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      Lilli Kraft  
      (um 1885) 
       
       
       
      Abschied 
      
       
      Warum Dich so schwer betrüben, 
      Daß ich jetzt muß von Dir geh'n? 
      Können Herzen, die sich lieben, 
      Meilenweit sich nicht versteh'n? 
       
      Sieh, der Wind leiht seine Schwingen 
      Und die Rose mir den Duft, 
      Liebend will ich zu Dir dringen 
      Mit den Wolken, durch die Luft. 
       
      Sollst nicht weinen mehr, nicht bangen, 
      Lächeln nur in sel'ger Lust, 
      Meine Arme Dich umfangen, 
      Und Du ruh'st an meiner Brust. 
       
      Und so will ich fort Dich tragen 
      In das Reich der Poesie, 
      Hinter uns das Land der Klagen, 
      Vor uns ew'ge Harmonie! 
      (S. 214) 
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      Frühlingstraum 
      
       
      Milde Frühlingslüfte wehen, 
      Fächeln mich mit süßem Hauch, 
      Frisches Grün sieht neuerstehen 
      Ringsum das entzückte Aug'! 
       
      Sieh, wohin der Blick nur schweifet, 
      Neues Leben, neue Lust, 
      Und mit sanftem Flügel streifet 
      Leis' der Lenz auch meine Brust. 
       
      Wecket drinnen Liebeswonne 
      Und vergang'ner Tage Lust, 
      Aller Schmerz ist sacht zerronnen, 
      Frei und leicht hebt sich die Brust. 
       
      Wie in sel'gem Traum befangen 
      Lausch' ich Deinen Melodien, 
      Blick' auf Deine blüh'nden Wangen, 
      Auf Dein leuchtend Auge hin. 
       
      Ach, aus Deinem süßen Liede 
      Floß für mich die Lenzesluft, 
      Und Du selber, Frühlingsblüte, 
      Streut'st um Dich den Zauberduft.
      (S. 214) 
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      Gedichte 
      aus: Deutsche Dichterin[n]en und Schriftstelerin[n]en
        in Wort und Bild 
        Herausgegeben von Heinrich Groß 
        III. Band Berlin 1885 
         
         
        Biographie: ... 
       
       
        
       
   
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