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       Anselm Feuerbach (1829-1880)
 Paolo und Francesca
 
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        Francesca und Paolo
 
 
        
 Inhaltsverzeichnis:
 
 Dante Alighieri (1256-1321) - Göttliche Komödie Inferno 5. 
        Gesang
 Alberta von Puttkamer (1849-1923) - Francesca und Paolo
 Karl Ludwig Kannegießer (1781-1861) - Francesca da Rimini
 
 
 
 
 Dante Alighieri (1256-1321) - Göttliche Komödie
 
 Inferno 5. Gesang
 
 Drauf sagt' ich zu dem Führer: Gern spräch ich
 Mit jenen Zwei'n, die sich zusammenhalten,
 Und die so leicht bewegt vom Wind' erscheinen. -
 Und er darauf: Beschwörst du, wenn erst näher
 Sie uns gekommen sind, sie bei der Liebe,
 Die sie vereint, so zweifle nicht, sie kommen. -
 Sobald der Wind sie zu uns hergewendet,
 Erhob die Stimm' ich: Schmerzbeladene Seelen,
 Ist's nicht verwehrt, so kommt, mit uns zu reden. -
 Wie Tauben, die, gerufen vom Verlangen
 Zum süßen Nest, mit ausgespannten Schwingen
 Die Luft durchschneiden, so sah ich die beiden,
 Kraft ihres Willens, durch die schlimme Luft
 Sich aus der Schar, wo Dido weilt, uns nahen;
 So wirksam war mein anteilvolles Rufen.
 O wohlgesinntes, liebereiches Wesen,
 Das du, die Nacht der Unterwelt durchwandelnd,
 Uns heimsuchst, die mit Blut die Erde färbten,
 Wär' unser Freund des Weltgebäudes König,
 So wollten wir ihn flehn um deinen Frieden,
 Weil du mit uns'rem Elend Mitleid fühlest.
 Anhören und euch sagen woll'n wir alles,
 Was du zu reden und zu hören wünschest,
 So lang der Wind noch, wie er itzt tut, schweiget.
 Gelegen ist der Ort, wo ich geboren,
 Am Meeresstrand, zu dem der Po hinabsteigt,
 Um mit den Nebenflüssen Ruh' zu finden.
 Die Liebe, leicht entflammend edle Herzen,
 Entflammte diesen für den schönen Körper,
 Der mir geraubt ward, und das wie quält noch mich.
 Die Liebe, die zur Gegenliebe nötigt,
 Ließ mich an ihm solch Wohlgefallen finden,
 Daß, wie du siehst, sie noch nicht von mir abläßt.
 Die Liebe führt' uns zu vereintem Tode;
 Caïna wartet des, der uns gemordet. -
 So lautete, was sie zu uns gesprochen.
 Als die unsel'gen Geister ich vernommen,
 Senkt' ich das Haupt, und hielt es so geneiget
 Bis mir der Meister sagte: Nun, was sinnst du? -
 Darauf erwidernd, hub ich an: O Himmel,
 Wie mancher stille Liebeswunsch, wie manches
 Verlangen führte sie zum Schritt voll Schmerzes! -
 Dann wendet' ich mich ihnen zu und sagte:
 Francesca, deiner Qualen Anblick macht
 Vor Trauer mich und vor Mitleiden weinen.
 Doch sage mir, zur Zeit der süßen Seufzer,
 An was und wie gestattete dir Amor,
 Das schüchterne Verlangen zu erkennen? -
 Drauf sagte sie zu mir: Kein Schmerz ist größer,
 Als sich der Zeit des Glückes zu erinnern,
 Wenn man in Elend ist; das weiß dein Lehrer.
 Heg'st du jedoch, die Wurzel uns'rer Liebe
 Zu erkennen, solch entschiedenes Verlangen,
 So werd' ich tun, wie wer im Reden weinet:
 Wir lasen eines Tages zum Vergnügen
 Von Lanzelot, wie Liebe ihn umstrickte,
 Allein und unbeargwohnt waren wir.
 Oft hieß des Buches Inhalt uns einander
 Scheu ansehn und verfärbte unsre Wangen;
 Doch nur ein Punkt war's, welcher uns bewältigt.
 Denn als wir, wie das langersehnte Lächeln
 Von solchem Liebenden geküßt ward, lasen,
 Da küßte, dem vereint ich ewig bleibe,
 Am ganzen Leibe zitternd, mir den Mund.
 Zum Kuppler ward das Buch und der's geschrieben.
 An jenem Tage lasen wir nicht weiter. -
 Und während so der eine Schatten sprach,
 Vergoß der andre solchen Strom von Tränen,
 Daß ich ohnmächtig ward, wie wen ich stürbe,
 Und nieder fiel ich, wie ein toter Körper.
 
 Aus: Dante 
        Alighieri: Die Göttliche Komödie. Übers. v. Karl Witte, Berlin: 
        Askanischer Verlag, [1916] (S. 28-30)
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 Alberta von Puttkamer (1849-1923)
 
 Francesca und Paolo
 
 Von leise welkendem Geäst verhangen
 Ist nun der Pfad auf meiner wilden Heide;
 Die dürren Zweige rascheln auf wie Schlangen
 Und ringeln sich an meinem wall'nden Kleide.
 
