Ludwig Gotthard Kosegarten (1758-1818) - Liebesgedichte

Ludwig Gotthard Kosegarten



Ludwig Gotthard Kosegarten
(1758-1818)

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 

 



Gewitter und Selma
Grevesmühlen. 1775

Wetterträchtig Gewölk hänget vom Scheitelpunkt
Tief, und schwillet und sinkt. Berstend ergeußt sein Bauch
Ströme stygischen Schwefels
Auf die blumige Frühlingsflur.

Und die blumige Flur bebet, und, ach! der Halm
Senkt sein traurendes Haupt. Blumen, erst aufgeblüht,
Schlägt der wandelnde Orkan
Tief zurück in der Mutter Schooß.

So, ach! blühete mir Selma, wie Morgenroth,
Jung und lieblich und sanft. Aber ein Gräbersturm
Schlug das blühende Mädchen
Tief zurück in der Mutter Schooß.

Selma, Selma ist hin! - Dunkle Gewitternacht
Schwille, birste, und triff Fluren, Blum' und Halm,
Triff auch mich, und ich fliege
Hoch im Wetter hinauf zu ihr! -
(Band 6 S. 3-4)
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Wonna
1776

Ich hab' das Mädchen funden,
Das sich mein Herz erkor,
Und jede dieser Stunden
Kommt mir geflügelt vor.
Mein Aug' hat sie gesehen,
Mein Herz ist ihr erglüht,
Kaum mag ich ihr's gestehen,
Obgleich ihr Aug' es sieht.

Ich kann ihr nicht enteilen,
Ich muß ihr nahe seyn,
Muß auf der Stätte weilen,
Die ihre Füße weihn.
Ich muß das Lüftchen trinken,
Das die Geliebte trank,
Muß jeden Raum durchdringen,
Durch den die Heil'ge drang.

Seh' ich sie nicht, wie sehnet,
Wie schrei't mein Herz nach ihr,
Mein dunkles Auge thränet,
Mein Herz zerschmilzt Begier;
Seh' ich sie, schnell verjaget
Den Harm die reinste Lust,
Und Engelwonne taget,
In meiner trunknen Brust.

Von ihres Lächelns Schallen
Bebt jede Nerve mir;
Von ihres Fußtritts Hallen
Schwillt Brust und Seele mir.
Sie ist von meinen Kräften
Die Richtung, sie allein
Ist's bei des Tag's Geschäften
Und spät bei Lampenschein.

Ich seh' ihr Bild am Tage,
Ich seh's in dunkler Nacht;
Bei jedem Seigerschlage
[Seiger=Uhr]
Verfolgt mich seine Pracht.
Im tiefsten, festen Schlummer
Seh' ich's so klar vor mir,
Und rufe ihr im Schlummer,
Und streck' den Arm nach ihr.

Ist's Sünd', in Lieb' entbrennen -
Weh' dir, mein sündig Blut!
Mir zückt in Mark und Sehnen
Der Liebe wilde Gluth.
Sie ist mir Lust und Wehe,
 Ist Tod und Eden mir.
Ich fühl, ich hör', und sehe,
Und leb' und web' in ihr.

So ist die Ruh' verloren,
Die vormals mich erfreu't;
Doch, daß ich sie verloren,
Hat mich noch nie gereu't;
Mir kommt von meinen Wunden
Die tiefste heilsam vor -
Hat sie in mir ihn funden,
Den sich mein Herz erkor!
(Band 6 S. 23-26)
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An Sophie
1776

Mädchen mit den blonden Locken,
Höre Deines Sängers Lied.
Wie der Hall von Abendglocken
Rühr' es fei'rlich Dein Gemüth.
Mädchen mit dem sanften Auge,
Horch auf meiner Saiten Klang;
Lehre, die Dir heilsam tauge,
Weisheit tönt Dir mein Gesang.

Dirne, Dirne, deutschen Samens
Bist Du, bist ein deutsches Kind.
O, der Klang des stolzen Namens
Schmettr' in Dir wie Nachtsturmwind.
Wie den Strahl aus wetterträcht'gen
Dunkeln Wolken fühl's Dein Geist,
Daß Du deutsch, und deutscher Mädchen
Unverfälschte Enklinn heißt.

Groß wie die, und echt und bieder,
Hold und edel mußt Du sein;
Würde strahle um Dich wieder,
Wie um Eichen Mondenschein,
Und Dein Hochglanz scheuch' den losen
Weiß bestäubten Schmetterling,
Der sich an der Wange Rosen,
An des Busens Lilien hing.

Dennoch schwelle mächtig Feuer,
Edle, Deinen Busen hoch -
Freiheit, Freiheit, sei Dir theuer
Und wie Tod des Sklaven Joch.
Wie auf Bergen Gottes Zeder,
Hebe kühn Dein Haupt und steh,
Und kein unbekannter, blöder
Schwachmuth stürz' Dich von der Höh'.

Doch auch Veilchen gleich im Thale
Blüh geräuschlos, still für Dich,
Und im Abendsonnenstrahle
Bade Deine Wange sich.
Fleuch der Mode Thorheitschimmer,
Wie des Wandrers Irrlichtschein,
Und wie Mond im Wolkenflimmer
Hülle Sittsamkeit Dich ein.

Mädchen, Mädchen, auf dem Pfade,
Den Dein schwacher Fuß durchirrt,
Liegt ein lustig Blumgestade,
Lüstern lockend, bunt geziert.
Auf ihm sitzt im Modenflitter
Buhlend schön die Eitelkeit;
Winken wird sie Dir, doch zitter' -
Drachenschweife deckt ihr Kleid.

Wandle herzhaft auf dem Pfade
Weiter, und im stillen Licht
Siehst Du dann noch ein Gestade,
Einfach schön und ungeschmückt.
Dorten wohnt in Myrtenwäldern
In der Unschuld weißem Kleid,
Und in monddurchstrahlten Feldern,
Himmelstochter - Zärtlichkeit.

Um sie flöten Nachtigallen,
Um sie girrt ein Taubenpaar,
Und auf goldnen Wolken strahlen
Liebesgötter um ihr Haar;
Klopft Dein Pulsschlag da geschwinder,
Bebet Deine Seel' empor,
Und Du wähnest, Himmelskinder
Sänger Hymnen in Dein Ohr,

Gutes Mädchen, das ist Liebe -
Lieb' ist Tugend - zittre nicht,
Schleuß mir ja dem edlen Triebe
Den gerührten Busen nicht.
Wirst Du einst den Jüngling schauen
Deutsch und bider so wie Du,
Wird er Dir sein Herz vertrauen,
Dem, o Mädchen, höre zu.

Deutsches Mädchen, wird er sagen,
Sieh mich hier, ich liebe Dich;
Wie die Sonn' in Sommertagen
Strahlt Dein Angesicht auf mich.
Gerne weiht den süßen Trieben
Sich mein standhaft Herze - Sprich',
Kann das Deine denn nicht lieben? -
Edles Mädchen, liebe mich!

Und Du wirst den Jüngling lieben
Und mit heißer Wange stehn -
Mädchen, da ihn noch betrüben
Und ihm nicht den Trieb gestehn -
Das geziemt nicht deutscher Dirne;
Sanft und edel sieh ihn an,
Und mit offner heitrer Stirne
Kündige sein Glück ihm an.

Dann wird sich der Jüngling freuen,
Und Du wirst Dich mit ihm freuen,
Und im gegenseit'gen Freuen
Wird Dein Leben Wonne seyn,
Rein Dein Morgen, mild und labend,
Ruhig Deines Mittags Pracht,
Säuselnd, süß, und kühl Dein Abend,
Und gestirnt und klar die Nacht.
(Band 6 S. 27-32)
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Der Aurikelnstrauß
1776

Die ihr noch gestern an Sophiens Busen,
Diesem stolzesten aller Sitze, lieblich glühtet,
Und aus braunen Kelchen der süßen Düfte
Fülle entströmtet,

Blümchen, wie bloß, wie schlaff, geknickt, gesunken
Hängt ihr heute mir am bestäubten Arme,
Den mein süßes scheidendes Mädchen mit euch
Gestern bekränzte.

Blümchen, ihr welktet, und kein süßes Duften
Wird auf Silberstaub euch hinfort entschweben,
Noch zum Pflücken lächelnder Mädchen Hände
Ferner herbeiziehn.

Blümchen, ihr welkt, und kein junger Busen
Wird euch heben hinfort mit schweren Seufzern,
Noch der seufzersteigenden Brust ein trunkner
Jüngling euch rauben.

Klage, Sophie, um des jungen Maien
Frühgeborne, frühgestorbene Töchter!
Klag' um sie, und jeglicher Erdenschöne
Flüchtigen Schimmer.

Blumen verwelken. Und der Herbststurm störet
Ab die Blätter. Und Jugendblüthen mordet
Frost des Alters. Alles vergeht. Sophie,
Ach! auch die Treue?
(Band 6 S. 33-34)
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An Wonna
1777

Mädchen, gib mein Herz mir wieder,
Oder schenk' das deine mir,
Denn mein Herz und meine Lieder,
Alles, alles raubst du mir,

Bändigest mit Einem Blicke
Ganz mein stolzes Jünglings-Herz,
Lenkst gebietend mein Geschicke,
Meine Wonna, meinen Schmerz - -

Wenn in süßen Augenblicken
Ich an deinen Locken spielt',
Und mit innigem Entzücken
Deine warmen Hände hielt,

Wenn ich dich an meinen Busen
In der Liebe Taumel zog,
Und dein junger reiner Busen
Athmend mir entgegen flog;

Dann, wie Strahl der Abendsonne,
Dämmerte mir Seelen-rein,
Und ich träumte mir die Wonne,
Mädchen, dir geliebt zu seyn.

