Heinrich von Levitschnigg (1810-1862) - Liebesgedichte




Heinrich von Levitschnigg
(1810-1862)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 



Still

Still ist die heil'ge Nacht;
Kaum wagt das Veilchen seinen Duft
Zu senden in die Frühlingsluft,
Still ist die heil'ge Nacht!

Doch stiller ist der Schlaf
Des Kindleins, das im Mutterschoß
Der Thränen keine noch vergoß -
Viel stiller dieser Schlaf!

Am stillsten ist das Herz
Des Weibes, welchem nimmer neu,
Was Schmerz betrogner Liebe sei -
Am stillsten dieses Herz!
(S. 6)
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Noch immer

Noch klingt der süßen Stimme Schall
Mir zauberisch ins Ohr,
Ein Ton, den eine Nachtigall
Im Südwärtszieh'n verlor.

Noch wärmt des blauen Auges Strahl
Mein Herz, dies trübe Ding -
Ein südlich warmer Sonnenstrahl,
Der sich am Pol verging.

Auch einer Locke blondes Haar,
Noch immer wein' ich's naß,
Wie Einer, der lang Sklave war,
Die Freiheit halb vergaß.

Ich weiß wohl, Herz, warum du weinst,
Dein banges Klopfen spricht:
Ach Gott! ich war im Himmel einst,
Und den verschmerzt man nicht!
(S. 7)
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Unmöglich

Was zürnst du, daß ich ohne Rast
Die weite Welt durchwand're?
Wer lehrte mir der Schwalbe Hast?
Nur du - sonst keine and're.

Wie könnt' ich auch, was fällt dir ein,
Auszieh'n die Pilgerschuhe -
Beim Rasten heißt es ruhig sein -
Doch wo ist meine Ruhe?

Sie hat, als mich - ein Sonnenspeer -
Dein erster Blick durchdrungen,
In deines Auges blauem Meer
Versunken, ausgerungen.
(S. 8)
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Akrostichon

Mit stiller Rührung kam ich vom Ballete,
Als mich ein Dichterling willkommen hieß;
Rauh schallte mir ins Ohr die Lobtrompete,
In welche laut der trunk'ne Reimer stieß.
Er aber sprach: "Nun heißt es rasch beginnen,
Tritt Terpsychoren kühn vor's Angesicht,
Auf schmucke Verse laß uns eifrig sinnen;
Geschrieben sei ein zärtliches Gedicht -
Leicht wird es ja, wenn man von Elfen spricht."
Ich aber rief: "Was soll die Skriblersitte?
Ohnmächtig, frostig klänge Lob und Lied;
Nur was Sie schreibt mit einem einz'gen Schritte,
Ist eine Liebesode des Ovid!"
(S. 9)
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Der Leichnam von Falun

Die Kirche von Falun durchrauschen Lieder,
Wie sie Verwaiste theuern Todten zollen;
Die Knappen geben fromm der Erde wieder
Den Leichnam, ausgescharrt aus alten Stollen.

Ein Mütterlein kniet stumm am Grabe nieder
Und wirft mit welker Hand die ersten Schollen;
Die Alte liebt noch immer treu und bieder
Den Bräutigam am Hochzeitstag verschollen.

Sie ist gealtert unter Gram und Schmerzen,
Der Freier aber blieb so schön, so jung,
Wie Rosen in der Zeit der Frühlingstriebe.

So schläft in manchem todesmüden Herzen,
Gesalbt vom Balsam der Erinnerung,
Die schöne Leiche seiner ersten Liebe.
(S. 16)
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Zu spät

Die Rose schläft am grünen Hügel
Duftlos - ein liebeleeres Herz, -
Da zieht auf goldgeschmücktem Flügel
Ein bunter Falter hügelwärts.

Er küßt und weckt die blöde Rose,
Saugt schmeichelnd ein den ersten Duft;
Dann taucht er aus dem kühlen Moose,
Zieht treulos weiter durch die Luft.

Die Rose prangt am grünen Hügel
Geschmückt wie ein kokettes Kind;
Da naht auf purpurrothem Flügel
Ein Bräutigam - der Abendwind.

Sie schwört ihm willig ew'ge Treue,
Und trunken schwelgt der späte Gast -
Ein Gatte, welcher einst voll Reue
Verwünschen lernt des Freiers Hast.

Er fand wornach sein Rausch begehrte,
Er ist es, der die Rose bricht,
Doch der im Lenz sie duften lehrte,
Der Glückliche, der ist er nicht. 
(S. 19)
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Medschnun's Abschied
Terzinen

Von den grünen Palmenzweigen
Läßt der Wind sich schaukelnd tragen,
Und die Nachtigallen schweigen.

Memnons süße Trauerklagen
Künden laut dem alten Theben,
Daß der Tag die Nacht geschlagen.

Silberweiße Wolken schweben
Durch die Lüfte fast wie Schwäne,
Die zur Südfahrt sich erheben.

Auf die grünen Wiesenpläne
Strahlt die Sonne warm und heiter,
Und der Thau wird Rosenthräne.

Leila, von der Himmelsleiter
Deiner Lippen sinkt der Sänger,
Zieht dann weltverlassen weiter.

Weilen darf Medschnun nicht länger,
Ihn verscheuchen, ihn verbannen
Haß und Groll, die bösen Dränger.

