Karl Gottfried Ritter von Leitner (1800-1890) - Liebesgedichte

Karl Gottfried Ritter von Leitner



Karl Gottfried Ritter von Leitner
(1800-1890)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 





Minnelieder

Beruf zum Minnesang

Mit Rosen am Barett, gleich einem Freyer,
Entstieg ein Harfner jüngst dem dunklen Blauen,
Der Ulrich war's von Lichtenstein, der Frauen
Berühmter Sänger, noch der Nachtwelt theuer.

"Wie du daheim im schönen Lande Steyer,
Sang freudig in der Vorzeit fernsten Grauen
Der Frauen Lob ich schon in diesen Gauen;
So sing' auch du zu deiner Holden Feyer."

Er sprach's, und reichte freundlich im Entschweben
Die eig'ne Harfe mir. Ich wagte lange
Zu rühren nicht der edlen Saiten Gitter;

Da riß es jäh mich mächtig hin zum Sange.
Der hohe Meister möge nun vergeben,
Wenn Lehrlingshand entweiht die heil'ge Zither.
(S. 145)
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Weihe

O zürne nicht, - du bist ja sonst so milde, -
Wenn ich ein zart Geheimniß deiner Brust,
Das deines Blumengartens klein Gefilde,
Und die verschwieg'ne Laube nur gewußt,
Verrätherisch in holder Dichtung Bilde
Verkünd' mit jedem Leid und jeder Lust.
O zürne nicht! Was Liebe nur verbrochen,
Hat Liebe ja zu strenge nie gerochen.

Der König streuet leuchtende Geschmeide
In der Erwählten schwarze Lockennacht,
Der zarten Blöße reicht er Purpurkleide,
Der weißen Hand des gold'nen Zepters Pracht.
Und selbst der Hirt' auf grüner Lämmerweide
Ist, seine Maid zu schmücken, froh bedacht;
Er weihet ihr, ihr sanftes Volk zu hüthen,
Den schlank'sten Stab, ein Diadem von Blüthen.

Mir glänzt aus Hochgebirg und reichen Bächen
Kein edles Erz, kein funkelndes Gestein,
Ja, nicht, um wilde Blumen dir zu brechen,
Ein winzig Fleckchen Erde nenn' ich mein;
Und selbst, worauf, vergessend meine Schwächen,
Ich stolz wie Fürsten war, - ist nur dein;
Doch, deiner Huld vertrauend, geb' ich wieder,
Was du zuvor gegeben, - diese Lieder.
(S. 146-147)
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Ein Abendgang

Über die Alpen, wie ein Friedensengel
Schwebte lächelnd und still der hohe Vollmond,
Auf des Dorfes Gräber in heil'ge Ruhe
Lilien streuend.

Und in der Seele tief beweget, führt' ich
Sie durch flisternde Friedhofgräber heimwärts.
Sinnend schwiegen wir, die bethauten Pfade
Einsam durchwandelnd.

Endlich erhob sie sanft das Aug', und sagte
Leisen, zitternden Ton's: "Ich sterbe gerne,
Hier nur, hier nicht bette der Tod das fremde,
Einsame Mädchen."

"Fern in der Ecke schlicht-behalmet läge
Und verlassen mein Grab, - ach! ohne Blumen.
Niemand weinte dort, als von lieber Heimath
Kommende Wolken."

Und im Vorbeygeh'n an des Küsters Garten
Brach ich Eine der Rosen von der Hecke,
Gab sie ohne Worte dem Mädchen, und sie
Sah mir in's Auge.

Sah mir in's Auge, das von Thränen glänzte,
Nahm den Strauß an die Brust, und sprach nicht weiter.
Ob sie wohl errieth, wer ihr Blumen pflanzen
Würde und weinen?
(S. 148-149)
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Das grüne Thal

Gebirg und Auen decket
Der Schnee mit weißem Flor;
Doch frühlingshell noch schwebet
Ein grünes Thal mir vor.

Das Thal, wo ich am Felsen,
Von Tannen überrauscht,
Im Moos bey dir gesessen,
Und Wort und Blick getauscht.

Vertraulich in der meinen
Lag deine liebe Hand,
So schauten wir vereinet
In's abendrothe Land.

Da kos'te noch im Fliehen
Die Sonne mit dem Ring,
Der deines Fingers Lilje
Mit sanftem Zwang umfing.

Mir schwamm der Glanz des Reifes
Bewegt im feuchten Blick,
Wem, dacht' ich, reicht geweihet
Ihn freundlich das Geschick?

Dann wagt' ich leis' erzitternd
Ihn sanft herab zu dreh'n,
Du lächeltest, und schwiegest,
Und ließest's mild gescheh'n.

Ich spähte innen, außen,
Und wandt ihn her und hin;
Da sprachst du mit Erröthen:
"Es steht keine Nahme d'rin."

Und sah'st mit blauen Augen
Mich lang' und freundlich an,
Das hat mir in der Seele
Tiefinnen wohl gethan.

Nun zuckt ein süßer Schrecken
Durch's Herz mir jedes Mahl,
Wenn ich an dich gedenke,
Und an das grüne Thal.
(S. 150-151)
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Am Scheideabende,
als sie sang:

O wie wohl ist mir bey dir!
Will dich lieben für und für,
Laß mich geh'n auf deiner Spur,
Süße, heilige Natur!
Stollberg

Lauer Mayenluft Geflister
Weckt die Blumen auf vom Tod',
Und die Wolken grau und düster
Werden Gold im Morgenroth.
Sieh! so bin auch ich genesen,
Seit du nah' und freundlich mir.
Gutes, frommes, holdes Wesen!
O wie wohl ist mir bey dir!

Ach! nicht mit so süßen Blicken
Liebe Seele, schau mich an,
Lasse ab mich zu umstricken;
Weit von dir schweift meine Bahn.
Doch und müßt' ich ferne, ferne,
Unerreichbar ferne dir,
Ferne, wie vom bleichsten Sterne;
Will dich lieben für und für.

Unberührt vom Sturm der Erde
Grünt ja noch ein friedlich Land,
Wo ich wieder haben werde,
Was so flüchtig hier entschwand.
Doch wer wird den Pfad mir künden?
Ach! ihn wissen Engel nur,
Drum nach jenes Edens Gründen
Laß mich geh'n auf deiner Spur.

