Auguste Kurs (1815-1892) - Liebesgedichte

Auguste Kurs



Auguste Kurs
(1815-1892)

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 




Eh' des Frühlings milde Luft
Neues Leben weckt,
Ruht in Knospen tief versteckt
Aller Blüten Duft.

Eh' geküßt vom Sonnenstrahl
Blatt zu Blatt sich neigt,
Jedes Sängers Stimme schweigt
Rings in Wald und Thal.

Eh' der Liebe milder Hauch
In die Herzen drang,
Sind sie tot für Liebesklang
Und verschlossen auch.

Mit der Liebe kommt zumal
Sang und Leben auch;
Denn die Lieb' ist Lebenshauch,
Lenz und Sonnenstrahl.
(S. 45)
_____


Die Sehnsucht zieht uns immer in die Ferne,
Die weite Erde ist ihr nicht zu groß,
Zum Himmel auf und über alle Sterne
Fliegt heiße Sehnsucht mächtig, schrankenlos.

Nur ein Gefühl weiß lieblich uns zu trügen,
Die Liebe ist's, die uns am Leben hält,
In Liebe nur ist seliges Genügen,
Der Liebe wird der kleinste Raum zur Welt.
(S. 45-46)
_____


Wo nur dem Leben Lust erblüht,
Wo freudiger ein Auge glüht,
Wer nahet gleich? die Liebe!
Und wo ein Aug' in Thränen bebt,
Wo zagender ein Herz sich hebt,
Wer ist so nah, als Liebe?

Der Lust gesellt sich stets das Leid,
Doch ist dem Herzen nimmer weit
In Leid und Lust die Liebe -
Und wie so Tag auf Tag entweicht,
Verrinnt das ganze Leben leicht,
In Lust und Leid und Liebe.
(S. 46)
_____


So gehst du denn vorüber
Zu der bestimmten Zeit;
Das Auge wird mir trüber
Und seh' doch sonst so weit

Du weißt nicht, daß zwei Augen
Dir geben treu Geleit -
Was könnt' es uns auch taugen,
Wär' dir bekannt mein Leid?

Mir wird das Auge trüber
Und seh' doch sonst so weit -
Du gingst ja nur vorüber
Zu der bestimmten Zeit.
(S. 46)
_____


Du fragst, warum dem Bunde
So Glück als Frieden fehlt?
Das ist, weil ihn kein Glaube
Und kein Vertrau'n beseelt.

Wann wirst auch du erkennen,
Was ich schon längst bedacht,
Es ist auch hier der Glaube
Allein, der selig macht.
(S. 47)
_____


Meine Lust

Ich hab' meine Lust an dem frischen Grün,
An dem Flüstern und Rauschen der Blätter,
An der duftigen Blumen Sprossen und Blüh'n,
An der Lerche hellem Geschmetter.

Ich hab' meine Lust an der Sonne Glanz,
An der Sterne lichtem Gefunkel,
An der plaudernden Wellen flüchtigem Tanz
In des Waldes schattigem Dunkel.

Ich hab' meine Lust an des Zephyrs Hauch,
An des Taues perlendem Segen,
An dem Brausen des Meeres, dem Donner auch,
An dem Sturm und dem strömenden Regen.

Ich hab' meine Lust an der ganzen Natur,
An des Himmels Pracht und der Erden -
So hüt' ich mich still vor den Menschen nur,
Um nimmermehr traurig zu werden.
(S. 47)
_____


Frage nicht

Der eifrige starre Winter ist vergangen,
Es regt sich leicht der laue Frühlingswind,
Sein milder Hauch umfächelt meine Wangen,
Ich will den Langentbehrten froh empfangen
Und frage nicht: Woher, du Himmelskind?

Gewürz'ge süße Blumendüfte wehen
Mir hold entgegen in der Frühlingsluft,
Gleichviel, ob nah, ob fern die Blumen stehen,
Ob lang' sie blühen, ob sie bald vergehen,
Ich frage nicht, woher der süße Duft?

Und lieblich auf der Lüfte leichten Wogen
Ertönt von fern ein lockender Gesang,
Nachhallend kommt mir Ton auf Ton gezogen -
Gleichviel, von welchen Lippen er entflogen,
Ich frage nicht, woher der holde Klang?

Im Herzen auch, da regt sich's mild und leise,
Wie Frühlingshauch, wie Sang und Blütenduft,
Ich lausche, wie auf süß bekannte Weise,
Dahingegeben ganz dem Zauberkreise
Und frage nicht, welch' eine Stimme ruft.

Denn einzig Schweigen kann dem Glücke frommen;
Wo eines Schatzes blaue Flamme zückt,
Da wird er schweigend nur der Erd' entnommen,
Bevor das lichte Zeichen noch verglommen -
Drum frage nicht, sonst ist der Schatz entrückt.
(S. 48)
_____


Liebe

Wenn heimlich sich mit einem Mal
Die Liebe regt im Herzen dein
Mit bitt'rer Lust und süßer Qual -
Und glänzte Dir kein Hoffnungsschein,
Gesegnet bist du allemal,
Nur durch das eig'ne Herz allein.

Denn Lieb' ist nicht von dieser Welt,
Ist eine Blüte, gottgesandt,
Die von des Himmels lichtem Zelt
Herabgeschwebt, und wer sie fand
Und fest im treuen Herzen hält,
Dem blüht sie, bis sein Leben schwand.
(S. 49)
_____


Lieb' und Licht

Nimmer bist du trüb' und einsam,
Wenn die Liebe nicht gebricht,
Denn das Schönste hat gemeinsam
Stets die Liebe mit dem Licht.

