Karl Lappe (1773-1843) - Liebesgedichte

 

Karl Lappe
(1773-1843)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 





Zu dir!

Zu dir! zu dir! Wer giebt mir Schwalbenflug,
Wer Täubchenschwingen, die mit raschem Streben,
Eilfertig in der Liebe Zauberzug,
Mich über Wald und Ströme heben?

Zu dir! zu dir! Mit welcher Sehnsucht drängt
Mein Herz zu dir, du Unvergeßlichholde!
Wie liebevoll, wie angefesselt hängt
Mein Blick hinüber, wann im Golde

Des Niedergangs mein Vaterland entglüht!
Wie lauscht mein Ohr, von süßer Täuschung irre,
Ob nicht ein Lüftchen, das herüber flieht,
Mir Worte deiner Liebe schwirre.

Zu dir! zu dir! Vergebens mag die Lust
Mit hundert Rosenarmen mich umwinden:
Nur Einer Hoffnung hebt sich meine Brust,
Nur Eine Freude kann mich binden.

Zu dir! zu dir! Der Fisch sehnt sich ins Meer,
Der Vogel sich zurück in seine Haine;
Ich, ich zu dir. O Tag der Wiederkehr,
Du, meiner Sehnsucht Tag, erscheine.

Zurück zu dir! zu dir, zu dir zurück!
Entfernt von dir stirbt jeder Freude Leben.
Laß, o Geliebte, laß der Liebe Blick
Dem Kehrenden entgegenschweben.
(Band 1 S. 181-182)
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Trennung

Und kannst du untreu werden,
Und giebst mir kalt den Todesstich:
So hat dich doch auf Erden
Kein Herz geliebt, wie ich.

Mich selbst und meine Träume
Hab' ich geliebt, geträumt in dir.
Doch Träume sind nur Schäume,
Und sie zerflattern mir.

Wehmüthig seh' ich scheiden,
Was dein bethörter Sinn mir raubt.
Dir werde nie der Freuden,
Der Träume Kranz entlaubt!
(Band 1 S. 183)
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Als die Blonde den Kuß versagte

So willst du nicht!  So muß ich dich beschwören
Bei deinem goldnen Ringellockenhaar,
Beim Blau der Augen, welche mich bethören,
Bei deinem rosenrothen Lippenpaar.
Wie sie so weich dem Kuß entgegenquillen!
Laß dich erflehn, die Sehnsucht mir zu stillen,
Um deiner gelben krausen Haare willen!

Wie, dennoch nicht? So soll mein Zorn nicht schlafen.
Auch Agandecka's Locken glänzten schön.
Man muß die Blonde ärgern und bestrafen.
Aus Rache will ich zu der Braunen gehn.
Die Lippen sieh, die schon in Küsse quillen!
Sie wird es thun, wird mir die Sehnsucht stillen,
Um ihrer schwarzen Rabenlocken willen.

Erröthend sitzt das Kind und scheint zu sinnen.
Nun, blonde Ceres, hast du dich bedacht?
Soll nie mein Glück nach langem Dienst beginnen? -
Sie winkt und weicht in Einsamkeit und Nacht. -
Er folgte still, er sah die Thräne quillen.
"Nimm hier den Kuß, kannst du dein Herz nicht stillen.
Es ging doch dort nicht, um der Leute willen."
(Band 1 S. 184-185)
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Das Finden

Ich suchte nicht, ich warb sie nicht,
Ich buhlte nicht um Liebe.
Ich fand, ich fand, und wußt' es nicht:
So fand auch mich die Liebe.
Der Zauber, der mein Herz umflicht,
Hat leise mich gebunden.
Ich suchte nicht, ich warb dich nicht;
Ich habe dich gefunden.

O liebe Liebe, süßes Glück,
O anmuthreiches Finden!
Mit schönerm Kranz kann kein Geschick
Den Günstling je umwinden.
Nun gehn wir froh der Liebe Pfad,
Stillfreudig, fromm bescheiden.
Ein Band, das so umschlungen hat,
Kann nichts und nie zerschneiden.

Die ihr von eitler Mühe brennt,
Die Liebe zu erlaufen,
Nach jedem blauen Auge rennt,
Durch Buhlen sie zu kaufen:
Die freie Gabe freier Huld
Wird Mühe nicht erwinden.
Bezähmt des Busens Ungeduld!
Das Schöne muß man finden.
(Band 1 S. 186-187)
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An einen Freund

Wehre nicht der Liebe, wenn im Lenze
Unter Veilchen sie dein Herz beschleicht;
Wenn sie deiner Locke Blumenkränze
Mit dem ersten Nektarkusse reicht.

