Nikolaus Lenau (1802-1850) - Liebesgedichte

Nikolaus Lenau

 

Nikolaus Lenau
(1802-1850)

 

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 

An*

Ach wärst du mein, es wär' ein schönes Leben!
So aber ist's Entsagen nur und Trauern,
Und ein verlornes Grollen und Bedauern;
Ich kann es meinem Schicksal nicht vergeben.

Undank thut wohl und jedes Leid der Erde;
Ja! meine Freund' in Särgen, Leich' an Leiche
Sind ein gelinder Gram, wenn ich's vergleiche
Dem Schmerz, daß ich dich nie besitzen werde.
(Band 2 S. 72)
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In der Nacht

Alles schläft, und über's Gefild der Ruhe
Wandelt leisen Schrittes dahin des Lebens
Genius; sanft schimmert vom Weltendom die
Lampe des Mondes.

Sieh! den ernsten Zügen des Gott's entringet
Holdes Lächeln sich, denn er sieht die Lieben
In des Schlafes süßer Umarmung ihrer
Qualen vergessen.

Hüll' in deine Schatten mich tief, geliebte
Linde, daß die kummergebleichte Wange,
Und die bange Thräne sein holdes Lächeln
Nimmer verscheuche!

Ach, schon dreimal sank dir die Blüth, o Linde,
Seit der Stunde, wo das Gespräch der Freunde
Von Unsterblichkeit du behorchtest, und ein
Sanftes Gesäusel

Durch dein mondversilbertes Laub uns Hoffnung
In die Seele goß, daß wir einst uns wieder
Finden; - dreimal welkte der Halm am Grabe
Meines Geliebten!
(Band 1 S. 224)
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Nie zurück!

Als der Cherub aus dem Paradies
Ihn und seine Klagen streng verwies,
Weinte Adam noch am Gartensaume
Still zurück nach seinem schönen Traume,

Und durch einen weichen Morgenwind
Sandten Rosen ihm erbarmungslind
Duftend ihre süßen Scheideküsse,
Paradiesesvögel lezte Grüße.

Wie er trauernd an der Gränze stand,
Wie er tief das "Nie zurück!" empfand,
Mich durchdrangen alle seine Leiden,
Als ich mußt' auf immer von dir scheiden.

Mir auch ward zum milden Scheidegruß
Deiner Lippenrosen noch ein Kuß,
Und wie Edens Vögel ihn gesungen,
Kam dein Lebewohl, mir nachgeklungen.
(Band 2 S. 339)
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Scheideblick

Als ein unergründlich Wonnemeer
Strahlte mir dein tiefer Seelenblick;
Scheiden mußt' ich ohne Wiederkehr,
Und ich habe scheidend all mein Glück
Still versenkt in dieses tiefe Meer.
(Band 1 S. 337)
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Meine Braut

An der duftverlornen Gränze
Jener Berge tanzen hold
Abendwolken ihre Tänze,
Leichtgeschürzt im Strahlengold.

Wenn ich nach den lichten Räumen
Jener Berg' hinüberseh',
Ueberschleicht mich's wie ein Träumen,
Faßt mein Herz ein dunkles Weh.

Und mir ist, als wohne drüben
Meine Braut und harre bang,
Daß ich komme, sie zu lieben,
Eh' verblüht ist Herz und Wang'.

Plötzlich treibt ein wildes Sehnen
Nach den Bergen mich, zu ihr,
Fluchtverstreute Wonnethränen
Stürzen aus dem Auge mir.

Doch die Berge sich verdunkeln,
Und die Wolken werden Nacht;
Nicht ein Sternlein seh' ich funkeln,
Und der Sturm ist aufgewacht;

Scheltend ruft er mir entgegen:
Heißer Narr, wohin? verzeuch!
Deine Braut heißt Qual, - den Segen
Spricht das Unglück über euch!
(Band 1 S. 88)
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Unmögliches

Bevor mein Blick den Zauber noch getrunken,
Der, wie die Farbenpracht am Demant glüht,
Dich tausendfach, doch immer neu, umblüht;
Horcht' ich dem Freund, in Ahnungen versunken.
Wir seh'n des Berges Haupt in Purpur prangen,
Wenn schon die Sonne sank und Dämmerung
Den Hain umflort: so strahlt' Erinnerung
An dich, Geliebte, von des Freundes Wangen;
Begeistert taucht' er in des Busens Tiefen
Den Pinsel, und er malte warm und mild
Dem sel'gen Horcher dein entzückend Bild,
Gefühle weckend, die seit lange schliefen.
Doch wie's dem Dichter nimmer will gelingen,
Des Busens Drang ins enge Wort zu zwingen,
Hinüber uns in seine Welt zu singen:
So hat der Freund vergebens dich gemalt,
Sie nicht erreicht, die göttliche Gestalt,
Und deiner Seele stille Allgewalt.
(Band 1 S. 153)
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Traurige Wege

Bin mit dir im Wald gegangen;
Ach, wie war der Wald so froh!
Alles grün, die Vögel sangen,
Und das scheue Wild entfloh.

Wo die Liebe frei und offen
Rings von allen Zweigen schallt,
Ging die Liebe ohne Hoffen
Traurig durch den grünen Wald.

Bin mit dir am Fluß gefahren;
Ach, wie war die Nacht so mild!
Auf der Flut, der sanften, klaren,
Wiegte sich des Mondes Bild.

Lustig scherzten die Gesellen;
Unsre Liebe schwieg und sann,
Wie mit jedem Schlag der Wellen
Zeit und Glück vorüberrann. -

Graue Wolken niederhingen,
Durch die Kreuze strich der West,
Als wir einst am Kirchhof gingen;
Ach, wie schliefen sie so fest!

An den Kreuzen, an den Steinen
Fand die Liebe keinen Halt;
Sahen uns die Todten weinen,
Als wir dort vorbeigewallt?
(Band 2 S. 74)
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Traurige Wege
(andere Lesart)

Bin mit dir im Wald gegangen;
Ach, wie war der Wald so froh!
Alles grün, die Vögel sangen,
Und das scheue Wild entfloh.

Wo die Liebe frei und offen
Rings von allen Zweigen schallt,
Ging die Liebe ohne Hoffen
Traurig durch den grünen Wald.

Bin mit dir am Fluß gefahren;
Ach, wie war die Nacht so mild!
Auf der Flut, der sanften, klaren,
Wiegte sich des Mondes Bild.

Lustig scherzten die Gesellen;
Unsre Liebe schwieg und sann,
Wie mit jedem Schlag der Wellen
Zeit und Glück vorüberrann.

Als wir einst am Kirchhof gingen;
Ach, wie schliefen sie so fest!
Graue Wolken niederhingen,
Durch die Kreuze strich der West.

An den Kreuzen, an den Steinen
Fand die Liebe keinen Halt;
Sahen uns die Todten weinen,
Als wir dort vorbeigewallt?

Drauf wir in die Kirche traten,
Ach, wie war die Kirche still,
Und kein Strahl in ihre Schatten
Durch die düstern Fenster fiel!

In des Domes dunkle Mauern
Standen wir, von Gott bewegt,
Und ich fühlte, ewig dauern
Wird - was uns im Herzen schlägt.
(Band 2 S. 75)
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An der Bahre der Geliebten

Blaß und auf immer stumm, auf immer! liegst du
Hingestreckt, o Geliebte, auf der Bahre!
Deine Reize lockten den Tod, er kam, er
Hält dich umarmet!

Einst in der Kühlung leiser Abendwinde
Saßen wir am Gemurmel eines Baches,
Und ich sprach aus zitternder Seele dir: "ich
"Liebe dich ewig!"

Aber du neigtest sinnend nach den Wellen,
Nach den flüchtigen, tief dein schönes Antlitz,
Wie ergriffen von dem Geflüster dunkler
Stimmen der Zukunft.

Schmerzlich berührt von deinem Schweigen, frug ich,
Ob vernommen das Wort du meiner Seele,
Und du nicktest hold; doch es dünkte mir dein
Nicken zu wenig. -

Glühende Thränen stürzen mir vom Auge,
Und sie pochen an deine kalte Stirne,
Ach, von der geflohen dahin das stille
Sinnen der Liebe.

Meine gebrochne Stimme ruft dir bange
Nach: "ich liebe dich ewig!" o wie selig
Wär' ich nun, antwortete meinem Schmerz dein
Leisestes Nicken!
(Band 1 S. 221)
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Trauer

Blumen, Vögel, duftend, singend,
Seyd doch nicht so ausgelassen,
Ungestüm an's Herz mir dringend;
Laßt allein mich zieh'n die Straßen!

Vieles ist vorübergangen,
Seit wir uns zuletzt begegnet,
Und es hat von meinen Wangen
Meines Glückes Herbst geregnet.

Winter kam hereingeschlichen
In mein Herz, die Thränen starben,
Und schneeweiß sind mir erblichen
Alle grünen Hoffnungsfarben.

Blumen, Vögel, rings im Haine
All' ihr frohen Bundgenossen,
Mahnt mich nicht, daß ich alleine
Bin vom Frühling ausgeschlossen!
(Band 1 S. 314)
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Scheiden

"Dahin sind Blüthen jetzt und Nachtigallen,
Und durch den kahlen, traurig stillen Strauch
Weht nun des Herbstes einsam kühler Hauch;
Mein Glück ist mit dem Laube abgefallen.