Aber wenn, so wild wie Winde,
Du mir andrer Zeit entflohst,
Und, damit mein Traum verschwinde,
Mir die warme Hand entzogst;

Dann, ach! schwand in Wintertrübe
Meiner Hoffnung Frühlingschein,
Und der Stolz verschmähter Liebe
Stürmet mächtig auf mich ein.

Jüngling, dacht' ich, frei von Stirnen
Bist du, und dein mildes Herz
Beugte so viel stolze Dirnen,
Und hier diese schmäht dein Herz? -

Und dann schwor ich, nicht zu lieben,
Wähnte auch, mein Herz sei kalt,
Aber, o, den Frost vertrieben
Deine Feuerblicke bald,

Und ich kann nicht von dir lassen,
Und ich muß mein Herz dir weihn,
Muß bei deinem Lieben, Hassen,
Ewig dein Getreuer sein.

 Aber, Mädchen, deutsch und bider
Bin ich, und nicht ungleich dir -
Gib dann, gib mein Herz mir wieder,
Oder schenk' das deine mir!
(Band 6 S. 52-54)
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Klage
1777

Du liebst mich nicht -
O Gott, wie traf mein Herz mit schmetterndem Gewicht,
Wie traf mit wilder Mörderkraft
Die Zeitung mich: Verschmäht ist deine Leidenschaft!

Unsäglich hab' ich dich geliebt -
Mein Herz hat nah' und fern nach dir gestrebt, gesehnet,
Mein Auge heimlich dir gethränet,
Und jede Nerve sich nach dir gespannt, gedehnet -
Fürwahr, ich hab' unsäglich dich geliebt.

Noch jetzt sogar,
Noch jetzt, zerreißt mein wundes Herz
Die Leidenschaft um dich mit jedem Höllenschmerz,
Und tausend Mahl hab' ich in schwarzen Stunden
Verdammter Geister Qual um dich, um dich empfunden.

Zwar hab' ich auch in stillern Augenblicken,
Mit süßerm seeletrauerndem Entzücken,
Um dich geweint!!
Und sieh! Nicht ganz unselig ist der Mann,
Deß Auge nur noch weinen kann!

Doch ach! in wenigen Sekunden
Ist diese Dämmerung aus meiner Seele schwunden,
Und öd' und schwarz,
Wie Gräber, stand vor mir der stumme große Schmerz,
Und Eine lange Mitternacht
Hab' ich um dich verwälzt, verseufzet und verwacht.

Mit hellgeschliff'nem Feuerschein
Lud oft mitleidig mich mein Stahl zum Tode ein.
Gefaßt, geblößt, gezückt hab' ich ihn, doch sofort
Gedacht' ich dein, und fuhr um dich zu leben fort!

Denn wehe mir!
Noch unzertrennlich hängt mein ganzes Herz an dir.

Ich saug' aus deinen Blicken
Den Tod!
Ich schlinge mit rasendem Entzücken
Den Gift von deiner Wangen Blumenroth.

Du aber wandelst stolz und heiter
Vor meiner Qual vorbei, und bist
Erfreut ob meinem Schmerz, siehst ihn, und wandelst weiter,
Zufrieden, daß mein Stolz herab erniedrigt ist - -

Ich kann's nicht tragen -
Mit wilden Schlägen
Empört sich mein Herz.
Ich kann's nicht fassen,
Ich will dich hassen,
Und meinen Schmerz.

Noch Einen Tag,
So will ich dir enteilen,
Von deinen Pfeilen
Verwund't und bis zum Tode schwach.
Doch diese tiefen Wunden, ach!
Wird keiner Ferne Kraft, kein fremder Boden heilen - -

Es flieht, den Stahl im Busen,
Das Reh den Platz, wo es der Pfeilschuß trifft.
Es fliehet, blutet, rennt, trägt fort den Tod im Busen,
Stürzt, blutet, ächzt und stirbt auf fremder Trift.
(Band 6 S. 55-58)
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An Elise
1777

Was blickest du mit deiner Mädchenmilde
Mich an, und fragst, was meinen Kummer schafft?
Was meinen Kummer schafft, das heilt nicht deine Milde,
Das heilet keine Erdenkraft.

Im Busen tief, da steht mit Demantkeilen
Die Wunde eingebohrt, die mir das Herze bricht.
Sie blutet, tödlich! - ach! sie heilen kann nur Eine,
Und diese Eine will es nicht.

Du wolltest wol, und - - ja! du kannst! Im Busen
Zerreiß den Faden nur, daran mein Herz noch hangt,
Und röchelt dann dieß Herz, und drängt zum blut'gen Busen
Heraus, und zuckt, und bebt - so wiss', daß es dir dankt!!
(Band 6 S. 59-60)
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Wonna
Auf Stubbenkammer
1777

Hier an Deutschlands letzter Felsenspitze,
In der Hertha schauervollem Hain,
Voller Hehrgefühl, und Wand'rerhitze,
Theures Mädchen, denk' ich dein.

Grabe hier in dieser Buchenrinde
Deinen Namen ein - Bewahr' ihn mir
Treulich, heil'ge Buche. Leise Winde
Flistern ewig über dir!

Nachtigallen flöten in den Zweigen
Wonna's Namen, und der Pilger steh',
Lese dich mit ehrfurchtvollem Schweigen,
Fühle sich gerührt und geh'.

Ach, daß einst der Edlen, die ich liebe,
Einer, wenn auf Stubnitz Felsenhöh'
Neugier und Naturgefühl ihn triebe,
Diesen theuren Namen säh'.

Trauen würd' er kaum dem Auge, würde
 Schnell noch einmal lesen, dann sich freu'n,
Und vergessen seines Schicksals Bürde,
Und den Freundschaftschwur erneu'n.

Fürchte aber - sieh! dem Greif zur Seiten
Spann' ich Tauben - führte übers Meer,
Ueberall die freundelosen Weiten,
Wonna selbst, die Liebe, her.

Und sie säh' auf dieser Felsenspitze
In der Buche ihren Namen blüh'n,
O, wie würd' in schnell entbrannter Hitze
Wang' und Auge ihr erglüh'n!

Lieben würde sie den Vielgetreuen,
Oder, wenn ihr das ein Schicksal wehrt,
Wird sie Thränen seiner Treue weihen,
Und der Thränen war er werth!!
(Band 6 S. 68-69)
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Wonna
1777

Sie liebt mich,
Sie liebt mich!!
Welch Zittern ergreift mich!
Welch Sturm zerrüttet mir die fliegende Brust! -
Sie liebt mich!
Sie liebt mich!
Welch' Trunkenheit faßt mich,
Welch strömendes Leben, und paradiesische Lust! -

Sie liebt mich!
Sie liebt mich! -
Wie fass' ich die Wonne,
Die hohe unaussprechliche Wonne,
Daß meine Wonna mich liebet!
Wonne, du herrliche
Schmetternde, schütternde,
Du unaussprechliche! kann ich dich fassen,
Daß meine himmlische Wonna mich liebet? -

Wonna, Wonna,
Meine himmlische Wonna,
Liebest du mich? -
Ja, du liebst mich!
Du liebst mich! -
Brennend und weinend,
Mit Stammeln und Stocken,
Mit Zittern und Beben.
Mit tausend Küssen,
Tausend brünstigen glühenden Küssen,
Hast du mir die Wonne geschworen, geweint:
Daß meine Wonna mich liebe!!

Also liebst du mich,
Meine Wonna?
Du meine erwählte,
Meine auserkorne geliebteste Braut!
Ja, du liebest mich!!
Du hast mir's geschworen,
Du hast mir's geweint,
Daß ewig, ewig die Meinige, du! - -
Wonna, die Meine!
Meine Wonna! Sie ist die Meine!
Mir säuselt's ihr Odem,
Mir rauscht es ihr Liebeskuß.
Mir lispelt's jedes halb hergestammeltes Wort:
Ich bin die Deine!
Ewig, ewig die Deine!!!

O, du, die mich liebet,
O, du, die die Meine ist,
Wie fühl' ich's so mächtig,
Daß meine Wonna mich liebet!
Mit Stürmen und Rasen,
Mit Donner und Kraftgefühl
Faßt mich der Heldenmuth der Liebe - - -

Wo bist du, o Wonna? -
O, du, die mich liebet,
Wo bist du? - -
Fern hinter Gebirgen,
Fern hinter zehn tausend feuerflammenden Oceanen
Hindurch die Gebirge!
Hindurch die Flammenmeere!
Denn Wonna liebt mich, liebt mich ewig,
Ewig, ewig!!

Siehe! Siehe! sie liebt mich,
Siehe ihr Auge,
Ihr thränenrothes Auge,
Ihre trübröthliche Wange,
Ihre seufzergeschwellte zärtliche Brust -
Sie zeugen mir's, daß sie mich liebet - -

Ich taumle, ich falle,
Verglühe vor Wonne,
Vergehe vor Wonne.
 Noch heb' ich mein gebrochnes Auge
Zum Himmel,
Zum liebenden Vater der Liebe,
Und dank' es dem Vater,
Daß meine Vielgeliebte mich liebt!!

Ist's möglich? Kannst du mich lieben?
Kannst du lieben,
Innig, herzinniglich lieben,
Den Jüngling, der dich so inniglich liebt -
Ja, du kannst es.
Du willst es.
Du liebst mich herzinnig.
Ich weiß es, daß du herzinnig mich liebest - -
Und weine vor glühender Wonne.

Wohl mir, daß ich weine.
Linde Stille
Folgt den verwehenden Stürmen.
Mein Aug' ist dunkel,
Mein Auge weint.
Sieh, meine Wonna,
Wie sanft mein Auge weint, daß du mich liebst.
O, ich liebe dich ewig.
Ewig, ewig
Liebt dich meine Seele - -

Warum weinet meine Wonna!
Meine himmlische Wonna,
Du weinest der Liebe himmlische Thränen! -
So laß uns denn weinen,
Liebe weinen,
Bis endlich unser weinendes Auge
Ein letzter liebeathmender Seufzer schließt!!!
(Band 6 S. 70-75)
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Wonna
Am Bundesaltar
1777

Der Altar glänzt. Aus gold'ner Opferschale
Glüht Blut des Mittlers purpurroth -
Da tritt die Herrliche einher zum Hochzeitmahle,
Von Inbrunstschauer wechselnd bleich und roth.

