bindend entströmt Dir ein Zauber
Wechselnder Lust und Pein.

Sag, ob Du auch zu Zeiten
Zweifelnd an Lieb' erbangst?
Zweifl' ich, ach, überfällt mich
Zitternde Herzensangst,
Gleich als stürzten vom Himmel
Sonn' und Gestirne herab,
Und als würde die blüh'nde
Erde ein dunkles Grab.

Aber wenn süßes Vertrauen
Wieder dem Herzen quillt,
Ist mir als ruhte jeder
Liebliche Wunsch gestillt.
Ende, o ende dies Schwanken,
Werde nun endlich mein!
Bin ich ja doch von Anfang
Ja und für ewig Dein!
(Band 1 S. 393-394)
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Auch an Sie

Sag, was in Deinen Augen Mächtiges wohnen mag?
Wenn Du die Wimper aufschlägst, fühl ich im Herzen den Schlag.

Der Laut von Deinen Lippen durchzittert mir Mark und Bein:
O sprich, wie kann in so Sanftem so Uebermächtiges sein?
(Band 1 S. 395)
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Einem lieben Paare

Als dem Meer entstieg die Liebe,
Wie Hellenenlieder singen,
Wanket' es, bewegt in Unruh,
Hoch empor zu sel'gen Sternen,
Tief hinab zum Todesabgrund:
Und es zitterte der Erdkreis.
Als sie leuchtend nun zu schaun war,
Stehend auf den schwanken Wogen
Anmuthsiegend, heiter lächelnd,
Und emporgetaucht der Locken
Goldne luftgehob'ne Fülle
Drückt', und Silbertropfen fielen -
Jetzo hub sie, jetzo senkte
Sie des Elementes Wallung,
Bis es, glückliche Gestade
Ueberraschend, sie ans Land trug.

Heilge Ruh auf Blumen fand sie,
Die zu ihren Füßen sproßten,
Und es wallte sanft zurücke
Das unstäte Haus der Fische,
Bis zuletzt es Spiegel wurde
Dem Azur des heitern Himmels.

Da erathmete die Hehre,
Meeraufruhrentstiegne Holde,
Und als sie die schönen Glieder
Niederließ in blüh'nder Anmut,
Ueberwuchsen Ros' und Myrte
Wölbend sie und gossen Schatten.
Wipfel neigte sich zu Wipfel,
Nachtigallen flogen singend,
Und der Liebesgeister Flattern
Tändelte durch die Gezweige,
Und verkündete dem Weltall,
Bienen gleich die Honig bringen,
Seligkeit, noch nie gekannte.

Selig wer bei holder Liebe
An dem Blumenufer landet!
Heiter blickt das blüh'nde Brautpaar,
Das ein Kranz umgiebt von Freunden.
Leicht gemischt zu Liebesgeistern
Flattern ringsher unsre Wünsche.
"Guten Gutes" rufen alle,
"Froh genießt was Euch beschieden!
Lieblich ruhe Seel' in Seele,
Holde Treue baue traulich
Rosenlauben dicht und dichter!
Und es flieh des Erdenlebens
Wildverworrne Sturmesbrandung
Sanft zurück vor Liebeszauber!"
(Band 1 S. 396-397)
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Nicht verächtlich red', o Jüngling,
Von der Allgewalt der Liebe:
Manch ein Held, der Tod verachtend
Kühn im Speergemenge siegte,
Fiel der Minne sanften Blicken.
Den nicht Kriegerreihen banden,
Fesselten oft schöne Arme.
(Band 2 S. 197)
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Leichtflatternder Eros,
Mit Rosen umkränzt und berauschender
Hyakinthen Duft umstreuend,
Führe den Tanzreihn
Durch die Verschlingungen
Neckender Mädchen und
Kühnwagender Knaben;
Spend' aus deinem Füllhorn
Der Grazien Blumen,
Flüchtige Scherze.
(Band 2 S. 197)
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Als in Dämmrung eingehüllet
Innig wir umschlungen saßen,
Liebend Wang' an Wange lehnten,
Sah ich wie sich Eros leise
Auf den seidnen leichten Schwingen
Vom Olympos niedersenkte,
Und uns lautlos rings umschleichend
Ganz umwebte mit tausend Fäden,
Die uns unentrinnbar fesseln,
Deren Zug wir schmerzlich fühlen
Wenn wir von einander scheiden,
Und es ruht der Zwang nicht eher,
Bis wir wieder uns umschlingen,
Wieder athmen Lipp' an Lippe.
(Band 2 S. 198)
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Eros hat vor allen Göttern
Weiche Sohlen an den Füßchen,
Kommt unhörbar angeschlichen,
Leiser als die Katzen schleichen;
Und mit Katzenaugen sieht er,
Trifft am besten in der Dämm'rung,
Wo doch andre Schützen blind sind.
(Band 2 S. 198)
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Aphrodite's Freundin,
Komm o heil'ge Dämm'rung!
Aus dem blauen Meere
Birg von meiner Laura
Mit dem dunkeln Schleier
Schönheit die mich blendet:
Denn in Phoibos Stralen
Scheint sie eine Göttin,
Daß ich kaum es wage
Ihre Hand zu fassen.
(Band 2 S. 199)
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Lieblich bist du Nacht, wenn man die Bürde
Schwerer Arbeit müde hingeworfen,
Nun die Glieder streckt zum Schlummer.
Aber schöner als das schönste Schöne,
Und als alles Süße dreimal süßer
Bist du Nacht wenn ich nach vielen Küssen
Dicht umwebt von deinem weichen Schleier
An dem Busen der Geliebten ruhe;
Noch umfaßt von ihr, den Zauber-Athem
Trinke mit des Schlummers tiefen Zügen.
Bessres haben nicht die sel'gen Götter!
(Band 2 S. 199)
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Stimme mir die Leier, Knabe,
Sprach ich neulich, als am Abend
Eros leise zu mir einschlich:
Rasch ergriff er auch die Leier,
Aber alle Saiten spannt' er,
Bis sie hellaufgellend sprangen.
Drauf ließ er die Leier liegen;
Mich anfunkelnd mit den Augen,
Sprach der Knabe lautauflachend:
Wie verziehst du dein Gesicht doch
Als wenn herben Wein du tränkest:
Jetzt ist schlechte Zeit zum Singen,
Komm nur, komm zu deinem Mädchen!
(Band 2 S. 200)
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Als ich Mädchen dich in Eos Stralen
Wandeln sah mit schönen Bacchos Krügen,
Traf der erste Pfeil mich von Cupido!
Und mit Staunen und Herzklopfen folgt' ich
Jedem Tritte deiner zarten Füße,
Und als du ins Haus entschwandest,
Stand ich lange nach der Thüre starrend,
Harrend daß sie aufging und hervor ließ
Wallen deine liebliche Gestalt -
Doch geschlossen blieb die schwarze Thüre.
(Band 2 S. 200)
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Wenn als Kind ich in der Schule
Lose Streiche ausgeübet,
Nahm der Lehrer wohl ein Löckchen,
Zog mich dran, daß ich abwehrend
Schrie als säß' ich ganz im Feuer;
Aber gern von Minna leid' ich's
Wenn sie mich im glüh'nden Kusse
Bei den Locken innig fasset,
Nicht abwehr' ich, auch nicht schrei' ich.
(Band 2 S. 201)
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Dem geliebten Mädchen

