Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781) - Liebesgedichte

Gotthold Ephraim Lessing

 

Gotthold Ephraim Lessing
(1729-1781)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:

 

Die Küsse

Der Neid, o Kind,
Zählt unsre Küsse:
Drum küß geschwind
Ein Tausend Küsse;
Geschwind du mich,
Geschwind ich dich!
Geschwind, geschwind,
O Laura, küsse
Manch Tausend Küsse:
Damit er sich
Verzählen müsse.
(S. 87)
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Die Küsse

Ein Küßchen, das ein Kind mir schenket,
Das mit den Küssen nur noch spielt
Und bei dem Küssen noch nichts denket,
Das ist ein Kuß, den man nicht fühlt.

Ein Kuß, den mir ein Freund verehret,
Das ist ein Gruß, der eigentlich
Zum wahren Küssen nicht gehöret:
Aus kalter Mode küßt er mich.

Ein Kuß, den mit mein Vater giebet,
Ein wohlgemeinter Segenskuß,
Wenn er sein Söhnchen lobt und liebet,
Ist etwas, das ich ehren muß.

Ein Kuß von meiner Schwester Liebe
Steht mir als Kuß nur so weit an,
Als ich dabei mit heißerm Triebe
An andre Mädchen denken kann.

Ein Kuß, den Lesbia mir reichet,
Den kein Verräter sehen muß,
Und der dem Kuß der Tauben gleichet:
Ja, so ein Kuß, das ist ein Kuß.
(S. 68)
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Die Namen

Ich fragte meine Schöne:
Wie soll mein Lied dich nennen?
Soll dich als Dorimene,
Als Galathee, als Chloris,
Als Lesbia, als Doris
Die Welt der Enkel kennen?
Ach! Namen sind nur Töne:
Sprach meine holde Schöne.
Wähl' selbst. Du kannst mich Doris
Und Galathee und Chloris
Und - wie du willst, mich nennen;
Nur nenne mich die Deine.
(S. 67-68)
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Der schwörende Liebhaber

Ich schwör es dir, o Laura, dich zu hassen;
Gerechten Haß schwör ich dir zu,
Ich schwör es allen Schönen, sie zu hassen;
Weil alle treulos sind wie du.
Ich schwör es dir, vor Amors Ohren,
Daß ich.. ach! daß ich falsch geschworen.
(S. 87)
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An eine kleine Schöne

Kleine Schöne, küsse mich.
Kleine Schöne, schämst du dich?
Küsse geben, Küsse nehmen,
Darf dich jetzo nicht beschämen.
Küsse mich noch hundertmal!
Küß und merk der Küsse Zahl.
Ich will dir, bei meinem Leben!
Alle zehnfach wiedergeben,
Wenn der Kuß kein Scherz mehr ist,
Und du zehn Jahr älter bist.
(S. 74)
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Die lügenhafte Phyllis

Mein Damon spricht:
Kind, lüge nicht! Sonst werd ich strafen müssen
Und dich zur Strafe küssen.
Er droht mir, sieht verdrüßlich aus
Und strafet mich schon im voraus.

Sonst log ich nicht.
Nur seit er spricht:
Du sollst mir fein mit Küssen
Die losen Lügen büßen,
Red ich kein wahres Wörtchen mehr.
Nun, Schwestern, sagt, wo kömmt das her?
(S. 79)
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Die schlafende Laura

Nachlässig hingestreckt,
Die Brust mit Flor bedeckt,
Der jedem Lüftchen wich,
Das säuselnd ihn durchstrich,
Ließ unter jenen Linden
Mein Glück mich Lauten finden.
Sie schlief, und weit und breit
Schlug jede Blum ihr Haupt zur Erden
Aus mißvergnügter Traurigkeit,
Von Lauren nicht gesehn zu werden.
Sie schlief, und weit und breit
Erschallten keine Nachtigallen
Aus weiser Furchtsamkeit,
Ihr minder zu gefallen,
Als ihr der Schlaf gefiel,
Als ihr der Traum gefiel,
Den sie vielleicht jetzt träumte,
Von dem, ich hoff es, träumte,
Der staunend bei ihr stand
Und viel zu viel empfand,
Um deutlich zu empfinden,
Um noch es zu empfinden,
Wie viel er da empfand.
Ich ließ mich sanfte nieder,
Ich segnete, ich küßte sie,
Ich segnete und küßte wieder:
Und schnell erwachte sie.
Schnell taten sich die Augen auf.
Die Augen? - nein, der Himmel tat sich auf.
(S. 84-85)
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Der Wunsch

Wenn ich, Augenlust zu finden,
Unter schatticht kühlen Linden
Schielend auf und nieder gehe
Und ein häßlich Mädchen sehe,
Wünsch ich plötzlich blind zu sein.

Wenn ich, Augenlust zu finden,
Unter schatticht kühlen Linden
Schielend auf und nieder gehe
Und ein schönes Mädchen sehe,
Möcht ich lauter Auge sein.
(S. 80)
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Alle Gedichte aus: Gotthold Ephraim Lessing. Werke. Erster Band: Gedichte Fabeln Lustspiele Herausgegeben von Herbert G. Göpfert Carl Hanser Verlag München 1970


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Gotthold_Ephraim_Lessing

 

 


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