Lebewohl, schon längst verrannen
Unsres Glückes blaue Stunden,
Flogen wie ein Traum von dannen.

Laß von deinem Arm umwunden
Nochmals mich zum Himmel schweben
Auf die Dauer von Secunden.

Vier verblaßte Lippen beben
Ängstlich, küssen schmerzdurchdrungen
Sich zum letzten Mal im Leben.

Ihre Schwüre sind verklungen -
Vier verblaßte Rosen haben
Sich zu einem Sarg verschlungen,
D'rin die Liebe liegt begraben.
(S. 41-42)
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Lebewohl

Lebe wohl, Marie!
Welk sind unsre Rosen,
Lasse drum dein Kosen;
Auf dem Scheidestege
Wanken meine Füße,
Ohne Liebesgrüße
Zieh' ich meine Wege -
Lebe wohl, Marie!
Meine Phantasie
Denkt in allen Landen
Trotz zerbrochnen Banden,
Ob ich jetzt auch scheide,
Dich als unverloren;
Denn in meinen Ohren
Klingen deine Eide:
Dich vergeß' ich nie.

Brich ihn nicht den Schwur
Wie so viele Andre.
Wo ich immer wandre,
Sei's auf Alpenbergen,
In dem höchsten Norden,
Unter Negerhorden,
Feuerländerzwergen,
Auf des Ganges Flur,
Mein gedenke nur.
Treu durch alle Zeiten,
Auch in Sonnenweiten,
Ob auch schnell verrausche
Deines Lebens Dauer
In der tiefsten Trauer,
In des Glückes Rausche:
Halte deinen Schwur.

Nur in jener Nacht,
Wo des Herzens Bangen
Schamgefärbte Wangen
Bei verschobnem Schleier
Nackte Busenschwäne
Und der Wollust Thräne
Von der Liebe Feier
Kunde dir gebracht -
Nur in jener Nacht,
Wo dich fremde Arme
Lustgeschwellte, warme
Buhlerisch umschlingen,
Fieberhaft umranken:
Könnte der Gedanken
Mich zum Wahnsinn bringen,
Daß du mein gedacht!
(S. 55-56)
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Weßwegen

Moschusreiche Düfte brechen
Aus des Lenzes jungen Rosen,
Ziehen durch die Mitternächte
Wie ein süßer Gruß der Liebe,
Und sie wissen nicht weßwegen.

Sterne lugen auf die Rosen,
Ziehen durch die Mitternächte
Wie ein süßer Blick der Liebe;
Doch sie wissen nicht, weßwegen
Sich im Thau die Strahlen brechen.

Wie ein Traum der Mitternächte,
Zieht in unser Herz die Liebe,
Und wir wissen nicht weßwegen
Lieder statt der Düfte brechen
Aus den weichen Lippenrosen.

Doch nicht rasten darf die Liebe,
Und wir wissen nicht weßwegen
Menschen sich die Schwüre brechen,
Leichter, als der Frost die Rosen
Um die Zeit der Mitternächte.

Ach wir fassen dies "weßwegen"
Erst, wenn uns're Herzen brechen;
Dann erklärt der Tod der Rosen,
Das "Wozu" der Mitternächte,
Uns gewiß die ew'ge Liebe!
(S. 59-60)
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Die bösen Augen

Hinweg von mir! Ich nähme dir zu Füßen
So gern im Seligwerden Unterricht;
Denn leicht vergäße Weib bei deinen Küssen
Die Kunde, wie man weint, mein Angesicht.

Dort würde seine grüne Heimat finden
Der wandernsmüde Liebesahasver;
Du könntest ihn des trüben Eids entbinden:
Nur Eine liebt ich, fürder keine mehr!

Wie bist du schön! Sprich, warf der Lenz beim Scheiden
Ins Antlitz dir sein letztes Rosenpaar?
Sag, hat ein jahrelanges tiefes Leiden
So kummerschwarz gefärbt dein Seidenhaar?

Der Klang der Stimme! Hielt in deinem Herzen
Die Nachtigall auf ihrer Südfahrt still,
Und flötet dort von überstandnen Schmerzen
Und einem Lenz, der niemals enden will.

Der schlanke Wuchs, die Alabasterarme -
Umschlingend schlößen sie den Himmel ein;
An dieser Stelle würde selbst dem Harme
Nicht länger fremd die Freudenthräne sein.

Mir ist als ob ich in die Sonne sähe,
Wenn warm auf mich dein Auge niederschaut,
Und dennoch treibt es mich aus deiner Nähe
Wie einen Dieb, den vor dem Schergen graut.

Ach! diese Augen glänzend wie Cyanen
Verweisen mich in meinen alten Schmerz,
Und ihre blaue Farbe will mich mahnen:
Gedenke deiner Eide falsches Herz!

Da greif' ich eilig nach dem Wanderstabe,
Und Thränen gießen über mein Gesicht,
Als sende mir von ihrem öden Grabe
Die todte Liebe zwei Vergißmeinnicht!
(S. 86-87)
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Die junge Morgenländerin
(Nach Amerlings Bilde)

Wie schön du bist, vermag ich nicht zu sagen -
Du hast das Herz mir aus der Brust geblickt,
Das Morgenland hat seine Mährchensagen
In dir verkörpert in die Welt geschickt.