Sei mir gegrüßt in deinem Brautgewande,
Im heil'gen Schmuck der Mitternacht!
Du bist so schön, du strahlst aus deinem Ernstgewande,
So wie ein Stern aus dunkler Wolkennacht.

Was aber bebst du, Heilige, was wanken
Die Schritte dir! Du vielgeliebte Braut
Des Herrn - und meine Braut!! - O, bei dem Wonngedanken
Schlägt hoch mein Herz empor und wonnelaut.

Erbebe nicht. Aus gold'ner Opferschale
Winkt dir des Mittlers Bundesblut,
Und strömt herab auf dich vom hohen Todespfahle,
Versöhnung und unsterblich's Guts.

Erbebe nicht. Tritt hin zum Stuhl der Gnaden,
Und fei'r' den neuen Seelenbund.
Dein Engel fei'rt ihn auch, und macht den Myriaden
Am Thron die neue Schwester kund. - -

Der Altar glänzt. Des Engels Strahlenschwinge
Umrauscht den Altar um und um.
Ihm glüht vom Prophezei'n sein Antlitz. Hohe Dinge
Verkünd't er dir und Evangelium.

Von Gottes Stuhl, von Christi Todeshöhe,
Und von des Geist Krystallstrom, Fried' und Heil
Herab auf dich! Getilgt sei Sünd' und Sünderwehe,
Und Gottes Gnade sei dein Theil!

Heil dir! du bist dem Herrn und Sions Lamme
Mit Blut und Thränen angetraut.
Dein Beten stieg hinauf vor Gott wie Weihrauch-Flamme,
Und Christus grüßete dich, Braut!!

So halt' ihm denn, was du ihm heut' geschworen,
Und freue dich der Seligkeit
Im Arm des Jünglinges, den du dir auserkoren,
Und den ich, dich zu lieben, eingeweiht.

Mit ihm geh, Hand mit Hand, und Geist mit Geist, verbunden,
Dein Leben durch. Und kämpft und glaubt!
In Eden ist euch schon ein frischer Kranz gewunden,
Wenn euch den irdischen der Todesengel raubt!
(Band 6 S. 76-78)
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Abschied von Wonna
1777

Du, o Theure meiner Seelen,
Meine auserkorne Braut,
Die nach so viel bitterm Quälen
Mir die Liebe selbst vertraut;

Die aus einer Welt von Schönen
Sich mein Herze auserkor,
Und die mir vor allen Söhnen
Dieser Erde Treue schwor -

Hier, ach! in der trauten Stunde,
Wo ich Lieb' aus deinem Aug',
Und aus deinem Honigmunde
Paradieseswonne saug';

Wo an deiner Rosenwange
Meine heiße Wange strebt,
Und mit immer stärkerm Drange
Meine Brust an deiner bebt;

Wo dein Hauch mit leisem Fluge
Mich umsäuselt, und mein Geist
Sich bei jedem Odemzuge
 In den deinigen ergeußt.

Hier, ach! in das Meer der Wonne
Fleußt ein Tropfen Bitterkeit:
Wie den Glanz der Mittagsonne
Wolkendunkel überstreut.

Dämm'rung sinkt vom Himmel nieder.
Noch, du Liebe, bin ich hier.
Zwar die Dämm'rung kommt wol wieder -
Aber ich nur nicht mit ihr.

Eh' noch mit der gold'nen Locke
Eos durch die Himmel fährt,
Stürmt die dunkle Abschiedsglocke,
Stößt in meine Brust ein Schwert.

Und das Seelenschwert im Busen,
Muß ich deinem Aug' entfliehn,
Darf nicht mehr an deinem Busen,
Nicht an deinen Lippen glühn.

Hin, wo Oceane stürmen,
Wo sich hoch vom weißen Strand
Ueberschnei'te Berge thürmen,
Werd' ich einsam hingebannt. - -

 Aber stürmten gleich der Meere
Zwanzig tausend vor mir hin;
Riss' gleich eine ganze Sphäre
Mich von dir, o Lieblinginn -

Brüllt, ihr Meere, heult, ihr Winde;
Meine Wonna liebt mich doch!
Braus't herauf, des Abgrunds Schlünde,
Meine Wonna lieb' ich doch.

Ewig bleibt die Engelreine
Meiner Seele angetraut.
Ewig bleibet Wonna meine
Auserkorne theure Braut.
(Band 6 S. 79-81)
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Sie und Mai und Nachtigall
1778

Wie leuchtet milde, blaß und schön,
Die Abendsonne! Sieh, wie wehn
Die Blüthen, röthlich, weiß und bunt,
Und überschnei'n den Gartengrund!

Wie schwimmt die kühl'ge Abendluft
In Mai- und Nachtviolenduft!
Wie wölkt sich die Laube blätterschwer
So dunkel freundlich um uns her.

Und, horch! durch Garten, Busch und Thal,
Schlägt ihren Schlag die Nachtigall!
Dein Schlag schlägt mir durch Mark und Bein -
O Nachtigall, Nachtigall, schone mein!

Und, ach! in ihrer Lieblichkeit,
In ihrer Schönheit Feierkleid,
Wallt neben mir das Mädchen mein!
O Mädchen, Mädchen, schone mein!

O schone mein, du bist so hold,
Viel holder als der Sonne Gold,
Viel schöner als die Blüthen all',
Viel süßer als die Nachtigall.

Dein Aug' ist blau und freundlich gut,
Dein Mund in seiner Rosengluth!
Dein Blick so lieb! dein Busen rein!
O Herzensmädchen, schone mein!

In meiner Seele lebt's und webt's.
In meinem Herzen strebt's und bebt's.
Es wogt und wirbelt Fluth auf Fluth.
Es blitzt und lodert Gluth auf Gluth.

Und, horch! durch Busch und Blüthen all'
Schlägt noch einmal die Nachtigall.
Dein Schlag schlägt mir durch Leben und Sein.
O Nachtigall, Nachtigall, schone mein!

Mir wird so heiß! Mir wird so weh,
Um dich, du innig Innige!
Wer ist, wie ich, so stark, so held!
Ich schlüge für dich mit der ganzen Welt.

Ich stürbe für dich den heißesten Tod!
Zehntausendfachen grimmigen Tod!
Wol grimmig, düster, wild ist er!
Doch ist die Liebe noch grimmiger!

 Wer will mir rauben das Mädchen mein?
Zu Staub soll stieben sein Gebein!
Wer hadert um meine erwählte Braut?
Das Verhängniß hat mir sie angetrau't.

O Mädchen, Mädchen, bleib nur mein!
So ist mir Welt und Schicksal klein!
So reißt mich von dir nicht Gewalt noch Noth,
Selbst nicht der eiserne grimmige Tod.
(Band 6 S. 123-125)
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Elldor an Elldore
Erstes Lied
1780

Noch vier und zwanzig Stunden!
So flieh' ich fern von dir;
So breitest du die Arme
Umsonst, umsonst nach mir!
Ich wend' auf jedem Schritte
Den trüben Trauerblick.
Es schlägt mit jedem Schlage
Mein sehnend Herz zurück.

Noch vier und zwanzig Stunden,
So schmacht' ich fern von dir,
Und breit' in leere Lüfte
Den Arm umsonst nach dir,
Nach dir, mein Eins und Alles,
Mein süßes Eigenthum,
Mein Gram und mein Entzücken,
Mein Preis, mein Lied, mein Ruhm!

Verschwunden sind, verschwunden,
Gleich einer Sommernacht,
Die goldgesäumten Tage,
Die ich mit dir vollbracht.
Die Stunden, ach! des Habens
Gehn raschen Jünglingsgang.
Die Stunden des Entbehrens
Verschleichen lahm und krank.

Laß, laß die Zeit mich klagen,
In deren raschem Flug
So innig und so selig
Mein Herz an deinem schlug;
Wo ich so liebemüde
An deinen Busen sank,
Und ew'gen Lebens Wonnen
Aus deinen Lippen trank.

Laß, laß mich um sie klagen!
Von Liebeswein berauscht,
Hatt' ich um Edens Freuden
Die Schnellen nicht vertauscht.
Sie sind, sie sind verschwunden
Sie flogen Adlerflug -
Trau' nicht der Erde Schwüren;
Ihr Schwur ist Lug und Trug.

Ist alles Trug hienieden?
Und alles Tand und Traum?
Und alles luft'ger Schatten,
Und leichter Wasserschaum?
Wohl ist es Wein und Wollust,
Wohl ist es Gold und Ruhm.
Nur du verblühest nimmer,
Der Lieb' Elysium.

Elysium der Liebe,
Du, du betrogst mich nicht.
Elldore lächelt. Plötzlich,
Umströmt mich glänzend Licht.
Gelehnt an ihren Busen
Verlern' ich Grimm und Gram.
Es wird in ihren Armen
Der Löwe lämmchenzahm.

Ein Nick nur von der Holden,
Ein Wink nur, der mich meint;
Und keines Schicksals Tücke
Schreckt, Huldinn, deinen Freund.
Ein Augenblick nur Ruhens
In deinem sanften Schooß,
Und ich werd' alles Rasens
Und alles Stürmens los.

Wann aber düstre Kälte,
Elldore, dich umstarrt,
Wann Elldor deines Blickes
 Und Winks vergebens harrt -
Dann möcht' jach und grimmig
Die Welt zertrümmern sehn,
Und selbst, von ihren Trümmern
Umgraus't, zu Grunde gehn.