Das ist der Hain, wo ich mit dir verweilte,
Das ist der Büsche wonnigliche Haft,
Wo uns am Fleh'n der süßen Leidenschaft
Unfesselbar die Zeit vorübereilte.

Du wanderst fort, du willst die Welt durchmessen,
Hier ist der Pfad, so schlangenkrumm und kalt,
Der dich, Geliebter, locket mit Gewalt,
Und fortführt in die Fremde, in's Vergessen!"

""Das Schiff bewegt mit seinem Reisedrange,
Und stört empor die See aus glatter Ruh;
Doch, ist es fort, schließt sich die Welle zu,
Gleichgültig wallt sie fort im alten Gange.

Siehst du von jenem Baum den Vogel fliegen?
Von seinem Fortschwung wankt und bebt der Ast
Ein Weilchen noch, und kehrt zur alten Rast:
Und deine Klagen werden auch versiegen!""
(Band 1 S. 309)
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Das Veilchen und der Schmetterling

Ein Veilchen stand
An Baches Rand,
Und sandte ungesehen
Bei sanftem Frühlingswehen
Süßen Duft
Durch die Luft.
Da kommt auf schwankendem Flügel
Ein Schmetterling über den Hügel,
Und senket zur kurzen Rast
Zum Veilchen sich nieder als Gast

Schmetterling
Ei! Veilchen! wie du thöricht bist,
Zu blühn, wo niemand dein genießt!

Veilchen
Nicht ungenossen blüh' ich hier,
Ein Schäfer kommt gar oft zu mir,
Und athmet meinen Duft und spricht:
"Ein solches Blümchen fand ich nicht,
Wie Veilchen du! auf Wiesen, Auen,
Ist keines mehr wie du zu schauen!"

Schmetterling
's ist schöner doch, glaub meinem Wort,
Zu blühn auf freier Wiese dort,
In jener bunten Blumenwelt,
Als hier im dunklen Schattenzelt!

Veilchen
Hier bin ich meines Schäfers Wonne,
Dort aber bleichet mich die Sonne,
Und ohne Farbe ohne Duft,
Find' ich zu früh dort meine Gruft.
Drum blüh' ich in der Einsamkeit,
Wenn auch nur Einer mein sich freut.
(Band 2 S. 332)
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Das Vergißmeinnicht spricht ...

Das Vergißmeinnicht spricht
Gedenke doch mein auch in Ferne
Doch auch dieses Blümchen es lebt immer nicht
Und stirbt oft vergeßen, wie Liebe.
Doch sollt auch das ganze Weltall vergehen
Und lebendig wird das Lächeln
Das vom Tode war befangen,
Und jungfräuliches Erröthen
Dämmerth auf der bleichen Wange.

Rose und Vergißmeinnicht
Die Rose so schön und so hold wie du
Sie dauret nicht lange und welket
So auch welket blühende Jugend dahin
Und alles was irdisch verwelket
Doch sieh wie so sanft.
(Band 2 S. 338)
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Das Mondlicht

Dein gedenkend irr' ich einsam
Diesen Strom entlang;
Könnten lauschen wir gemeinsam
Seinem Wellenklang!

Könnten wir zusammenschauen
In den Mond empor,
Der da drüben aus den Auen
Leise taucht hervor.

Freundlich streut er meinem Blicke
Aus dem Silberschein
Stromhinüber eine Brücke
Bis zum stillen Hain.

Wo des Stromes frohe Wellen
Durch den Schimmer zieh'n,
Seh' ich, wie hinab die schnellen
Unaufhaltsam flieh'n.

Aber wo im schimmerlosen
Dunkel geht die Fluth,
Ist sie nur ein dumpfes Tosen,
Das dem Auge ruht.

Daß doch mein Geschick mir brächte
Einen Blick von dir!
Süßes Mondlicht meiner Nächte,
Mädchen, bist du mir!

Wenn nach dir ich oft vergebens
In die Nacht geseh'n,
Scheint der dunkle Strom des Lebens
Traurend still zu steh'n;

Wenn du über seinen Wogen
Strahlest zauberhell,
Seh ich sie dahingezogen,
Ach, nur allzuschnell!
(Band 1 S. 92-93)
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Meine Rose

Dem holden Lenzgeschmeide,
Der Rose, meiner Freude,
Die schon gebeugt und blasser
Vom heißen Strahl der Sonnen,
Reich' ich den Becher Wasser
Aus dunklem, tiefen Bronnen.

Du Rose meines Herzens!
Vom stillen Strahl des Schmerzens
Bist du gebeugt und blasser.
Ich möchte dir zu Füßen,
Wie dieser Blume Wasser,
Still meine Seele gießen!
Könnt ich dann auch nicht sehen
Dich freudig auferstehen.
(Band 2 S. 85)
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Der Himmel sammt ...

Der Himmel sammt funkelnder Sternen
So wird meine Liebe doch ewig bestehen
Zu der holden erwählten Geliebten
(Band 2 S. 337)
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Neid der Sehnsucht

Die Bäche rauschen
Der Frühlingssonne,
Hell singen die Vögel,
Es lauschen die Blüten,
Und sprachlos ringen
Sich Wonnedüfte
Aus ihrem Busen;
Und ich muß trauern,
Denn nimmer stralt mir
Dein Aug', o Geliebte! -
Nicht über den Wellen
Des Oceanes,
Nicht über den Sternen,
Und nicht im Lande
Der Phantasieen
Ist meine Heimath;
Ich finde sie nur
In deinem Auge!
Was je mir freudig
Beseelte das Leben,
Was nach dem Tode
Mir weckte die Sehnsucht,
Entschwundner Kindheit
Fröhliche Tage,
Und meiner Jugend
Himmlische Träume,
Von meinen Todten
Trauliche Grüße,
Und meiner Gottheit
Stärkenden Anblick,
Das Alles find ich
In deinem Auge,
O meine Geliebte!
Nun bist du ferne,
Und bitter beneiden
Muß jeden Stein ich,
Und jede Blume,
Beneiden die kalten
Menschen und Sterne,
An die du vergeudest
Die süßen Blicke.
(Band 2 S. 78-79)
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Verlornes Glück

Die Bäume rauschen hier noch immer,
Doch sind's dieselben Blätter nimmer,
Wie einst in jener Sommernacht.
Wohin, du rauhes Erdenwetter,
Hast du die damals grünen Blätter,
Wohin hast du mein Glück gebracht?

Sie schritt mit mir durch diese Bäume,
Ihr gleicht kein Bild beglückter Träume,
So schön und doch so treu und klar;
Das Mondlicht ruht' auf ihren Wangen,
Und ihre süßen Worte klangen:
"Dich werd' ich lieben immerdar!"

Je tiefer mit den Räuberkrallen
Der Tod ins Leben mir gefallen,
Je tiefer schloß ins Herz ich ein
Den Schatz der Lieb', dem Tode wehrend;
Doch bricht der Räuber, allbegehrend,
Zuletzt nicht auch den letzten Schrein?
(Band 2 S. 416)
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Der schwere Abend

Die dunklen Wolken hingen
Herab so bang und schwer,
Wir beide traurig gingen
Im Garten hin und her.

So heiß und stumm, so trübe
Und sternlos war die Nacht,
So ganz wie unsre Liebe
Zu Thränen nur gemacht.

Und als ich mußte scheiden
Und gute Nacht dir bot,
Wünscht' ich bekümmert beiden
Im Herzen uns den Tod.
(Band 2 S. 73)
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Auf dem Hochberg (12. Juli)
An Agnes

Die Gletscher glühen in dem goldnen Lichte
Und röthlich glänzt die Felsenwand,
Um diese Gipfel wehen Traumgesichte,
Aus frühen Tagen mir bekannt.

Im Purpurmeer seh ich den Nachen treiben:
Die Sonne spiegelt sich im weiten See.
Am fernen Kloster zähl ich alle Scheiben,
Im Herzen wird mirs wohl und weh.

Es locken Thäler hinter Felsenthoren,
Ein Sehnen faßt mich im Gemüth,
Nach Glück, besessen - nie - und nie verloren,
Verwelkt und niemals doch erblüht!

Den Blick laß in die blaue Ferne tauchen
- Dort ist es nicht, nur Trug und Pein!
Da unten, wo die stillen Hütten rauchen,
Da muß es oder nirgend sein!

Auf Alpenhöhe mit dir, Seelenschwester,
Im Abendschein ich schweigend stand,
Nicht reden konnt ich, drückte fest und fester
Nur deine liebe, treue Hand.

Die Glocken riefen zum Gebet die Müden,
Und aller Zauber der Natur
Kam über uns mit seinem tiefen Frieden,
Doch blieb auch eine Wehmutspur.

Wann stehen wir wie jetzt so eng verbunden
Wohl wieder in dem Abendstrahl,
Wann bringen späte Jahre solcher Stunden
Verein im grünen Alpental?

Bald wird der Abschied mir die Brust zerschneiden,
Vom Vaterland, vom Vaterhaus.
Getrennt von dir, muß Herzenfrost ich leiden,
Zur Fremde treibt es mich hinaus.

Du bist mir mehr als meine Heimatschwelle,
Dein Herz ist mir ein Heilgenschrein,
Mir wie dem müden Pilgrim die Kapelle;
Ich legte Wonn und Schmerz hinein!