Das Antlitz glänzend wie das Eis am Pole,
Von jenem Rosenschimmer angehaucht,
Der Memnon weckt zum leisen Lebewohle,
Wenn seine Mutter aus dem Meere taucht.

Die Haare schwarz wie einer Mutter Trauer,
Die an des frömmsten Kindes Sarge steht -
Das Auge - Sonnenschein nach Regenschauer -
Durchsichtig wie der See Genezareth.

Bist du das Liebesideal der Mauren,
Das Mohamed ins ferne Land verwies,
Auf daß beneiden lernen deutsche Giauren
Den Turbanträger um sein Paradies?

Wo ihn nach deinen Küssen süß, doch glühend,
Scherbet und weißes Honigbrot erquickt,
Wo dein verschämtes Auge liebesprühend
Ein Meer von Glück in seine Seele blickt.

Dann hast du schlau den Koran aufgeschlagen,
Weil drin des Islams Glaubensformel steht:
Ich will des schönen Weibes wegen sagen,
Nur Mohamed allein ist mein Prophet.

Bist du ein Weib aus Staub wie ich geboren,
Schön wie die Sonne noch kein Zweites sah;
Dann hat schon längst an dich sein Herz verloren
Des Morgenlandes reichster Padischah;

Dann hast du abgelegt aus List bescheiden
Des Orientes Bindendiadem,
Weil deine Schönheit hinreicht zu beeiden,
Daß dir als Herrin huldigt der Harem;

Dann tönt aus jenem fremden Perlenliede,
Das eben deiner weißen Hand entsank,
Die Liebesbitte Eines, dessen Friede
In deines Auges schwarzem Meer ertrank.
(S. 93-94)
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Abschied

Was soll dein blaß Gesicht? ich denke dein.
Uns trennt der Ruf der Pflicht, - ich denke dein.
Das Band der Liebe, das uns fest umschlang,
Dies Band aus Rosen bricht - ich denke dein.
Der Morgen kommt, mit ihm der Scheidegang,
Besät mit Dornen dicht - ich denke dein.
Durch alle Zeit, zischt wild der Wetterstrahl,
Scheint hell der Sonne Licht - ich denke dein.
Durch alles Land, sei's Alpenberg, sei's Thal,
Tönt laut mein Glutgedicht: Ich denke dein!
Stockt einst mein Blut, das sonst wie Lava rann,
Sein letzter Pulsschlag spricht: Ich denke dein!
Um keinen Gram vermindert sich auch dann
Der Liebe Vollgewicht - ich denke dein.
Doch still! Ein Wort für tausend Schwüre gilt,
Das Wort - zwar tönt es schlicht - "ich denke dein."
Frag' an dich jenseits, ob ich's redlich hielt;
Leb' wohl und weine nicht - ich denke dein!
(S. 95)
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Wahre Prophezeihung

Du brachst am Scheidetage
Mit ungestümer Hand
Vom fahlen Nelkenhage
Dein letztes Liebespfand.

Du sprachst: Wie diese Nelken
Verblasse mein Gesicht,
Soll dieser Mund verwelken,
Wenn er die Treue bricht.

Ich bin hinweggegangen,
Und langsam war mein Tritt -
Sprich, wie viel Parasangen
Hielt deine Treue Schritt?

Dein Herz war leicht zu rühren,
Und du warst überfroh,
Daß nicht mit deinen Schwüren
Dein Wangenschmelz entfloh.

Ein Mund nur ließ die Farben
Und wurde nie mehr roth;
Denn meine Lippen starben
Den frühen Nelkentod.
(S. 105)
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In frühern Tagen

In meinem Herzen war es dunkle Nacht in frühern Tagen,
Da hast du mir als Morgenstern gelacht in schönern Tagen.
Ich war ein schlanker Palmenbaum, entlaubt vom Wetterstrahl;
Als Epheu hast du ihm das Grün gebracht in heitern Tagen.
Ich war ein Rosenstrauch im südlich warmen Gangesthal;
Du hast als Nachtigall ihn treu bewacht in wärmern Tagen.
Ich war ein Lied voll Glut und Kampfbegier, doch rauh und wild;
Du hast's melodisch als Gesang gemacht in mildern Tagen.
Ich lag im langen, tiefen Schlaf, ein steinern Memnonsbild,
Auf deinen Sonnengruß bin ich erwacht in hellern Tagen.
Ich war ein Siegelring aus hellem Gold getrieben ganz,
Da hobst du als Rubin der Fassung Pracht in reichern Tagen.
Ich war ein Meer, zur Sturmeszeit bewegt vom Wellentanz,
Aus dem als Perle Liebe dich gebracht in stillern Tagen.
Ich war in arger Zeit ein Kranker, dem das Glück gefehlt;
Da nahmst als Arzt du liebend mich in Acht in bösen Tagen.
War ein Kometenbrand - Brand einer bahnverschlagnen Welt,
Du warst die Windsbraut, die ihn angefacht in heißern Tagen.
Ich war ein Traum der Märchenwelt - ein Traum aus Ginnistan,
In dem ich dich mir als Peri gedacht in Wundertagen.
Ich war ein Gott, wenn auch dein Sklave und dein Unterthan;
Zu beiden hatte mich dein Kuß gemacht in Liebestagen.
(S. 116)
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Heimkehr

Ich habe stolze Schönheit viel gelitten,
Seit mich als Bannstrahl traf dein letzter Blick,
Nun ist's vorbei, nun hab' ich rasch durchschritten
Die Wüste schmerzbesandet: Mißgeschick.