Scheue, Freund, der Regung dich zu schämen,
Wenn Natur den Busen wärmt und hebt.
Strebe nicht, zu zähmen und zu lähmen
Was geflügelt zu den Wolken strebt.

Denn die Liebe blüht, uns zu versöhnen
Mit des Staubes niedrigem Geschick;
Und es weiden an dem Reiz des Schönen
Auch die Engel droben ihren Blick.

Welche Macht ist, die der Liebe gleichet?
Erd' und Himmel ehren ihr Gebot;
Und so weit das All der Dinge reichet,
Ist nur einer liebeleer, der Tod.
(Band 1 S. 188-189)
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Lenzliebe

Willst du in Wonne schweben
Im Philomelenmai:
Flicht dir ein I ins Leben,
Daß Leben Liebe sei.
In Sonnengluth und Glänzen
Glüht Sinn und Seele neu.
Wir glänzen mit im Lenzen.
Wie selig ist der Mai!
(Band 1 S. 189)
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Andenken

Mädchen des Reizes, dem Auge verhüllt
Hat mir die Ferne dein liebliches Bild.
Immer entsend' ich den suchenden Blick;
Nimmer gewahr' ich im Kreise mein Glück.

Aber im Busen, von Sehnsucht erregt,
Trag' ich dein Bildniß mit Flammen geprägt,
Glänzend umstrahlt von verklärendem Licht.
Mädchen der Liebe, hie stirbet es nicht.

Lieblichste Tochter der heimischen Flur,
Mädchen der Sehnsucht, gesteh' es mir nur:
Senkest nicht du auch sinnenden Blick
Oft in die Tage, die waren, zurück?

Reget nicht dann sich in klopfender Brust
Süßes Gedächtniß vergangener Lust?
Flöhst du nicht gerne den rauschenden Schwarm,
Lehntest an meinen vertraulichen Arm?

Mädchen, ich weiß es, noch leb' ich in dir.
Freundlich noch hegst du im Busen von mir
Traulich ein Bild in verschwiegenem Licht.
Mädchen der Treue, hie stirbet es nicht.
(Band 1 S. 190-191)
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Frühlingswehmuth

Dein krankes Herz und deine bleiche Wange
Trag' in die freie Frühlingsluft hinaus.
Sink' in den Rasenklee am Hügelhange,
Und athme still, was dich bekümmert, aus.
Der Strahl des Himmels wird dein Aug' umlächeln,
Durch junges Grün sanftzitternd zu dir gehn.
Des Lüftchens Hauch wird linde dich umfächeln,
Des Veilchens Athem heilend um dich wehn.

Wie schön umher die Fluren sich erneuen!
Was darf noch trauern, seit der Lenz uns kam?
Wie drückt denn dich, in süßer Zeit der Maien,
Der stumme Harm, der thränentrübe Gram?
O frohe Götter, die die Flur durchschalten,
Ihr kennt das stille Schmachten dieser Brust.
Gewährt auch mir, die Blüthe zu entfalten,
Durchstrahlt auch mich mit jugendlicher Lust!
(Band 1 S. 192)
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Brautkranz

Komm herbei,
Süße Zier,
Holder Mai,
Spende mir,
Wann der Au
Schimmer blühn,
Veilchenblau,
Myrtengrün!

Kränze schlingt
Fröhlich bald,
Neu verjüngt
Jung und Alt.
Veilchenglanz,
Myrtenreis:
Meinem Kranz
Bleibt der Preis.
(Band 1 S. 224)
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Die Chrysalide

Der Frühling ist gekommen, Aurelie!
Das Veilchen duftet draußen, die Kirsche blüht.
Dich lockt die Sonne, Chrysalide,
Locken die spielenden Lenzgelüste.

Der Strahl des Himmels wecke die Schlummernde.
Ich will hinaus dich tragen in Licht und Luft.
Du sollst den Sommer nicht verschlafen.
Liebend nur schirmt' ich dein Winterbette.

Erwach, o Nymphe! - Leise schon regt sie sich,
Wie sich in Schlummer reget ein zartes Kind,
Das nach dem Traume seiner Freuden
Still die begehrenden Arme strecket.

