Der Völker
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(Ausgewählte Gedichte)
 

(c) Alisha pixelio.de
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Propertius
(48 v. Chr. - 15 v. Chr.)


Erhörung

Nicht so jubelnd begrüßte den griechischen Sieg der Atride,
Als der Laomedon Burg endlich, die mächtige, fiel;

Nicht so jauchzte das Herz des Ulyß am Ziele der Irrfahrt,
Als er Dulichia's Strand, den so ersehnten, betrat;

Nicht Elektra, da bebend die Schwester den Bruder erblickte,
Dessen vermeintes Gebein kaum noch ihr Auge bethaut;

Nicht Ariadne, da heil sie den Theseus wieder gewahrte,
Den ihr Faden gelenkt durch das dädalische Haus -

Als ich selber in Wonne geschwelgt die vorige Nacht durch
Noch eine zweite wie sie - und die Unsterblichkeit winkt!

Früher, so lang' ich das Haupt ließ sinken und zagend einherschlich,
Hieß ich erbärmlicher ihr als ein vertrockneter Teich.

Jetzt jedoch hat sie verlernt, sich spröd und stolz zu geberden
Und für Klagen und Flehn taub und verschlossen zu sein.

Hätt ich doch nicht erst spät die richtigen Mittel erfahren!
Auf den Verschmachtenden erst träufelt der heilende Trank.

Blind war ich! sonst sah ich ja leuchten die rettenden Pfade!
Ach! wen Liebe bethört, dem ist das Auge verhängt!

Jetzt erst weiß ich, was frommt: Stellt kalt euch, die ihr verliebt seid!
Die euch gestern verwies, naht sich dann heute von selbst.

Andre pochten umsonst und riefen den Namen des Mädchens.
Aber auf mich allein senkte sie schmachtend das Haupt.

Dieser Triumph gilt mehr als wenn ich die Parther bezwungen,
Könige, prunkender Zug, Beute - was brauch ich sie noch?

Köstlicher Schmuck soll jetzt, Cithere, die Säule dir kränzen,
Unter den Namen gesetzt prangte der folgende Spruch:

"Diese Trophäe errichtet vor deinem Tempel, o Göttin,
Für die Wonnen der Nacht, die er genossen, Properz."

Jetzt enteile zu dir, o Liebe, mein Schiff aus der Brandung,
Mög' es beschwert nicht mehr scheitern in wogender See.

Wendest du aber den Sinn von mir in frevenldem Treubruch
Vor deine Schwelle sodann bett' ich das sterbende Haupt.

(übersetzt  von Jacob Achilles Mähly 1828-1902)


 

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Eine Blütenlese aus der gesammten Liebeslyrik
aller Zeiten und Völker
In deutschen Uebertragungen
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Leipzig Verlag von Otto Wigand 1889 (S. 62-63)