Allerquickend, ungehindert
Dringt durch Herz und Welt ihr Glanz,
Und doch bleibt sie unvermindert
Eines stets, und voll und ganz.
(S. 49)
_____


Liebe

Die Lieb' ist eine Blüte,
Die fordert zum Gedeihn,
Daß man sie sorglich hüte
Und geb' ihr Sonnenschein.

---

Die Lieb' ist unersetzbar,
Ein Demant, feurig rein;
So wahre, was unschätzbar,
Im tiefsten Herzensschrein.

---

Ein Sternbild ist die Liebe,
Das leuchtend steht und klar
Hoch über'm Weltgetriebe,
Allzeit unwandelbar.

---

Umsonst ist alles Streben,
Sobald die Liebe fern,
Die Lieb' ist Glück und Leben,
Ist Demant, Blüt' und Stern.

---

Denn, was nur Blüt' im Lenze,
Verklärt sich zum Demant,
Daß es dem Alter glänze,
Ein Stern aus bess'rem Land.

---

Es gehn auf jedem Wege,
Viel Menschen hin und her
Doch scheinen mir die Straßen
Der großen Stadt so leer.

Kaum dacht' ich es zu merken,
In so belebter Stadt,
Daß nur ein einzig Wesen
Sie jetzt verlassen hat.
(S. 49-50)
_____


Im Lenz

Strömet hernieder, ihr duftenden Wogen,
Lüfte des Frühlings, strömet zu mir!
Wand'rer in Wolken, nach Süden gezogen,
Kehret zurück zum vertrauten Revier!

Knospen und Blüten, in zaub'rischer Schnelle,
Brechet aus Zweigen und Schollen hervor,
Perlend und schäumend, lebendige Welle,
Sprud'le aus üppigen Halmen empor!

Eisige Schauer und winterlich Zagen,
Flieht vor des Frühlings entzückendem Nahn!
Alles nun will ich dem Himmlischen klagen,
Was mir der Winter zu Leide gethan.
(S. 51)
_____


Erwachen

Die süße, laue Frühlingsluft,
Sie ruft die Blüten wieder
Empor aus dunkler Wintergruft,
Sie ruft auch meine Lieder.

Sie regen sich ganz leise schon,
Die allzulange schliefen.
Ich lausche dem bekannten Ton
In meiner Seele Tiefen.

Doch hör' ich immer nur ein Wort
Mir insgeheim erklingen,
Mein liebend Herz will fort und fort
Nur dich und Liebe singen.
(S. 51)
_____


Es ist Frühling geworden, du weißt es nicht,
Du birgst in den Händen dein Angesicht;
"Es ist Frühling", so flüstert der kosende Wind,
Und willst du nicht hören, du bleiches Kind?

Die Veilchen, sie duften's mit süßem Hauch,
Die schwirrenden Bienen, sie summen es auch,
Es singen die Vögel, es rauschet der Baum,
Es ist Frühling geworden in jeglichem Raum.

Und spürst du im Herzen, du bleiches Kind,
Nicht längst, wie die Wehmut in Wonne zerrinnt?
Schon hebst du die Blicke aus träumender Ruh' -
"Es ist Frühling geworden!" so jubelst auch du.
(S. 52)
_____


In deinem ganzen Leben
Berührt dich nur einmal
Der tiefen, wahren Liebe
Beseligender Strahl;

Und was du früher fühltest,
Was später dich erregt,
So war dein Herz nur ein Mal,
So wird's nie mehr bewegt.

Du kannst die Rose zwingen
Im Winter dir zu blüh'n,
Doch wird ihr Kelch dir nimmer
So wie im Lenze glühn,

Für alle süßen Klänge
Wird auch ein Echo wach,
Doch tönt es die Gesänge
Mit minderm Zauber nach.

So jede andre Liebe
Wird trotz dem äußern Schein,
Ein Echo nur der wahren,
Nur Ros' im Winter sein.
(S. 53)
_____


Hinaus

Es schwellen die Knospen, die Halme sprossen,
Die Wellen, die starr vom Eise gebannt,
So träg' unter hemmender Decke geflossen,
Hin strömen sie frei durch das grünende Land.

Und hoch in den Lüften, in sonniger Bläue,
Da wirbelt die Lerche ihr jubelndes Lied,
Daß der Frühling, der alte, der ewig neue,
Der Bote des Himmels, die Erde durchzieht.

Hinweg nun mit Denken, mit Sorgen und Sinnen,
Die Erde, das Leben, die Liebe erwacht!
Den Segen, die Freude, das Glück zu gewinnen,
Hinaus in des Frühlings verheißende Pracht!
(S. 53-54)
_____


Frühling

Aus der dunklen Erde drängen
Crokus sich und Anemon',
Der Kastanien Blätter sprengen
Ihre braune Hülle schon.

Volle Knospen zeigt der Flieder,
Und vom blauen Himmelszelt
Strahlt die Sonne goldig nieder,
Frühlingsodem füllt die Welt.

Schwellt die Knospen und die Herzen
Mit erneuter Lebenskraft -
Dank der milden Luft des Märzen,
Die so reiche Wunder schafft.

Und die Vögel zwitschern leise
Vom vergangen Winterharm,
Hoch in Lüften zieht die Kreise
Flügelschnell ein Taubenschwarm.

Und mit ihnen ziehn Gedanken,
Herz und Seele leicht empor,
Auf zum Äther ohne Schranken,
Bis zum goldnen Himmelsthor.