 Und drüben schlummern alle reichen Gärten,
 Verdämmert liegt der Weg durch Land und Wiese,
 Gleichwie: im Nebel tiefverlorne Fährten
 Zum Glück, zu sommerlangem Paradiese ...
 
 Und aus den Sternen fallen zarte Flammen
 Und lodern in das Nichts hin, wie das Leben;
 Denn Gluten, die aus jenen Höhen stammen,
 Sie sterben, wenn sie tief zur Erde schweben.
 
 Der Wind stöhnt auf; - wie fliehende Gestalten
 Eilt es aus Wolken und aus Nebelschleier,
 Wie lichte Arme, die sich strebend halten,
 Und sich verketten - näher, süßer, freier ...
 
 Wer sind dort drüben jene stillen Beiden?
 Sie gleiten wie in goldnem Rauch von Lichte,
 Unmeßbar klagt aus ihrem Blick das Leiden;
 Süßschuldige, geht ihr zum Gottgerichte?
 
 Da überkommt es mich wie banges Wissen
 Von zweier Edelkinder Glutgeschicke:
 Einst in Florenz, in Frühlingsdämmernissen
 War's, als ihr tödlich wurden seine Blicke.
 
 Als sie "nicht weiter lasen an dem Tage",
 Weil sie sich eine Welt zu sagen hatten!
 Ein flammend Anschau'n, eine wilde Frage,
 Und - die sich fremd sein sollten, waren Gatten.
 
 Der Malatesta hält sie fest, die Blasse, -
 Sie hängt so lebensbang an seinem Herzen - - -
 Sie ziehn durch Sterne ihre stille Gasse
 Bis weit dahin zu jener "Stadt der Schmerzen",
 
 Von deren Qual der wunderbare Dante
 Mit strengem Griffel Kunde uns geschrieben.
 Entwandeln sie nach dort? zwei Weltverbannte,
 Weil heiß zur Hölle brannte all ihr Lieben? ...
 
 Ein Stern glüht plötzlich hell aus einer Wolke -
 Da schau ich, wie sie sich im Fluge wenden!
 Nein, ewig nein! nicht beim "verlornen Volke"
 Kann diese todessel'ge Einheit enden!
 
 Es liegt ein Zug von Edenseligkeiten
 So heimlich lieb auf ihren toten Wangen,
 Als sei Unsterbliches aus Jugendzeiten
 Mit ihnen in die Ewigkeit gegangen ...
 
 - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
 Wie Sehnsucht ruft es durch die Heidegründe,
 Und alles Land ist nebelblaß geworden,
 Indes das Wandelbild der süßen Sünde
 Im Wind entflieht, der streng aufsteht im Norden.
 
 Dort liegt mein Schloß, ob dem die Wolken jagen,
 Paolo und Francesca sind nur Schatten,
 Sie starben längst vor vielen tausend Tagen -
 Der Herbst von heut liegt schwer auf allen Matten,
 
 Ich weiß es, und ich weiß, daß Nebelbilder
 Nur trugen jenes toten Glückes Züge -
 Und doch geht meines Blutes Welle wilder,
 Und Andres schaute ich als luft'ge Lüge.
 
 Vielleicht sind tiefbegrabene Gedanken,
 Geheimes Sehnen, das ich nie bekannte,
 Und heiße Wünsche, die mir früh versanken,
 Gestalt geworden in dem Paar des Dante?
 
 Denn plötzlich war's, als sei ich das gewesen
 Und du, der nie an meinem Mund gehangen,
 In dessen Blick ich rasche Glut gelesen,
 Und dem ich doch vorbei, vorbei gegangen ...
 
 Du, den ich hätte fraglos lieben können,
 Voll Jauchzen bis zu trunkensüßen Sünden.
 Was fühl' ich heute deine Augen brennen
 Anklagevoll, und Sehnsucht in mir zünden?
 
 Nach jener einz'gen Leidenschaft der Träume,
 Die unberührt durch Höllenwehe schreitet,
 Und wünschelos durch aller Himmel Räume,
 Weil sie sich selber Paradies ist, gleitet?
 
 Aus: Offenbarungen. 
        Dichtungen von Alberta von Puttkamer
 Stuttgart 1894 (S. 34-36)
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 Karl Ludwig Kannegießer (1781-1861)
 
 Francesca da Rimini
 
 Entsetzlich ward, Francesca, dir gelogen,
 Als man dem schönen Polo dich vertraute,
 Zu dem, sowie ihn nur dein Blick erschaute,
 Dein Herz sich fühlt' auf ewig hingezogen.
 
 Zum zweitenmale wurdest du betrogen,
 Du, die zu sehr auf ihre Tugend baute,
 Als ihr zusammenlas't mit süßem Laute:
 Ihr sanket unter in der Liebe Wogen.
 
 Du sahst sie in der Hölle, strenger Dichter!
 Und doch, sie fühlten noch wohl keine Reue,
 Sie liebten eins das andre stets aufs neue.
 
 Wer mag dich tadeln dann, du Sittenrichter?
 Denn, welcher Zwang dem Herzen auch geschehe,
 Heilig gehalten soll die Ehe.
 
 Aus: 
        Frauenlob Sonette von
 Karl Ludwig Kannegießer
 Berlin 1853
 Verlag von Constantin Breuer Unter den Linden 13 (S. 64)
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