Nun kehr' ich heim von meiner langen Reise,
Du blickst mich an, halb grollend, halb gerührt,
Und forderst nun, daß ich den Paß dir weise,
Der selbst Verbrecher in die Heimat führt.

Den bring' ich mit, den hat der Tod geschrieben,
Der kreideweiß auf meine Lippen schlich;
Ich weiß es wohl, du kannst mich nicht mehr lieben;
Doch weinen, weinen darfst du über mich.

So wie am Abend schüchtern die Gazelle
Hinstürzt zum Quell am stillen Bergesschacht,
Und Labung findet in der Silberwelle:
So komm' auch ich vor meiner langen Nacht.

So laß' mich stürzen durch die blauen Augen
In deine Seele, eh' ich scheiden muß,
Von deinen frommen Lippen laß mich saugen
Die letzte Öhlung - einen letzten Kuß!
(S. 132)
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Liebesghaseln

1.
Geschildert hab' ich stets nur kalt dein Bild,
Traf nie, so sehr ich selbst mich schalt, dein Bild,
Mir ist als sei mein Herz ein tiefer Schacht
Und dessen reicher Goldgehalt dein Bild,
Es ist ein Quell, in dem in stiller Nacht
Als keuscher Mond sich silbern malt dein Bild;
Auf eine Flur, auf der im Rosenheer
Als Blumenfürstin immer galt dein Bild.
Als Muschel schwimmt es auf der Sehnsucht Meer,
Aus der als Perle schillernd strahlt dein Bild.
Es ist ein Siegelring, dem eingedrückt
Der ersten Liebe Glutgewalt dein Bild -
Ein Altar auch mit Blumen reich geschmückt,
Dort thront statt Kama's Lichtgestalt dein Bild.
(S. 137)


2.
Als Lotos blüht' ich einst im Morgenland;
Du warst der Mond, dem ich den Duft gesandt.
Auf deinem Altar fern in Hindostan
Mein junges Herz als Liebesblume stand.
Ich zog als Falter gaukelnd meine Bahn;
Du warst die Rose, die den Flattrer band.
War eine Taube, fing zu suchen an;
Du warst der Öhlzweig, den sie jubelnd fand.
Ich war ein Adler, schwang mich himmelan -
Stolz sah mein Auge deinen Sonnenbrand.
Auch als Delphin im stillen Ozean
Umkreist' ich treu dich als Korallenwand.
Ich war ein Leu, betrat der Thiere Khan
Dich als Oase in der Wüste Sand.
Als Rajah selbst bezwang ich Gulistan
Durch deinen Blick, der Liebe mir gestand.
(S. 137-138)


3.
Kein Märchen ist so wunderbar als reine Liebe;
Die Liebe, die nicht Wunder wirkt, ist keine Liebe.
Schließt auch den Kelch die Nenufare scheu am Tage,
Aufküßt die Schämige im Mondenscheine Liebe;
Verstummt aus Schmerz Bülbüls so schmerzlich süße Klage,
Erzwingt durch Rosendüfte, daß er weine, Liebe.
Fern ist das Meer vom Schacht, die Perle vom Rubine,
Auf Ringen eint mit Perlen Edelsteine Liebe.
Nicht scheut der Wüste Glut und Sand der Beduine,
Ihn labt in der Oase Palmenhaine Liebe.
Das Paradies, das nüchtern Keiner noch betreten,
Zeigt dem, der trunken ist von ihrem Weine, Liebe.
Einst brachte fast ein Blick der Anahid zum Beten
Den Ahriman; so wirksam ist die reine Liebe!
Den Zwiespalt meines wilden Herzens hat geschlichtet
Als neuer weiser Daniel, die feine Liebe.
Ghaselen lieblich, wie Hafis sie einst gedichtet,
Soll mich begeisternd singen lehren deine Liebe.
(S. 138-139)


4.
Was frägst du stets? Ich habe keinen Namen,
Was liegt dir auch an diesem kleinen Namen?
Ich bin kein Held; nur dieser darf es wagen,
Durch alles Land zu rufen seinen Namen.
Schreibst du Geschichte? Sängern alter Sagen
Nur können gar so wichtig scheinen Namen.
Verstumme schwatzhaft Kind! Willst du mich sehen,
So brauche nur den allgemeinen Namen
"Geliebter!" Werde stets den Ruf verstehen.
Einmal da hatt' ich freilich einen Namen -
Weiß keine Sylbe mehr von seinem Klange;
Mir schrieb ins Herz die Liebe deinen Namen -
Den nannt' ich oft, den las ich da so lange,
Bis ich vergessen hatte meinen Namen.
(S. 139)