Wir werden oft uns, einst gewiß ach! trennen,
Vereint doch sein in Lieb, Gebet.
Wir werden wieder sehen uns, erkennen:
Ein Trost ist dies, der fest besteht.
(Band 2 S. 335-336)
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Jugend und Liebe

Die Jugend folgt, ein Rosenblatt, den Winden.
Wenn, jung getrennt, sich wiedersehn die Alten,
Sie meinen doch, in ihren ernsten Falten
Den Strahl der süßen Jugend noch zu finden.

Des Dauerns Wahn, wer läßt ihn gerne schwinden?
Mag auch ein Herz, das uns geliebt, erkalten,
Wir suchen immer noch den Traum zu halten,
Nur stiller sei geworden sein Empfinden.

Die Jugend folgt, ein Rosenblatt, den Lüften;
Noch leichter als die Jugend flieht die Liebe,
Die nur des Blattes wonnereiches Düften.

Und dennoch an den herben Tod des Schönen,
Im treuen Wahn, als ob es ihm noch bliebe,
Kann sich das Herz auch sterbend nicht gewöhnen.
(Band 2 S. 92)
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Nächtliche Wanderung

Die Nacht ist finster, schwül und bang,
Der Wind im Walde tost;
Ich wandre fort die Nacht entlang,
Und finde keinen Trost.

Und mir zur Seite, engelmild,
Und, ach, so schmerzlich traut,
Zieht mein Geleite hin, das Bild
Von meiner todten Braut.

Ihr bleiches Antlitz bittet mich,
Was mich ihr süßer Mund
So zärtlich bat und feierlich
In ihrer Sterbestund':

"Bezwinge fromm die Todeslust,
"Die dir im Auge starrt,
"Wenn man mich bald von deiner Brust
"Fortreisset und verscharrt!"

Da unten braust der wilde Bach,
Führt reichen, frischen Tod,
Die Wogen rufen laut mir nach:
"Komm, komm, und trinke Tod!"

Das klingt so lieblich wie Musik,
Wird wo ein Paar getraut;
Doch zieht vom Sprunge mich zurück
Das Wort der todten Braut.

Stets finstrer wird der Wolkendrang,
Der Sturm im Walde brüllt,
Und ferne hebt sich Donnerklang,
Der immer stärker schwillt.

O schlängle dich, du Wetterstrahl,
Herab, ein Faden mir,
Der aus dem Labyrinth der Qual
Hinaus mich führt zu ihr!
(Band 1 S. 94-95)
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Dein Bild

Die Sonne sinkt, die Berge glüh'n,
Und aus des Abends Rosen
Seh' ich so schön dein Bild mir blüh'n,
So fern dem Hoffnungslosen.

Strahlt Hesperus dann hell und mild
Am blauen Himmelsbogen,
So hat mit ihm dein süßes Bild
Die Sternenflur bezogen.

Im mondbeglänzten Laube spielt
Der Abendwinde Säuseln;
Wie freudig um dein zitternd Bild
Des Baches Wellen kräuseln!

Es braust der Wald, am Himmel zieh'n
Des Sturmes Donnerflüge,
Da mal' ich in die Wetter hin,
O Mädchen, deine Züge.

Ich seh' die Blitze trunkenhaft
Um deine Züge schwanken,
Wie meiner tiefen Leidenschaft
Aufflammende Gedanken.

Vom Felsen stürzt die Gemse dort,
Enteilet mit den Winden,
So sprang von mir die Freude fort,
Und ist nicht mehr zu finden.

Da bin ich, weiß nicht selber wie,
An einen Abgrund kommen,
Der noch das Kind der Sonne nie
In seinen Schoos genommen.

Ich aber seh' aus seiner Nacht
Dein Bild so hold mir blinken,
Wie mir dein Antlitz nie gelacht;
Will's mich hinunter winken?
(Band 1 S. 89-90)
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An die Entfernte

I.
Diese Rose pflück ich hier,
In der fremden Ferne;
Liebes Mädchen, dir, ach dir
Brächt ich sie so gerne!

Doch bis ich zu dir mag ziehn
Viele weite Meilen,
Ist die Rose längst dahin,
Denn die Rosen eilen.

Nie soll weiter sich in's Land
Lieb' von Liebe wagen,
Als sich blühend in der Hand
Läßt die Rose tragen;

Oder als die Nachtigall
Halme bringt zum Neste,
Oder als ihr süßer Schall
Wandert mit dem Weste.



II.
Rosen fliehen nicht allein,
Und die Lenzgesänge,
Auch dein Wangenrosenschein
Deine süßen Klänge.

O, daß ich, ein Thor, ein Thor,
Meinen Himmel räumte!
Daß ich einen Blick verlor,
Einen Hauch versäumte!

Rosen wecken Sehnsucht hier,
Dort die Nachtigallen,
Mädchen, und ich möchte dir
In die Arme fallen!
(Band 2 S. 84)
_____

 

Schilflieder

1.
Drüben geht die Sonne scheiden,
Und der müde Tag entschlief;
Niederhangen hier die Weiden
In den Teich, so still, so tief

Und ich muß mein Liebstes meiden!
Quill, o Thräne, quill hervor!
Traurig säuseln hier die Weiden,
Und im Winde bebt das Rohr.

In mein stilles, tiefes Leiden
Strahlst du, Ferne! süß und mild,
Wie durch Binsen hier und Weiden
Strahlt des Abendsternes Bild.


2.
Trübe wird's, die Wolken jagen,
Und der Regen niederbricht,
Und die lauten Winde klagen:
"Teich, wo ist dein Sternenlicht?"

Suchen den erloschnen Schimmer
Tief im aufgewühlten See.
Deine Liebe lächelt nimmer
Nieder in mein tiefes Weh!


3.
Auf geheimem Waldespfade
Schleich' ich gern im Abendschein
An das öde Schilfgestade,
Mädchen, und gedenke dein!

Wenn sich dann der Busch verdüstert,
Rauscht das Rohr geheimnißvoll,
Und es klaget und es flüstert,
Daß ich weinen, weinen soll.

Und ich mein', ich höre wehen
Leise deiner Stimme Klang,
Und im Weiher untergehen
Deinen lieblichen Gesang.


4.
Sonnenuntergang;
Schwarze Wolken zieh'n,
O wie schwül und bang
Alle Winde flieh'n!

Durch den Himmel wild
Jagen Blitze, bleich;
Ihr vergänglich Bild
Wandelt durch den Teich.

Wie gewitterklar
Mein' ich dich zu seh'n,
Und dein langes Haar
Frei im Sturme weh'n!


5.
Auf dem Teich, dem regungslosen,
Weilt des Mondes holder Glanz,
Flechtend seine bleichen Rosen
In des Schilfes grünen Kranz.

Hirsche wandeln dort am Hügel,
Blicken in die Nacht empor;
Manchmal regt sich das Geflügel
Träumerisch im tiefen Rohr.

Weinend muß mein Blick sich senken;
Durch die tiefste Seele geht
Mir ein süßes Deingedenken,
Wie ein stilles Nachtgebet!
(Band 1 S. 41-43)
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Frühlingsblicke

Durch den Wald, den dunklen, geht
Holde Frühlingsmorgenstunde,
Durch den Wald vom Himmel weht
Eine leise Liebeskunde.

Selig lauscht der grüne Baum,
Und er taucht mit allen Zweigen
In den schönen Frühlingstraum,
In den vollen Lebensreigen.

Blüht ein Blümlein irgendwo,
Wird's vom hellen Thau getränket,
Das einsame zittert froh,
Daß der Himmel sein gedenket.

In geheimer Laubesnacht
Wird des Vogels Herz getroffen
Von der großen Liebesmacht,
Und er singt sein süßes Hoffen.

All' das frohe Lenzgeschick
Nicht ein Wort des Himmels kündet,
Nur sein stummer, warmer Blick
Hat die Seligkeit entzündet.

Also in den Winterharm,
Der die Seele hielt bezwungen,
Ist ein Blick mir, still und warm,
Frühlingsmächtig eingedrungen.
(Band 1 S. 315)
_____

 

Das dürre Blatt

Durchs Fenster kommt ein dürres Blatt,
Vom Wind hereingetrieben;
Dies leichte, off'ne Brieflein hat
Der Tod an mich geschrieben.

Das dürre Blatt bewahr ich mir,
Will's in die Blätter breiten,
Die ich empfangen einst von Ihr;
Es waren schöne Zeiten!

Da draußen steht der Baum so leer;
Wie er sein Blatt im Fluge,
Kennt sie vielleicht ihr Blatt nicht mehr,
Trotz ihrem Namenszuge.

Der todten Liebe Worte flehn,
Daß ich auch sie vernichte,
Wie festgehaltne Lügner stehn
Sie mir im Angesichte.

Doch will ich nicht dem holden Wahn
Den Wurf in's Feuer gönnen;
Die Worte sehn mich traurig an,
Daß sie nicht sterben können.

Ich halte fest, zu bittrer Lust,
Was all mein Glück gewesen,
In meinen schmerzlichen Verlust
Will ich zurück mich lesen.