So wahr der Liebe Odem
Rings um mich lebt und webt!
Wie du, so ward kein Mädchen
Erstürmt, erkämpft, erstrebt;
Um keines so gestritten,
Um keines so gegrämt,
Um keins der Trotz des Herzens
So ritterlich gezähmt.

Auch wird, so wahr in Eden
Der Liebe Lauben blühn,
Hinfort für dich so feurig
Kein Mann noch Jüngling glühn.
Und wär' er schön vor Tausend,
Vor Tausend glatt und klug -
Sein Glanz ist eitel Gleißen,
Sein Liebeln eitel Lug.

Ich aber will dich lieben,
So lang' in Rührung mir
Die Brust erschwillt - und trennten
 Auch Zonen mich von dir;
Und müßt' ich um dich hadern
Mit tausend Buhlern frech,
Ich haderte, bis ich siegte,
Und führte dich jauchzend weg.

Denn wie ein Streiter Gottes
Ist Liebe kühn und stark,
Und nie erschlafft ihr Bogen,
Und nie versiegt ihr Mark.
Kein Strom kann sie ersäufen,
Kein Feu'r so lodernd glüh'n,
Kein Sturm so herrlich brausen,
Kein Pfeil so reißend fliehn.

Ihr drohn trotz'ge Dränger;
Sie läßt die Trotzer drohn.
Ihr winken goldne Kronen;
Sie schmähet Kron' und Thron.
Ihr lächeln feile Dirnen.
Spart andern euren Blick,
Sie geißelt euer Lächeln
Mit hohem Hohn zurück.

Fest, wie in Gottes Schlössern
Die Demantpfeiler stehn -
Kein Blitz kann sie zerschmettern,
 Kein Sturm sie niederwehn -
Fest, wie die Himmels Achse,
Soll meine Treue stehn.
Wenn jene kracht und splittert,
Mag diese untergehn.

Auch weiß ich meine Traute -
Und Himmelmelodei
Entklingt dem Hochgedanken -
Ich weiß, du bleibst mir treu.
Wohl koset dir verlockend
Der Schmeichler schnöder Mund;
Du aber wahrst der Liebe
Beschwornen Engelbund.

Wohl kriechen Lotterbuben
Staub leckend rund um dich,
Und gleißen zehnmal glatter
Und flimmernder, als ich.
Trotz sey den glatten Gecken!
Dein Jüngling, stolz und gut,
Sein Mädchen, brav und edel,
Verschmähn die Raupenbrut.

Triumph! mir flammt die Seele,
Wie Blitz von Gottes Schwert.
Triumph! Die heil'ge Treue
 Wird nie von dir versehrt.
Noch vier und zwanzig Stunden,
So flieh' ich fern von dir.
Was thut's? mein Kleinod bleibet,
Elldore bleibet mir.

Triumph! ich kehre wieder,
Und treu, und keusch und rein,
Schließ' ich in heißen Armen
Elldoren wieder ein.
Triumph! auf deinen Lippen
Versiegeln wir den Bund.
Kein Bubenkuß entweihte
Den frischen Rosenmund.

Was drohst du, Abschiedsstunde,
So groß? Dein Dolch ist stumpf.
Der Treue goldner Panzer
Beschirmet uns. Triumph!
Triumph! Ich kehre wieder.
Ihr Treuen, trauert nicht!
Triumph! Die Treue sieget!
Elldore, traure nicht!
(Band 6 S. 157-165)
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Elldor an Elldore
Zweites Lied
1781

Welch eine Nacht! Wie grauenvoll! wie dunkel
Von Sturm und Schlag wie schauerlich!
Ich aber schritt getrost durch ihr erebisch Dunkel;
Die starke Liebe schirmte mich.

Ich schritt getrost hindurch. Ich hätte nicht gezittert,
Und hätten um mich her die Winde Tod geheult.
Und hätte Gottes Blitz den Wald um mich zersplittert -
Ich wär' getrost hindurch geeilt.

Und hätte Mord auf mich mit jedem Schritt gelauert,
Und hätte über mir der Himmel roth gebrannt,
Und wäre unter mir der Abgrund aufgeschauert;
Getrost wär' ich hindurch, getrost zu dir gerannt.

Zu dir! Zu dir! Dein erstes Grußgeflister,
Dein erster leiser Handdruck, ach!
Dein volles feuriges Umfahn im Rabendüster
Der Mitternacht tilgt' all' mein Ungemach.

Zu süße Nacht! Zu rasch verpraßte Stunden!
Zu schnell verrauschte Trunkenheit!
Herz, Herz, wie daß du nicht vom Staube los gewunden
Mit ihr empor dich schwangst ins All der Seligkeit!

Auf ihrem Lager lieblich hingegossen,
Wie duftete die junge Rose mir!
Wie glühte sie! wie thaute sie! wie flossen
Rings um sie Frisch' und Füll' und lechzende Begier!

Von ihren Armen sanft hinabgezogen,
Hinabgesunken an ihr schlagend Herz,
Itzt steigend, sinkend itzt mit ihres Busens Wogen,
Wie kämpft' ich zwischen Lust und Schmerz!

Wie strebten meine Kräfte, ha! wie drängten
Die Mächtigen sich hin zu ihr!
Und daß sie nicht der Tugend Riegel sprengten,
Elldore, das verdanke dir!

Das danke dieser hellen Morgenröthe
Von Unschuld, die dein Angesicht
So rührend schmückt, die mich so flehend flehte:
"Mein Elldor, ach, zerstöre nicht!"

Das danke deinem leisen Wimmern:
"Mein Auserwählter, ich bin dein!
Doch könntest du dein Heiligthum zertrümmern?
Harr' aus! Einst werd' ich ganz und ewig deine seyn."

Ja, du bist mein. Du bist an mich gebunden,
Mit Banden, die kein Arm zerbricht.
Komm bald, o seligste der Stunden,
Darin Elldore mich mit Gattinnarm umflicht.

Sie kommt! sie kommt! In deinem Brautgeschmeide
In deinem Myrtenkranz sey mir gegrüßt!
In deiner weißen Hochzeitseide
Bist du die schönste Braut, die je ein Mann geküßt.

Was schleichst du heut' so langsam, träge Sonne?
Hinunter mit dem Lärmer Tag!
Daß ich die schöne Braut - o Wonne, Wonne! -
In meine Kammer führen mag.

Ich bin erhört. Die hochzeitliche Kammer
Umfängt uns schon mit süßer Dunkelheit.
Und jeder alte Gram, und jeder alte Jammer
Taucht unter in Vergessenheit!
(Band 6 S. 166-169)
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Schön Hedchen
1781

Schön Hedchen, ein Fräulein aus edlem Geblüt,
Noch edler durch Schönheit und hohes Gemüth,
Schön Hedchen, das lieblichste Blümchen der Au',
War züchtig und duftig wie Röschen im Thau.

Auch blüht im Lande zur selbigen Zeit
Ein stattlicher Jüngling, ein Wetter im Streit.
Wie flog um die Schultern sein bräunliches Haar!
Wie rollt' ihm der Augen schwarzfunkelndes Paar!

Wild schwärmte der Jüngling manch freudiges Jahr.
Da sah er schön Hedchen mit goldigem Haar.
Wie wurde dem Schwärmer im Herzen so warm.
Doch wärmer noch ward ihm das Mädchen im Arm.

Viel Thränen hat Liebe. Doch Freuden noch mehr.
Sie streiten ums Herz sich, ein brüderlich Heer.
Sie streiten und fallen sich friedlich zu Arm.
Da weinet die Freude, dann lächelt der Harm!

Bald flocht man die schmeidige Myrte zum Kranz.
Schon übten sich Jüngling und Mädchen zum Tanz.
Bald graute der Abend der kommenden Nacht,
Der letzten vom einsamen Jüngling durchwacht!

Der Abend war lieblich und kühlig und frisch,
Die Nachtigall flötet im Maiengebüsch.
Da wallten die Treuen den Garten entlang,
Und horchten der Nachtigall Klagegesang.

"Wie ist dir, lieb Hedchen, wie fühlt sich dein Herz?
Ach! schwimmt es noch immer in Wehmuth und Schmerz?
Das Thränchen, das blinkend die Wangen dir näßt -
Ach! sprich, ob der Schmerz dir das Thränchen entpreßt?" -

"Die Thräne, die über die Wange mir rollt.
Wird von dem Entzücken der Liebe gezollt.
Es klingt mir im Herzen so himmlischen Klang,
Mir tönts um die Seele, wie Harfengesang.

Der Becher der Liebe hält köstlichen Wein,
Ich weinte viel bittere Thränen hinein.
Nun trink' ich des Weins, mit Thränen vermengt,
Das macht, daß die Wonne mir Thränen entdrängt!

Ich ruf' der Vergangenheit Tage zurück.
Mir bebet die Seele. Mir schwindelt der Blick.
Da war mir so nächtlich der sonnigste Tag
Wie daß ich dem lastenden Gram nicht erlag!

Ich wende den Blick aus den Nächten voll Graus,
Und schau' in die selige Zukunft hinaus.
Da seh' ich der nächtigen Freuden so viel!
Wie fass' ich, wie trag ich dich, Wonnegefühl!

Der Stärke, zu stehn in den Stürmen, mir gab,
Der stütze mich ferner mit freundlichem Stab!
Doch führe mich, Liebster - es wehet so frisch -
Komm, führe mich heim aus dem Maiengebüsch." -

Jetzt trat aus der Wolke der Vollmond hervor.
Dem Abend entrollte sein hüllender Flor.
Wie glänzten der Garten, der Busch und der Quell
Im schwimmenden Monde, so silbern! so hell!

Still blickte der Jüngling, im zweifelnden Licht
Des Mondes, schön Hedchen ins Rosengesicht.
Sie lächelte Wehe, sie lächelte Ruh'
Aus Thränen umschimmerten Augen ihm zu.

Er sandt' ihr noch einmal den sorglichen Blick
Ins Antlitz, und bebt' - o Wehe! - zurück.
Ihr rosiges Antlitz - die Rose verschwand -
War bleich, wie ein linnenes Todtengewand.