5.
Wie Lerchen haßte Fesselzwang mein Herz,
Bis deiner Locken Netz umschlang mein Herz.
Als Kahn auf hoher See der Liebe zog,
Vor Sturmgefahr nicht scheu noch bang, mein Herz;
Doch deines Flammenblickes Brander flog,
Geentert ward als Kaperfang mein Herz.
Verschlungen hat der Wonne Meeresschlund
Als Taucher, der zur Tiefe drang, mein Herz;
Korallenklippe ward dein Nelkenmund -
Wie hing an dieser Klippe lang mein Herz!
Als Falter zog hinaus zur Blumenwahl,
Den kleinen Fittig rastlos schwang mein Herz,
Da schaute deines Busens Liljenthal,
Da hemmte seinen Reisegang mein Herz.
Ein Heimatloser zog durch alles Land
Gleich einem, der der Haft entsprang, mein Herz.
Zu deinen Füßen seine Heimat fand,
Landstreicherlieder nie mehr sang mein Herz.
(S. 139-140)


6.
Weiß Kunde nur von goldnen Banden,
Seit deine Locken mich umwanden;
Von Perlen, seit ich sah die Zähne;
Die schillernd dir im Munde standen,
Auch von der glitzernden Faläne,
Seit ich dich traf in Prachtgewanden.
Weiß Kunde auch von Glutrubinen,
Seit Lippen sich zu Lippen fanden -
Durch deinen Blick von Herzensminen -
Der Ruhe Wall ward da zu schanden;
Auch von dem Klang der Nachtigallen
Durch Worte, die sich dir entwanden.
Woher der Schnee, der frisch gefallen,
Des Busens Schwäne mir gestanden.
Bei solcher Kunde sprach ich: Rüste
Dich, Herzensbarke, rasch zu stranden,
Du darfst an deines Himmels Küste
In ihrem schönen Herzen landen.
(S. 140-141)


7.
Liane hat den Palmenast gebunden,
Das Garn den Aar trotz seiner Hast gebunden.
Narzisse hat durch Duft den Schmetterling,
Der Sommertage flücht'gen Gast, gebunden.
Den Demant auf des Shahes Siegelring
Hält Gold wie eine Klammer fast gebunden,
Zwar bläht der Sturm das weiße Segeltuch,
Doch hält den Kiel des Ankers Last gebunden.
Den bleichen Juden hat des Tilgers Fluch
An stetes Wandern sonder Rast gebunden,
Längst hat mein Herz dein blondes Seidenhaar
Gleich einem Netz aus feinstem Bast gebunden.
So glücklich nie ein Kettenträger war,
Als ich es bin, seit du mich hast gebunden.
(S. 141)


8.
Mir brannte Herz und Lippen wund dein Kuß,
Als Siegel schloß den Liebesbund dein Kuß.
Des Mondes Wirkung auf des Meeres Flut
Erklärte mir, und gab mir kund dein Kuß.
In meinen Adern siedend schwoll das Blut,
Als zärtlich drückte meinen Mund dein Kuß.
Gefühle weckte heiß, wie Sonnenglut,
Den Keim, im tiefsten Herzensgrund dein Kuß.
Rasch brachte süßen Glückes Perlengut
Als Taucher aus der Lippen Sund dein Kuß;
Wie Wüstendurst des Baumes Fruchttribut,
So labte mich der Dattelfund: dein Kuß.
Wie Palmenwein hob meines Geistes Muth,
Und machte mich von Harm gesund dein Kuß.
Gleich einer Zauberformel des Marut
Entrückte mich dem Erdenrund dein Kuß;
Wie süß am Busen der Huri sichs ruht,
Mich lehrt' es dein Umarmen und dein Kuß.
(S. 141-142)


9.
Verstummst du Nachtigall im Wald? Du konntest mich vergessen?
So ruft die Rose, welkt dann bald - sie kann dich nicht vergessen.
Verklungen ist des Lieblings Sang und ihr allein zu bang.
Die Sonne sinkt; da klagt wohl auch "du konntest mich vergessen?"
Der Sonnenwende letzter Hauch - sie kann dich nicht vergessen.
Sie stirbt, weil ohne deinen Tag sie nicht mehr leben mag;
Auf Erden weint so manches Herz: "Du konntest mich vergessen?
Doch ich - dies ist der größte Schmerz - ich kann dich nicht vergessen!
Ob du mit Spott die Treue lohnst, ich liebe dich wie sonst!"
Auch du Gülnare, böses Kind, du konntest mich vergessen?
Ach, lehr' es mich doch auch geschwind, ich kann dich nicht vergessen!
Mir liegt die Kunst zu weit, zu fern - ich hatte dich zu gern!
(S. 142-143)


10.
Feenmädchen, das ich liebend meine, lebewohl
Schönste der Huris, um die ich weine, lebewohl!
Sonne meiner Wege, Leitstern auf der Sehnsucht Stege,
Rosenfürstin in des Herzens Haine, lebewohl!
Sina's alte Sage schildert seiner Tochter Klage
Als Tartarenbraut nicht herb wie meine - lebewohl!
Wie die Bajadere ihren Mahadöh zur Ehre
Stürzte in das Feuer - in das reine, lebewohl!
Rief der Liebe schmerzhaft: ruf' ich lächelst du auch scherzhaft:
Schönheit, die ich liebe wie sonst Keine, lebewohl!
(S. 143)