Das dürre Blatt leg ich dazu,
Des Todes milde Kunde,
Daß jedes Leiden findet Ruh,
Und Heilung jede Wunde.
(Band 2 S. 87)
_____


Ghasel

Du, schöne Stunde, warst mir hold, so hold, wie keine noch,
Ich seh' dein Angesicht erglüh'n im Rosenscheine noch;
So sah den Engel Gottes einst mit Wangen freudenroth
Im Paradiese lächelnd nah'n der Mensch, der reine noch.
Du kamst mit ihr und flohst mir ihr, und seit ich euch verlor,
Versehnt' ich manchen trüben Tag in jenem Haine noch,
Und fragte weinend mein Geschick: "bewahrst in deinem Schatz
So holde Stunde du für mich nicht eine, eine noch?"
Dort mocht' ich lauschen spät und früh: wohl flüsterts im Gezweig',
Doch immer schweigt noch mein Geschick - ich lausch' und weine noch.
(Band 1 S. 91)
_____


Erinnerung

Einst gingen wir auf einer Bergeswiese,
Tief athmend tranken wir die Blumenseelen,
Das Bächlein kam herab, uns zu erzählen
Den unvergessnen Traum vom Paradiese.

Wir sahn das Abendroth die Gipfel färben,
Es war ein Spiel vom schönsten Alpenlichte,
Doch wandt' ich mich nach deinem Angesichte,
Das strahlte mir wie Liebe ohne Sterben.

Bald war den Bergen ihre Glut entschwunden,
Und wird vielleicht so schön nie wieder kommen;
Auch deinem Antlitz war der Strahl genommen,
Ich sah ihn nicht in allen spätern Stunden.

Hat mich vielleicht in deinen Zaubermienen
Der Widerschein der Sonne nur geblendet?
Auch dann ein Strahl der Liebe, die nicht endet,
Doch besser wär's, er hätte nicht geschienen.
(Band 2 S. 218)
_____


Dahin!

Einst o nächtlicher Himmel! blickt' ich
Selig empor zu Dir, umschlungen
Von der Geliebten, und ich weinte
Dank dem ewigen Gott!

Und sie pflückte mit Küssen mir die
Blüthe der Wonne, von der Wang', und
Mächtiger zog ich die Geliebte
An die klopfende Brust.

Doch nun sind sie dahin! die Stunden
Seliger Lust; und ach! nun weht der
Brausende Sturm die heiße Thräne
Banger Wehmuth dahin!
(Band 2 S. 331)
_____

 

Erinnerung

Erinn'rungsvoller Baum, du stehst in Trauer;
Dein Laub ist welk, mein Leben ist es auch.
Mein Herz durchziehen bange Wehmuthschauer,
Wie dein Gezweig des Herbstes kühler Hauch.

Hier saßen wir in abendlicher Stille,
Sanft bebte über uns dein flüsternd Grün,
Auf jenen Höh'n, die nun in Nebelhülle,
Verweilte noch der Sonne leztes Glüh'n.

Wie selig hielt das Mädchen ich umfangen,
Und horchte ihrem leisen Liebesschwur;
Und holder lachten uns die Blüthenwangen
Der auferwachten göttlichen Natur.

Doch hatte kaum der Lenz die sanfte Seele
Verhaucht, und seine Blüthen hingestreut,
Kaum war verstummt im Hain die süße Kehle:
War auch dahin der Liebe Seligkeit.

O traure, Herz, vorüber sind die Tage,
Da liebend dir ein Herz entgegenschlug,
Die andern schleichen hin in stiller Klage,
Der todten Liebe finstrer Leichenzug.
(Band 1 S. 122)
_____

 

Wunsch

Fort möcht' ich reisen
Weit, weit in die See,
O meine Geliebte,
Mit dir allein!

Die Dränger und Lauscher,
Und kalten Störer,
Sie hielt' uns ferne
Der wallende Abgrund,
Das drohende Meer,
Wir wären so sicher
Und selig allein.

Und käme der Sturm,
Ich würde dich halten
An meiner Brust.
Wenn donnernde Wogen
Zum Himmel schlügen,
Doch höher schlüge
Mein trunkenes Herz;
Und meine Liebe,
Die ewige, starke,
Sie würde frohlockend
Dich halten im Sturm.
Du würdest zitternd
Mir blicken ins Auge,
Und würdest erblicken,
Was nimmer scheitert
In allen Stürmen,
Und würdest lächeln
Und nicht mehr zittern.

Sieh, nun ermüdet
Der tobende Aufruhr,
In Schlummer sinken
Die Wellen und Winde,
Und über den Wassern
Ist tiefe Stille.
Da ruhst du sinnend
An meiner Brust.
So tiefe Stille:
Mein lauschendes Herz
Hört Antwort pochen
Dein lauschendes Herz.
Wir sind allein,
Doch flüsterst du leise,
Um nicht zu stören
Das sinnende Meer.
Nur sanft erzittern
Die Lippen dir,
Die schwellenden Blätter
Der süßen Rose,
Ich sauge dein Wort,
Den klingenden Duft
Der süßen Rose.

Im Osten hebt sich
Der klare Mond,
Und Gott bedecket
Den Himmel mit Sternen
Und ich bedecke,
Selig wie er,
Dein liebes Antlitz,
Den schönern Himmel,
Mit feurigen Küssen.
(Band 2 S. 81-82)
_____

 

An meine Rose

Frohlocke, schöne junge Rose,
Dein Bild wird nicht verschwinden,
Wenn auch die Gluth, die dauerlose,
Verweht in Abendwinden.

So süßer Duft, so helle Flamme
Kann nicht für irdisch gelten,
Du prangst am stolzen Rosenstamme,
Verpflanzt aus andern Welten;

Aus Büschen, wo die Götter gerne
Sich in die Schatten senken,
Wenn sie in heilig stiller Ferne
Der Menschen Glück bedenken.

Darum mich ein Hinübersehnen
Stets inniger umschmieget,
Je länger sich in meinen Thränen
Dein holdes Antlitz wieget.

O weilten wir in jenen Lüften,
Wo keine Schranke wehrte,
Daß ich mit deinen Zauberdüften
Die Ewigkeiten nährte! -

Hier nah'n die Augenblicke, - schwinden
An dir vorüber immer,
Ein jeder eilt dich noch zu finden
In deinem Jugendschimmer;

Und ich, wie sie, muß immer eilen
Mit allem meinem Lieben
An dir vorbei, darf nie verweilen,
Von Stürmen fortgetrieben.

Doch hat, du holde Wunderblume,
Mein Herz voll süßen Bebens
Dich mir gemalt zum Eigenthume
Ins Tiefste meines Lebens,

Wohin der Tod, der Ruhebringer,
Sich scheuen wird zu greifen,
Wenn endlich seine sanften Finger
Mein Welkes niederstreifen.
(Band 1 S. 81-82)
_____

 

Frühlingsgedränge

Frühlingskinder im bunten Gedränge,
Flatternde Blüthen, duftende Hauche,
Schmachtende, jubelnde Liebesgesänge
Stürzen an's Herz mir aus jedem Strauche.
Frühlingskinder mein Herz umschwärmen,
Flüstern hinein mit schmeichelnden Worten,
Rufen hinein mit trunkenem Lärmen,
Rütteln an längst verschlossenen Pforten.
Frühlingskinder, mein Herz umringend,
Was doch sucht ihr darin so dringend?
Hab' ich's verrathen euch jüngst im Traume,
Schlummernd unter dem Blüthenbaume?
Brachten euch Morgenwinde die Sage,
Daß ich im Herzen eingeschlossen
Euren lieblichen Spielgenossen,
Heimlich und selig - ihr Bildniß trage?
(Band 1 S. 316)
_____

 

Tod und Trennung

Gottes Milde mocht' es fügen,
Liegt ein Mensch in letzten Zügen,
Stehn am Sterbepfühl die Seinen,
Daß sie müssen weinen, weinen;

Daß sie nicht vor Thränen schauen
Das unnennbar bange Grauen,
Wie der Geist verläßt die Hülle,
Letztes Zucken, tiefe Stille.

Weh dem Thränenlosen, wehe,
Der sich wagt in Sterbens Nähe,
Denn ihm kann durchs ganze Leben
Jenes Grauen heimlich beben.

Doch ein Anblick tiefrer Trauer,
Bänger als des Sterbens Schauer,
Wär' es, könnt' ein Aug es fassen,
Wie zwei Herzen sich verlassen.
(Band 2 S. 121)
_____

 

Mit Orangen

Hier bring ich süße Früchte,
Die auf gar ferner Au,
Dort unter jenem Himmel
Gereift, der ewig blau.
Wenn du sie wirst genießen,
So werden sie dir gern
Den freien Blick erschließen
In weite Länderfern.

Du denke dir die Bäume,
Die sie erzogen groß,
Das saftig-dunkelgrüne
Laubwerk, das sie umschloß,
Wie sie wohl mochten winken
Hell aus der Blätternacht,
Wie Edelsteine blinken
Aus dunklem Bergesschacht.

Du denk dir die Olive,
Wie sie ihr Grün, so licht,
Mit der Zypresse Dunkel
Zu buntem Kranze flicht.
Du denke dir die Pinien,
Gewaltig, breit und dicht,
Der Pappeln schlanke Linien
Zum Himmel aufgericht.

Die Rebe, die die Stämme
Mit süßem Netz umringt,
Die leicht von Baum zu Baume
Die Liebesketten schlingt.
Denk dir die Rosen glühend
Im schönsten Purpurschein
Und süße Düfte sprühend
Durch nächtlich dunkeln Hain.

Denk dir die Pracht des Kaktus,
Die blühnde Aloe
Und drüber hin die Palme,
Strebend hinauf zur Höh!
Sieh, Schmetterlinge fliegen
Durch all die Blumen hin,
Eidechsen, die sich wiegen
Auf Rosen, goldengrün.

