Emil Kuh (1828-1876) - Liebesgedichte

Emil Kuh



Emil Kuh
(1828-1876)

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 





Deine Straße gingst du ...

Deine Straße gingst du
Und ich ging die meine,
Aber auf dem Kreuzweg
Trafen wir zusammen.

Und anstatt zu wandern
Bin ich steh'n geblieben
Und anstatt zu weilen
Bist du mitgegangen.

Ach, was soll das werden?
Fragst du dich im Stillen;
Was es schon geworden,
Sagt mir meine Seele.

aus: Dichterbuch aus Österreich
herausgegeben von Emil Kuh
Wien Carl Gerold's Sohn 1863 (S. 126)
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Es ruht mein Herz darin ...

Es ruht mein Herz darin,
D'rum bebt die Hand,
O, schließe die deine zu!
So ist es recht.

Und wenn ich dich küssen will,
Dann gieb sie frei
Und lege die deine fest
Um meinen Hals.

Und was du saugen kannst,
Das sauge fort,
Denn auf die Lippen sprang
Das glüh'nde Herz.

Und thu' die Augen zugleich
Mit meinen zu -
Und eh' die Seel' es ahnt,
Ist sie vertauscht.


aus: Dichterbuch aus Österreich
herausgegeben von Emil Kuh
Wien Carl Gerold's Sohn 1863 (S. 127)
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Armgeküßt gehst du von hinnen ...

Armgeküßt gehst du von hinnen,
Süßes, innigsüßes Weib!
Sprich', was wirst du jetzt beginnen
Mit dem seelenbaren Leib!

Schließ' dich ein in deine Kammer,
Einsam sei nach solchem Glück;
Unter stillem Liebesjammer
Kehrt die Seele still zurück.

aus: Dichterbuch aus Österreich
herausgegeben von Emil Kuh
Wien Carl Gerold's Sohn 1863 (S. 128)
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Zur Unzeit

Ein goldner Herbst, der mild den Sommer krönte,
Er schien die Brust mit Frieden zu durchdringen,
Das Herz begann unschuldig auszuklingen,
Was lang in ihm bald wild bald ängstlich tönte.

Doch eh' sich ganz die Seele sanft versöhnte,
Eh' sie vergaß, daß ihr bestimmt zu ringen,
Da wuchsen ihr zum Kampf erneu'te Schwingen,
Der Traum zerfloß, der rings die Welt verschönte.

Die Liebe kam, der wünschevolle Gast,
Der Alles weckt, was schläft, begehrt, was blüht,
Und jedes Glück in dunklen Rahmen faßt.

Ein herber Frühling zieht durch mein Gemüth,
Durch Thränen sieht das Aug' den welken Ast
Anstatt des Waldes, der reich in Farben glüht.


aus: Dichterbuch aus Österreich
herausgegeben von Emil Kuh
Wien Carl Gerold's Sohn 1863 (S. 129)
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In Ewigkeit

Sie hatt' ihn lieb, wie Keinen sonst
Im Leben,
Sie hatt' ihm Alles, was er bat
Gegeben.

Sie fühlte froh sich nur und reich
Im Schenken,
Sie kam zur Erde nur, um ihn
Zu denken.

Doch hatte kaum ein Mond ihr Glück
Gesehen,
Da faßte sie der Tod, mit ihm
Zu gehen.

Vorm Scheiden wollte sie nur Eins
Noch sagen,
Schon aber war das Pförtlein zu
Geschlagen.

Er lebte lang noch trüb und froh
Hienieden,
Es ward ihm lang noch Lust und Gram
Beschieden.

Der Todten Bild erschien ihm noch
Zu Zeiten,
Der Blick, in dem sie bat: Sollst mich
Begleiten!

Und als er starb und eintrat in
Den Himmel,
Durchschritt er bang der Sel'gen bunt
Gewimmel.

Und als sich endlich trafen sein
Und ihr Gesicht,
Da sprach sie nur das ird'sche Wort:
Vergiß mich nicht!

Dieß wollte sie vorm Scheiden noch
Ihm sagen;
Sie hatt' es durch die Ewigkeit
Getragen.

aus: Dichterbuch aus Österreich
herausgegeben von Emil Kuh
Wien Carl Gerold's Sohn 1863 (S. 130-131)
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Der Lenz geht um!

Ich sag' euch was: Der Lenz geht um,
Nehmt euch in acht, ihr Leute,
Er ist so heimlich still und stumm,
Als ging' er aus auf Beute.

Seid nur behutsam, wo er steht
Und blickt umher ein Weilchen,
Denn plötzlich, eh' ihr euch's verseht,
Schießt auf ein keckes Veilchen!

O, traut jetzt keinem alten Baum,
Weit eher noch den jungen,
Denn eine Knospe, wenn ihr's kaum
Noch ahnt, ist aufgesprungen!