Weile, weile, schöner Glaube!
Hebe über Zeit und Schmerz
Aus dem thränenfeuchten Staube
Meine Blicke himmelwärts.
Fühlend ahn' ich, was du rufest,
Ja, einst einigt' jene Flur,
Was du für einander schufest
Süße, heilige Natur!
(S. 152-153)
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Fröhliches Scheiden

Gar fröhlich kann ich scheiden,
Ich hätt' es nicht gemeint;
Die Trennung bringt sonst Leiden,
Doch fröhlich kann ich scheiden:
Sie hat um mich geweint.

Wie trag' ich dieß Entzücken
In stummer Brust vereint?
Es will mich fast erdrücken,
Wie trag' ich dieß Entzücken?
Sie hat um mich geweint!

Ihr Alpen, See'n und Auen
Du Mond, der sie bescheint,
Euch will ich mich vertrauen:
Ihr Alpen, See'n und Auen!
Sie hat um mich geweint.

Und sterb' ich in der Fremde,
Mir däucht nicht fürchterlich
Der Schlaf im Leichenhemde;
Denn, sterb' ich in der Fremde,
So weint sie wohl um mich.
(S. 154-155)
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Am Flusse

Wohin, wohin, du wilder Fluß,
So rasch vorbey an mir?
Und bringst du thalwärts keinen Gruß,
Kein traulich Wort von ihr?

O wäre, Strom, ich frey wie du,
Ich blieb' in ihrer Näh',
Geböthe meinen Wellen Ruh',
Und würd' ein stiller See.

Ich schlösse sanft die Holde ein
Auf grünem Inselland,
Und säng' entzückt: Nun ist sie mein!
Und kos'te um den Strand.

Du aber stürmst durch Fels und Heid'
Berg-nieder, Thal-entlang,
Und tiefer Sehnsucht heilig Leid
Macht heimlich dir nicht bang.

Schwebt sie am Ufer hin, umspielt
Ihr Abglanz dich mit Lust;
Doch scheidet sie, flieht auch ihr Bild
Aus deiner kalten Brust.

O Strom, ihr Auge strahlet licht
Und blau wie deine Fluth,
Sag', hält es auch getreuer nicht
Der Freunde Bild in Huth?

Nicht wahr? längst sank vergessen hin
Der Sänger und sein Lied?
Nun denkt sie wohl nicht mehr an ihn,
Seit er in Thränen schied.

Was seufzest du, und jagst, o Fluß,
So stumm vorbey an mir?
Ach ja! - du bringst mir keinen Gruß,
Kein traulich Wort von ihr.
(S. 156-157)
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In der Alpenhütte

Noch seh' ich dich, von stiller Huld umfangen,
Im engen Hüttchen an der Alpe Rain,
Der Senninn Kind vor dir im Wiegenschrein
Mit rosigen, vom Schlaf gemahlten Wangen.

Du hobst es auf, und deine Arme schlangen
Entzückt es an die Brust, du kos'test sein,
Und sangest leis', und küßtest, - lieb und klein,
Die Händchen ihm, die spielend mit dir rangen.

Ich wußte nicht, wie selig mir geschehen,
Es war, als sey in armer Hirten Hütte
Zum zweyten Mahl ein Wunder uns erschienen.

So schönes, Heil'ges hatt' ich nie gesehen!
Jungfräulichkeit in jedes Reitzes Blüthe,
Und Mutterzärtlichkeit in Aug' und Mienen.
(S. 158)
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Nachtwache

Still geht der Mond, und Schlaf und Frieden gleiten
Aus silberlichten Wolken tröstend nieder,
Nur ich, - ich wache, sinne, klage wieder,
Und meiner Hand erzittern leis die Saiten.

Ach! sie, nach der's mich zieht in ferne Weiten,
Sie schloß wohl, auch die ros'gen Augenlieder.
O ruhe sanft! mit weichem Goldgefieder
Mög' zaub'risch dich ein schöner Traum umbreiten.

Ein liebes Bild soll kosend dich umwehen,
Ein Jünglingsbild; - doch meines nicht, zu sehen
Sollst du den schon vielleicht Erwählten meinen.

Dann wird sich süß dein banges Sehnen stillen,
Ein selig Lächeln wird die Lippen füllen,
Und lächelst du nur, will ich gerne weinen.
(S. 159)
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Sie in jedem Liede

Nehm' ich die Harfe,
Folgend dem Drange
Süßer Gefühle,
Denk' ich auch Dein.
Mädchen! und glaub', es
Können ja lange
Ohne der Harfe
Sänger nicht seyn.

Wähn' ich im Liede
Siedler und Klause,
Burg und Turniere
Wieder zu schau'n;
Prangst mit Barett und
Starrender Krause
Du am Balkone
Zwischen den Frau'n.

Preis' ich der Alpen
Friedliche Lüfte,
Hoch ob des Thales
Wildem Gebraus;
Füllst du als Senninn
Trillernd die Klüfte,
Lachst aus dem kleinen,
Hölzernen Haus.

Sing' ich von schönen
Wasser-Jungfrauen
Einsam im Mondschein
Schwimmend im See;
Schwebst du bey ihnen
Unten im Blauen,
Streckst mir entgegen
Arme von Schnee.

Ueberall nahe
Weilest, du Liebe,
Mir in der Dichtung
Rosigem Land',
Ach! nur im Leben,
Strenge und trübe,
Trennt uns des Schicksal's
Feindliche Hand.
(S. 161-162)
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Ihr Bothe

Stille war's lang' und Nacht, ich hatte die Leuchte verlöschet,
Nur das Mondlicht floß dämm'rig in's dunkle Gemach.
Horch! - da regte leise die Thür', und geheim auf den Zehen
Schlich ein freundlicher Knab' trippelnd zu mir an das Bett.
"Bin ein Bothe," begann er flisternd, "und komm' aus der Ferne,
Bringe dir Grüße mit, ach! - und wohl Süßeres noch."
Du mit dem flaumigen Haar, blaßgolden und kraus, du Bothe.
Dacht ich, liebliches Kind, zart wie ein Elfe des Hain's!
Doch ein Briefchen fürwahr erhob er lächelnd, und sagte:
"Sieh, das bring' ich von Ihr!" Himmel, welch freudiger Schreck.
Sprachlos, selig entzückt dem holden Kleinen entriß ich,
Stürmisch an Lippen und Brust drückt' ich das knisternde Blatt.
Weiß wie Lilien war's, und rosig glühte das Siegel,
Rosig, als hätt' ihr Kuß wonnig zur Gluth es entflammt.
Doch ob Lilien auch das Aug' ergetzen und Rosen,
Süßer jedoch berauscht, innen verborgen, der Duft.
Schnell auch wollt' ich darum entfalten das niedliche Briefchen,
Doch - schon wieder hinweg riß mir's der Schalk, und verschwand.
Wollt' er mich necken nur, wie oder hat er zuvor mich
Armen verkannt, und es galt einem Beglücktern der Gruß?
Drum so prüfe genauer hinfort und strenger, o Liebchen!
Wem du vertrauest; denn sieh! dieser war leider - ein Traum.
(S. 163-164)
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Wolke und Quelle

Auf meinen heimischen Bergen
Da sind die Wolken zu Haus',
Bin mitten innen gestanden,
Und sah in's Thal hinaus.