Denk dir durch dieses alles
Der Lüfte leisen Tanz
Und über diesem allem
Des Mondes Zauberglanz,
Der wandelnd still und milde
Im Äther, wolkenlos,
Sich unten schau im Bilde
Aus blauem Meeresschoß.

Und durch die See hin fahre
Ein Nachen, fischervoll,
Aus dem die Barkarole
Dir lustig schallen soll,
Wechselnd mit frohem Lachen
Aus süßer Mädchen Mund,
Die, schaukelnd sich im Nachen,
Schauen in Meeres Grund.
(Band 2 S. 340-341)
_____


Asyl

Hohe Klippen, rings geschlossen,
Wenig kümmerliche Föhren,
Traurig flüsternde Genossen,
Die hier keinen Vogel hören.

Nichts vom lieblichen Gesange
In den schönen Frühlingszeiten;
Geyern wird es hier zu bange,
In so dunklen Einsamkeiten.

Weiches Moos am Felsgesteine,
Schwellend scheint es zu begehren:
Komm, o Wolke, weine, weine
Mir zu die geheimen Zähren! -

Winde hauchen hier so leise,
Räthselstimmen tiefer Trauer,
Hier und dort die Blumenwaise
Zittert still im Abendschauer.

Und kein Bach nach diesen Gründen
Darf mit seinem Rauschen kommen,
Darf der Welt verrathend künden,
Was er Stilles hier vernommen.

Denn die rauhen Felsen sorgen,
Daß noch eine Stätte bliebe,
Wo ausweinen kann verborgen
Eine unglückliche Liebe.
(Band 1 S. 311)
_____



Herbstklage

Holder Lenz, du bist dahin!
Nirgends, nirgends darfst du bleiben!
Wo ich sah dein frohes Blüh'n,
Rauscht des Herbstes banges Treiben.

Wie der Wind so traurig fuhr
Durch den Strauch, als ob er weine;
Sterbeseufzer der Natur
Schauern durch die welken Haine.

Wieder ist, wie bald! wie bald!
Mir ein Jahr dahingeschwunden!
Fragend rauscht es aus dem Wald:
Hast du sie noch nicht gefunden? -
(Band 1 S. 100)
_____



Stille Sicherheit

Horch, wie still es wird im dunkeln Hain,
Mädchen, wir sind sicher und allein.

Still versäuselt hier am Wiesenhang
Schon der Abendglocke müder Klang.

Auf den Blumen, die sich dir verneigt,
Schlief das letzte Lüftchen ein und schweigt.

Sagen darf ich dir, wir sind allein,
Daß mein Herz ist ewig, ewig dein!
(Band 1 S. 336)
_____

 

Laß mich ziehn!

Ich bin kein Freund von Sterbensehen;
Wenn deine Liebe soll vergehen,
So sterbe sie allein, ich will
Mit meiner seyn allein und still.

Gedächtniß weiß getreu von Jahren
Die Liebeszeichen zu bewahren;
Wenn eins dir nach dem andern weicht,
Seh' ich, wie Tod dein Herz beschleicht.

Du merkst es nicht, viel ist geblieben;
O Gott! es war ein reiches Lieben;
Viel hat der Tod zu knicken doch,
Bis Alles aus; er knickt es noch.

Du merkst es nicht; mein sind die Schmerzen;
Doch leichter wird es deinem Herzen,
Da du von mir dich scheidest los,
Denn Lieben ist ein banges Los.

Wie Tod sich mag mit Liebe messen,
Bei dir, die ich nicht kann vergessen,
Will ich's nicht schau'n, wenn ich's auch seh'
Im Schmerze, daß allein ich steh'.

Gut ist's vor's Aug' die Hände schlagen.
Ist nicht ein Anblick zu ertragen;
O könnte so das Herz dem Licht
Entfliehn beim Anblick, der es bricht!

Ich glaub' es nicht, daß deiner Seele,
Der schönsten, ew'ge Liebe fehle;
Doch traur' ich, bis die Gruft mich deckt,
Daß meine Lieb' sie nicht geweckt.
(Band 2 S. 245)
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Liebesfrühling

Ich sah den Lenz einmal
Erwacht im schönsten Thal;
Ich sah der Liebe Licht
Im schönsten Angesicht.

Und wandl' ich nun allein
Im Frühling durch den Hain,
Erscheint aus jedem Strauch
Ihr Angesicht mir auch.

Und seh ich sie am Ort,
Wo längst der Frühling fort,
So sprießt ein Lenz und schalt
Um ihre süße Gestalt.
(Band 2 S. 212)
_____

 

Reise-Empfindung

Ich sah in bleicher Silbertracht
Die Birkenstämme prangen,
Als wäre d'ran aus heller Nacht
Das Mondlicht blieben hangen;

Und in dem zarten Birkenhain
Sah ich ein Häuschen blinken,
Das hob gleich an, zu sich hinein
Holdfreundlich mich zu winken.

Wie da im rothen Morgenstrahl
Die Fensterlein erglänzten;
Und wie so freudig Berg und Thal
Mit Rosen sich bekränzten!

Die Rebe auf zum Fenster klomm
Mit ihren goldnen Trauben;
Die Unschuld saß am Dache fromm
In stillen weißen Tauben.

Die Lerche sang und schwand dahin
Auf morgenfrohen Schwingen,
So daß der blaue Himmel schien
Ins Thal herabzusingen.

Da meint' ich schon, das Fenster soll
Sich freundlich mir erschließen,
Und aus dem Rahmen liebevoll
Die Theure mich begrüßen.

Du seligste der Fantasei'n!
Ach, wär' es mir beschieden,
Mit ihr zu leben hier allein
Im süßen Waldesfrieden!

Mit ihr im linden Frühlingshauch
Durch diesen Hain zu wallen,
Zu lauschen hier im Blüthenstrauch
Dem Lied der Nachtigallen.

Mit ihr zu schau'n im Herbsteswehn
Die welken Blätter fliegen,
Umrauscht vom schmerzlichen Vergehn,
Mich fest an sie zu schmiegen.

Wenn dann in rauher Winterzeit
Ein Lied mein Liebchen sänge,
Und aller Himmel Seligkeit
Mir in die Stube dränge!

Ich wagt' es mich zu regen kaum
In meinem stillen Sinnen,
Besorgt, das Häuschen möcht', ein Traum,
Vor meinem Blick zerrinnen.

Doch, sieh, da öffnet sich die Thür,
Der Zauber war geschwunden,
Es trat ein Jägersmann herfür
Mit nachgesprengten Hunden.

Er grüßte mich mit raschem Blick
Und streift' waldein gar heiter,
Ich gab ihm seinen Gruß zurück,
Und traurig ging ich weiter.
(Band 1 S. 83-84)
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An den Wind

Ich wandre fort ins ferne Land;
Noch einmal blickt' ich um, bewegt,
Und sah, wie sie den Mund geregt,
Und wie gewinket ihre Hand.

Wohl rief sie noch ein freundlich Wort
Mir nach auf meinen trüben Gang,
Doch hört' ich nicht den liebsten Klang,
Weil ihn der Wind getragen fort.

Daß ich mein Glück verlassen muß,
Du rauher, kalter Windeshauch,
Ist's nicht genug, daß du mir auch
Entreißest ihren letzten Gruß?
(Band 2 S. 83)
_____

 

Bei Uebersendung eines Straußes

In den trüben, in den kalten
Tagen, die uns heimgesucht,
Hat der Herbst auf ihrer Flucht
Letzte Blumen aufgehalten,
Um sie dir zu schenken!
Diesem Herbste will ich gleichen:
Wenn auf meine lauten Wälder,
Blumigen Gedankenfelder
Mir die Todeslüfte streichen,
Daß sie schweigen und verblühn,
Will ich mit dem letzten Grün
Deiner noch gedenken.
(Band 2 S. 222)
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Welke Rose

In einem Buche blätternd, fand
Ich eine Rose welk, zerdrückt,
Und weiß auch nicht mehr, wessen Hand
Sie einst für mich gepflückt.

Ach, mehr und mehr im Abendhauch
Verweht Erinn'rung; bald zerstiebt
Mein Erdenloos, dann weiß ich auch
Nicht mehr, wer mich geliebt.
(Band 2 S. 279)
_____

 

Der Baum der Erinnerung

Ja, du bist es, blüthenreicher
Baum, das ist dein süßer Hauch!
Ich auch bin's, nur etwas bleicher,
Etwas trauriger wohl auch.

Hinter deinen Blüthenzweigen
Tönte Nachtigallenschlag,
Und die Holde war mein eigen,
Die an meinem Herzen lag.

Und wir meinten selig beide,
Und ich meint' es bis zur Stund',
Daß so herrlich du vor Freude
Blühtest über unsern Bund.

Treulos hat sie mich verlassen;
Doch du blüh'st wie dazumal,
Kannst dich freilich nicht befassen
Mit der fremden Liebesqual.

"Allzulieblich scheint die Sonne,
"Weht der linde Maienwind,
"Und das Blühen und die Wonne
"Allzubald vergangen sind!"

Mahnend säuseln mir die Lehre
Deine frohen Blüthen zu;
Doch ungläubig fließt die Zähre,
Und mein Herz verlor die Ruh'.
(Band 1 S. 317)
_____

 

Ohne Wunsch

Ja, mich rührt dein Angesicht,
Und dein Herz, das liebevolle,
Aber Mädchen, glaube nicht,
Daß ich dich besitzen wolle.