11.
Du standst vor mir so hell und klar im Traume!
Wie zärtlich warm dein Blick doch war im Traume!
Dies gab mir Muth; ich faßte deine Hand,
Und bat um einen Kuß sogar im Traume.
Du sträubtest dich; doch was kein Wort gestand,
Sprach deiner Augen Sonnenpaar im Traume.
Mir sagte liebevoll ihr holder Strahl:
Dein bin ich, bleib' ich immerdar, im Traume.
Da drückt' ich auf der Lippen Rosenmal
Den heißen Mund, der Sinne bar, im Traume.
Der Kuß, wie Sonnenfeuer brannt' er mir
Dein Bild ins Herz, gar wunderbar im Traume;
Allah! nicht neid' ich mehr den Himmel dir,
Seit ich in einem Schönern war im Traume!
(S. 143-144)


12.
Was willst du Herz? - du schlägst so bang? - Zu Ihr!
Wo zieht dich hin der Sehnsucht Drang? - Zu Ihr!
Das geht nicht an; die Trennungsstunde schlug,
Verpfählt ist dicht der Rosengang zu ihr.
Nur Adlerflügel führten dich, mein Herz,
Das hoch beim ersten Kusse sprang, zu ihr.
Drum fasse singend deinen Wanderstab -
Vielleicht dringt deines Liedes Klang zu ihr.
Noch einen Seufzer schick' ins Heimatland,
Wo Liebe dir ihr Märchen sang, zu ihr;
Dann pilgre fort, und halte nirgends an -
Durchs Leben zieht der Weg sich lang zu ihr.
Doch tröste dich, du kommst im Himmel einst,
Sobald der Tod die Sense schwang, zu ihr!
(S. 144)


13.
Du hast vertraut zu unbedacht mein allzurasches Herz;
Der Treue Haus steht abgedacht mein heimatloses Herz.
Die Liebe kam, so kehrt der Lenz ins Blumenthal zurück;
Ihr Sonnenblick hat dir gelacht mein leichtgeblendet Herz,
Der Lenz ist kurz, doch kürzer noch der Liebe Lust und Glück,
Da ward in Dir es freilich Nacht mein schmerzzerrißnes Herz,
Was klagst du bang dein Leid der Welt? die Welt hat kaltes Blut,
Ihr hat noch immer Spaß gemacht, ein gramgebrochnes Herz.
Was staunst du doch und wunderst dich, daß sie nicht theilt die Glut,
Die Liebesküsse angefacht mein allzuwarmes Herz?
Sei ruhig, poche nicht so laut; die Rosen sind verblüht,
Nicht hoffe, daß Bülbül erwacht, mein wahnbefangnes Herz!
Was lärmst du so? S'ist lächerlich, wenn man umsonst sich müht,
Ich hätte stiller mir gedacht, ein todtgeschlagnes Herz.
(S. 144-145)
_____



Der Scheidebrief

Du schriebst mir kalt mit wohlbekannter Hand: "Wir sind geschieden,
Zerrissen ist das duftgewobne Band - wir sind geschieden!
Zerstoben ist der wundervolle Traum, der mich berückt,
Und dichte Asche deckt den Flammenbrand - wir sind geschieden!
Die Blumen, die ich einst in wärm'rer Zeit für dich gepflückt,
Gib mir zurück; was soll der Treue Pfand, da wir geschieden?" - -
So sprach dein Brief. Wohl hast du recht; ich fühlte selbst es tief,
Todt sei das Herz, so spricht nur der Verstand, wenn man geschieden.
Wenn, Flatterhafte, das Gefühl in deiner Brust entschlief,
Was soll mir der Erinn'rung duft'ger Tand, da wir geschieden?
So nimm es immer hin, des kurzen Frühlings welkes Kind,
Das deutsam deine Liebe, mir gestand, eh' wir geschieden.
Sein süßer Duft ist jahrelang bereits verweht im Wind,
So wie dein Schwur, der nicht fürs Leben band, da wir geschieden
Doch gib mir auch zurück, was ich - o namenloser Schmerz! -
An dich verlor, und nimmer wieder fand, wenn auch geschieden;
Denn sage mir, was hat die Südnatur, mein heißes Herz,
Bei dir zu thun im winterlichen Land?! Wir sind geschieden!
(S. 164-165)
_____



Persische Liebeserklärung

Sonnenauge, wie der Falke
Keines hat zu seinem Raube!
Lächeln, halb entborgt dem Schalke,
Halb gestohlen einer Taube!

Auge, gib von Gnade Kunde,
Wenn du liesest die Ghasele,
Lächeln, fliehe nicht vom Munde,
Wenn ich auch ein Wort verfehle.

Wangen roth, wie sich beim Kusse
Eines Falters Liljen färben,
Dunkler werdet nicht beim Gruße,
Kündend liebendes Bewerben:

Einen Löwen sah ich träumend -
Fest verstrickt in goldnen Netzen,
Doch den Schatz der Thiere schäumend
Hört' ich nicht die Zähne wetzen.

Auf den zahmen Mähnenträger
Schwang sich eine Jungfrau sittig,
Und den zartgebauten Jäger
Trug der Leu wie Zelter rittig.

Diesen Traum dir deuten will ich,
Fühl' ich auch die Zunge stocken:
Ich, der Leu, verfing mich willig
In dem Goldnetz deiner Locken.

Sicher, gleich den frömmsten Zeltern,
Sanft in mein Serai dich trag' ich
Aus der Hürde deiner Eltern -
Willst du, sprödes Kind, so frag' ich?
(S. 193-194)
_____



Persische Liebeswünsche

Ich wäre gern der Staub zu deinen Füßen,
Von deinen Sohlen käm' ich nimmer weg -
Ich wäre gern der West, dich zu begrüßen
Mit moschusduft'gem Hauche liebeskeck.