O Seele meiner Seele,
Nun weiter keinen Kuß!
Weil sonst der Liebe Flamme
Mich ganz versengen muß.

Laß nun das Haupt mich legen
An die ersehnte Brust,
Laß da mich Ruhe finden
Von Liebesleid und Lust,
Von Liebesleid und Lust!
(Band 2 S. 202)
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Glüht der Abend, gehst du hin
Dich im Bach zu laben;
Und die Glut in meiner Brust
Soll nicht Lind'rung haben?

Wär ich doch der Abendwind
Der dich dort umspielet,
Oder ach die klare Flut
Die im Bad dich kühlet.

Wär ich ach ein Blümchen nur
Drauf du athmend sinkest,
Oder nur ein Odemzug
Den erquickt du trinkest.
(Band 2 S. 202)
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Der Sommer

Im Sommer da fällt der Bach von dem Berg
Und die Lust wird ein Ries' und der Kummer ein Zwerg.

Und die Kirschen sind reif und die Lippen sind roth:
Ach wären allein wir, ich herzte dich todt!

Ach wären allein wir, ich wüßt' was ich thät,
Ich machte geschwind dir von Rosen ein Bett:

Von Rosen, von Nelken, von feinem Jasmin,
Drauf sänken mit Küssen wir Seligen hin.

Und du wärest dann mein und ich wäre dann dein,
So würden wir beid' in dem Himmelreich sein!
(Band 2 S. 203)
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Zeiselnest

Wer ein Zeiselnest hat, der kann lachen:
Unsichtbar kann er sich Leuten machen,
Kann in Häuser gehn und alles stehlen,
Ueberall die besten Bissen wählen;
Kann nach Aepfeln steigen und nach Nüssen,
Ungestraft die schönsten Mädchen küssen.
Ach wenn ich ein Zeiselnestlein hätte,
Wüßt ich was ich jetzo damit thäte:
Immer würd' ich bei der Liebsten bleiben,
Niemand könnte mich von ihr vertreiben!
(Band 2 S. 204)
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Die schöne Nacht in Rom

Welch heitrer Himmel, welche schönen Sterne!
In solcher Nacht stiehlt man die Mädchen gerne,
Und die sie stehlen nennet man nicht Diebe;
Man sagt: die armen Jungen thun es aus Liebe!
(Band 2 S. 204)
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Die Rose

Anmut'ger Frühling bildet
Purpurn die Rose,
Nie sah ich Rosen blühen
Als auf den Dornen.

Purpurn gekleidet prangen
Lieblich die Rosen,
Doch in der Hoffnung Farbe
Die grünen Dornen.