Kamst mir durch die Seele wie
Ein süßholdes Lied gedrungen,
Aber wie die Melodie,
Mußt du wieder sein verklungen.

Meine Freuden starben mir
In der Brust, bestürmt, gespalten,
An den Bahren könnten wir
Nur mit Grauen Hochzeit halten.

Und ein trüber Lebensgang
Führte mich an steile Ränder,
Kind, mir würde um dich bang,
Flieh, es krachen die Geländer!
(Band 2 S. 133)
_____


Lebewohl an Eugenie

Lebewohl! ach, jene Abendstunde,
Und mein Glück ist schnell verrauscht,
Wie das holde Wort aus deinem Munde,
Dem mein zitternd Herz gelauscht,
Wie der Wellen dunkle Sprachen,
Die umbrausten unsern Nachen.

Lebewohl! kein räuberisch Geschicke
Meinem Herzen rauben kann,
Wie in deinem seelentiefen Blicke
Auf mein Glück der Himmel sann.
Stund' und Welle rauschten nieder,
Und wir sehen uns nicht wieder!
(Band 1 S. 338)
_____



Das todte Glück

Leis' umrauscht von Himmelsquellen,
Süße Sehnsucht in der Brust
Saß ich einst die mondeshellen
Nächte da in stiller Lust.

Jene Zeit wird nimmer kommen,
Himmelsquellen sind versiegt,
All mein Sehnen ist verglommen,
Und mein Glück im Grabe liegt.

Weib, du riefst in böser Stunde
Mit dem zauberischen Blick,
Mit dem wonnevollen Munde
Schmeichelnd hin zu dir mein Glück.

Und es kam ein Kind und schmiegte,
Flehend sich in deinen Arm,
Der es mild umschlang und wiegte,
Als ein weicher Mutterarm.

Nun das Kind in Traumeswonnen
Hingeschlummert, sich verlor;
Nahmst du still und kaltbesonnen
Deinen Todesdolch hervor.

Scharf geschliffen am Gesteine
Deines Herzens war der Stahl,
Und das Kind, um das ich weine,
Athmete zum letztenmal.

Und du stießest leicht und munter
Wie ein Steinchen in den Bach,
In das Grab mein Glück hinunter,
Sahst ihm ruhig, lächelnd nach.
(Band 1 S. 112)
_____

 

Die bezaubernde Stelle

Liebende, die weinend mußten scheiden, -
Wenn nach heißer Sehnsucht langen Leiden
Sie ans Herz sich endlich dürften pressen,
Würden sich zu küssen hier vergessen.
(Band 2 S. 334)
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Stumme Liebe

Ließe doch ein hold Geschick
Mich in deinen Zaubernähen,
Mich in deinem Wonneblick
Still verglühen und vergehen;

Wie das fromme Lampenlicht
Sterbend glüht in stummer Wonne
Vor dem schönen Angesicht
Dieser himmlischen Madonne! -
(Band 1 S. 312)
_____

 

Sommerfäden

Mädchen, sieh', am Wiesenhange,
Wo wir oft gewandelt sind,
Sommerfäden, leichte, lange,
Gaukeln fort im Abendwind.

Deine Worte, leicht und munter,
Flattern in die kühle Luft,
Keines mehr, wie sonst, hinunter
In des Herzens Tiefe ruft.

Winter spinnet los' und leise
An der Fäden leichtem Flug,
Webt daran aus Schnee und Eise
Bald den Leichenüberzug.

Künden mir die Sommerfäden,
Daß der Sommer welk und alt,
Merk' ich es an deinen Reden,
Mädchen, daß dein Herz wird kalt!
(Band 1 S. 310)
_____

 

Frage

Mir hat noch deine Stimme nicht geklungen,
Ich sah nur erst dein holdes Angesicht;
Doch hat der Strom der Schönheit mich bezwungen,
Der hell von dir in meine Seele bricht.

In's Tiefste ist er mächtig mir gedrungen,
Was dort bis nun gelebt, nun lebt es nicht,
Süß sterbend ward es von der Fluth verschlungen.
Das ist der Liebe himmlisches Gericht!

O daß mein kühnes Hoffen, banges Zagen,
Ein milder Spruch aus deinem Munde grüßte!
Die Wellen, die so laut mein Herz durchschlagen,

Wohin doch werden sie die Seele tragen?
An der Erhörung Paradiesesküste?
In der Verstoßung trauervolle Wüste?
(Band 1 S. 86)
_____

 

Meine Furcht

O stürzt, ihr Wolkenbrüche,
Zum Abgrund nur hinab!
O reißt, ihr Sturmesflüche,
Die Wälder in ihr Grab!

O flammt, ihr Blitzesgluten!
O rase, Donnerklang!
Ihr könnt mich nicht entmuten,
Mir wird vor euch nicht bang.

Wenn ihr aufs Herz mir zielet,
Euch acht' ich Kinder nur,
Daß ihr Vernichten spielet,
Entsprangt ihr der Natur!
Wohl spott' ich Sturmesgrimme,
Und wildem Donnerscherz;
Und doch vor einer Stimme
Erzittert mir das Herz;
Die schnell das Herz mir bräche,
Die Stimme fürcht' ich sehr:
Wenn die Geliebte spräche:
Ich liebe dich nicht mehr!
(Band 2 S. 80)
_____

 

An*

O wag es nicht, mit mir zu scherzen,
Zum Scherze schloß ich keinen Bund;
O spiele nicht mit meinem Herzen,
Weißt du noch nicht, wie sehr es wund?

Weil ich so tief für dich entbrannte,
Weil ich mich dir gezeigt so weich,
Dein Herz die süße Heimath nannte,
Und deinen Blick mein Himmelreich:

O rüttle nicht den Stolz vom Schlummer,
Der süßer Heimath sich entreißt,
Dem Himmel, mit verschwiegnem Kummer,
Auf immerdar den Rücken weist.
(Band 2 S. 86)
_____

 

An Mathilde

Schon verrauscht der Tag, und des Abends sanftere Seele
Fließt wie süße Musik sänftigend uns in die Brust.
Horch, Mathilde, wie leise der West durch Blüthen dahinseufzt,
Leiser noch weht sein Hauch, kost er um deine Gestalt.
sieh, die Biene, sie wandelt von Blume zu Blume geschäftig,

Süße Bereicherung lockt weiter die Summende stets;
Also wandelt die Seele dereinst von Blume zu Blume,
Welche zum strahlenden Kranz sich der Unendliche wand,
Wandelt die Seele dereinst von Welten weiter zu Welten,
Näher dem liebenden Gott, liebender, göttlicher stets.
Aber die Wechselgestalten des Lebens, sie theilen nicht alle
Gleich der Unsterblichkeit Loos, wenn uns der Ewige winkt;
Nur das Schönste des Lebens, worin der Himmel uns kund wird,
Nimmt die Seele mit fort, schwingt sie den Sternen sich zu.
Doch die trüben Gestalten verhüllt Nacht, ewige Nacht dann.
Heil der Stunde, die selbst dann noch uns wonnig umstrahlt!
O Mathilde, dein Auge voll himmlischer, tiefer Bedeutung,
Blickt mir ins Auge so ernst, und so entzückend zugleich,
Daß die Seele mir bebt, o Geliebte! ahnet dir etwa,
Daß auch diesen Moment hüllen nicht werde die Nacht?
(Band 1 S. 141)
_____

 

Erinnerung

Selige Stunde! da mir meine Bertha
Mächtig ergriffen von der Liebe Sehnen
An den bewegten, ihr allein geweihten
Busen gesunken.

Nächtliche Stille lag auf Flur und Hain, es
Ruhten die Weste um die leisen Seufzer
Nicht zu verweh'n; dem Pochen unsrer Herzen
Lauschten die Sterne.

Glühende Küsse bebten durch die Seele,
Innig umschlungen hielt ich dich Geliebte!
Göttliche Bertha! Zierde meines Lebens!
Selige Stunde!
(Band 2 S. 325)
_____

 

Kommen und Scheiden

So oft sie kam, erschien mir die Gestalt
So lieblich, wie das erste Grün im Wald.

Und was sie sprach, drang mir zum Herzen ein
Süß, wie des Frühlings erstes Lied im Hain.

Und als Lebwohl sie winkte mit der Hand
War's, ob der letzte Jugendtraum mir schwand.
(Band 2 S. 211)
_____

 

Das Ideal

Tief in des Waldes heiligen Schatten saß
Ich, und der Stimme, welche zu edleren
Gedanken läd't im Laubgesäusel,
Horchte die Seele mit leis'rem Ohre.

Und es ergriff mich schnell die Begeist'rung,
Riß mich fort, - der Busen stürmete lauter mir,
Und weiter riß mich's fort, als wollt' es
Mich in der Welten Umarmung stürzen.

Schon hört' ich nimmer säuseln das Eichenlaub,
Weit wich zurück die Erde mit meinem Grab;
Und jenseits war ich der Verwesung,
In dem Gefilde der Ideale.

Da schwebt' ein Mädchen lächelnd entgegen mir;
Wie auf gelüpftem Schleier der Abendwolk'
Der Mond, so strahlte stille Tugend
Ihr aus dem himmlischen Angesichte. -

Donnergeroll jetzt zankte zurück mich, und
Ein kalter Tropfen fiel auf die glüh'nde Stirn':
Da war mein Ideal dahin, - es
Strömete Regen herab vom Himmel.