Wer träumend wandelt durch ein Thal,
Der möge sich besinnen:
Die Lerche kann mit einem Mal
Ihr schmetternd Lied beginnen!

Auch müßt ihr mit Behutsamkeit
Ins Aug' der Mädchen schauen:
Gefährlich sind in dieser Zeit
Die schwarzen wie die blauen!

Ich sag' euch was: Die Lieb' geht um,
Nehmt euch in acht, ihr Leute,
Sie ist so heimlich still und stumm
Und sie geht aus auf Beute!

aus: Deutsche Lyriker seit 1850
Mit einer litterar-historischen Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen
Herausgegeben von Dr. Emil Kneschke
Siebente Auflage Leipzig Verlag von Th. Knaur 1887 (S. 468)
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Liebeslieder

I.
Ich sah viel schöne Augen,
Ich sah viel schöne Wangen,
Seit ich mein erstes Liebchen
In Knaben-Glut umfangen.

Ich sah viel schöne Mädchen,
Geschmückt mit selt'nen Gaben,
Seit ich mein erstes Liebchen
Vergessen und begraben.

Mir ist das Blut oft stürmisch
Zum Herzen hingedrungen,
Doch ward die rechte Saite
Wohl nimmer angeklungen.

Du kamst aus weiter Ferne,
Du zieh'st hinaus in's Weite:
Nun zittert und erklinget
Zum ersten Mal die Saite!

aus: Deutsche Lyriker seit 1850
Mit einer litterar-historischen Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen
Herausgegeben von Dr. Emil Kneschke
Siebente Auflage Leipzig Verlag von Th. Knaur 1887 (S. 467)
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II.
Nur ein Mal, Süße, möcht' ich Dich
Verliebt erröten sehn
Und hören ein "Ich liebe Dich!"
Mit Zittern eingestehn.

Ich selber wollt' es gar nicht sein,
Der dieses Glück genießt,
Nur schauen möcht' ich Dich allein,
Wenn Liebe Dich umfließt!

Wer sähe einen Engel schlicht
An sich vorübergehn
Und dächte nicht und wünschte nicht:
Ich möcht' ihn fliegen sehn!?

aus: Deutsche Lyriker seit 1850
Mit einer litterar-historischen Einleitung
und biographisch-kritischen Notizen
Herausgegeben von Dr. Emil Kneschke
Siebente Auflage Leipzig Verlag von Th. Knaur 1887 (S. 467-468)
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Frühling im Sommer

Das ist die schönste Stunde
Wo du mich still bewegst,
Gleich einer Himmelskunde
Mich rein und tief erregst;

Wo jede Frucht des Baumes
Zur Blüte sich verkehrt,
Und nur die Welt des Traumes
Die Wünsche wieder nährt;

Wo meinem Liebesdrange
Ein Blick zu reichlich lohnt!
Wo ich den Kuß verlange,
Doch wie das Kind den Mond;

Wo ich mit nichts mich quäle,
Mit allem freu', was ist,
Und selig mir erzähle,
Daß du auf Erden bist.

aus: Heidenröslein Lieder von Liebeslust und Frühlingsfreud'
Gesammelt von Dr. Karl Zettel
Zweite vermehrte Auflage
Stuttgart 1887 (S. 82)
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Biographie:

Kuh, Emil, wurde am 13. Dezbr. 1828 zu Wien von jüdischen Eltern geboren, studierte daselbst bis 1846 Philosophie, Welt- und Literaturgeschichte und übernahm im folgenden Jahr das Handelsgeschäft seines Vaters in Triest, das er aber 1848 wieder aufgab. Er trat in die Dienste der Nordbahn, schied jedoch 1857 aus diesem Verhältnis, um sich literarisch zu beschäftigen. Nach einem kurzen Aufenthalte in Berlin kehrte er 1858 nach Wien zurück, trat hier zum Christenthum über, leitete 1861 das Feuilleton der "Österreichischen Zeitung" und 1862 das der "Wiener Presse". Im Jahre 1864 erhielt er die Professur für deutsche Sprache und Literatur an der Wiener Handels-Akademie. Großes Verdienst erwarb er sich durch die Herausgabe der "Sämtlichen Werke" seines Freundes Fr. Hebbel.

D.: Drei Erzählungen. Troppau 1857
Gedichte. Braunschw. 1858
Dichterbuch aus Österreich (Anthologie) Wien 1863

aus: Deutsches Dichter-Lexikon
Biographische und bibliographische Mittheilungen über
deutsche Dichter aller Zeiten
unter besonderer Berücksichtigung der Gegenwart
von Franz Brümmer
Eichstätt Stuttgart 1876

siehe auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Emil_Kuh


 


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