Ich wäre gern ein Ring, als Treue Zeichen
Zu wachsen fest an deine weiße Hand -
Ich wäre gern dein Schatten, nie zu weichen
Von dir durchs Leben und durch alles Land.

Ein Rosenblatt auch würd' ich gern zur Stunde,
Auf deiner Schneebrust schimmernd morgenroth;
Nur dürft' ich werden nie zu deinem Munde -
Ich küßte glühend ja mich selbst zu Tod!
(S. 195)
_____



Indische Liebestrauer

Wärst du eine Riesenpalme,
Könnt' ich als Liane ranken
Meine immergrünen Halme
Weich um deinen Stamm, den schlanken.

Wenn als Nachtigall du lebtest,
Könnt' ich werden eine Rose,
Daß du zärtlich mich umschwebtest
Trotz des Falters Schmachtgekose.

Wärst du Hirsch, so könnt' ich grasen
Dir zur Seite als Gazelle,
Und auf duft'gem Blumenrasen
Theilen deine Lagerstelle.

Wärst du Felsblock, könnt' ich rauschen,
Nachbarlich als Quelle schäumen;
Könnte deinem Echo lauschen,
Süß in deinem Schatten träumen.

Doch jetzt trennen uns die Kasten,
Und des Rajah Goldgewande
Darf nicht wagen zu betasten
Das verstoßne Kind der Schande.

Meinen schmachbedeckten Scheitel
Drückt des Bramafluches Schwere;
Selbst die Hoffnung wäre eitel,
Dein zu sein als Bajadere.
(S. 198-199)
_____



Warnung

Was quälst du mich mit schlimmen Liebesklagen,
Daß ich dein Bild aus meiner Brust verwies?
Ich habe das Vertrauen durchgeschlagen,
Dies Legegeld ins Liebesparadies.

Um Einlaß fleht umsonst an seinen Thoren,
Wer selbst im Himmel noch den Teufel sucht;
So ging das Recht an Liebe mir verloren,
Als ich genoß des Zweifels Schirlingsfrucht.

Was hoffst du noch? Zwar meine Blicke brennen
In Deine warm und hell wie Sonnenlicht;
Doch möcht' ich sie bekannte Lügner nennen,
Die keinen Glauben haben vor Gericht.

Was hängst du gläubig an dem welken Munde?
Er hat den Nelkenfirniß eingebüßt,
Und längst verlernt die träumerische Kunde,
Wie man der Welt entflieht, indem man küßt.

Was sinkst du mir ans Herz? Es ist vergebens -
In diesem kalten Leichnam strömt kein Blut!
Was also suchst du, grünes Kind des Lebens,
Auf diesem Friedhof, drin die Liebe ruht?

Vielleicht weil dir dein Schwesterlein, die Rose,
Von jener trüben Sage Kunde gab,
Die Blume blühe doppelt schön im Moose
Auf einem tiefen, weltverlaßnen Grab!
(S. 205-206)
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Am Lethe

Ich traf auf einer weltverlaßnen Halde
Auf einen Pfahl, der eine Tafel hielt;
Drauf stand: Ein Quell entspringt in diesem Walde,
Der jedem Zecher das Gedächtniß stiehlt.

Ein Pfad, deß Gras schon lang kein Fuß zerknittert,
Kroch furchtsam durch die grüne Blätternacht
Zu einer Eiche, kahl und halb verwittert -
Ein Invalide auf der Gartenwacht.

An ihren Riesenwurzeln floß die Quelle -
Mir war, als rausche sie: Zurück! zurück!
Ein weißes Bahrtuch ist die Silberwelle,
Und d'runten liegt die schöne Leiche: Glück!

Hat Liebe sich die Augen ausgerissen
Und hier verborgen tief im Felsgestein?
So blaß, so bleich, wie diese Wellen fließen,
Kann nur der Liebe Scheidethräne sein!

Was kümmert's mich? Rasch vorwärts kühner Zecher,
Der nicht sein Gold, nein sein Geschick vertrinkt!
Was zitterst du? Die Hand gekrümmt zum Becher,
Wie kommt es, daß sie kraftlos niedersinkt?

Was willst du, Weib, auf meinem dunklen Wege?
Die Hand vom Mund! Ich weiß, warum du weinst,
Und was du denkst: Auf diesem Rosenstege
Sprach meine Seele mit der Deinen einst.

Das ist vorbei! Was soll dein Leben lügen?
Mir liegst du längst schon auf der Todtenbahr,
Und drum vertrink' ich jetzt mit raschen Zügen
Den Schmerz, daß meine Liebe sterblich war!
(S. 209-210)
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Das Stelldichein

Die Nacht ist still, die Nacht ist warm und heiter,
Der Mond blickt freundlich in das stille Thal,
Als flecht' er magisch eine Silberleiter
Aus Thau und Duft und seinem bleichen Strahl.

Mir aber ist, als seh' ich Nebel steigen -
Warf Liebe ihn als Schleier himmelwärts
Aus Furcht, die Sterne möchten nicht verschweigen,
Was hier dem Herzen hat vertraut das Herz?