O schönes Bild! oft sucht' ich im Leben dich;
Doch hing die Seele sehnend nach dir hin, ach,
So flohst du mich, und meine Thränen
Netzten das flatternde Lockenhaar dir!
(Band 1 S. 15)
_____

 

An die Ersehnte

Umsonst! du bist auf immer mir verloren!
Laut rufend in den dunkeln Wald des Lebens,
Hat ohne Rast die Sehnsucht dich beschworen;
Ihr Ruf durchklang die Einsamkeit vergebens.

Tief ist mein Herz erkrankt an einer Ahnung,
Von der ich nimmer wohl genesen werde,
Es flüstert mir mein Herz die trübe Mahnung;
"Noch ist sie nicht geboren dieser Erde!"

"Die Stunden, die mit frohen Wandersängen
"Das Mädchen einst durchs Erdenthal geleiten,
"Sie schlummern in der Zukunft Schattengängen
"Bei ihrer Bürde noch von Seligkeiten,

"Von Seligkeiten, die mit leichten Händen
"Die wachen einst entgegenstreuen Allen,
"An welche sie die schöne Gunst verschwenden,
"Mit ihrer Königin vorbeizuwallen.

"Die eine aber von den Schläferinnen
"Wird locken sie zur Kühle von Cypressen,
"Und führen sie, versenkt in stilles Sinnen,
"An deinen Hügel, moosig und vergessen;

"Dann irrt dein Geist um deine Asche bange,
"Dann zittern Geist und Staub sich zu vereinen;
"Das Mädchen aber wird am Grabeshange,
"Geheim ergriffen, stille stehn - und weinen."
(Band 1 S. 99)
_____

 

Mein Stern

Um meine wunde Brust geschlagen
Den Mantel der Melancholei,
Flog ich, vom Lebenssturm getragen,
An dir, du Herrliche, vorbei.

Vom Himmel deiner Augen stiegen
Wie Engel Thränen niederwärts
An deinen holdgerührten Zügen,
Und priesen mir dein gutes Herz.

Und alle Welten um mich schwanden,
Mein Leben starrt' in seinem Lauf,
Im süßempörten Busen standen
Die alten Götter wieder auf.

Da riß der Sturm von dir mich wieder
Hinaus in seine wüste Nacht,
Doch strahlt nun Frieden auf mich nieder
Ein Stern mit ewig heller Pracht.

Denn wie, vom Tode schon umfangen,
Der Jüngling nach der holden Braut
Die Arme streckt mit Glutverlangen,
Und sterbend ihr ins Auge schaut:

So griff nach deinem holden Bilde
Die Seele, schaut es ewig an,
Sieht nichts vom trüben Erdgefilde,
Fühlt nicht die Dornen ihrer Bahn.

Entriss' auch einst der Tod mir strenge,
Was mir das Leben Liebes gab;
Er nehm' es hin! doch Eines ränge -
Ich ränge kühn dein Bild ihm ab.
(Band 1 S. 155)
_____

 

Wunsch

Urwald, in deinem Brausen,
Und ernsten Dämmerschein
Mit der Geliebten hausen
Möcht ich allein - allein!

Von deinen schlanksten Bäumen
Baut' ich ein Hüttlein traut
Mir aus zu Himmelsräumen;
O komm, du schöne Braut!

Ich legte Moosgebreite
Weich unter ihren Schritt,
Und meine Liebe streute
Ich unter ihren Tritt.

Für sie das Wild erlagen,
Aus tiefster Schlucht empört!
Für sie den Feind erschlagen,
Der unsern Frieden stört!

Ich würd in Mondesnächten,
Beim stillen Sternentanz,
Von wilden Liedern flechten
Um meine Braut den Kranz;

Und in den Abendgluten
Am Fels hier oben stehn,
Mit ihr die Donnerfluten
Zum Abgrund stürzen sehn;

Und weit hinunter blicken
Ließ' sie mein starker Arm,
Wie würd ich sie dann drücken
An's Herz so fest und warm!
(Band 2 S. 77)
_____

 

An Kleyle

Vergib, vergib, Geliebter, dem Gesange,
Der deines Schmerzes leisen Schlummer stört,
Der dir Erinnerungen, süß und bange,
Herauf aus ihrer stillen Gruft beschwört!

Gedenkst du noch des Abends, den die Götter
Auf uns herabgestreut aus milder Hand,
So blühend, leicht, wie junge Rosenblätter,
Denkst du des Abends noch am Leithastrand?

Im Haine sprang von Baum zu Baum die Röthe,
Sie wiegte sich auf Wipfeln, mischte froh
Sich in den Wellentanz, der zum Geflöte
Der Nachtigallen rasch vorüberfloh.

Wir aber schritten traulich durch die Schatten,
Und, süß geschwätzig, uns zur Seite ging
Die Hoffnung, sprach vom Himmel treuer Gatten,
Wies dir von Lottchens Hand den güldnen Ring.

Schon sah mein Blick, der in die Zukunft spähte,
In langen Reihen Wonnetage zieh'n;
Schon baut' ich kühn mit leichtem Traumgeräthe
Mein früh zerfallnes Glück an deines hin. -

Sanft senkten sich in feierliches Schweigen
Die Züge der Natur, kein Lüftchen sprach,
Sie schien ihr göttlich Angesicht zu neigen,
Als sänne still sie einer Freude nach.

Die Sterne tauchten aus dem Aethermeere,
Der Weste Hauch erwachte nun im Hain,
Die Blume trank des Himmels leise Zähre,
Und selig irrten wir im Mondenschein. - -

Doch kommt ein Sturm jezt über meine Saiten,
Reißt wild mir von der Leier jenen Tag,
Den schönen Tag mit allen Seligkeiten, -
Pocht mir an's Herz mit rauhem Flügelschlag.

Herein! herein! du finsterer Geselle!
Du bist in meiner Brust kein neuer Gast;
Ich öffne dir die trümmervolle Zelle,
In welcher dein Geschlecht schon oft gerast!

Des Abends, Freund, gedenk' ich, jenes andern!
Ich seh' im winterlichen Dämmerlicht
Zur Kirche hin den langen Brautzug wandern,
Wo die Geliebte Treu' und Herz dir bricht.

Der Priester sprach den Segen ob dem Paare,
Mir schien ein Mordgewölb das Heiligthum,
Ich sah die Hoffnung fallen am Altare,
Wie ward die süße Schwätzerinn so stumm!

Beflügle dich, mein Lied! denn immer trüber,
Und thränenvoller stets wird deine Bahn;
O führe schnell den Freund mir da vorüber,
Wo ihn der Schauer nächtlichste umfah'n!

Vorüber, Lied, am bretternen Geschirre,
Darein der Tod gepflanzt die Rose bleich;
Fort von der Stimmen kläglichem Gewirre,
Da dumpf vernagelnd dröhnt der Hammerstreich! -

Wir sind vorbei. Der Sturm lenkt sein Gefieder
Zum dunkeln Horste der Vergangenheit,
Und Wehmuth sinkt an meinen Busen wieder,
Die stille Freundin meiner Einsamkeit.
(Band 1 S. 117-118)
_____



Zueignung

Von allen die den Sänger lieben,
Die was ich fühlte nachempfanden,
Die es besprochen und beschrieben,
Hat Niemand mich wie Du verstanden.

Des Herzens Klagen heiß und innig,
Die Liedgeworden ihm entklangen,
Hat deine Seele, tief und sinnig,
Getreuer als mein Lied empfangen.

Die Schauer, die mein Herz durchwehten,
Die unerfaßlich meinem Sange,
Sie sprachen, tröstende Propheten,
In deines Wortes süßem Klange.

Und durft' ich ahnend in den Bronnen
Der göttlichen Gedanken sinken,
So sah ich klar die dunklen Wonnen
In deinem schönen Auge blinken.

Der Himmel thaut in finstern Hainen
Zum Lied der Nachtigallen nieder,
Und deine Augen sah ich weinen
Herab auf meine bangen Lieder.

Seh' ich der Augen Zauberkreise
Gesenkt, geschwellt, in trauter Nähe,
Ist's ob ich deine Seele leise
Die Luft der Tugend athmen sehe.

Dein ist mein Herz, mein Schmerz dein eigen,
Und alle Freuden die es sprengen,
Dein ist der Wald mit allen Zweigen,
Mit allen Blüthen und Gesängen.

Das Liebste, was ich mag erbeuten
Mit Liedern die mein Herz entführten,
Ist mir ein Wort, daß sie dich freuten,
Ein stummer Blick, daß sie dich rührten.

Und sollt' ich nach dem hellen Ruhme
Mich manchmal auch am Wege bücken,
So will ich mit der schönen Blume
Nur, Freundin, dir den Busen schmücken.
(Band 2 S. 105-106)
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Winternacht

1.
Vor Kälte ist die Luft erstarrt,
Es kracht der Schnee von meinen Tritten,
Es dampft mein Hauch, es klirrt mein Bart;
Nur fort, nur immer fort geschritten!

Wie feierlich die Gegend schweigt!
Der Mond bescheint die alten Fichten,
Die, sehnsuchtsvoll zum Tod geneigt,
Den Zweig zurück zur Erde richten.

Frost! friere mir in's Herz hinein!
Tief in das heißbewegte, wilde!
Daß einmal Ruh mag drinnen seyn,
Wie hier im nächtlichen Gefilde!