Es rann ihm, wie Regen, den Rücken entlang,
Die Nachtigall flötet' ihm Todtengesang.
Es hauchten die Blüthen ihm Moder und Graus,
Und grauenvoll führt' er schön Hedchen nach Haus.

Und bald, als schön Hedchen im Lager sich barg,
Da rollt' ihr die Krankheit durch Adern und Mark.
Wie neigte die Blum' ihr trauerndes Haupt,
Des lebenden Glanzes und Duftes beraubt.

Die Mitternacht kam, es entschwand ihr die Kraft.
Sie lag auf dem Lager erschöpft und erschlafft;
Her wehte der Morgen, von Rosen umglüht,
Da war ihr die Rose im Antlitz verblüht.

"Wie schmückst du dich, Morgen, in bräutlicher Pracht!
Mir winkt, mich umhüllt schon die ängstliche Tracht.
Wie schön dir die Rosen im Angesicht glühn!
O weh, daß die meinen so frühe verblüh'n!"

"O wehe, so wird mir mein bräutlicher Kranz
Zur Krone des Sarges, der festliche Tanz
Wird Leichengepräng', und Priester und Gast
Geleiten mich heim zur düsteren Rast.

 Mein hochzeitlich Bette, wie enge! wie kalt!
Mein Bräutigam - Wehe! Weg Schreckengestalt!
Weg Scheusal! Die Knochen durchheult dir der Wind!
Vor Entsetzen das Blut mir in Adern gerinnt -"

So stöhnt, wie die Hindinn vom Jäger gejagt,
So klaget schön Hedchen. Fast war sie verzagt.
Da wiegt sie ihr Engel in labende Ruh'
Und lispelt im Schlummer ihr Tröstungen zu:

"Was trauerst du, Schwester, was klagst du so bang'?
Es währt ja hienieden nur Augenblick lang!
Hoch oben ist Wonne! hoch oben ist Licht!
Das dämmert und dunkelt in Ewigkeit nicht."

"Die bräutliche Seide, der grünende Kranz,
Der goldene Trauring, der festliche Tanz,
Am Busen des Jünglings die liebliche Ruh',
Das lächelt auch alles hoch oben dir zu!

Es lächelt dort oben dir schöner als hier.
Komm, trauliche Schwester, komm freudig mit mir,
Was blickst du so rückwärts? Er folgt dir ja nach.
Komm, folge mir freudig. Ich hol' ihn dir nach!"

So lispelt, so singt es der Engel ihr zu,
Und wiegt ihr die zagende Seele in Ruh'.
Wie lächelt im Schlummer ihr blaßes Gesicht!
Wie umstrahlt die Erwachende himmlisches Licht!

"Was grämst du, mein Jüngling? Was zagst du so sehr?
Die Lauben der Liebe blühn oben noch mehr.
Es durchbohrt mir die Seele dein schneidendes Ach.
Ach! sieh nicht so starrend! Du folgst mir ja nach!"

"Aus Tausenden hab' ich dich ewig erwählt,
Du bist mir vor Himmel und Engeln vermählt.
Es trennen die Himmel die Liebenden nicht,
So sehn wir uns wieder im himmlischen Licht."

"Ich sehe dich wieder. - Wie wird mir - wie wohl!
Wie weh und wie bange! wie dämmernd - leb' wohl!
Leb' wohl, mein Vertrauter - wir finden uns - ach! -"
Da schwand ihrem Auge der irdische Tag.

Die Seele, umflossen von Blüthenduft
Und schwebend auf strahlender Morgenluft,
Entwallte der Erden und schwebete rein
Zur Pforte des Gartens der Seligen ein!

Da blühen der ewigen Blumen so viel.
Da wehen die Lüfte so milde! so kühl!
Da rauscht es, da glänzt es so strömend, so hell!
Von thauigen Myrten am duftigen Quell!

Ihr Engel umschwebt sie in sonnigem Schein,
Und führt sie die stilleste Laube hinein.
Die Lüftlein, die Bächlein in leiserem Gang
Vereinen die Töne zum Schlummergesang.

"Kind Gottes, so lächelt der Engel ihr zu,
Kind Gottes, verweil' hier drei Stündlein in Ruh'.
Bald jauchzet unendliche Freude dich wach.
Ich geh' und hole den Liebling dir nach."

Er fand den verlassenen Liebling am Sarg,
Der sorgsam schön Hedchens Verwesungen barg.
Er wiegte den Dulder in labende Ruh',
Und weht' ihm himmlische Kühlungen zu.

Und als er vom tröstenden Schlummer erwacht',
Da war es schon Abend. Es thaute die Nacht.
Schön Hedchen lag lächelnd von Kerzen umglänzt,
Und die goldigen Haare mit Myrten bekränzt.

Nun tönen die Glocken. Nun wallen beim Schein
Von wehenden Fackeln die düsteren Reih'n
Der Trauerbegleiter die Gassen hinab,
Und tragen sanftklagend schön Hedchen ins Grab.

Sie senkten sanft weinend schön Hedchen hinein.
Bald hüllet die kühlige Erde sie ein.
Bald grünet der Rasen den Hügel empor.
Bald sprossen Violen und Maßlieb hervor.

Mit jeder aufgrauenden Dämmerung ging
Der arme Verlaßne zum Hügel, und hing
Sich rund um den blühenden Hügel herum,
Bald laut wie die Winde, bald schweigend und stumm.

"Was säumst du, schön Hedchen? Was säumst du so lang'?
Und machst mich so ängstig, und machst mich so bang'?
Du wandelst wol oben im sonnigen Licht
Und denkst des verlassenen Trauernden nicht.

Wer war es, schön Hedchen, wer war es? wer sprach:
Sey ruhig, mein Trauter! du folgst mir bald nach!
Wo bleibt dein Geloben? Wie säumst du so lang'
Und machst mir's im zagenden Busen so bang'?

 Ich trag' es nicht länger. Ich halt' es nicht aus.
Mir ekelt das Leben, wie Moder und Graus -
Schön Hedchen, du logst mir! wer wehrt es mir, ha!
Ich komme schon selber! - Du täuschtest mich ja -"

Er riß aus der Scheide sein funkelndes Schwert -
Da erbebte der Hügel. Da stand es verklärt,
Und sonnenhell vor ihm, und lächelt' und sprach:
"Acht Tage noch, Jüngling, so folgst du mir nach!"

Es verschwand in goldenem Wolkengesäum:
Da ging der getröstete Trauernde heim.
Der Morgen brach an. Da kam ein Gebot.
Sein König entbot ihn zu Schlachten und Tod.

Das hallte dem Jüngling, wie Stimme der Braut;
Ihm jauchzte die Seele so freudig, so laut!
Er flog zu den Streitern. Die siebente Nacht
Verrann kaum, so kam es zur donnernden Schlacht.

Wie schnoben die Rosse in schweflichtem Duft!
Wie rollten die sausenden Tod' in der Luft!
Sie saus'ten, sie rollten den Helden vorbei.
Nach Tausenden traf ihn ein freudiges Blei.

"Willkommen! Willkommen!" so rief er und sank -
"Willkommen! Willkommen!" und streckte sich lang
Auf thürmende Leichen im Felde von Graus,
Und hauchte die Seele, die ringende, aus!

Sie eilte dem Garten der Seligen zu!
Schön Hedchen war wach, und entjauchzte der Ruh'.
Sie jauchzt' ihm entgegen - "Mein Jüngling, so bald?" -
Ihr wären die Monden wie Stündlein verwallt.

Sie führt' ihn die duftige Laube hinein,
Und tränkt' ihn mit Wasser des Quells aus dem Hain.
Da schwand aus dem Herzen ein jeglicher Harm,
Da sank er ihr selig, wie selig! in Arm.

Nun schwebten die Geister des Himmels herbei,
Und freuten sich herzlich der glücklichen Zwei!
Sie stimmten die Herzen zu goldenem Klang,
Und sangen den himmlischen Treuegesang.

"Heil, Heil den Getreuen! Wie grünet ihr Kranz!
Heil, Heil den Verklärten! Wie hell ist ihr Glanz!
Die Treue währt länger als Unglück und Noth,
Siegt über des eisernen Schicksals Gebot.

Triumph! Dahinten sind Unglück und Noth!
Dahinten der eiserne grimmige Tod!
Heil! Heil den Getreuen! Nie welket ihr Kranz!
Es dunkelt sich nimmer ihr sonniger Glanz!"
(Band 6 S. 170-183)
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Salem und Sulamith
Heiliges Liebeslied
1782


Sulamith
Dich lieb' ich, mein Salem, dich lieb' ich vor allen.
Was könnte, was möchte wol sonst mir gefallen!
Dich hab' ich. Dich halt' ich. Dich will ich umfassen,
Will fest dich umschlingen, will nimmer dich lassen.


Salem
Geliebte, du wähnest, mich könnte nichts trüben,
Drum magst du wol herzlich, wol innig mich lieben.
Doch wenn sich der Himmel der Liebe mal trübte,
Wie stünd' es um's Lieben, du Inniggeliebte?


Sulamith
Wol ewiges Leuchten, wol ewige Wonne
Ist, Salem, dein Lieben. Doch hülle die Sonne
Der Liebe in Wolken. Laß stürmen und wehen.
Ich werde - wie leichtlich! - die Probe bestehen.


Salem
Geliebte, mein Lieben bringt köstliche Gaben.
Ach, magst wol so lieb um die Gaben mich haben.
Doch wenn ich die Gaben dir künftig verhielte -
Wer weiß, ob die brünstige Liebe nicht kühlte!


Sulamith
Ich liebe den Geber, ich liebe die Gaben.
Doch sollt' ich den Geber nicht lieber noch haben?
Laß fahren die Gaben! Laß schwinden die Freuden!
Das wird mich von dir, mein Erwählter, nicht scheiden.