Bis uns Liebe, Lust und Hoffen,
Wie ein rosger Glanz umwebt,
Denn der Himmel ist noch offen,
Weil der Lenz herniederschwebt.
(S. 54-55)
_____


Im Lenz

Ist alles wonnig anzuschau'n,
Der Frühling schwebt hernieder,
Es schwellt in Knospen glänzend braun
Kastanien schon und Flieder;
Es steigt ein eigen frischer Duft
Aus dunk'ler Erd' herauf,
Und sieh: in sonnig blaue Luft
Schwingt sich ein Falter auf.

Der erste ist's in diesem Jahr,
Den ich in Lüften sehe,
Und es ergreift mich wunderbar,
Fast wie ein leichtes Wehe.
Jetzt ist ein Werden fern und nah,
Das ruft die Hoffnung wach,
Dem Falter, den das Auge sah,
Schwingt sich die Seele nach.

Doch wenn der Sommer schon verging,
Und rauh die Lüfte wehen,
Werd' ich den letzten Schmetterling
Im Herbste auch noch sehen?
Und schwingt sich meine Seele dann,
Beschloß ich still den Lauf,
Gleich wie der Falter himmelan
Zum ew'gen Frühling auf?

Wie es auch sei, mein ist der Tag,
Es schwebt der Lenz hernieder,
Ich sah, was nun auch kommen mag,
Ihn doch noch einmal wieder.
Und jede Knospe treibt und schwellt
Zu Blüten ohne Zahl -
Nichts Schön'res doch, als diese Welt
Im Frühlingssonnenstrahl.
(S. 55-56)
_____


Nachtigall

Horch! Im sanften Frühlingswehn
Singt im Busch die Nachtigall,
Singt mit wundersüßem Schall,
Und ich kann sie wohl verstehn.

Warum glaubt ihr - flötet sie -
Daß in stiller Dämmerzeit,
All' mein Sang voll Melodie
Nur dem Leid, dem Schmerz geweiht?

Ist nicht unbegrenzt mein Reich,
Leuchten hell nicht Mond und Stern?
Haucht die Luft nicht mild und weich,
Blühn nicht Rosen nah' und fern?

Und der schmelzend holde Klang,
Der dem meinen Antwort giebt,
Ist es nicht des Liebchens Sang,
Ist nicht glücklich, wer da liebt?

Also sang die Nachtigall
Mir im sanften Frühlingswehn -
Und gewiß, der süße Schall
Ist nicht anders zu verstehn.
(S. 56-57)
_____


Frühlingsahnung

Wer sagt, woher es kommen mag,
Der Winter ist noch nicht entflohn,
Allein es pocht mit leisem Schlag
Das warme Herz der Erde schon.

Im strengen Bann der Kälte stehn
Mit kahlen Zweigen Baum und Strauch,
Doch drüber schwebt, von fern gesehn,
Ein duftig zarter, grüner Hauch.

Es regt sich leise hier und da,
Ein frisches Hälmchen sproßt empor,
Es schlüpft, man weiß nicht, wann's geschah,
Vorzeitig schon ein Blümchen vor.

Und wenn sie auch vereinzelt blühn,
Damit es nicht der Winter merkt,
Und ist's auch lange noch kein Grün,
Das Aug' und Seele wieder stärkt:

Ein heimlich süßes Ahnen zieht
Durch alle Träume, Tag und Nacht,
Und ob ihn gleich noch keiner sieht,
Im Herzen ist der Lenz erwacht.
(S. 57-58)
_____


Frühlingslust

Schon grünen alle Sträucher wieder,
Die Lerchen wirbeln in der Luft,
Hellgoldig strahlt die Sonne nieder,
Ringsum ein Meer von Glanz und Duft.

Und weilst du noch in kalten Mauern,
Die Sinne und das Herz bedrängt,
Kannst du denn zagen noch und trauern,
Nun dich des Lenzes Hauch umfängt?

Dem ist unsagbar viel gegeben,
Den Gott nach öder Winterzeit
Noch einen Frühling läßt erleben
In aller blühnden Herrlichkeit.

Denn von der Wiege bis zum Grabe,
So oft sein Zauber sich erneut,
Ist er die schönste Himmelsgabe,
Die alle Wesen gleich erfreut.
(S. 58)
_____


Gekommen ist die gold'ne Zeit,
Gekommen sind des Frühlings Tage,
Schon öffnen sich die Knospen weit
Der Veilchen unterm Birkenhage.

Aus feuchter, lock'rer Erde dringt
Ein eigner Hauch, wie Blumendüfte,
Der erste, gelbe Falter schwingt
Sich schon in sonnig blaue Lüfte.

In jedem braunen Zweige schwellt
Des Frühlings neu erwachtes Leben,
Und auf zum lichten Himmelszelt
Mit Jubelsang die Lerchen schweben.

Nun spricht die Hoffnung hell und laut,
Es flüstert Sehnsucht heimlich leise,
Die Liebe regt sich süß und traut,
Und singt die alte Zauberweise.

Und ob getäuscht auch manches Mal,
Und ob sie lagen bleich danieder,
Der erste Frühlingssonnenstrahl
Weckt doch die alten Träume wieder.
(S. 58-59)
_____


Der Frühling ist im Wald erwacht
In stiller Nacht -
Nun keimt es und klingt es,
Nun blühet und singt es,
Wie kam's nur, woher all' die Wunderpracht?

Und wie der winterliche Wald,
So stumm und kalt
Hat mein Herze geruht,
Ohne Leben und Glut,
Der Freude Stimme verrauscht und verhallt.