O du Verhüllte, brich aus des Kerkers Nacht!
Grüß' in der Schönheit Prangen die schöne Welt.
Süß ist das Leben unterm Himmel,
Herrlich das Schweben im ew'gen Lichte.

Sie regt sich stärker, dehnet der Fessel Band,
Die dichte Hülle spaltet, sie taucht hervor,
So wie der meerenthob'nen Muschel
Glänzend die köstliche Perl' entschimmert.

Wie ist dir, Psyche? seliges Maienkind,
Im Sonnenglanz geboren zu Götterloos!
Gesäugt von Hyazinthendüften,
Zärtlich umsungen von Westgesäusel!

Sie bebt vor Wonne. Zitternd im Ueberschwang
Des trunkenen Entzückens, verweilt sie scheu,
Regt leise kaum die bunten Schwingen,
Prüfend die Kraft, und besinnt sich schüchtern.

Harr' an der Sonne, glänzender Fremdling noch!
Am warmen Hauche schwelle den Fittig auf,
Daß nicht den matten Flug ein Windstoß
Nieder zur schmutzenden Erde werfe.

Erstarkt dann flattre, hin, wo die Liebe winkt.
Noch, Keusche, Kalte, kennst du die Göttin nicht.
Für deines Daseins schönste Blüthe
Sparte dein Loos dir des Daseins Schönstes.

Fleug, zarter Pflegling! Schwebe den Tändeltanz
Des Aetherlebens rasch mit den Schwestern hin.
Auf luft'gem Flügel rasch vorüber
Schwebt auch die flüchtige, süße Stunde.
(Band 3 S. 17-19)
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Die Chinesischen Liebenden

Infangwang
Schöne Pauywe, du Blume der Jugend, du Zierliche, Zarte,
Holde Verschämte, wie preis' ich mein Glück! Ich sehe dich wieder,
Endlich dich wieder nach traurigen Tagen vergeblicher Sehnsucht,
Sehe dein Auge, so lieblich begrenzt auf räumiger Stirne,
Sehe das schwarze Geringel des Haars und den glücklichen Vogel
Fongwhang, welcher mit goldenem Flügel dein Antlitz umfächelt.
Rege den zierlichen Fuß durch die wallenden Falten des Leibrocks,
Eile, du wankende Schöne, nun frei beschwerlichen Zwanges,
Liebend in liebende Arme des götterfrohen Infangwang.

Pauywe
Trautester Jüngling, wie bebet mein Herz! Umschlinge mit starkem,
Sicherndem Arme die Braut, daß die Angst des Busens sich stille.
Ach, mein Infangwang, um welchen ich Zucht und Sitte der Weiber,
Alle Gebote des häuslichen Zwangs mit Kühnheit verachte,
Bester der Männer, noch einmal begehrt die arme Pauywe
Glücklich zu ruhen in Armen der Liebe, dann ewig zu scheiden.

Infangwang
Süßestes Leben, du schreckest mein Herz. Wie kannst du von Scheiden -
Kennst du des Wortes zermalmenden Sinn? - von Scheiden mir reden! -
Nein, Pauywe, nicht scheid' ich von dir. Welch neues Verhängniß
Könnte mit Trennung bedrohn den Bund einträchtiger Herzen?
Nichts mehr fürcht' ich hinfort. Hat doch der tückische Bonze,
Welcher mit gleißendem Sinn und schlau ersonnenem Blendwerk
Liebe begehrte, dieweil in einem vorigen Leben
Du schon Braut ihm gewesen und nur vom Tode geraubet,
Nicht Pauywens Treue besiegt. Nun fühl' ich mich sicher.
Rede, Geliebte, den neuen Verdacht, damit ich dem bangen
Weiblichen Herzen die leiseste Angst der Trennung entnehme.