Salem
Doch wenn ich in's Dunkel der Armuth dich stieße,
Und darben und zappeln und zagen dich ließe,
Nicht hörte dein Rufen, nicht hörte dein Schreien,
Dann würdest du wol dein Lieben bereuen!


Sulamith
Mein Salem, mein Heiland, so kannst du nicht wähnen.
Bist du nicht mein Seufzen, mein Schmachten und Sehnen?
Was frag' ich nach eiteln vergänglichen Schätzen?
Bleibst du mir, mein Reichthum, mein Seelenergetzen!


Salem
Doch wenn ich - erwäg' es, - beherz' es, o Seele -
Sprich, wenn ich der Ehre helle Juwele
Dir raubte, dich stürzte in Schmach und in Schande,
Dann rissen wol, Freundinn, die zärtlichen Bande?


Sulamith
Laß dräuen Verachtung und Schmähung und Schande!
Das reißt nicht die zärtlichen ewigen Bande.
Was acht' ich's, ob Menschen mich schmähen und höhnen,
Wenn Myrten der himmlischen Liebe mich krönen?


Salem
Ich glaub' es. Ich weiß es. Ich kenne dein Lieben.
Auch werd' ich so schmerzlich dich schwerlich betrüben.
Doch wenn ich, damit sich die Liebe bewährte,
Mit Ketten und gräßlichem Kerker dich schwerte,

Wo nimmer das dumpfige Dunkel verwallte,
Wo nimmer ein tröstendes Lächeln dir hallte,
Wo Schlangen und schwellende Nattern verweilten,
Und Eulen aus ängstlichem Schlummer dich heulten? -


Sulamith
O Salem, mein Salem, o würd' ich erfunden
So würdig, zu tragen in Kerker und Wunden
Die Ketten der Liebe, wie würd' ich sie küssen,
Und dichter an dich, mein Geliebter, mich schließen!


Salem
Doch wenn dir die Liebe nur Martern erweckte,
Und Tod mit hellfunkelnder Sichel dich schreckte -
Wie stünd' es, Geliebte, im Todesverzagen?
Dann würdest du wol dem Geliebten entsagen!


Sulamith
O Salem, mein Salem, das kannst du nicht wähnen.
Du kennest, du weißest mein inniges Sehnen.
Ach! würd' ich gewürdigt, so selig zu sterben,
Wie würd' ich die Palme mir jauchzend erwerben!

Ich würde mich fest um den Bräutigam schmiegen,
Und mächtig die Schrecken des Dräuers besiegen.
Ich würde nicht wanken vom Lieben und Glauben,
Wer wollte mein Leben, mein Lieben mir rauben?


Salem
Ich weiß es. Ich glaub' es. Ich kenne dein Lieben.
Auch werd' ich so schmerzlich dich schwerlich betrüben -
Doch wenn ich den Honig der Liebe dir gällte,
Den Rücken dir kehrte und fremde mich stellte,

Dann würden dich höhnen die jauchzenden Rotten.
Sie würden mit giftigem Lachen dein spotten.
Du würdest wol Anfangs dich härmen und grämen,
Bald aber des wankenden Liebsten dich schämen.


Sulamith
O Salem, mein Salem, du kannst nicht betrüben!
Das wüßt' ich - drum würd' ich nicht müde, zu lieben.
Ich würde dir folgen mit Seufzen und Sehnen.
Ich würde dich flehen mit blutigen Thränen.


Salem
Doch wenn ich nun weinen und flehen dich ließe,
Und zornig hinab zu der Hölle dich stieße,
Dann würdest du denken: Er hat mich verlassen!
Und drunten mit wüthigem Hasse mich hassen!


Sulamith
O Salem, mein Salem, das kannst du nicht wollen.
O Wehe! zur Hölle mich stoßen zu wollen!
Wie könnte mein Salem sein theures Versprechen,
Den Eid der Verlobung der Liebenden brechen!


Salem
Wer hat dir gelobet? Wer hat dich geliebet?
Verworfne, die stündlich mich bitter betrübet!
Ich liebe die Reinen. Ich segne die Frommen.
Doch Bosheit darf nicht vor mein Angesicht kommen.


Sulamith
Ist's möglich - mein Salem - ach! kannst du ergrimmen?
Wie beb' ich, wie zittr' ich der zürnenden Stimmen!
Sieh her, mein Geliebter, mein Kleid ist gewaschen.
Es ist ja im Blut der Versöhnung gewaschen.

Wer ist es, wes Blut hat der Liebe geflutet?
Wer hat mir Versöhnung und Frieden erblutet?
Wer gab sein Verdienst mir zur bräutlichen Seide?
Sein heiliges Leben zum Hochzeitgeschmeide?

Mein Salem, mein Retter, du kannst mich nicht hassen,
Dich hab' ich. Dich halt' ich. Dich will ich umfassen.
Ach sieh! wie ich ring' im Glauben und Lieben.
Ach! kannst du, ach! willst du im Ernst mich betrüben? -


Salem
Ich kann nicht. Ich will nicht. Es ist dir gelungen,
Unsterbliche Seele, du hast mich bezwungen.
Ich liebe dich ewig. Ich will dich nicht lassen,
Komm, Theuererrungne, komm, laß dich umfassen!


Sulamith
O Wonne, du Starke! O Liebe, du Süße!
Mich brennen, mich schmelzen die brünstigen Küsse!
Wie beb' ich! Wie fühl' ich die schlagenden Wellen
Den seligkeitflutenden Busen mir schwellen!


Salem
Sey treu, du Geliebte, sey treu bis an's Ende,
Bis daß ich den rufenden Boten dir sende.
Dann eil' und entreiß dich dem irdischen Harme,
Und wirf dich in meine heißharrenden Arme.

Dann sollst du von Antlitz zu Antlitz mich schauen.
Dann will ich dich ganz mir und ewig vertrauen.
Dann will ich dich kleiden in bräutliche Seide,
Dich schmücken mit festlichem Hochzeitgeschmeide.

Dann soll die Myrthe des Bundes dich kränzen,
Der Ring der Vertrauung am Finger dir glänzen;
Dann will ich den Kuß der Verlobung dir küssen,
Und Braut und Vermählte und Gattinn dich grüßen.


Sulamith
Ach Retter, ach eil' und entreiß mich dem Harme
Der langen Verbannung mit mächtigem Arme. -
Mich lüstet, dein seliges Antlitz zu schauen,
Und ganz mich und ewig dir anzuvertrauen.

Ach! eil' und entreiß mich dem nichtigen Tande.
Mich lasten, mich pressen die ängstenden Bande.
Mich dürstet, mich inniger an dich zu schmiegen,
Und wonneberauscht dir am Busen zu liegen.

Ich liebe dich ewig. Ich will dich nicht lassen,
Will täglich und stündlich dich dichter umfassen.
Ach! eil' und entreiß mich dem schmachtenden Harme,
Und nimm mich in deine heißharrenden Arme.
(Band 6 S. 203-212)
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An Rosa
Elegie
Wolgast. 1785

Eine Rose blühte. Sie war die schönste des Thales.
Ihre schwellende Brust überblitzte der Thau.
Ihre Blätter glühten im hellesten Purpur des Frühroths.
Ihr vollströmender Duft lockte den Wandrer herbei.
Jünglinge liebten die Holde. Des Thales blühendste Töchter
Hingen zärtlich an ihr, staunten erröthend sie an -
Aber sie starb. Ihr Purpur erblaßte. Ihr athmender Duftkelch
Lechzte, versiegte. Verwelkt wehten die Blätter umher.
Frühlinge wurden geboren, und Frühlinge starben. Der Rose
Uranfänglicher Stoff wallt' im Aether umher.
Da beseelte des Ewigen Hauch den wandelnden Urstoff,
Hauchte Stimm' und Gesang, Leben und Lieben ihm ein.
Eine Nachtigall ward er, die liederreichste des Thales.
Durch die Weiden am Bach scholl ihr schmelzendes Lied.
Liebende wandelten horchend am Bach', und inniger schlang sich,
Wenn die Sängerinn schlug, an den Verlobten die Braut. -
Einen Frühling sang sie. Und nun verwelkte der Frühling,
Und der Sängerinn Lied scholl nicht weiter am Bach.
Mit den sinkenden Blättern entsank sie dem Aste des Baumes,
Schwebete, wallender Staub, wieder zum Aether empor.
Frühlinge wurden geboren, und Frühlinge welkten. Noch immer
Kreis'te der Sängerinn Staub hoch im Aether umher.
Wieder beseelte des Ewigen Odem den kreisenden Urstoff,
Hauchte lebendigern Hauch, edlere Schönheit ihm ein.
Und er reift' empor zu einer unsterblichen Seele
Hellem Gewande, zu dir, edle Rosa, empor! -
Sieh, ein holdes Mädchen entblühte dem Staube, mit jeder
Herzgewinnenden Huld, jeder Güte begabt.
Traulich, wie Schatten, und züchtig, wie Veilchen,
und milde, wie Lenzthau,
Rein, wie der Lilie Kelch, süß, wie Narcissengedüft - -

Unter dem Auge des Himmels, und unter des irdischen Vaters
Zärtlich schirmendem Blick' knosp'te die Blum' empor.
Sechszehn Frühlinge flohn, und sechszehn Herbste verwelkten.
Jeder kehrende Lenz schwellte den knospenden Keim.
Und nun drängte die Reine in tausendblättriger Schönheit
Hocherröthend hindurch, düfteschauernd hervor.
Ihres Auges Stern umrieselte Bläue des Himmels.
Ihre Wangen umhaucht' leises Morgenroth.
Goldener Locken Geringel umfloß ihr die leuchtende Schläfe.
Leicht, wie Lüftchen des Hains, trat sie schwebend einher.
Jeglichem rührenden Laut der Lippen entbebt' Empfindung,
Und aus jeglichem Blick quoll die Seele hervor,
Ihre noch reine und unentheiligte Seele, des Schöpfers
Mildester Odemzug, einfach, edel und schlicht,
Unverkrümmt durch Thorheit, und unverdunkelt durch Launen,
Unerniedringt durch Wahn - nein, durch Demuth erhöht,
Durch Empfindung verschönert, veredelt durch Liebe zur Tugend,
Und durch Liebe zu dir, Vater des Lebens und Lichts.