Sie aber flogen von dannen,
Wie Schwäne so licht und leicht;
Wär' gerne mit ihnen gezogen,
So weit der Himmel reicht.

Es drängte mich fort in die Fremde
Zur Ferne ein wilder Trieb;
Doch jetzt erscheinen mir Heimath
Und Nähe gar heilig und lieb.

Nun sehn' ich mich nimmer in's Weite,
Hinaus in's nebelnde Blau;
Nun späh' ich mit stillem Verlangen
Hinab in die schmale Au.

Was nickt dort unten am Fenster,
Und blühet wie Morgenlicht?
Ist's ihre Ros' am Gesimse,
Wie oder ihr holdes Gesicht?

Viel Glück ihr Wolken zur Reise!
Ich ziehe nimmer mit euch;
Was aber locket und lispelt
Da drüben im Lenzgesträuch?

Bist du es Quelle, die flistert?
Ja, ja! ich eile mit dir;
Du kennest ja die kürzesten Wege
Hinunter, hinunter zu ihr.
(S. 165-166)
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Mein Selam

Im Osten, der durch weicher Lüfte Wehen
Und ew'ges Mayengrün mit größ'rer Macht
Die Liebe weckt, und strenger doch bewacht,
Muß sie zur Bilderschrift sich schlau verstehen.

Jedwede Blüth' hält tiefen Sinn verborgen,
Als list'ger Bothe thut ein Blumenbund
Mit süßem Hauch noch süß're Worte kund,
Die, unhörbar, den Lauscher nicht besorgen.

Kein voller Strauß, - zwey Blumen nur alleine
Enträthseln mir mein oft bezweifelt Loos;
Denn klar durch dieser Azurkelche Schooß
Erschließt sie mir, wie sie es mit mir meine.

Bald hell geöffnet dem verwandten Aether,
Bald halb verhüllt von nahem Liljenblatt,
Verkünden treu an eines Selams Statt
Mir ihre Huld die lieblichen Verräther.

Und, daß sie stets zu solchem Dienste taugen,
Verschont der Herbst die Knospen von Sapphier,
Und nennen wollt' ich sie, - verriethet ihr
Der Mutter nichts, - es sind des Liebchens Augen.
(S. 167-168)
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Die Blumen am Fenster

1.
Seit grauer Zeit klang mancher Harfe Gold
Vom Mayenmond in fröhlichen Ergüssen,
Und seinen Blumen, wie der Traub', den Küssen,
War stets das heit're Volk der Sänger hold.

Doch euch, die ihr in böser Elfen Sold
So üppig sproßt am Fenster meiner Süßen,
Euch kann ich nicht mit Freundesworten grüßen
Nach altem Brauch, - wie gern' ich auch gewollt.

Was berget ihr, voll neidischem Bemühen,
Mit dichtem Laubgehäg' und hohen Ranken,
Was sehnend sucht mein liebendwirrer Blick?

Er späht umsonst! Ach! - Fort, ihr mögt verblühen!
Entraffe sie, o Nord! - ich will dir's danken.
Was raubt ihr mir mein still-unschuldig Glück!
(S. 169)


2.
Wie öd ist mir, seit dort die Blumen prangen!
Süßtrunken irrte sonst, - wie eine Bien'
Um Rosen, wie die Lerch' um das Karmin
Des Frühgewölks, - mein Blick um ihre Wangen.

Ach! Alles, selbst das selige Erbangen
Im Wechselspiel mit ihrem Aug' ist hin! -
Fürwahr! ich tilge selbst dieß freche Grün,
Will nicht der Sturm nach seiner Beute langen.

Ich tödten euch, ihr Blumen? - Nie, o nie!
Blüht lustig fort! - Du Nacht bethaue sie,
Und halte mild den rauhen Hauch zurück.

Wie könnt' ich doch den Engelblick ertragen,
Wenn sie betrübt, doch sanft mich würde fragen:
Was raubst du mir mein still-unschuldig Glück? -
(S. 170)
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Stilles Leid

Wenn rauhe Menschen oft in bösen Stunden
Ihr weich Gemüth mit scharfem Wort verwunden;
Erträgt sie's ruhig, und der Sonne Licht
Sah freundlich nur und lächelnd ihr Gesicht,
Und gerne birgt des Busens tiefste Wehen
Den Fremden sie, die nimmer sie verstehen:
Doch senkt die Nacht den heiligdunklen Flor;
Weint gerne sie den stillen Schmerz hervor,
Dann klagen sanft der lieben Augen Sterne
Ihr heimlich Leid den Gold'nen in der Ferne.
Und seht! - so gleicht sie ihren Blumen ganz;
Wie lächeln die im hellen Sonnenglanz'! -
Und ob sie gleich des Tages Gluthen brennen,
Sie lassen nie, daß sie es schmerz', erkennen:
Doch legt verschwieg'ne Nacht sich auf die Flur;
Trägt manch wohl der Thränen helle Spur,
Dann klagen still ihr heimlich Leid die Holden
Den andern dort hoch oben, licht und golden.
(S. 171)
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Besuch ihrer Heimath

Gott grüße dich, du trautes Thal,
Du Wiege meiner Lieben!
Es läßt dich grüßen tausend Mahl,
Die fern zurück geblieben.

Hier lehn' ich auf dem Wanderstab
Gerührt am hohen Raine
Und schaue still vor mir hinab
In frommer Freud', und weine.

Ach! dieses enge Himmelblau
Hat sie zuerst umschlungen,
Und spielend ist auf jener Au
Die Kleine einst gesprungen.

Hinab, hinab! - Bist noch zu sacht,
Du schroffer Pfad, gesenket;
Zu träge für der Sehnsucht Macht,
Die meine Schritte lenket.