2.
Dort heult im tiefen Waldesraum
Ein Wolf; - wie's Kind aufweckt die Mutter,
Schreit er die Nacht aus ihrem Traum,
Und heischt von ihr sein blutig Futter.

Nun brausen über Schnee und Eis
Die Winde fort mit tollem jagen,
Als wollten sie sich rennen heiß:
Wach auf, o Herz, zu wildem Klagen!

Laß deine Todten auferstehn,
Und deiner Qualen dunkle Horden!
Und laß sie mit den Stürmen gehn,
Die frischer immer wehn vom Norden!
(Band 1 S. 37)
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Bitte

Weil' auf mir, du dunkles Auge,
Uebe deine ganze Macht,
Ernste, milde, träumerische,
Unergründlich süße Nacht!

Nimm mit deinem Zauberdunkel
Diese Welt von hinnen mir,
Daß du über meinem Leben
Einsam schwebest für und für.
(Band 1 S. 98)
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Zweifelnder Wunsch

Wenn Worte dir vom Rosenmunde wehen,
Bist du so schön! - gesenkten Angesichts
Und still, bist du so schön! - was soll ich flehen:
O rede mir!? o sage nichts!?

Drum laß mich zwischen beiden Himmeln schwanken,
Halb schweigend, sprechend halb, beglücke mich
Und flüstre mir, wie heimlich in Gedanken,
Das süße Wort: "ich liebe dich!"
(Band 2 S. 286)
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An ein schönes Mädchen

Wie die Ros' in deinem Haare,
Mädchen, bist du bald verblüht;
Schönes Mädchen, o bewahre
Vor dem Welken dein Gemüth!

Mädchen, wenn dein Herbst gekommen
Und das ganze Paradies
Deiner Blüte dir genommen,
Und dich aus dir selbst verwies;

Wenn du in des Welkens Tagen
Nicht den frohen Muth mehr hast,
Rosen in dem Haar zu tragen,
Weil den Wangen sie verblaßt;

O dann zaubert dein Gemüthe,
Wenn du's vor dem Frost bewacht,
Auf dein Antlitz eine Blüthe,
Leuchtend durch die Todesnacht.
(Band 2 S. 155)
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Wandel der Sehnsucht

Wie doch dünkte mir die Fahrt so lang,
O wie sehnt' ich mich zurück so bang
Aus der weiten, fremden Meereswüste
Nach der lieben, fernen Heimathküste.

Endlich winkte das ersehnte Land,
Jubelnd sprang ich an den theuren Strand,
Und als wiedergrüne Jugendträume
Grüßten mich die heimathlichen Bäume.

Hold, und süßverwandt, wie nie zuvor,
Klang das Lied der Vögel an mein Ohr;
Gerne, nach so schmerzlichem Vermissen,
Hätt' ich jeden Stein an's Herz gerissen.

Doch, da fand ich dich, und - todesschwank
Jede Freude dir zu Füßen sank,
Und mir ist im Herzen nur geblieben
Gränzenloses, hoffnungsloses Lieben.

O wie sehn' ich mich so bang hinaus
Wieder in das dumpfe Flutgebraus!
Möchte immer auf den wilden Meeren
Einsam nur mit deinem Bild verkehren!
(Band 1 S. 313)
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Frage nicht

Wie sehr ich dein, soll ich dir sagen?
Ich weiß es nicht, und will nicht fragen;
Mein Herz behalte seine Kunde,
Wie tief es dein im Grunde.

O still! ich möchte sonst erschrecken,
Könnt' ich die Stelle nicht entdecken,
Die unzerstört für Gott verbliebe
Beim Tode deiner Liebe.
(Band 2 S. 213)
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Einsamkeit

Wild verwachsne dunkle Fichten,
Leise klagt die Quelle fort;
Herz, das ist der rechte Ort
Für dein schmerzliches Verzichten!

Grauer Vogel in den Zweigen!
Einsam deine Klage singt,
Und auf deine Frage bringt
Antwort nicht des Waldes Schweigen.

Wenn's auch immer schweigen bliebe,
Klage, klage fort; es weht,
Der dich höret und versteht,
Stille hier der Geist der Liebe.

Nicht verloren hier im Moose,
Herz, dein heimlich Weinen geht,
Deine Liebe Gott versteht,
Deine tiefe, hoffnungslose!
(Band 2 S. 76)
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Am Rhein

Wir reisten zusammen, mit Andern,
Zu Schiff hinunter den Rhein,
Es war ein seliges Wandern;
Doch waren wir selten allein.

Sie traten heran, zu lauschen,
Du ließest nur hier und dort
Mir fallen unter das Rauschen
Des Stroms ein heimliches Wort.

Ich sprach: bald trennt uns die Reise?
Ob hier wir uns wiedersehn?
"Dort vielleicht einst!" sagtest du leise,
Ich konnte dich kaum verstehn.

Wir flogen vorüber am Strande,
Der Dampf durchbrauste den Schlot,
Wie ein zorniger Neger die Bande
Wildschnaubend zu sprengen droht.

Und sie begannen zu preisen,
Wie schnell man sich heute bewegt,
Und wie das rührige Eisen
Man über die Straßen legt;

Als wollten zu Grabe sie tragen
Des Elends thürmenden Wust,
Und wieder das Eden erjagen,
Den uralt bittern Verlust.

Es hat doch den rechten Fergen
Das Schifflein lange noch nicht,
So lange noch Liebe verbergen
Sich muß wie ein Sündergesicht.

Noch lange nicht hat, ihr Gesellen,
Das Eisen den rechten Guß,
Wenn sich die Liebe bestellen
Noch hinter die Gräber muß!

So dacht' ich und blickte verdrossen
Hinab in die rollende Flut;
Dich umringten deine Genossen
Und scherzten; die hatten es gut.

Die Nacht war dunkelnd gekommen,
Da stiegen am Strande wir aus,
Ich folgte dir stumm und beklommen
Von ferne bis an dein Haus.

Und als du, noch einmal nickend,
Verschwunden im schließenden Thor,
Stand ich eine Weile noch, blickend
Nach deinem Fenster empor.

Ich schied von deinem Quartiere,
Und ging hinüber in meins,
Das lag im fernen Reviere
Am andern Ufer des Rheins.

Ich betrat mein trauriges Zimmer,
Und starrte unverwandt
Hinüber zum Kerzenschimmer,
Den mir dein Fenster gesandt.

Die Lichter drüben am Strande
Erloschen nach und nach,
Doch wie zu traulichem Pfande
Blieb deines immer noch wach.

Wie ich im einsamen Leide
Hinstarrte über die Fluth:
Als wären gestorben wir beide,
Ward mir mit einmal zu Muth;

Als trennten uns weite Welten,
Ward mir mit einem Mal,
Den Erdengram zu vergelten
Mit ewiger Sehnsucht Qual;

Als blinkte dein Lichtlein so ferne
In meine Finsterniß
Von einem entlegenen Sterne,
Der dich mir auf immer entriß.

Mir spielten, wie Thränendiebe,
Nachtwinde ums Augenlied,
Wie der Geist unglücklicher Liebe,
Der über die Erde zieht.
(Band 2 S. 69-71)
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An Agnes

Wo kein Strahl des Lichtes blinket,
Wo kein Thau von Tränen sinket,
In die Stille nieder
Und hinaus in alle Weiten
Nächtlicher Vergessenheiten
Dringen deine Lieder.

Die entflohn und nicht mehr kamen,
Freuden mit verlornen Namen
Kannst du wiederbringen;
Lauschend treten alle Schmerzen
Leiser auf in meinem Herzen,
Hören sie dich singen.
(Band 2 S. 220)
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An die Wolke

Zieh' nicht so schnell vorüber
An dieser stillen Heide,
Zieh' nicht so scheu vorüber
An meinem tiefen Leide,
Du Wolke in der Höh',
Steh still bei meinem Weh!

Und nimm auf deine Reise
Mit fort zu ihr die Kunde:
Mein Herz, die arme Waise,
Verblutet an der Wunde,
Die mir durch ihren Trug
Die Ungetreue schlug.

Und kommst auf deinen Wegen
Du an vor ihrem Hause,
So stürze dich als Regen
Herunter mit Gebrause,
Daß sie bei dunkler Nacht
Aus ihrem Traum erwacht.

Schlag' an die Fensterscheibe,
Und schlag an ihre Thüre,
Und sey dem falschen Weibe
Ein Mahner an die Schwüre,
Die sie mir weinend sprach,
Und die sie lächelnd brach.

Und will sie das nicht hören,
So magst von deinem Sitze,
Du, Donner, dich empören;
Dann rüttelt, all' ihr Blitze,
Wenn ihr vorüberzieht,
An ihrem Augenlied!
(Band 1 S. 32)
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Alle Gedichte aus: Nikolaus Lenau Werke und Briefe. Historisch-kritische Gesamtausgabe. Herausgegeben im Auftrag der Internationalen Lenau-Gesellschaft Wien 1995 Deuticke Klett-Cotta
Band 1: Gedichte bis 1834 Herausgegeben von Herbert Zeman und Michael Ritter in Zusammenarbeit mit Wolfgang Neuber und Xavier Vicat
Band 2: Neuere Gedichte und lyrische Nachlese
Herausgegeben von Antal Madl

Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Nikolaus_Lenau


 

 


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