Da ist die Lieb' in mir erwacht
In stiller Nacht -
Das knospet und blühet,
Das klingt und erglühet,
Verwandelt ist alles in zaub'rische Pracht.

Wer aber sagt, wie es geschah,
Daß fern und nah
Es klinget und glänzt,
Alles rosenumkränzt?
Ich weiß nur: Der Lenz und die Liebe ist da!
(S. 59-60)
_____


Liebesgruß

Maienglöckchen zart und fein,
Über Nacht entsprossen,
Läuten hell den Frühling ein,
Duft- und glanzumflossen.

Still am Fenster will ich stehn,
Lenzesfreudig lauschen
Auf der Lüfte sanftes Wehn,
Auf der Tannen Rauschen.

Horch! vom wald'gen Bergeshang
Streift der Wind vorüber,
Und es tönt wie leiser Sang,
Wie ein Gruß herüber.

Wär' ich, wo der Klang erschallt,
Wo die Tannen ragen!
Ob wohl mir das Grüßen galt,
Möcht' ich gerne fragen.
(S. 60)
_____


Frühlingshoffnung

Töne hell mein Frühlingssang,
In des Winters eis'gen Tagen,
Mag der Sturm mit schrillem Klang
Draußen an die Fenster schlagen.

Mag die Erde frosterstarrt
Mit dem weißen Tuch sich decken -
Drinnen ganz im Stillen harrt
Alles auf des Lenzes Wecken.

Ob der Vögel Lied verhallt -
Länger werden sie nicht schweigen,
Bis der öde, kahle Wald
Wieder prangt mit grünen Zweigen.

Knospen wird es dann und blühn,
Süßer Duft in Lüften wallen,
Alle Rosen werden glühn,
Flöten alle Nachtigallen.

Darum töne hell mein Sang,
Lenzesfroh in eis'gen Räumen!
Bis der Frühling naht, so lang
Will ich selig von ihm träumen.
(S. 61)
_____


Frühlingszuversicht

Die kleinen Blättchen halten's nicht
In brauner Knospe aus,
Sie sagen: "Jetzt ist uns're Zeit,
Jetzt müssen wir heraus.

Ob auch die Sonne bleich und matt,
Ob finst're Wolken dräun,
Der alten Erde müssen wir
Doch frische Blüten streun.

Auch hofft manch armes Menschenkind
Wie wir auf Sonnenschein,
Dem wollen wir mit unserm Grün
Ein gutes Zeichen sein."

Und wie sie das geflüstert kaum,
Entfalten sie sich schnell,
Und lächelnd strahlt sogleich herab
Die Sonne warm und hell.

Und in der Menschen Herzen zieht
Die Hoffnung süß und licht,
Die grünen Blättchen wecken rings
Die Frühlingszuversicht.
(S. 61-62)
_____


Frühling

In blauen Lüften gaukelnd schwebt
Der gelbe Falter auf und nieder,
Im Süd' die treue Schwalbe hebt
Zum Heimwärtsfluge das Gefieder.

Das Frührot küßt mit lichtem Strahl
Die Höhn, da plaudert's frisch und munter,
Die klaren Wasser allzumal,
Sie stürzen schäumend sich bergunter.

Die Knospen, glänzend braun und grün,
Im warmen Sonnenschein erbeben,
Sie träumen heimlich schon vom Blühn,
Der Frühling lockt zu Licht und Leben.

Er naht sich hold wie immerdar,
Die zarten, weißen Blütenflocken,
Er streut sie auf das Silberhaar,
Wie auf der Jugend dunkle Locken.

Im jungen Herzen ruft er wach
Die Hoffnung auf des Lebens Kränze,
Dem Alter dämmert allgemach
Erinn'rung an entschwund'ne Lenze.

Ein wonnig süßer Schauer bebt
Im Frühlingshauch durch alle Räume;
Denn Hoffen und Erinnern webt
Uns allezeit die schönsten Träume.
(S. 62-63)
_____


Was streift mir am Fenster mit goldenem Schein
Und glänzt auf den eisigen Scheiben?
Du liebe Frau Sonne, ach komm doch herein
Und wolle den Winter vertreiben.

Wir wollen vergessen, daß traurig und lang
Du Leben und Licht uns genommen,
Wir wollen dich grüßen mit fröhlichem Klang,
Mit herzlichem, hellen Willkommen.

Schon thauen sie hier vor dem goldenen Schein,
Die Blumen der eisigen Scheiben,
Du liebe Frau Sonne, so komm doch herein
Und wolle den Winter vertreiben.
(S. 63)
_____


Frühlingshoffnung

In all' den Regengüssen
Seh' ich des Frühlings Thau,
In schneebedeckten Fluren
Die blütenweiße Au'.

Mir ist der kalte Nebel
Wie künft'ger Blumen Duft
In all' dem rauhen Wehen
Verspür' ich Frühlingsluft.

Ich ahne hinter Wolken
Der Frühlingssonne Schein -
Ist in mir Lenz und Hoffnung,
Mag draußen Winter sein.
(S. 64)
_____



Ja, nun ist alles gut und schön,
Nun ist der Lenz gekommen,
In Wald und Thal, auf Flur und Höhn
Ist schon sein Ruf vernommen.

Die Luft mit schmeichelnd mildem Hauch
Hält Alles rings umfangen,
Sie löst das braune Blatt vom Strauch,
Das noch vom Herbst gehangen.

Und frisches Grün entsproßt zugleich
Vom zarten Flaum besponnen,
Ein Grüßen schallt von Zweig zu Zweig
Im goldnen Strahl der Sonnen.