Nun weiß ich auch schon aus und ein,
Brauch' niemanden zu fragen,
Sie mußte mir ja klein und fein
Schon lange Alles sagen.

Erst geh' ich in den Friedhof hin,
Brauch' dort mich nicht zu nennen;
O deine Lieben unter'm Grün
Sie werden mich schon kennen.

Doch wüßten mein Geheimniß Die
In jenem Hause d'rüben,
Was glaubst du, Mädchen, würden sie
Mich hassen oder lieben? -

Warum habt ihr sie dort gesandt
Trotz ihres Herzens Bluten?
Die Liebe blüht in jedem Land
Für sie und alle Guten.

Bist du ihr Vater, Ehrengreis,
Der an dem Fenster stehet?
Und ist's die Mutter, welche leis'
Nach mir, dem Fremdling, spähet?

Ich höre weichen Flötenklang,
Ob wohl ihr Bruder spielet?
Wie Alles, Alles seligbang
Nach meinem Herzen zielet!

Dort hinter'm Hause soll ein Bach
Durch grünen Rasen fließen,
Den Rasen, wo sie Blumen brach,
Den Rasen muß ich grüßen.

Einst, glaub' ich, fiel sie gar hinein
Als Kind, in diese Wogen.
Es mochte wohl mein Engel seyn,
Der sie herausgezogen.

Sie seh'n mir fragend nach, warum
Ich so um's Haus mag wallen?
O dürft' ich frey, von Rührung stumm,
In eure Arme fallen!

Ihr würdet, hätt' ich mich genannt,
Mich aber schel ansehen,
D'rum muß ich still und unerkannt
Von eurer Thüre gehen.

Was bring' ich ihr? - Dieß Blümchen nur
Vom lieben Heimath-Orte.
Es blühet zwar auf jeder Flur;
Doch glaubt sie meinem Worte.

In jene Fichte will ich ihr
Noch meinen Nahmen ritzen,
Dann mag sie, wenn sie wieder hier,
Dort, mein gedenkend, sitzen.

Wie hängt der Himmel traurig fahl
Und wolkig um mich nieder! -
Wann seh' ich dich, du liebes Thal,
Ach! wann und wie einst wieder? -

Von Neuem auf dem Wanderstab
Lehn' ich am hohen Raine,
Und denke viel, und schau' hinab,
Und seufze bang, und weine. -

Da dringt das sanfte Abendgold
Durch alle Wolkenschleyer,
Und ihre Heimath ruhet hold
Verklärt in stiller Feyer.

Am Ende siegt der reine Strahl;
Er kommt ja von dort drüben. -
Leb' wohl, leb' wohl, du trautes Thal,
Du Wiege meiner Lieben!
(S. 172-176)
_____



Nach einer Leichenbegleitung

Wenn sie mich einst, ach! bald, hinaus getragen,
Der Kranz im Grabe liegt, und d'rauf die Schollen,
Wenn alles aus ist, ohne Leid und Klagen
Die wen'gen Fremden lachend heim sich trollen;
Wird krampfhaft dann das treue Herz dir schlagen,
Und werden Thränen dir vom Auge rollen?
Wirst nächtlich du im Kämmerchen alleine
Noch schluchzend bethen dann beym Lampenscheine?

Vielleicht wohl siehst an eines Andern Seite
Den kleinen Zug du still vorüber gehen,
Und wehrst die Thräne ab, daß sie nicht gleite;
Er darf vielleicht den nassen Blick nicht sehen.
Vielleicht vergessen lang' in ferner Weite
Verathme ich mit deines Nahmens Wehen,
Und ach! - von Fremden wirst in späten Jahren
Du, seufzend kaum, des Sängers Tod erfahren.
(S. 177)
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Die schlummernde Entzweyte

Sie schläft; - der zarte Mund, die lieben, blassen,
Gegrübten Wangen lächeln süßen Frieden.
Nicht hätt' ich einst den frommen Scherz gemieden,
Erweckend sie, und küssend zu umfassen.

Doch ach! - seit ihre Huld mich strenge hat verlassen,
Blüht nimmermehr mir solches Glück hiernieden,
Mit ihr entzweyt, und von mir selbst geschieden,
Bekämpfe ohne Sieg' ich Lieb' und Hassen.

Wohl leidet sie mit mir, die gute Seele! -
Und blickt, daß nicht zu grausam sie mich quäle,
Noch oft nach mir gar lieb und freundlich hold.

Und wenn auch flüchtig, - solcher Schmach zu dienen, -
Den alten Stolz empört, - ach! Aug' und Mienen
Erbetteln doch den kleinen Gnadensold.
(S. 178)
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Verlust
Als ich sie nimmer zu sehen wähnte

Nimmermehr dich sehen! - Nimmermehr! - -
Gott! - wie trag' ich den Gedanken? -
Erd' und Himmel dünken mich zu wanken,
Und in Chaos scheint die Welt zerronnen. -
Hat die Hölle noch in ihrer Qualen Heer
Eine nur, die grauser noch ersonnen;
So ist nicht Eden mit dem ew'gen Glück,
So ist sie der Schöpfung Meisterglück. -
Im Norden weit, am eis'gen Pol
Da ist ein Land, - nicht Land!
Nur eine Wüste grausenvoll,
Vermummt in ew'ges Grabgewand;
Da ist nicht Tag, - und auch nicht Nacht, -
Sonst schiene wohl der Sterne Pracht, -
Da brüten Finsternisse, schwarz und dicht,
Wie, eh' der Schöpfer sprach: Es werde Licht!
Da naht mit des Morgens heiligem Strahl,
Die kreisende Sonn' ein einzig Mahl,
Und gießet ihr Purpurgefunkel
In's starrende Dunkel.
Dann sprühen Rubinen
Die lichten Krystallruinen
Wildzackiger Felsen von Eis.
Die hangenden Wolken erblühen
Zu schwimmenden Inseln, und glühen
Voll Rosen des May's.
Selbst tief in die gräuliche Eismeerwüste
Mit den ragenden Bogen
Aufsteigend erstarrter Wogen,
Und tief und durchleuchtend hinein
In der Eisberg' eherne Brüste
Dringt der rothe, verklärende Schein.
Und es blühet und blitzt und schimmert zusammen
Ein Paradieseslenz voll Pracht,
Voll Strahlenblumen und Blüthenflammen.
Ach! kurz, - dann von Neuem mit schauriger Macht
Verschlingt ihn die alte, unendliche Nacht.
Auch mir erlosch der heil'ge Strahl!
Ich fühl's; er leuchtet nur ein einzig Mahl.
Die alte Nacht liegt wieder rings umher
Gestaltenlos, - und ohne Schranken.
Gott! - Gott! wie trag' ich den Gedanken?
Nimmermehr sie sehen! - Nimmermehr!
(S. 179-181)
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Die Ruinen

Seht ihr dort oben am Hügel
Den alten, einsamen Thurm,
Die Linde dabey und die Mauern,
Zerrüttelt von manchem Sturm?