Ein Troubadour umschlingt mit starken Armen
Ein blondes Kind. Glaubst du dein schlankes Lieb
Dadurch so fest ummauert, daß dem Harme
Kein sichres Ziel für seine Pfeile blieb?

Dein Blick ruht sengend auf der weißen Stirne,
Drin ein Gedanke lebt, und der bist du,
Als brenntest du aus ihrem trunknen Hirne
Den letzten Traum von Schmerz, doch auch von Ruh'.

Die Cither schweigt. Wozu auch Liebesklagen?
Was soll das alte trübe Lied von Ach,
Wenn man mit Händedrücken weiß zu sagen,
Was man in Reinem unbeholfen sprach?

Wer brütet lang auf süße Schmachgedichte,
Wenn Liebe Lippen fest an Lippen warf,
Wenn dann ein einz'ger Kuß die Weltgeschichte
Von Menschenseligkeit erschöpfen darf?

Glück auf! und möge euch das ganze Leben
Versiegen wie der Liebe erster Kuß,
Und möge nie von euerm Munde beben
Der letzte, frostig kalte Scheidegruß.

Denn nicht wie Blumendüfte frostvertrieben
Aufs Neue kehren bei erwärmter Luft,
Ach! nein, für immer flieht das erste Lieben,
Der Rose: Seele wundersamer Duft!
(S. 213-214)
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Indische Liebeserklärung

Du kennst mich nicht? Sagt deines Herzens Beben
Nicht eidgewiß: "wir kennen uns schon lange?"
Wir waren Herzversippt durch sieben Leben,
Und sind es auf dem achten Wandergange.

Die Perle lag im Meer, das Gold im Schachte -
Da kam ein Taucher, kam ein Schmid gezogen;
Der Taucher war es, der die Perle brachte
Zum Ringe, den der Schmid aus Gold gebogen.

Einst fiel ein Blitz aus regenschwangern Lüften,
Und laublos war ein Palmenbaum zu schauen,
Und eine Rose gab's - auf ihren Düften
Zog palmenwärts ein neues Lenzvertrauen.

Auf einer Lilje träumte die Faläne,
Da flog ein Glühwurm durch die Nacht, die schwüle,
Und sank herab, wie eine goldne Thräne
Zu schimmern auf dem Nachbarblumenpfühle.

An einem See im Tamarindenforste
Hielt einst ein Schwan - er kam, weiß Gott von wannen;
Da sang die Nachtigall im Rosenhorste,
Und nimmer zog der weiße Schwan von dannen.

Ein weißer Hirsch strich durch die öde Halde,
Als sei mit Phantasie sein Lauf beschlagen,
Und zärtlich flog aus nahem grünen Walde
Ihm nach die Hindin, wie vom Wind getragen.

Die Löwin jagte Nachts im Thalreviere,
Und sank in Balsamstauden in die Falle;
Da kam der Leu, der stolze Scheikh der Thiere,
Und riß das Netz entzwei mit scharfer Kralle.

Hart an der Mündung sprang aus seinem Flusse
Der Nix ans Land, und schlief auf grüner Matte,
Und träumte von der Meerfei und dem Kusse,
Den sie zur Flutzeit ihm gegeben hatte.

Drum schönes Kind, was soll dein blödes Zittern,
Als sei dein Herz so schüchtern wie Mimosen?
Trotz Zeit und Raum, trotz Sturm und Ungewittern
Sind unverwelkt geblieben unsre Rosen.

Laß' unsre Herzen treu den alten Gluten
Das untrennbare Liebesbündniß schließen,
Bis sie wie Ströme, die ins Weltmeer fluten,
Sich einstens in das Urherz: Gott ergießen!
(S. 237-238)
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Liebesabschied

Der Herbstwind zieht gleich Worten tiefer Reue
Um ein verscherztes Glück durch Wald und Flur,
Vielleicht als Seufzer um gebrochne Treue -
Brach doch der Lenz der Erde seinen Schwur!

Der Nebel lagert dicht im öden Thale,
Wie eine Witwe sich in Trauer hüllt;
Die Sonne mahnt mit ihrem feuchten Strahle
An Blicke, welche Gram mit Thränen füllt.

Nur wenig Vögel scheuen angstbeklommen
Die Fahrt, die längst die Mehrzahl unternahm,
Wie nur die guten Kinder trösten kommen,
Wenn Schmerz und Leid ins Herz der Mutter kam.

Die Anger blumenleer - kein Laub am Baume -
Was will die Rose dort im fahlen Moos?
Sie warf gewiß der Lenz vom Alpensaume,
Und riß sich dann mit leichterm Herzen los.

Ist's doch, als müßten sich zwei Menschen meiden -
Der Jüngling wandert ohne Liebe fort,
Und flüstert doch, eh' sie für ewig scheiden
Aus Mitleid noch das letzte Wort.

Die arme Erde möchte fröhlich scheinen,
Doch ist's umsonst, daß sie nach Fassung ringt;
Denn ihre Augen, ihre Quellen weinen
Das trübe Lied, das ein Verlaßner singt.
(S. 270-271)
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Aus: Gedichte von Heinrich Ritter von Levitschnigg
Wien Verlag von Pfautsch & Compagnie 1842
 

 


Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_von_Levitschnigg


 

 


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