Der Völker
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(Ausgewählte Gedichte)
 

(c) SarahC. pixelio.de
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André Chenier
(1762-1794)


Camilla

Voll Unruh flieh ich in den dunklen Hain,
Camilla, Liebe liebt allein zu sein.
Was nicht Camilla, ist gleichgültig mir,
Stets in der Einsamkeit bin ich bei dir. -
Was sag ich, ach von ihr, der Spröden, ferne
Täuscht mich der Traum der Hoffnung nur zu gerne,
Er zeigt, wie ich es wünsche, mir ihr Bild,
Nicht stolz, nicht launisch, nein, so sanft, so mild!
Dann hat sie kein erkünstelt Widerstreben,
Dann ist sie meiner Liebe hingegeben,
Zur Sanftmuth wird dann ihre Grausamkeit.
Sie wandelt leichten Schritts an meiner Seit'.
Ich führe sie auf unbelauschtem Wege
In dunkle Grotten, schattige Gehege - -
Doch ist sie da, lieg ich zu ihren Füßen,
Muß Wirklichkeit für süße Täuschung büßen.
Camilla flößt mir ew'ge Sehnsucht ein,
Ihr Bild ist meinem Auge schön allein,
Wo sie erscheint, fehlt Reiz und Anmuth nimmer,
Und Alles strahlt bei ihres Auges Schimmer;
In Dorf und Stadt, im Garten, in der Villa
Ist überall die Königin Camilla,
Und ich stets der, der sich ihr rasch ergiebt,
Den sie verstößt und der sie ewig liebt.

(Übersetzt von Adolph Laun)


 

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Literatur: Das Buch der Liebe
Eine Blütenlese aus der gesammten Liebeslyrik
aller Zeiten und Völker
In deutschen Uebertragungen
Herausgegeben von Heinrich Hart und Julius Hart
Zweite Auflage
Leipzig Verlag von Otto Wigand 1889 (S. 197-198)