Eichhörnchen gleitet scheu und flink
Auf knospenreichem Baume,
Da fliegt der erste Schmetterling
Im sonnig hellen Raume.

Die Lerche hat in lichte Höhn
Schon ihren Flug genommen,
Ja, nun ist Alles gut und schön,
Nun ist der Lenz gekommen.
(S. 64-65)
_____



Immer laßt die Stürme toben,
Laßt die weißen Flocken wehn,
Wendet nur den Blick nach oben,
Trost und Hoffnung zu ersehn.

Ob der Herbst die Blätter gelbe,
Wintereis die Scheiben malt,
Ist die Sonne doch dieselbe,
Die am Frühlingshimmel strahlt.

Die mit alter gleicher Treue,
Was in Knospen tief versteckt,
Daß sich Herz und Aug' erfreue,
Auf zu blüh'ndem Leben weckt.

Die mit gold'nem Sonnenstrahle,
Der uns jetzt nur lockend streift,
Auf den Höhen, wie im Thale
Uns die süßen Früchte reift.

Darum auf den Blick gehoben
Von dem eisumstarrten Land,
Denn die Sonn' am Himmel droben
Ist des Frühlings leuchtend Pfand.

Mag der Lenz auch lange zaudern,
Länger als du still gedacht,
Eh' die Quellen munter plaudern,
Maiengrün die Flur erwacht,

Eh' die weißen Blütenflocken
Lieblich deinen Pfad bestreun,
Süß die Nachtigallen locken,
Lust und Liebe zu erneun.

Eines Morgens wirst du sonnig
Gold'ne Strahlen um dich sehn,
Und die Luft wird mild und wonnig
Frühlingshauchend dich umwehn.

Alle Augen werden helle,
Alle Herzen werden glühn,
Und in zaubergleicher Schnelle
Wird es duften rings und blühn.

Trug und Täuschung kommt auf Erden
Immer von den Menschen nur,
Beides kann dir nimmer werden,
Hoffst du treu auf die Natur.
(S. 65-66)
_____



In den duftenden Frühling will ich hinaus,
Hinweg aus dem kalten, beengenden Haus
In die freie verlockende Weite.
Was soll mir der Bücher verdrießlicher Kram,
Die ich immer und immer vergeblicher nahm,
Ich werfe sie freudig zur Seite.

Denn find' ich nicht draußen der Blätter genug?
Da schimmert geheimnißvoll jeglicher Zug
Von des Ewigen eigenen Händen -
Das wieget die übrigen Lettern wohl auf,
So will ich denn auch in geflügeltem Lauf
Von dem einen zum andern mich wenden.

Da bin ich nun draußen und blicke umher,
Wie wird das Studieren schon wieder mir schwer
Hier unter den blühenden Bäumen!
Sie senden schon Blüte auf Blüte mir zu,
So will ich hier rasten in seliger Ruh',
Und will nur genießen und träumen.
(S. 66-67)
_____


Lenzesfrische

Frisches Laub bedeckt die Bäume,
Frisches Grün die weite Au',
Und es glänzt auf frischen Blumen
Perlengleich der Morgenthau

Lieblich ist es, wenn die Erde
Frisch erwacht aus Winters Ruh',
Und der ersten Blüte neigen
Wir am freudigsten uns zu.

Erste Freude, wie so mächtig
Sie das volle Herz erregt,
Wie die erste Frühlingshoffnung
Zauberisch die Brust bewegt.

Erste Liebe, wie so selig
Nahet sich dein Lenzestraum,
Wie so frisch, so morgenkräftig
Füllest du des Herzens Raum.

Frische Jugend, oft so plötzlich
Hört dein Frühlingsschimmer auf,
Aber ewig unvergessen
Bleibst du in des Lebens Lauf.

Möchte nimmer ersten Wünschen
Ferne die Gewährung sein,
Denn es bleibt dem ganzen Leben
Nichts als der Erinn'rung Schein.

Nur ein Wiederschein der ersten
Frischen, frühlingsgleichen Lust
Giebt noch in den spät'sten Tagen
Hellen Frühlingstraum der Brust.
(S. 67-68)
_____


Frühling

Und wieder ziehn am Himmelsbogen
Die hellen Frühlingswölkchen her,
Gleich Schwänen kommen sie gezogen
Vom Süd auf blauer Lüfte Meer.

Und mit den Wolken kehren wieder
Die Schwalben auf der luft'gen Bahn
Getreu zum gleichen Dach hernieder,
Wie sie vor Jahren schon gethan.

Sie zwitschern hell nach alter Weise
Vom Winter in der Wüste Sand,
Von ihrer pfeilgeschwinden Reise
Zur Heimat über Meer und Land.

Nun schwirren Käferchen und Immen,
Die Wellen plaudern fort und fort,
Es einen sich viel tausend Stimmen
Zu einem jubelnden Akkord.

Jedwede glänzend braune Hülle
Der grünen Blättchen ist gesprengt,
Unzählbar ist der Blume Fülle,
Die sich aus duft'ger Erde drängt.

Es klingt aus goldner Bläue nieder
Und auf zum Äther fern und nah
Und hallt in jedem Herzen wieder:
Der Himmelsbote, er ist da!

Nach langer, banger Wintertrauer
Aufatmet alles, was da lebt,
Es ist, als ob ein Wonneschauer
Die ganze Frühlingswelt durchbebt.

Als ob ein eigner Zauber walte
In wundersel'ger Maienzeit,
Daß sich das Alte neu gestalte
Zu nie geahnter Herrlichkeit.