Pauywe
Armer Infangwang, weine mit mir. Dein zitterndes Mädchen
Täuschet, ach, leider! nicht weibliche Furcht. Die zürnenden Götter
Neiden der Liebenden heimliches Glück. Ein schreckliches Schicksal
Reißet auf ewig dein Mädchen hinweg. Es hat mir die Amme,
Rato, getreu und sicher vertraut die geschlossene Heirath.
Quang, mein schrecklicher Bruder - du kennst des Niedrigen Gelddurst -
Hat mich dem Pung um Silber verkauft. Nur wenige Tage,
Unwiderruflich besteht der Entschluß, dann bin ich geopfert.
Wehe! nicht Hoffnung annoch, auch nicht die leiseste, letzte,
Traurige Hoffnung erquicket mein Herz, daß etwa die Braut noch
Pung, an dem festlichen Tage, wann nun bei Kerzen und Fackeln,
Pfeifen und Trommeln der fröhliche Zug mit der Sänfte daherschwebt,
Eilig der Bräutigam dann zuerst die Verlobte beschauet -
Häßlich befinde und zürnend zurück die Verschmähete sende.
Ach, wofern dein liebends Auge nicht Schönheit erlogen,
Wird er mich lieben und nicht mich entsenden; dann sind wir verloren.
Du mein Erwählter, noch begehrt die arme Pauywe
Selig zu ruhen in Armen der Liebe, dann ewig zu scheiden.

Infangwang
Alles ist hin. Nun wein' ich mit dir. Pauywe, Pauywe!
Fanden wir darum die Höhe des Lebens, die tiefeste Tiefe
Schrecklich zu messen? O helfende Götter, gewähret noch Ausweg!
Alles ist hin, verloren für uns das irdische Leben.

Pauywe
Ist denn das irdische Leben dahin? - o sage, Infangwang,
Sprich, wie ist es im Tode? Kann denn die Liebe nur leben?
Sterben auch kann die innige Liebe und selig hinabgehn
In den umdunkelten Schlund, von keiner Entweihung geschändet.

Infangwang
Süße Pauywe, welch göttliches Wort! Wie, kannst du des Todes
Schauder verachten? O heilige Treue, dann sind wir gerettet!
Sterben ist noth, und Sterben ist süß, und Sterben ist Segen!
Wisse, Pauywe, der Körper ist nichts. Die ewige Seele
Wandert viel tausend Gestalten hindurch. Wir waren schon ehmals,
Lebten schon oft das irdisches Leben und starben und leben.
Wieder auch werden wir leben nach hier. Ein ewiger Kreislauf
Treibet die Geister durch alle Gestalten. Sobald wir gestorben,
Werden wir wieder zu Menschen geboren. Dann wird uns die Treue,
Ach, die uns jetzt vergeblich umschlungen, von neuem vereinen.
Fröhlich, Pauywe! Nicht scheid' ich von dir, du scheidest von mir nicht.
Fahre das Leben hinweg; im Tod' ist süße Vereinung.

Pauywe
Trauter Infangwang, die heilige Freude beklemmt mir den Busen.
Darf ich mich sicher der Hoffnung ergeben? Doch sagen die Bonzen,
Daß auch, in thierische Leiber verwandelt, gestorbene Menschen
Wieder die Erde betreten. O denke die schreckliche Täuschung,
Wenn nun die arme Pauywe in häßlicher, thierischer Bildung,
Nie von dem neuen Infangwang geliebt, im Leben erschiene.

Infangwang
Fürchte, du Holde, so Schreckliches nicht! Nie ward noch ein guter
Mensch verwandelt zum Thier; so straft das Schicksal die Bösen.
Also besorge der tückische Pung und dein fühlloser Bruder
Einst bei den heulenden Schwärmen des Walds sich wieder zu finden.
Aber Pauywe wird Königin sein, ein König Infangwang.
Eile, Geliebte, zu sterben. Im Tod ist süße Vereinung.

Pauywe
Ja, mein Erwählter, ich eile mit dir zum seligen Tode,
Hier sei die Ehe gelobt, im besseren Leben geschlossen.
Komm, eh' von neuem Verrath die geängstete Liebe bedrohet.
Zücke du selber den Stahl, und löse dein Mädchen, Infangwang!

Infangwang
Nicht mit dem Stahl, du süßeste Braut! Dann bleib' ich noch übrig,
Wann schon dein liebliches Leben verhaucht, zum einsamen Tode.
Süßer ersinn' ich des Lebens Beschluß. Wir schlingen der Arme
Unauflöslichen Ring, und rasch, im Taumel des Kusses,
Einig und selig hinab in die wallenden Fluthen des Kiang!
Sterben ist noth, und Sterben ist süß, und Sterben ist Segen.
(Band 3 S. 73-82)
_____


Aus: Karl Lappe's sämmtliche poetische Werke
Neue wohlfeile Ausgabe
Rostock Verlag von J. M. Oeberg 1840
 

 


Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Lappe


 


 

 


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