Da bin ich umher geklettert
Durch Distel, Gesträuch und Schutt,
Da wurde mir trüb' zum Weinen,
Bin sonst ein fröhliches Blut.

Da stehen an Wänden Nahmen,
Gar viel', oft halb verbleicht,
Die Nahmen sind noch vereinigt, -
Geschieden die Menschen vielleicht.

Da kritzelte auch mein Liebchen
Den ihrigen an die Wand;
Nun aber such' ich vergebens
Die Züge der lieben Hand.

Der Mörtel ist abgefallen,
Hinweg der Nahme, wie Sie.
Ach, meiner Seele Ruinen
Bewahren ihn treuer, als die! -
(S. 182-183)
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Wiedersehen

Vom Scheiden hab' ich manches Lied gesungen,
Auf Trauerklängen mich voll Wehmuth wiegend;
Doch ist, der Worte Sprödigkeit besiegend,
Noch keines mir vom Wiederseh'n gelungen.

Wenn sie voll Jubel kommt einher gesprungen,
Die Wangen hoch entglüht, die Locken fliegend,
Und ach! dem wilden Wonnesturm erliegend,
Stumm weinend, hält den Weinenden umschlungen;

O wer vermag die Seligkeit zu nennen,
Zu der zwey treue Herzen dann entbrennen?
Nur Engellippen sängen solch Entzücken.

Dem Menschen ist nur Schmerz und Sehnsucht eigen,
Und wenn sich ihm die Himmel offen zeigen,
Darf er's verrathen nur mit stummen Blicken.
(S. 184)
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Im Parke:
Der Rosenheim bey Grätz

Am Gitter-Thore beym Kommen
Gärtner! thue mir auf, mich lockt dieß dunkle Gehäge,
Einsam ist es und still', eben dem Liebenden recht.
Weder Zweig berühr' ich noch Knospe dir; von den Bäumen
Gönne den Schatten mir nur, und von den Blumen den Duft.


Schlangenwege
Immer krümmt sich der Pfad, und geheim durch finstere Büsche
Schleicht er zum Rosenbett, das er zu fliehen gescheint.
Lächelnd erkenn' ich in ihm mein eig'nes ängstliches Zaudern,
Wenn ich, Liebliche, dir schüchtern zu nahen gestrebt.


Rosenhecke
Ha! - es lodert der Busch, und purpurn flammt es im Grünen,
Offenbart sich daraus leuchtend ein Gott? - Ja, mich däucht
Jener der Liebe, vor Allem aus dir, du niedliches Knöspchen!
Wahrlich, so ründet und spitzt Liebchen zum Kusse den Mund.


Das Tischchen im Baume
Einsam sitz' ich hier oben, im Meygezweige verborgen,
Und der Hänfling wohnt nachbarlich neben im Nest.
Beyde singen wir Lieder, er freudige neben dem Weibchen,
Ich wehmüthige nur, ferne von der, die mich liebt.


Der Altar der Wahrheit
Deinen Altar ich find' ihn ohne Flammen, o Wahrheit!
Ohne Asche sogar, ach! - und die Stufen bemoost.
Doch wer sollte dir dienen, da Sie selbst deiner nicht achtet
Und die Locke mir nicht, wie sie betheuerte, schickt.


Blaue Glockenblume
Die ihr mich Ruhenden rings umblüht, azurene Glöckchen,
Wie geschieht es, das ihr stets an ihr Auge mich mahnt? -
Stolze Blumen, ihr glaubt an Farb' ihm zu gleichen? - Vielleicht, - ja
Aber könnt ihr so lieb schauen, so freundlich? O nein!


Erdbeerplatz im Walde
Purpurne Beer! - ach sässe mir jetzt das Liebchen zur Seite,
Listig klemmt' ich am Stiel zwischen den Lippen dich fest,
Zwäng' im Scherze sie dann, dich zu nehmen mit rosigem Schnäblein,
So für die süße Frucht tauschte ich Süßeres ein.


Einsiedeley
Gerne war ich allein als Knabe schon, und ich träumte
Einsam in Klausen und Wald, einsam auf Inseln mich gern'.
D'rum auch jetzt, erweiset sie gleich sich immer mir freundlich,
Bin ich jedoch allein immer am liebsten - mit ihr.


Die Trauerweide
Weide! - dacht' ich mir oft, - mit deinen hangenden Schleyern,
Neige dich liebend einst über mein einsames Grab.
Doch, Gott Lob! - umschlösse mich jetzt der Rasen, so beugte
Eine schön're Gestalt weinend sich über mich hin.


Die Birke
Abgelegt hat die Birke mit meinem Nahmen die Rinde,
Und ein anderer füllt prangend den schneeigen Raum:
Doch sie streifet auch ihn bald ab, und jeden, wie meinen:
Mädchen, hüthe dich wohl, daß du der Birke nicht gleichst.


Abendstern
Tiefer dunkelt der Himmel, es steigt am östlichen Rande
Groß der Abendstern einsam und glänzend empor.
Mädchen! so stieg auch dir in's blaue Auge die Thräne,
Als du zum ersten Mahl lispelnd: "Ich liebe dich!" - sprachst.


Opfersäule
Unter der Linde Dach wem erhebt sich die grauliche Säule?
Sieh! - gemeißelt am Rand les' ich: "Den Nymphen des Hain's."
Blumen brach ich bey euch, und flocht sie der Lieben zum Kranze,
Dankbar Eine davon leg' ich auf euern Altar.


Rückseite des Parkes
Mählich verläuft der Park in Berg' und natürliche Waldung;
Bäume jedoch und Fels dünken noch immer mich Park.
Himmlisches Nachgefühl der ersten Liebe, - der schönsten,
Rosig umweb' auch du lange die Wirklichkeit mir.