Also blühte das Mädchen, und also wallt' es geräuschlos
Deinen blumigen Pfad, freudige Jugend, hinab.
Zween Abgründe belauern die Pfade des wandelnden Mädchens.
Einer der Eitelkeit, Einer des falschen Gefühls,
Aber sie täuschten sie nicht. Von Gottes Auge geleitet
Mied sie die Lockenden, ging graden sichern Pfad;
Dachte, doch ohne zu träumen; empfand, doch sonder Empfindelei;
Fühlte, doch handelte mehr; liebte, doch liebelte nicht;
Liebt' und wurde geliebt - O Tropfe der Seligkeit Gottes,
Allgeliebt, und werth, allgeliebt zu seyn!

Was beblümet die Pfade des Wallers? Was kühlet des Lebens
Brennende Schwüle? Was schafft Wetter zu Sonnenschein um?
Selig lächelnde Freundschaft, du thust es, du reichetest Rosen
Deinen goldenen Kelch perlenden Nektars voll.
Tochter des Himmels, du führtest dem Mädchen ein Mädchen entgegen,
Edel und fühlend, wie sie! zärtlich und liebend wie sie!
Und sie gewannen sich lieb mit unvergänglicher Liebe;
Wandelten Arm in Arm zwischen den Blumen der Flur;
Schmolzen Seel' in Seele bei jedem höhern Gedanken,
Jedem süßeren Bild, jedem regern Gefühl;
Spiegelten jegliche sich in ihrer Lieblinginn Antlitz;
Uebten in jeglicher Kraft, jeglicher Thätigkeit sich.
Also wallen auf himmlischen Fluren zwo ähnliche Seelen,
Trinken einerlei Kelch, athmen einerlei Duft.
Also wandelte Rosa an ihrer Amalia Armen.
Bis sie ein heißerer Arm ihrer Umarmung entriß,
Bis die Mitte des Bundes die goldenen Locken ihr kränzte,
Und das spätere Band Trennung dem frühern gebot.

Frühlinge blühten, und Sommer verreiften, und Herbste verwelkten,
Und auf Flügeln des Sturms stöberten Winter vorbei.
Und noch wallte, wie eine Erscheinung aus besseren Welten,
Reich an Tugend und That, Rosa auf irdischer Flur.
Hochauf wallte der Duft von ihrer Tugend. Zum Himmel
Rauschte die wogende Saat ihrer Thaten empor.
Aehre du neigst dein Haupt, von Segen Gottes belastet.
Reifende Frucht du entsinkst deinem Mutterast.
Also neigte sich Rosa, gereift zu besseren Welten,
Senkte öfter den Blick grabverlangend hinab.
Einen schimmernden Jüngling - es war der Engel des Mädchens,
Reiner und liebender hat keinen der Himmel gezeugt -
Sandte der Vater der Geister, die Tochter zu holen. Er schwebte
Um die Schlummernde her, flüsterte zärtlich ihr zu:
"Schwester, komm hinweg!" Da verronnen, wie rauschende Wogen,
Ihr die Sinnen. Ihr schwand Himmel und Erde hinweg.
Dichteres Dunkel umdämmert' ihr Auge. Festerer Schlummer
Ueberwältigte sie. Träume umwallten ihr Haupt,
Goldene Träume von Perlen und Kränzen und wehenden Palmen,
Von edenischer Ruh, von der Himmel Genuß.
Mit dem grauenden Morgen entfloh die entfesselte Seele,
Und ihr trümmernd Gewand ward in die Erde gesä't.
Blumen sprossen empor auf ihrem Rasen. Es klagten
Trauerharfen umher. Thränen thauten hinab - -
Und wenn meine Harfe nicht dann auf ewig verstummt ist,
Wenn das Licht des Gesangs meiner Seele noch glänzt,
Siehe, so raff' ich mich auf in meinen silbernen Locken,
Sing' ein heiliges Lied über der heiligen Gruft,
Daß ein Schauer des ewigen Lebens den Rasen umrausche,
Daß den schlummernden Staub süßerer Schlummer umfah.

Frühlinge welken zu hundert, und Herbste verrinnen zu tausend.
Reißend, donnernd und wild strudeln die Zeiten dahin -
Immer noch schlummert im Busen der Erde die heilige Asche,
Schwimmt im Sonnenstrahl, wiegt sich in wogender Luft. -
Aber nun hebt aus dem Schooße der Nacht sich ein ewiger Morgen,
Röthlich, feierlich, ernst, schön und schrecklich und hehr.
Gräber schwellen, und Urnen gebähren; aus rauschenden Feldern
Keimt unsterbliche Saat, flutet himmelempor - -
Welche himmlische Bildung, welch ein seliger Seraf
Steigt aus jener Gruft schimmernd und lächelnd hervor? -
Rosa, sey mir gegrüßt in deiner unsterblichen Schönheit.
Deinem Aug' entblitzt mehr denn sterblicher Glanz.
Mehr denn Röthe des Morgens bestrahlt dir die leuchtende Wange.
Mehr denn Westgeweh ringelt dein goldenes Haar!
Rosa, wo schwebest du hin? Durch welche Himmelreviere
Trägt dich dein Sonnenflug, leuchtender Seraf, empor?
Willst du baden im Strome des Lebens? des himmlischen Lichtes
Urquell trinken? Des Borns, welcher Vollendete tränkt?
Willst du suchen den Hain voll silberrieselnder Quellen,
Wo ins Quellengeräusch jubelt der Seligen Chor?
Willst du mengen dein jubelndes Lied in die Chöre der Feirer,
Weil, wie ihnen, auch dir Fülle der Seligkeit ward?
Fahre wohl, Geliebte! - Nun sind der Endlichkeit Fluten
Alle verflutet. Verrollt ist der Vergänglichkeit Bach.
Alle Zeit ist verschlungen, und alles Ende geendet.
Jedes Ziel ist errannt, jegliches Kleinod ersiegt.
Droben ist alles bleibend und alles dauernd, und alles
Fleucht geraden Flugs Adlerbahnen empor.
Droben wachsen die Töchter der Tugend von Schöne zu Schöne,
Klimmen von Kraft zu Kraft, reifen von Heil zu Heil,
Strömen alle vollendet zuletzt in der höchsten Schönheit
Allumarmenden Schooß allbeseligt zurück.
(Band 7 S. 3-15)
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Die Wehmuth der Erinnerung
1785

Schöner herbstlicher Tag, dunkel und schön zugleich!
Welches heimliche Weh, welche Melankolie
Weckt dein traurendes Lächeln
In des Jünglings durchstürmten Brust!

Welk ist jegliches Grün. Jeder Gesang ist stumm.
Jeder Schimmer ist blaß, jeglicher Saft verdorrt.
Laublos trauren die Bäume.
Einsam grämt sich das Blumrevier.

Wenig schwirrendes Laub, golden und roth gefärbt,
Wenig welkendes Laub schmücket die Laube noch,
Wo ich träumend und wähnend
An Odaliens Busen lag.

Abend war es. Der Mond flimmerte durch das Laub.
Blüthen bebten im Thau. Düfte umwallten uns.
Blühender, duftender, reiner
Saß Odalia neben mir.

Hingesunken an sie, innigst geschmiegt an sie
Träumt' ich seligen Traum, schmolz in Vergessenheit,
Bis das Flüstern der Blätter
Mich dem seidenen Traum' entriß.

Itzund flüstern sie nicht. Jedes Gelispel schweigt.
Jeder Jubel verhallt. Jedes Gedüft verweht.
Schlaff ist jegliche Sehne,
Leer der Köcher der Schöpferinn.

Jede Blüthe verweht, welche der Lenz gebar.
Jede Schöne verwelkt, welche dem Staub' entsproß. -
Doch die schönere Seele
Blüht unsterblichen schönen Lenz.

Ewig jugendlich blüht meine Odalia.
Jeden kehrenden Lenz schöner und blühender.
Jeden rollenden Aeon
Reiner, edler, vollkommener!

Ewig flammet die Gluth heiliger Simpathie.
Nie ermattet der Zug, welcher mich zu dir zog,
Meine Reine, als Ahndung
Deines Werthes mein Herz ergriff.
(Band 7 S. 16-18)
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An Odalia
1785

Unser Leben verwallt, meine Odalia!
Unser Jubel erstummt, unser Gejammer schweigt,
Wie ein Lächeln im Antlitz,
Wie ein Aechzen in weiter Luft.

Tage schmelzen wie Schnee, Monden wie Schloßen hin.
Jahre schwinden wie Hauch. Wieder verrollt ist eins,
Eins der schönsten, Geliebte,
Die mir schwanden im Schwung der Zeit.

Dich, Odalia, dich führte das freundliche
Schon verscheidende Jahr mir in den heißen Arm,
Dich, du Reine und Milde,
Dich, du holde Vertrauliche!

Manches selige mal sah es mich frei und froh
Dir und Minnen am Arm wandeln auf stiller Flur,
Zwischen Blumen des Frühlings,
Zwischen Herbstes Verwelkungen.

Manches leise Gefühl färbte die Wange dir.
Manches dämmernde Weh trübte dein blaues Aug'.
Säusel faßten dich, Milde!
Stürme Gottes mich Wilderen!

Selten haucht' ich es aus, was mir den Busen hob.
Selten riß es sich los, was mir im Herzen rang.
Denn ich hass', es zu sagen,
Was der Rede zu mächtig ist.