Sag mir Geliebte, sag mir,
Bist du die Rose?
Bist du die Rose, trag' ich
Dich wie die Dornen.
(Band 2 S. 205)
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Die schlimmste Fliege

Sommerfliegen - böse Plagen,
Böse Plagen, bei der Arbeit!
Jag' ich sie - sie kommen wieder;
Schlag' ich sie - es kommen andre.
Kleine, große, grobe, feine
Schwärmen, singen, surren, summen,
Quälen, stören, necken, stechen
Immerfort und immerfort!

Doch der Fliegen allerschlimmste
Bei der Arbeit, bleibt die Liebe! -
Jagen sie? - Womit sie jagen?
Schlagen sie? - Womit sie schlagen?
Ach sie gaukelt, neckt und quälet
Unablässig, pispert, flistert,
Schauert, grault in Ohr und Seele,
Bis die Sinne mir vergehn!
(Band 2 S. 206)
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Cours d'amour

O gäb' es nur
Noch Cours d'amour!
Ein Verliebter heutzutage
Kann ja seine schwerste Klage
Nirgend bringen vor Gericht.
Fühllos höret manche Schöne
Des Gequälten Schmerzenstöne
Und sie lacht ihm ins Gesicht!
Anders war's in alter Zeit:
Da gab's doch noch Gerechtigkeit!
Da trat man klagend vor den Richter hin
Und sprach: Da seht wie ich gepeinigt bin!

O gäb es nur
Noch Cours d'amour!
Manchem Ritter der bereuet
Hätte nie sich Gunst erneuet,
Selbst nach wahrer Heldenthat,
Wenn er nicht mit seiner Klage
Laut am vorbestimmten Tage
Vor die weisen Richter trat;
Die entschieden dann, wie viel
Noch fehlt' an wahrer Buße Ziel:
Vollführte dies der treue Rittersmann,
So nahm das Dämchen ihn zu Gunsten an.

O gäb' es nur
Noch Cours d'amour!
Rührend, rührend ist's zu lesen
Daß ein Fräulein einst gewesen,
Das den Holden so verklagt:
"Küsse will er - welch Ersinnen! -
Mit Geschenk bei mir gewinnen.
Hab' ich sie ihm je versagt?
Er verführt zu Simonie;
Für Gaben küssen mag ich nie;
Denn Lieb' ist göttlich, sie ist süße Gunst,
Und Küssen ist ja keine schwere Kunst!" -
(Band 2 S. 207-208)
_____



Beantwortete Frage

Die Schöne:
Leicht gesagt ist: seid nicht grausam!
Doch wenn sechs um Eine frein,
Muß da nicht das arme Seelchen
Gegen fünfe grausam sein?

Der Dichter:
Grausam gegen fünfe werden
Ist so gar gefährlich nicht,
Weil von Hunderten nicht Einer
Sich vor Liebesgram ersticht.

Und erschießt sich etwa Einer,
Ist es nicht der Beste just;
Größten Schmerz ertragen lernen
Ziemt der edlen Männerbrust.

Mancher stürzte sich ins Wasser
Weil die Schöne ihn verlacht,
Der, wenn sie's mit ihm gewaget,
Sie mit Pein'gen umgebracht.

Mancher der vor Sehnsucht schmachtet
Gleich als wär es mit ihm aus,
Brächte, würd' er ganz erhöret,
Nichts als Langeweil ins Haus.

Darum, sorgenvolle Schöne,
Sieh dir deine Freier an,
Und wer mit dir weiß zu leben
Diesen wähl', er sei dein Mann.

Quäl ihn etwas, doch nicht lange,
Und dann sprich das holde Ja;
Und die Sterber lasse sterben,
Denn sie sind zum Sterben da.
(Band 2 S. 209-210)
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Mit einem Orangenbäumchen

Diesem blühenden Orangenbäumchen,
Gönn' in deinem Zimmer ihm ein Räumchen:
Dann umduftet's dich mit lieben Träumchen.

Hat doch so ein Blütchen abgebrochen
Einst beredter als ein Mund gesprochen,
Wunden heilen die der Blick gestochen.

Ja du denkst vergangner Zeiten heute,
Sprichst für dich: "Aus Kindern werden Leute,
Und aus hübschen Mädchen hübsche Bräute!

Und aus hübschen Bräuten hübsche Frauen!
Aber darf man seinen Augen trauen,
Ist ein Kinderhäubchen da zu schauen.

Ja ein Kinderhäubchen, o wie eigen!
Wird getragen von den blüh'nden Zweigen
Die sich neigen, sehr beredt im Schweigen."

Hätten Stimme sie - sie würden sagen:
Linderung den Schmerzen und den Plagen!
Freud' an Enkeln in den alten Tagen!
(Band 2 S. 211)
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Aus: Gesammelte Werke von August Kopisch
Geordnet und herausgegeben von
Freundes Hand [Carl Bötticher]
Band 1 und Band 2
Berlin Weidmannsche Buchhandlung 1856
 


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/August_Kopisch

 

 


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