Am Gitterthore beym Fortgehen
Gärtner, schließe auf! - es schweigt das Dunkel. - He, Gärtner!
Nur der fallende Bach rauschet vom Felse. - Wohlan!
Ueber Hecken bin ich ja oft und über Zäune gesprungen,
Hatte die Traute mich heimlich in's Gärtchen bestellt.
(S. 185-189)
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Beym Tanze

Lustig ertönen
Flöten und Geigen,
Schwebende Schönen
Kreisen im Reigen.

Lieblich von runden
Armen umwunden,
Flieg' ich im wirbelnden,
Sausenden Lauf
Lustig hinunter,
Lustig herauf.
Aber das sanfte,
Trauliche Schmiegen,
Aber das zärtliche
Schweben und Wiegen
Mit der Geliebten
Ist es doch nicht.

Blauliche Augen
Schalkhafter Laune,
Funkelnde Schwarze,
Sanfter Braune;
Leuchten mich an.
Aber sie trachten
Nicht nach den meinen,
Aber sie schmachten
Mir nicht entgegen,
Zärtlich verlegen,
Mild bis zum Weinen.

Lippen, der Rosen
Schön're Geschwister,
Tauschen mit holdem,
Leisem Geflister
Heitere Reden,
Lächeln und Grüßen;
Aber sie neigen
Nicht mit beredtem
Sehnendem Schweigen
Sich nach den meinen
Glühend in Küssen
Sich zu vereinen.

Lustig zum Reigen
Mögen ertönen
Flöten und Geigen,
Schwebende Schönen,
Laßt mich hinweg! -

Sey mir willkommen
Waldiges Dunkel,
Kühles Gehäg'!
Scherzende Vögel
Spielen Verstecken,
Rings die Gebüsche
Leise durchirrend,
Suchen und finden sich,
Jagen sich schwirrend
Rings durch die Hecken.
Und in dem Laube,
Und in den Blüthen
Blättert der Wind,
Wie in dem Bilder-
Buche das Kind.

Ach! - und dort strahlen
Durch der Gezweige
Nicken und Schwanken
Blauliche Berge. -
Meine Gedanken
Wandern hinüber,
Sputen sich munter
Jenseits hinunter,
Schleichen durch's Thal,
Schlüpfen in's Haus,
Grüßen, - und wollen
Nimmer heraus.
(S. 190-193)
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Der Zank mit der Rose

Ich sah die Flur, den Wald in grüner Hülle
Und obenhin den Himmel blau und frey,
Da floh ich rasch des wirren Volkes Fülle,
Heraus mich schleichend in den blum'gen May.
Und tief in Einsamkeit und süße Stille
Verbirgt mich nun des Parkes Siedeley,
Die selbst in Eichengrün und Rosenhecken
Das braue Dach sucht sorgsam zu verstecken.

Gedämpft durch dunkles Laub, ergießet innen
Sich grünlich bleich des Tages goldner Schein,
Und ladet sanft zu süßem Liebesinnen,
Wie Mondenlicht im stillen Zwielicht, ein.
Gleich Silber hallt der fernen Quelle Rinnen,
Des Waldes Zweige schauern lieblich d'rein,
Und flötend singt und klingt's aus tausend Kehlen
Und lehrt mich hold die schönsten Weisen wählen.

Was schimmert dort im Lenzgesproß der Linde?
Ein Restchen Schnee, das zögernd noch nicht schmolz?
O nein! - Es girret, und mein Täubchen finde
Ich nachgeflogen hier im jungen Holz.
Seht! - flatternd prüft den Fittich schon im Winde
Der Liebe Bothinn, auf ihr Aemtchen stolz;
Sie äugelt her, und sperret voll Verlangen
Das Schnäblein auf, ein Briefchen zu empfangen.

Bald, bald! - Beginnend mahl den lieben Nahmen
Auf's weiße Blatt ich schon mit gold'nem Stift;
Dann halt' ich ein, - wie ob des Arms Erlahmen, -
Und küsse froh bethört die eig'ne Schrift.
Was füg' ich nun in bunter Reime Rahmen?
Ein schmeichelnd Lied von zarter Liljen-Trift
Des Busens, und von weichen Lippenrosen? -
Wie soll mit Worten ich die Ferne kosen?

Und wie ich lispelnd so von Rosen spreche,
Hebt Eine schon den schlanken Hals im Nu,
Und späht durch's Fenster auf des Tisches Fläche
Und neigt sich lauschend an's Gesims herzu.
Ey! theilst du auch der andern Mädchen Schwäche?
Pfui! - Schäme dich, rothbäckig Dirnlein du! -
Verstohlen so in fremde Briefe blicken,
Das will sich nicht für hübsche Leutchen schicken.

Schon wieder? - Neckisch Ding! von solcher Tücke
Laß baldig ab, und sey auf deiner Huth,
Daß ich nicht plötzlich dich und strafend pflücke.
Ertappt, ertappt! - Sie läßt es nicht. Schon gut!
Ob sie auch bergend nun sich duck' und bücke,
Verräth sie doch der Wangen hohe Gluth.
O spare nur der Thränen schöne Wellen,
Es rührt mich nicht, wie sie auch schmachtend quellen.

Weh! - Arge! - Seht! sie sticht nach meinen Händen,
Und brennend quillt das Blut aus feinem Born;
Doch hoffe nicht dein strenges Loos zu wenden,
Der scharfe Stahl verhöhnet solchen Zorn,
Und kann ich gleich das Briefchen nimmer enden
Mit wunder Hand, verletzt durch deinen Dorn:
So mögen schnell des Täubchens leichte Schwingen
Entschuldigend dich selbst der Lieben bringen.

Dann kerkert sie, die Frevelthat zu büßen,
Dich in die Haft des eignen Mieders ein;
Da stirbst du bald, doch wird dein Todesküssen
Wie Dunen weich, und weiß wie Schwäne seyn.
Nun, Täubchen! eile flink mit tausend Grüßen
In's stille Thal noch vor dem Mondenschein,
Und schläft sie schon, so warte vor dem Fenster,
Und picke nicht; - sie glaubt ja an Gespenster.
(S. 194-197)
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Winterabend

Es ist so still und heimlich um mich,
Die Sonn' ist unter, der Tag entwich.
Wie schnell nun heran der Abend graut! -
Mir ist es recht, sonst ist mir's zu laut.
Jetzt aber ist's ruhig, es hämmert kein Schmied,
Kein Klempner, das Volk verlief, und ist müd;
Und selbst, daß nicht raßle der Wagen Lauf,
Zog Decken der Schnee durch die Gassen auf.