Ohne Red' und Gesang faßt uns der Edlere.
Auch mit Red' und Gesang faßt uns der Laue nicht.
Gleichbesaitete Herzen
Ahnden, suchen, erkennen sich.

Schweigend saß ich bei dir, meine Odalia,
Stumm und staunend bei dir unter dem Bogengang,
Im Gedämmer des Abends,
Im wehmüthigen Mondenschein.

Schweigend stand ich bei dir unter den grausigen
Burggewölben. Ihr wart, grausige Trümmer, mir
An Odaliens Busen
Ein kristallenes Feienschloß.

Schweigend sahst du mich einst, moosiger Golchaberg
- Durch den herbstlichen Flor weinte die bleiche Sonn' -
 Sahst mich glühend und schweigend
An Odaliens Seiten ruhn - -

Denk, Odalia, mein, wenn du auf Fluren wallst,
Wo ich wallte mit dir, unter dem Bogengang,
Durch die Flieder des Schlosses,
Auf dem heiligen Golchaberg.

Denk, Odalia, mein, bis du dich selbst verlierst,
Bis der Räuber dein Herz raubet, dem keins entrann -
Dann vergiß mich, Geliebte;
Denn ich hass' es, der Zweite seyn!

Mehr denn starrenden Frost, hass' ich den lauen Sinn.
Warm und weich ist mein Herz, trotzig und stolz dabei,
Tauscht nur Flammen um Flammen,
Wechselt Freundschaft um Freundschaft nur!

Innig giebt es sich hin, wo man sich wiedergiebt,
Schauert jähling zurück, fühlt es die Gluth verkühlt,
Bricht demantene Ketten,
Wie du Fäden versengst und brichst.

Dennoch will ich an dich denken, und bist du gleich
Längst erkaltet, noch lang' deiner Vortrefflichkeit,
Deiner Tugend und Schöne
Mich erinnern, Odalia! - -

Sey glückselig! Was ist wahre Glückseligkeit?
Reines Herzens zu seyn, schauen mit Ruheblick
In die Tage, die waren,
Und in jene, die künftig sind.

Sey glückselig! Was ist Menschenglückseligkeit?
Vollen Herzens zu seyn, off'ner und treuer Brust,
Thränen tauschen um Thränen,
Lieb' um Lieben, und Gluth um Gluth.

Sey glückselig! Was ist Wonne des Edleren?
Die glückselig zu sehn, welche ihm theuer sind. - -
Dis- und jenseit der Urne
Sey glückselig, Odalia!
(Band 7 S. 19-23)
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An Rosa
1787

Rosa, denkst du an mich? Innig gedenk' ich dein.
Durch den grünlichen Wald schimmert das Abendroth.
Auf den Wipfeln der Tannen
Rinnt das Säuseln des Ewigen.

Rosa, wärst du bei mir, säh' ich das Abendroth
Deine Wange beglühn, sähe den Abendhauch
Deine Locken durchrieseln -
Edle Seele, so wär' mir wohl!

Lieber lehn' ich an dir, als an der Einsamkeit
Trautem Busen. Mir klingt süßer der Flötenton
Deiner klagenden Stimme,
Als das Säuseln im Tannenhain.

Oft umfingst du mich, meine Holdselige,
Mit vertraulichem Arm, wenn ich an deiner Brust
Melancholischen Frieden
Schwärmens müde mich rettete.

Jedes leisere Weh, jedes verschwiegne Ach,
Das den Busen mir preßt, haucht' ich dir öfter aus,
Schöpfte freieren Odem,
Klomm heroischer felsenan.

Nie soll darum ein Freund meiner holdseligen
Rosa ermangeln, und nie Mild'rung ihrem Gram!
Nie sey trostlos ihr Leiden!
Ihre Urne nie blumenleer!
(Band 7 S. 33-34)
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Wallder und Oda
1788

Oda, Oda, meine Früherwählte,
Meine Lang'verlobte, meine Neuvermählte,
Meine Eine, Eig'ne, Einzige!
Horch, sie schlägt, die heißersehnte Stunde.
Ew'ge Weihe winket unserm Bunde.
Wonne wird der Sehnsucht schmachtend Weh.


Oda
Wallder, Wallder, welche süße Trauer
Ueberwölkt mich? Welche Wonneschauer
Ueberglühn dein Mädchen Guß auf Guß!
Ueberwunden, Wallder, überwunden
Sind der Treue schwüle Prüfungsstunden,
Und ich küsse dich mit Gattinnkuß!


Wallder
Also, Theure, bist du mein auf immer!
Mein für Zeit und Ewigkeit! und nimmer
Reißt mich Zeit und Ewigkeit von dir?

Oda
Dein, Geliebter, bin ich, dein auf immer!
Dein vor Welt und Himmel. Nimmer, nimmer
Trennen Welt und Himmel mich von dir!


Wallder
Aber Oda, meine Oda, sage:
Wirst du nach, wie vor dem Bundestage,
Mich auch lieben voll so lieb? so warm?


Oda
Wallder, Wallder, du mein Früherwählter,
Du mein Lang'gewünschter, du mein Neuvermählter,
Deine Frage weckt mir leisen Harm.

Ahndet' ich nicht deines Geistes Tugend
Schon im Knospen meiner Rosenjugend,
Schloß mich fest an dich, Geliebter, an?
Wies zurück des Heuchlers süßlich Heucheln,
Blickte Hohn des Schmeichlers ekelm Schmeicheln,
Hing an dir, du deutscher g'rader Mann?

Weiht' ich dir nicht meine schönsten Kräfte?
Dachte dein in meinem Taggeschäfte,
Dein, wenn Schlummer meine Wimper schloß?
Dein, sobald des Morgens Rosenschimmer
Mich umstrahlten? dein, wenn seine Flimmer
Blaß der Vollmond in mein Fenster goß?

O, wie oft, an deine Brust gesunken,
Und vom Kelch der Liebe wonnetrunken,
Sehnt' ich mich, erst ewig dein zu seyn!
Heute, heute hab' ich dich erwunden!
Und vollendet sind der Prüfung Stunden,
Und mein Wallder ist nun ewig mein!

Wallder, Wallder, du mein Theu'rerrung'ner,
Mein Nunganzumfang'ner, mein nun Ganzumschlung'ner,
Und du fürchtest, deiner Gattinn Arm
Werde minder innig dich umschmiegen?
Minder traut ihr Herz sich zu dir fügen?
Ihre Brust dir klopfen minder warm?

Wallder, nein! Mit jedes Morgens Sprießen
Will ich inniger mich an dich schließen!
Will mich näher dir, mein Edler, nahn!
Wie die Rebe um den Ulmbaum ranket,
Mit ihm steigt und mit ihm niederschwanket,
Will ich dich in Freud' und Leid umfahn.

Fest mich lehnend, Freund, an deine Rechte,
Will ich mit dir durch des Lebens Nächte,
Und des Todes Grauenthale gehn;
Nimmer von dir wanken, nimmer von dir lassen,
Dir am Busen athmen, dir im Arm' erblassen,
Dir zur Seite schlummern, mit dir auferstehn.


Wallder
Halt, Geliebte! Deine Lieb' und Treue,
Warm, wie Frühlingsodem, rein, wie Tempelweihe,
Uebermannet meine Männlichkeit.
Deine Lieb' ist stark, wie Mark der Jugend,
Seelelabend, wie der Wein der Tugend,
Unverletzlich, wie ein Altareid.

Welcher Friede, meine Vielgetreue,
Welcher Freuden ungebroch'ne Reihe
Harret mein an deiner treuen Brust!
Mögen Menschen und Verhängniß schmollen!
Mögen Stürme stürmen! Mögen Donner grollen!
Dir am Busen blüht mir Trost und Lust.

Dir am Busen wär' die Welt voll Mängel
Mir Elisium, der Mensch mir Engel
Und das Leben mir ein Jubelreih'n;
Wenn mich nicht der Nachtgedanke trübte,
Meine Oda, daß auch die Geliebte,
Und die sel'ge Liebe sterblich sey'n!


Der Dichter
Sollte Liebe mit dem Staube modern?
Ihre Flamme kerzengleich verlodern?
Ihre Blüthe Blättern gleich verblüh'n? -
Liebe, die in Herzensreinheit flammet,
Liebe, die aus bessern Welten stammet,
Mag nicht gar verlodern, mag nicht gar verglüh!

Zwar das Auge, das Empfindung blicket,
Zwar die Hand, die simpathetisch drücket,
Zwar der Mund, der Liebe lispelte, wird Staub.
Und der Unschuld helle Morgenröthe,
Und die Jugend, die Verschonung flehte,
Wird des mitleidslosen Würgers Raub.

Aber - Lichtgedanke! Wonneglaube! -
Aus des Aschenkruges stillem Staube
Windet sich ein lichter Funke los,
Schwingt sich über Grab und Grabestrümmer,
Ueber Aldabarans Flammenschimmer
In der ew'gen Liebe sichern Schooß.

Liebe rauscht in Edens hellen Palmen.
Liebe jubelt in des Serafs Psalmen,
Ueberblendet der Verklärung Glanz.
Lieb' ist Puls und Herz der Welten alle,
Schürzet Siebensterne, ballet Sonnenballe,
Flicht die Schöpfungen in Einen Kranz.

In des Kranzes duftigem Gewinde
Thronet Gott der Liebe, mild und linde.
Seine Braut ist die Unendlichkeit.
Seinem Liebesblick entglimmen Sonnen.
Seinem Inbrunstkuss' entsäuseln Wonnen,
Und umfluten seine Schöpfung weit und breit.
(Band 7 S. 50-56)
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Aus: Dichtungen von Ludwig Gotthard Kosegarten
Sechster und siebenter Band
Lyrische Gedichte erste Sammlung Erstes bis viertes Buch
Fünfte Ausgabe Greifswald
In der Universitäts-Buchhandlung 1824
 


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Gotthard_Kosegarten


 


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