Justine Wilhelmine von Kruft (1773-1832) - Liebesgedichte

 

 

Justine Wilhelmine von Kruft
(1773-1832)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 



 

An die Sonne

Sonne! dein harrt mein Liebling; Eos öffnet
Ihm den glänzenden Blick, dich zu begrüssen;
Und du winkst, und Glorie füllt die Gegend,
Wonne das Herz ihm.

Aber es gilt dein Wink den Wesen allen,
Und du kannst ihm allein nicht Wonne geben;
Ihm allein, o Herrliche, kann ich lächeln;
Seliger bin ich!
(S. 261)
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Der Verlassene

In der menschenleeren Wüste,
Wo kein Pilger jemals büsste,
Wo kein Stral der Rettung schien,
Sank Fernando weinend nieder,
Graun durchfuhr des Jünglings Glieder,
Und Verzweiflung seinen Sinn.

"Ha! warum es länger dulden?
Zufall! ohne mein Verschulden
Hast du mich hieher gelockt!
Und was hindert mich zu enden?
Nichts kann ringsum Labsal spenden!
Jede Freudenquelle stockt!"

"Ja! mir ist, als ob es riefe:
In des Wogenstrudels Tiefe
Trinkst du Kühlung aller Pein!"
Und er eilte, von dem grauen
Felsenkap ins Meer zu schauen,
Stand, und sehnte sich hinein.

Und schon rief der menschenleeren
Wüstenei mit heissen Zähren
Er ein banges Lebewohl,
Als auf einmal in die seine
Aus den Klüften eine reine
Gleiche Trauerstimme scholl.

Denn die milden Götter riefen
Echo aus den Felsentiefen;
Sie versüsste sein Geschick.
Aus den herzverwandten Tönen
Quoll ihm Lindrung für sein Sehnen,
Und die Klage ward sein Glück.
(S. 262-263)
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Viele und Einer

Viele halten wir werth; doch Einer nur ist uns der Liebste.
Füllt nicht der Eine das Herz, wird es wohl nimmer erfüllt!
Wo der Eine mangelt, da sind auch die Vielen zu wenig;
Nur wo der Eine sich zeigt, scheint uns lebendig die Welt.
Unverständlich braust durcheinander die Stimme der Vielen;
Ein vernehmlicher Laut tönt aus dem dumpfen Gewirr.
Dämmernd in wankendem Lichte bewegt sich die wühlende Menge;
Aber den Einen erhellt immer ein freundlicher Stral.
Hat auch Mängel der Eine, wir sehn sie nur an den Vielen;
Doch ihre Tugenden sehn wir an dem Einen allein.
(S. 264)
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Das Hüttchen am Flusse

Wo des Flusses Wellen glänzen,
Steht ein Hüttchen, das mit Grün
Schlanke Pappeln friedlich kränzen,
Und des Flusses Wellen gleiten,
Und die hohen Bäume leiten
Still zum nahen Dörfchen hin.

Blühende Gewinde prangen,
Wo ein Ast sich tiefer beugt,
Und mit flammenrothen Wangen
Kommt ein Mädchen aus der Hütte,
Eiligfroh, mit raschem Schritte,
Immer, wenn der Tag sich neigt.

Sie durchfliegt der Bäume Reihen,
Dass sich aufgelöst umher
Ihre dunkeln Locken streuen,
Bleibt dann stehn mit leisem Lauschen
Bei des kleinsten Blattes Rauschen,
Säumt, und winkt, und athmet schwer.

Doch ergreift sie kaum dies Sehnen,
Zuckt ein Lächeln durchs Gesicht,
Und sie ruft mit süssem Wähnen:
"Kam er heut nicht, kommt er morgen.
Muss für neue Kränze sorgen!
Ewig blühn ja Blumen nicht!"

Ach! dort kam einst ihr Getreuer
Abends oft vom Dörfchen her.
Jeder Kuss war Bundesfeier!
Stunden flohn in Himmelsfreuden,
Und sie tröstete beim Scheiden
Immer sich der Wiederkehr.