Wie thut mir so wohl der selige Frieden!
Da sitz' ich im Dunkel, ganz abgeschieden,
So ganz für mich; - nur der Mondenschein
Kommt leise zu mir in's Gemach herein.
Brauche mich aber nicht zu geniren,
Nicht zu spielen, zu conversiren,
Oder mich sonst attent zu zeigen.

Es kennt mich schon, und läßt mich schweigen,
Nimmt nur seine Arbeit, die Spindel, das Gold,
Und spinnt stille, webt und lächelt hold,
Und hängt dann sein schimmerndes Schleyertuch
Ringsum an Geräth und Wänden aus.
Ist gar ein stiller, lieber Besuch,
Macht mir gar keine Unruh' im Haus'.
Will er bleiben, so hat er Ort,
Freut's ihn nimmer, so geht er fort.

Ich sitze dann stumm im Fenster gern',
Und schaue hinauf in Gewölk' und Stern.
Denke zurück, ach! weit, gar weit,
In eine schöne, verschwund'ne Zeit.
Denk' an Sie, an das Glück der Minne,
Seufze still', und sinne und sinne. -
(S. 198-199)
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Entschuldigungs-Briefchen

Du zürnest wohl, daß ich die letzte Woche
Versäumt den Posttermin; doch, Liebchen, koche
Zu arge Rache nicht im kleinen Herzen,
Und geh', ich rathe dir, zu hastig nicht,
Es möchte dich die Eile schmerzen,
Mit deinem Vielgetreuen in's Gericht.
Vernimm, eh' du mich legst in Acht und Bann,
Die Gründe der Versäumniß; dann erst, dann,
Wenn du's vermagst, - verdamme mich.

Ein Mädchen, blond mit blüthenrothen Wangen
Und sanftem Aug', das fast dem deinen glich,
Hielt liebend mich im Liljenarm umfangen.
Wir saßen süßvertraut im Mondenscheine
Gesehen nur vom stillen Liebessterne;
Sie nannte sich wohl tausend Mahl die Meine
Und küßte mich, und ich, - ich litt es gerne.
Ich zog sie selbst an meine Brust, und herzte
Den kleinen Schelm, und küßte, lacht' und scherzte.

Wie konnt' ich da zur Trennung mich entschließen,
Des Brief's gedenken, den ich dir versprach?
Es konnte leicht das liebe Kind verdrießen,
Wenn sein Gekos' ich scheidend unterbrach.
D'rum wirst vergeben du, daß ich geblieben;
Und nicht, wie ich verheißen, dir geschrieben.

O ziehe nicht das glühende Gesichtchen
In finst're Falten! - Offenbar
Entschuldiget mich obiges Geschichtchen.
Sey freundlich, Liebchen! - Du wirst doch nicht gar
Den kleinen Fehler schon so strenge strafen;
Hab' ich doch sonst die Stunde nie versäumt.
Und wahrlich! - hätt' ich nicht von dir geträumt,
Ich hätte nicht gewagt, sie zu verschlafen.
(S. 200-201)
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Weltansicht

Bin ich mit dir, du Fraue mein, entzweyet,
Und däucht getrübt mir deines Bildes Reine;
Den Besten wähn', - ob ich darob auch weine, -
Ich dann von argen Mängeln nicht befreyet.

Doch schwebst du licht, von Zweifeln nicht entweihet,
Auf Fittichen vor mir im Heil'gen-Scheine,
Dann blüht um mich ein Paradies, ich meine
Im Lasterkreis von Engeln mich umreihet.

So, wenn Gewölk der Sonne Glanz verdunkelt,
Verwelkt auch des Rubines Feuerrose,
Und selbst des Diamanten Blitz verblühet;

Doch, wenn ihr heilig Licht entschleyert funkelt,
Dann strahlt es rings, und als Juwele sprühet
Und flammt der staubgetrübte Thau im Moose.
(S. 202)
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Die Spinne

Still durchblättern wir, - ich meine mich und das Liebchen, -
Was an Liedern der Lieb' einsam und fern' ich ihr sang.
Wonnigen Ehrensold versprachen die freundlichen Augen,
Und der Lippen Rubin sollte der Zahler mir seyn.
Schon umschling' ich den Leib, und halb herüber geneiget,
Beut sie verschämt den Mund, - wehe! da schreyt sie und flieht.
Seltsam verblüfft entspring' auch ich dem fallenden Stuhle,
Und die hinkende Magd keichet in Aengsten herbey.
Da! - da! - ächzet sie blaß, und weis't an die Decke. - Mein Himmel!
Ein langbeiniger Punct, hexenhaft, kreucht am Gesims.
Böse Spinne, weh' dir! - das Liebchen mir so zu erschrecken.
Schon mit dem Besen besteigt drohend die Alte den Stuhl.
Wie, von neuem Gekreisch? - Ach Gott, die täppische Alte
Stieß das garstige Thier nah' an dem Mädchen herab.
Zorn-entglüht das Gesicht, und Thränen der Angst in den Augen
Springt sie mir in den Arm, Hülfe sich suchend und Schutz,
Trippelt vor Furcht mit den Füßchen, und starret bleich auf den Aestrich
Während sie grausam, laut: "Tödte sie, tödte sie!" ruft.
Lächelt' ich gleich, so rührte mich doch die kindliche Unschuld,
Die oft mit der Gefahr spielt, und verzagt vor dem Nichts.
Küssen mußt' ich sie, traun, und in Ordnung schmeicheln die Locken,
Trat auf die Lieder sie gleich, die sie verworfen vor Angst.
(S. 203-204)
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An ihre verklärten Geschwister
über deren Tod sie sich sehr grämte

Dort sitzt sie träumerisch im Sternenlichte
In Thränen einsam, mit erblich'nen Wangen,
Die Haare läßt sie los hernieder hangen,
Zu matt, daß sie die schön Verworr'nen schlichte.

Sie lächelt still', als ob sie im Gesichte
Die Lieben säh', die ihr voraus gegangen,
Und dieses Lächeln macht mich tief erbangen,
Daß jenen zu sie sternen-aufwärts flüchte.

O winket, winket nicht, ihr Glanzgestalten!
Nicht könnte sie mein schwacher Arm erhalten,
Wollt' ihrer Sehnsucht Flug empor sie heben.