Natur, die reiche, ewig treue,
Dasselbe beut sie jedes Jahr,
Doch jeder Frühling macht auf's neue
Die alten Wunder offenbar.
(S. 68-69)
_____



Der laue, süße Duft des Märzen
Steigt aus elastisch weichem Pfad
Und Freude regt sich tief im Herzen,
Daß wiederum der Frühling naht.

Die Knospen bräunen sich und schwellen,
Manch grünes Hälmchen sproßt heran,
Der Himmel schaut mit tausend hellen,
Lichtweißen Wölkchen hold mich an.

Weit öffnen will ich Herz und Augen
Und frisch mit allen Sinnen nun
Die Lebenswonne in mich saugen,
Nicht zwischen engen Mauern ruhn.

In Wies' und Wald, in Berg und Thale
Soll mich umwehn des Frühlings Hauch,
Und wär' es nun zum letzten Male,
Grüß' ich mit gleicher Lust ihn auch.

Ihm danken will ich aller Orten,
Daß er so oft mich hocherfreut,
Daß, öffnen sich des Grabes Pforten,
Er Blumen noch darüber streut.
(S. 70)
_____


Sichere Hoffnung

Laß die Winterstürme toben
Wild vom eis'gen Norden her,
Brausend über Land und Meer -
Mutig nur das Haupt gehoben.

Hinter grauer Wolkenhülle
Strahlt des Himmels leuchtend Blau,
Und die schneebedeckte Au'
Birgt des reichsten Segens Fülle.

Einmal reißt der Nebelschleier
Und der bleiche Schnee zerrinnt,
Still, geheimnisvoll beginnt
Über Nacht die Frühlingsfeier.

Alles, was dem Blick entzogen,
Sonnenglanz und Blütenpracht,
Siegesfreudig auferwacht
In der milden Lüfte Wogen.

Keine Hoffnung, die auf Erden
Der Erfüllung so gewiß -
Wintersturm und Leid vergiß,
Denn es muß ja Frühling werden.
(S. 70-71)
_____


Immer treu

Dank dir, gute Mutter Erde!
Weckend tönt des Schöpfers "Werde"
Dir in jedem neuen Jahr,
Und du bringst mit alter Treue
Nach dem Winter stets aufs neue
Uns das Grün der Hoffnung dar.

Was an Glück und Glanz das Leben,
Was die Menschen uns gegeben,
Muß erbleichen und verblühn -
Als der Erde letzte Gabe
Sproßt verheißend aus dem Grabe
Wiederum der Hoffnung Grün.
(S. 71-72)
_____


Alte Liebe

Und weißt du, wer mein Liebster ist?
Das ist der Frühling hold,
Mit seinem sonnig heitern Blick,
Mit seiner Locken Gold.

Sobald er nur die Knospen weckt,
Ist auch mein Herz erwacht,
Und meine Lieb' erblüht zugleich
Mit aller Blumen Pracht.

Das arme Herz, so lang erstarrt,
Es thut sich fröhlich auf,
Und schwingt mit jeder Lerche sich
Zum Himmel hoch hinauf.

Und was vom Erdenleid und Weh
Die Seele mir bedrängt,
Es löst sich, wenn der Frühling mich
So lind und weich umfängt.

Er giebt mir wieder Fried' und Ruh,
Wie rechte Liebe muß,
Drum bin ich aller Freuden voll
Beim ersten Frühlingsgruß.
(S. 72)
_____


Warum?

Immer drängt es mich aufs neue,
Lenz und Liebe zu besingen,
Daß mein ganzes Herz sich freue,
Wie dereinst am hellen Klingen.

Spür' ich doch des Frühlings Segen
In der weichen Luft Gekose,
Glüht mir Liebe doch entgegen
Wonnig süß aus jeder Rose.

Warum soll ich nun verschweigen,
Daß so Schönes mir enthüllt,
Nicht den Dank, die Freude zeigen,
Die mir Herz und Seele füllt?
(S. 73)
_____


Einverständnis

Azurblau und golden spannt
Sich der Himmel über mir
Lächelnd aus, das ganze Land
Ist des Frühlings Lustrevier.

Wieder hat die milde Luft
Lind und schmeichelnd mich umhaucht,
Wieder in ein Meer von Duft
Haben Blüten mich getaucht.

Dank für jeden Sonnentag,
Aller Blumenaugen Gruß,
Dank für jeden Lerchenschlag,
Jedes Zephyrs süßen Kuß.

Ist mir's doch, wenn Frühlingslust
Leis' in Herz und Seele dringt,
Gleich als ob aus tiefster Brust
Hell ein Echo wiederklingt.

Gleich als schöpft' ich frischen Mut,
Der im Winter trüb entwich -
Wir verstehn uns gar zu gut,
Dieser holde Lenz und ich.
(S. 73-74)
_____


Trost im Lenz

Die Schwalben kommen! Wo wäre das Haus,
In dem der Ruf nicht fröhlich erschallt?
Wie sähe es wohl in dem Herzen aus,
In dem er weckend nicht wiederhallt?

Und wessen Auge zu schauen vermag,
Das sprossende Grün mit weilendem Blick,
Weß' Ohr noch ergötzt der Lerche Schlag,
Der preise im Stillen sein gutes Geschick.

Denn ob ihm auch einmal die Hoffnung verschwand,
Er kann nicht versinken in Kummer und Leid -
Die Erd' und der Himmel im Frühlingsgewand,
Die halten ihm Tröstung und Freude bereit.
(S. 74)
_____


Frühlingsstürme

Was braust um Dächer und Türme
Und jagt von Ort zu Ort,
Was schüttelt den Schnee von den Bäumen,
Erweckt sie aus Schlaf und Träumen?
Das sind des Frühlings Stürme,
Die treiben den Winter fort.