In des Flusses Kühlung nieder
Taucht' ihr Trauter nach der Gluth
Eines Erntetags die Glieder.
Da ergriffen ihn die schnellen
Jach vom Sturm empörten Wellen;
Seine Kraft erlag der Fluth.

Wüthend fasste schon die Arme
Der Verzweiflung wilder Schmerz.
Ist kein Gott, der sich erbarme?
In des Wahnsinns buntem Weben
Strömt ihr plötzlich neues Leben
Heilend ins gebrochne Herz.

Nun zu Kränzen Blumen pflücken,
Dass sie wehn von jedem Baum,
So den Weg des Liebsten schmücken,
Ist ihr tägliches Beginnen.
Stets erneut den irren Sinnen
Freundlich sich der Hoffnung Traum.
(S. 265-267)
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Die Cyane

Stille Cyane, du der Saaten Pflegling,
Dicht umwallen dich rings die goldnen Aehren,
Schützen treu und liebevoll dein bescheidnes
Leben vor Stürmen!

Aber die Sense naht; die Freunde sinken!
O mit Freudigkeit beutst du nun dem Tode
Die azurne Krone! Wie möchte Liebe
Lieb' überleben?
(S. 268)
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Die Feengaben

Unter allen Gaben milder Feen
Würd' ich eine nur mir ausersehen,
Wären meinem Wunsch die Feen hold!
Nicht den Pfenning, der, dreimal gewendet,
Unermüdlich Gold in Fülle spendet;
Herzensglück ist ja nicht feil um Gold.

Niemals würden mich die Handschuh schmücken,
Die, kaum angethan, der Menschen Blicken
Schnell das träge Seelenkleid entziehn:
Denn in hundert Formen und Gestalten
Möcht' ich lieber um die Meinen walten,
Als nur einmal ihrem Blick entfliehn.

Auch das Tischtuch liess' ich ewig rasten,
Das mit Nektar Genien belasten,
Wenn man nur das Zauberwörtchen spricht.
Zwar es möchten manchem öden Magen
Die gefüllte Becher wohl behagen:
Aber das füllt Herzensöde nicht.

Meine Wahl verkündige dies Liedchen!
Fortunat, sie gälte deinem Hütchen:
Schnell, wie Blitze, trüg' es mich dahin,
Wo, vom Frühroth bis zum Abendschimmer,
Mein Gedanke weilt, und wo ich immer
Sehnsuchtsvoll im Traum der Hoffnung bin.
(S. 269-270)
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Glück des Herzens

"Sehnt sich das Herz nach Freud' und Ruh vergebens,
Solls, mit gläubiger Andacht Flug, gen Himmel
Feurig streben. Ewiger Wonnen Fülle
Wallt ihm entgegen."

"Dort, wo ein Tempel unermesslich aufragt,
Aller Völker vereinte Lobgesänge
Jubelnd schallen, tausendmal tausend Sonnen
Glänzen am Altar."

Aber das Menschenherz bleibt öd' im Weiten!
Einen silbernen Stral, statt tausend Sonnen,
Ein verschwiegnes Laubdach, und ein verwandtes
Liebendes Herz nur!
(S. 276)
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Gedichte aus: Lyrische Anthologie
herausgegeben von Friedrich Matthisson
Siebenzehnter Theil Zürich 1806


Biographie:

Justine Wilhelmine, Freiin von Kruft:
Diese Dichterin ist die Tochter des 1793 verstorbenen kaiserlich königlichen Hofraths, Adolf Freiherrn von K., der bei der Hof- und Staatskanzlei zu Wien angestellt war. Sie war 1773 daselbst geboren, erhielt eine ihrem Stande angemessene weibliche und wissenschaftliche Erziehung und lebte unvermählt den schönen Wissenschaften in ihrer Vaterstadt.
Ihre Dichtungen finden sich im 17. Bande der Anthologie von Matthisson, so wie im 6. Bande der Blumenlese von Haug und Weisser und in andern derartigen Sammlungen zerstreut, und zeichnen sich durch Geist, Gefühl und Anmuth günstig aus.

aus: Enzyklopädie der Deutschen Nationalliteratur von Oskar Ludwig Bernhard Wolff Dritter Band Leipzig 1838


 

 


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