Um Gott! - winkt nicht! - Der Engel viel umschweben
Ihr Sel'gen, euch in heil'gen Palmenhainen,
O gönnt auf rauher Erde mir - den Einen.
(S. 205)
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Die Rose
zwischen den Winterfenstern

Traun, aus der Ferne weit
Komm' ich bey schlimmer Zeit;
Ach! und du frägst noch Lieb,
Ob ich getreu dir blieb?

Früh' in der Winternacht
Hab' ich mich aufgemacht,
Lustig einher und schnell
Schritt' ich im Monde hell.

Frostiger Nebelflug,
Eisiger Windeszug
Schnitt mir in's Angesicht;
Aber ich achtet's nicht.

Alpen hinan, hinan
Wühlt' ich im Schnee mir Bahn;
Schroffes Gebirg voll Eis
Ist kein bequem Geleis'.

Und auf der Höhe gar
Fiel mir der Sturm in's Haar,
Faßte mit Mörderlust
Grimmig mich an der Brust.

Wollte vom Fels hinab
Stürzen mich in das Grab;
Aber ich wehrte mich,
Bis er mir schnaubend wich.

Müde dann fiel ich hin,
Dachte mir still im Sinn:
Wenn's nicht zum Liebchen wär',
Fänd' ich den Gang zu schwer.

Lustig zum raschen Lauf
Sprang ich dann wieder auf,
Ach! - und du zweifelst doch,
Ob ich getreu dir noch? -

Ich hielt sie fest und liebevoll umfangen,
Und sanften Vorwurf sprach mein trüber Blick.
Bald nimmt bewegt, mit reuevollem Bangen,
Sie küssend wohl das böse Wort zurück.
So hofft' ich zwar; doch mußt' ich bald ersehen,
Daß Mädchen nie ihr Unrecht eingestehen.

"Erhöhe stolz mit schlau erdachten Lügen, -"
Sprach lächelnd sie, - "des Weg's Beschwerde nicht.
Im Frühling' ist das Wandern ja Vergnügen,
Wie nun, da Rose schon die Knospe bricht."
D'rauf weiset mit dem Fingerchen, - vom Golde
Der Lieb' umglänzt, - an's Fenster mir die Holde.

Worauf erstaunt jetzt meine Blicke fallen,
Ist's Traumgesicht, ist's Feen-Zauberey?
Frisch leuchtend durch der Gläserwand Krystallen
Entzückt das Aug' ein üppig-grüner May,
Und aus dem Grün mit schamhaftwirrem Nicken
Seh' schüchtern ich der Rosen Schönste blicken.

Ach! - wie sie glühet!
Sanfter, doch rein und
Frisch, wie der Morgen,
Zart wie ein leichter,
Lieblicher Traum. -
Züchtig das grüne
Busentuch ziehet
Sie um die junge
Heilige Brust.
Ach! - wie sie himmlisch,
Lächelt vor Milde!
Recht wie ein Engel
Unter den Blumen.

Wär'st du im Lenze
D'raußen erglommen
Unter den warmen
Buhlenden Lüften,
Unter den losen
Schmetterlings-Küssen;
Jugend und Anmuth,
Schönheit und Unschuld
Wären dir lange
Flüchtig entschwunden.
Aber so blühst du
Einsam und stille
Hier in dem engen
Hause von Glas;
Blühest noch viele,
Heitere Tage,
Blühest, und preisend
Nennen dich alle:
Jungfrau der Blumen.

Du fesselst mich mit deiner Arme Banden,
Und hebst gerührt den Blick, der Freude weint,
Hast, Liebchen, du des Sängers Wort verstanden? -
Wohl hat geheim es Beyde euch gemeint,
Die Blumen hier, die man mag Jungfrau preisen,
Und dich, die Blume aus der Jungfrau'n Kreisen.

Ja! dieser Blume
Lasse mich gleichen, -
Rief mit entflammten
Auge das Liebchen, -
Freundlich mit schönen,
Lieblichen Bildern
Hat sie des Sängers
Busen erfüllt.
Sturm und die öden
Schneeigen Alpen,
Und die erstorb'nen
Eisigen Wüsten
Hat er vergessen,
Hold von der Einen
Rose getäuscht.

Ach! - so an diesem
Glühenden Herzen
Soll er vergessen
Gänzlich die kalte
Frostige Welt.
Und durch der Liebe
Funkelnde Sterne
Werd' ihm das Leben
Heiter zum ew'gen
Frühling erhellt.
(S. 206-211)
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Ihres Vaters Tod
als sie nach langer Trennung den Sterbenden wieder sah

Mit kaum verhalt'nem Weinen, leisem Grüßen
Kommt zögernd sie an's Krankenbett gegangen,
Des Vaters dürre Hand, die bleichen Wangen
Bedeckt sie mit der Ehrfurcht heil'gen Küssen.

Er staunt sie schweigend an mit matten Blicken,
Kann von der Theuern nimmer sie verwenden,
Ergreift die Langentbehrte bey den Händen,
Und läßt nicht ab, mit Inbrunst sie zu drücken.

D'rauf weint er laut in reichen Thränenfluthen
Die Wonnen aus, die hoch die Brust ihm schwellen,
Und in der Freudenthränen süßen Wellen
Erlöschen sanft des Auges letzte Gluthen.

Nach ihr, nach ihr mit mild-verklärten Mienen
Sieht zärtlich man noch den Verblich'nen schauen,
Wie dankend, daß im letzten, bangen Grauen
So holder Todesengel ihm erschienen.
(S. 212-213)
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Der Trauernden

Wo seufzend dort die müde Trauerweide
Im Abendschein' ihr Goldgezweige wiegt,
Kniet weinend Sie auf stiller Friedhof-Heide,
Den Arm um ein gezimmert Kreuz geschmiegt,
Und hört nicht nah'n in ihrem tiefen Leide,
Dem sie sonst jubelvoll entgegen fliegt.
Du holdes Bild! verzeih', daß ich es wage,
Zu stören dich in deiner stummen Klage.

Den schlichten Kranz, den ich in schönen Stunden
Dir liebend flocht, bring' ich vollendet hier,
Und war er gleich der Freude nur gebunden,
O weise jetzt, auch jetzt ihn nicht von dir,
Und möge gleich, von Trauerflor umwunden,
Dir ziemen nicht solch farbig heit're Zier,
Verschmähe nicht den Blüthenkranz der Lieder,
Und lege still auf jenes Grab ihn nieder.
(S. 214)
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Aus: Gedichte von Carl Gottfried Ritter von Leitner
Wien gedruckt bey J. P. Sollinger 1825

 


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Gottfried_von_Leitner


 

 


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