Sie treiben den finstren Gesellen
Hin über Wald und Flur,
Der Berge Schluchten und Spalten,
Die sollen gefangen ihn halten,
Der Tag soll sich erhellen
Und herrschen der Frühling nur

Er regt schon die luftigen Flügel
Zur heitren Wiederkehr,
Und süß von fern schon dringen,
Wie Sturm und Brausen verklingen,
Weit über Thal und Hügel
Die Düfte von Blumen her.

Auf ragen nun Dächer und Türme
Im goldnen Sonnenschein -
Die dräuenden Wolken verschwimmen,
Es jubelt von tausend Stimmen,
Gesegnet die wilden Stürme,
Sie lockten den Lenz herein.
(S. 74-75)
_____



Des Frühlings Odem weht voll Duft,
Die frischen Knospen treiben,
Die Lerche singt aus blauer Luft,
Wer kann da traurig bleiben?

Du warmer, goldner Sonnenschein,
Nach so viel eisgen Tagen
Dringst Du mir tief in's Herz hinein
Und läßt es freudig schlagen.

Hinaus in Luft und Sonnenglanz,
Wo lodernd sich erschließen
Die Blüten all' in reichem Kranz,
Den Frühling zu begrüßen.

Wer weiß, ob ich noch Leben hab',
Wenn wieder Rosen glühen
Und ob nicht schon auf meinem Grab
Die nächsten Veilchen blühen.

Will denn der Erde Auferstehn
Mich an das Scheiden mahnen?
Hab' dennoch Dank, du Frühlingswehn,
Mich stört kein trübes Ahnen.

Und wär es so und sollte sich
Mir auch kein Lenz erneuen,
So will ich doch des letzten mich
Gleich wie des ersten freuen.
(S. 75-76)
_____


Frühling

Sonnenschein dringet ein
In der dunklen Erde Schollen,
In die braunen, knospenvollen
Baumeszweige, dringt mit Lust
In der Vögel kleine Brust,
In der Menschen Herz und Augen,
Voll bereit ihn einzusaugen;
Füllet Alles, Erd' und Luft,
Wonnereich mit Frühlingsduft.

Frühlingsduft! In die Gruft
Soll mir noch dein Odem dringen,
Wenn auf lauer Lüfte Schwingen
Lieblich du hernieder schwebst,
Erd' und Herzen neu belebst.
Muß im Grab das Aug' ich schließen,
Sollen Blumen dort entsprießen,
Grüßen dich viel tausend Mal
Goldner Frühlingssonnenstrahl!
(S. 76-77)
_____


Frühlingsabschied

Der Frühling schwand, und vielgestaltig
Wie seine Lust ist nun das Leid,
Viel tausend Blättchen mannichfaltig
Verwehn mit ihm für alle Zeit,

Der Frühling, das ist süße Mahnung,
Der Träume und der Hoffnung Reich,
Ist Sehnen, Wunsch und Liebesahnung
Und ist Genügen doch zugleich.

Das sind viel tausend Maienglocken,
Die läuteten den Frühling ein,
Viel tausend helle Blütenflocken,
Die schimmernd weiß den Pfad beschnein.

Das sind viel tausend junge Rosen
Auf morgenfrischer grüner Au',
Umschmeichelt von der Lüfte Kosen,
Von Duft erfüllt und Perlenthau.

Der Frühling - das sind Lust und Lieder
Von Baum zu Baum der Sänger Gruß,
Das ist der Himmel, der sich nieder
Zur Erde senkt im Liebeskuß.

Das ist des Paradieses Wonne,
In eines Menschenherzens Raum,
Bis vor des Sommers glühnder Sonne
Verschwunden Liebe, Lenz und Traum.
(S. 77-78)
_____


Wiedersehn

Du tratest zu mir in das Zimmer -
Fremd war mir die hohe Gestalt -
Du grüßtest bewegt mich und leise,
Ich dankte gemessen und kalt.

"So mahnt dich kein einziges Zeichen,
Das dir in Erinnrung blieb,
So hast du mich gänzlich vergessen,
Mein armes, verlorene Lieb?"

Die seltsame Klage berührte
Noch unverstanden mein Ohr,
Doch fühlt' ich mich eigen durchschauert
Und blickte betroffen empor.

Es traf mich aus forschendem Auge
Ein lieber, vertrauter Strahl -
Da löste dem Blick sich das Rätsel,
Nun wußt' ich's mit einem Mal.

Und lange, verflossene Jahre,
Sie sanken plötzlich zurück -
Vor dem Auge, von Thränen umschleiert,
Auf tauchte der Jugend Glück.

Da glänzten des Flusses Wellen
Im Morgen- und Abendschein,
Und wieder von Hoffen und Träumen
Beseligt schaut' ich hinein.

Von Träumen, aus luftigen Fäden
So schimmernd, so leicht gewebt,
Von Hoffen, wie Wolken und Wellen,
Im Hauche des Windes entschwebt. -

Das ist nun verrauscht und verflogen,
Wir beide sind lang erwacht -
Oft hab' ich in einsamen Stunden
Der alten Zeiten gedacht.

Dann war es mir immer, als müßte
Zum Ende noch eines geschehn,
Als müßten wir Auge in Auge
Noch einmal uns wiedersehn,

Als müßte die Brücke sich bilden
Von damals herüber zu heut -
Und siehe, nun warst du gekommen
Und hast mir das Herz erfreut.

Das schlägt nun friedlich und stille,
Auch wenn es in Dämmerung träumt;
Denn jetzt ist der Abschied genommen,
Der damals so traurig versäumt.
(S. 134-135)
_____


Verloren

Ich habe gekannt ein süßes Lied
Und habe verloren die Weise,
Nur manchmal ein Klang durch die Seele zieht
Ganz leise, leise.

Im lauen Wehn zur Frühlingszeit,
Wenn die Lerche wirbelt im Kreise,
Da tönt es herüber von ferne weit
Ganz leise, leise.

Wenn Wandervögel gen Süden hin
Entschweben auf luftigem Gleise,
Dann hallt es verlockend durch Herz und Sinn
Ganz leise, leise.

Wo weiße Rosen vergessen blühn,
Die Müden sich ruhn von der Reise,
Da flüstert es unter den Halmen grün
Ganz leise, leise.

Und wo die Tannen voll Kerzenpracht
Süß duften trotz Schnee und Eise,
Da klingt es in heiliger Weihenacht
Ganz leise, leise.

Und da, wo die Liebe die Liebe fand
In des Lebens verrinnendem Kreise,
Da schallt es wie Grüße aus besserem Land,
Ganz leise, leise.

So lausch' ich und suche nun sehnsuchtsbang
Die alte, verlorene Weise
Und höre doch nichts als den Echoklang
Ganz leise, leise.
(S. 220-221)
_____


Wiedersehn

Ob wir uns wiedersehn?
Ob ich der Zukunft noch Freuden entringe,
Oder ob einst nur Erinn'rung sie bringe,
Ob wir uns wiedersehn?

Wie wir uns wiedersehn?
Soll ich es fürchten mit ahnender Trauer,
Soll ich es hoffen mit freudigem Schauer,
Wie wir uns wiedersehn?


Wann wir uns wiedersehn?
Ob wohl die Wange noch jugendlich blühet,
Ob wohl das Herz noch so mächtig uns glühet,
Wann wir uns wiedersehn?

Wo wir uns wiedersehn?
Ob noch auf Erden im Glanze des Lebens,
Ob in der Heimat am Ziele des Strebens -
Dich muß ich wiedersehn!

---

Das war ein Wiedersehn!
Ohn' es zu wünschen und ohn' es zu hoffen,
Haben wir flüchtig einander getroffen -
Das war ein Wiedersehn!

Wie war das Wiedersehn!
Nicht wie wir träumten, mit schnelleren Schlägen
Führte das Herz uns dem Herzen entgegen,
Wie war das Wiedersehn!

Wann war das Wiedersehn!
Wir und das Leben, wie anders gestaltet,
Alle die Flammen der Liebe erkaltet -
Wann war das Wiedersehn!

Wo war das Wiedersehn!
Hier noch auf Erden im täuschenden Leben,
Ach, nach verfehltem, vergeblichen Streben
Mußt' ich dich wiedersehn!

Mußt' ich dich wiedersehn!
Von dem vergangnen, entzückenden Lieben
Wäre ein lieblicher Traum mir geblieben!
Trostloses Wiedersehn!
(S. 235-236)
_____


Nur das Herz

Sinkt ein Mensch zum letzten Schlummer nieder,
Wenn des Lebens Gluten ausgeflammt,
Scheidend giebt er dann der Erde wieder
Das gedankenvolle Haupt, die Glieder,
Alles, was der Erde nur entstammt.

Aus des Himmels Thor, dem morgenroten,
Schweben lichte Engel dann herab,
Weilen auf der Erde, Gottes Boten,
Bis die Saat vertraut dem Feld der Toten,
Den Geschied'nen deckt das stille Grab.

Nur das Herz, das voll und reich geschlagen,
Das erglüht in Wonne, Lust und Leid,
Darf nicht vor der dunklen Erde zagen,
Von den Engeln wird es heimgetragen
Auf zu Gott und seiner Herrlichkeit.
(S. 230)
_____

 

Gedichte aus: Ausgewählte Gedichte von Auguste Kurs
Berlin Vossische Buchhandlung (Strikker) 1894

Biographie:

Auguste Kurs, geb. Rosenberg
Geboren am 26. 11. 1815 (nach anderen Quellen am 26. 11. 1810) in Berlin, gestorben am 18. 7. 1892 in Berlin.

Ihr Vater war ein königlich preußischer Oberst der Artillerie. Die Eltern sorgten für eine sorgfältige Erziehung. Schon früh zeigte sich ihre Neigung zur Poesie, mit den ersten dichterischen Versuchen begann sie im Alter von sieben Jahren. In späteren Jahren entstanden zahlreiche Lieder, die sie zunächst vor fremden Blicken verborgen hielt und erst nach Aufmunterung von Freunden weiter bekannt machte. 1840 heiratete sie den preußischen Ministerialbeamten und späteren Geheimen Rat Kurs. 1845 gab sie anonym ihren ersten Gedichtband Epheublätter heraus. Durch den Erfolg ermuntert setzte sie ihre literarische Tätigkeit fort. Sie veröffentlichte Gedichte in verschiedenen Zeitschriften und Sammelwerken, verfaßte Reiseberichte, einen Novellenzyklus und war Mitarbeiterin der Modenzeitung »Victoria«.

aus: Franz Brümmer: Deutsches Dichterlexikon - Nachtrag. Eichstätt & Stuttgart 1877.


weitere Gedichte von Auguste Kurs siehe:

http://www.wortblume.de/dichterinnen/kurs_i.htm



 


zurück zum Dichterinnen-Verzeichnis

zurück zur Startseite