Liebespaare in der Literatur
 


William Etty (1787-1848)
Hero und Leander



 

 


Hero und Leander
 


Inhaltsverzeichnis:

Johann Karl August Musäus (1735-1787) - Hero und Leander
Aus Ovids Heroiden - Leander an Hero / Hero an Leander
Hans Sachs (1494-1576) -  Die unglückhafft lieb Leandri mit fraw Ehron
Daniel Schiebeler (1741-1771) - Leander und Hero
Friedrich Schiller (1759-1805) - Hero und Leander
Friedrich Hölderlin (1770-1843) - Hero
Ludwig Christoph Heinrich Hölty (1748-1776) - Leander und Hero
Johann Baptist von Alxinger (1755-1797) - Hero und Leander
Karl Ludwig Kannegießer (1781-1861) - Hero






Johann Karl August Musäus (1735-1787)

Hero und Leander
Epischer Gesang

Sing', o Göttinn! die Leuchte, die Zeuginn heimlicher Liebe,
Und den nächtlichen Schwimmer nach Hymens Erfreuungen jenseits,
Und die dunkle Umarmung, nimmer erblickt von der Eos,
Sestos sing' und Abydos, und Hero's nächtliche Hochzeit!
Schwimmen hör' ich Leander, und lodern seh' ich die Leuchte,
Hoch auflodern, Sie, Aphroditens verkündende Botinn,
Hero's nächtlicher Hochzeit mit Kränzen geschmückte Heroldinn,
Amors stralende Zierde, werth dass der himmlische Herrscher
Sie aus den Mitternachtskämpfen führt in die Reihen der Sternschaar,
Und den Stern der Liebe sie nannte, die Zierde der Bräute;
Denn sie war der Liebe weinenden Schmerzen Genosssinn,
Engel entzückender Freuden, an Hymens Lager ein Wächter,
Eh' noch feindlicher Hauch aufwühlte die schlingende Windsbraut:
Auf dann! hilf mir es singen der beiden ähnliches Schicksal,
Die erlösende Leucht' und Leanders welkende Blüten!
Unfern Abydos entragte Sestos smaragdner Meersfluth,
Beide Städte sind Nachbarn. Den Bogen spannet hier Amor,
Zielt und drücket auf beide denselben zündenden Pfeil ab,
Und entflammte den Jüngling; mit ihm die Jungfrau. Sie hiessen
Er, Leander der Liebenswerthe, und Hero die Jungfrau.
Diese, die Blume von Sestos, und jener, der Stolz von Abydos,
Beide genannter Städte bei weitem stralendste Sterne,
Gleich einander an Schöne. Du aber, sollte das Schicksal
Dorthin je dich verschlagen, forsch' wo der luftige Thurm sich
Hoch in die Wolken erhebt, wo einstens Sestias Hero
Stand, in den Händen die Leuchte, Signal Leanders und Leitstern.
Such' das Meer-umbraus'te Gestade des alten Abydos,
Das noch seufzt um das grause Geschick und die Liebe Leanders.
Aber wie kam Leander, bewohnend die Fluren Abydos
Jenseits zur Hero, und strickte diese mit Fesseln Kupido's?
Reitzend war Hero, und schön, entsprossen aus edelem Blute
Kypris Priesterinn, Hymens süsser Genüsse unkundig
Hart am Gestade des Meeres, bewohnend die Veste der Ahnherrn,
Kypris andere Königinn. Tugend flammend und Unschuld,
Mischte sie in die frohlockenden Schaaren der Weiber sich niemals,
Tanzte nie den geschlungenen Reigen der Jugendgenossen,
Mied der eifersüchtigen Schönen buhlenden Umgang;
(Denn es buhlen die Mädchen um Mirthenkränze und Lorbeern)
Geizte weder nach Gunst noch Spende der holden Kythere
Und versöhnete oft in goldenen Schalen den Amor,
Fürchtend neben der Mutter den Träger des glänzenden Köchers:
Doch entzog sie sich fruchtlos dessen flammenden Pfeilen.
Jezt erschien in der Jahrszeit das grosse Kyprische Volksfest,
Welches Sestos feiert zur Ehre Adonis und Kypris.
Allenthalben wogt näher zur Feier des Tages ein Volksstrom
Aus dem innersten Schooss' der meerumspületen Inseln,
Aus Hämoniens Flur, dem wogenumdonnerten Kypros.
Keine Schöne verweilt in den lieblichen Städten Kytherens,
Keine Tänzerinn mehr auf Libanons duftender Berghöh'.
Keiner der nahen Bewohner vergass des festlichen Auftritts,
Von den Phrygiern keiner, und keiner des nahen Abydos,
Deren Wangen noch hoch von Mädchenliebe erglühten;
Folgen doch Jünglinge stäts dem Rufe des fröhlichen Festtags,
Minder eilen sie gern zur Opferflamme der Gottheit,
Als zu den scherzenden Reihen der rosenwangigen Mägdlein.
Herrlich vor allen zum Tempel der Göttinn flog Hero die Jungfrau,
Zauberschimmer entblüht dem himmelglänzenden Antlitz,
Gleich dem prächtigen Steigen des silberrollenden Vollmonds;
Doch durchschimmert noch Röthe der Wangen blendende Lilie,
So wie doppeltgefärbt die Ros' sich entwindet der Knospe,
Hero's Gliedern entsprühen, so schwörtest du, Rosengedüfte,
Sonnenuntergangsstralen. Und wann es einherging, das Mägdlein,
Glänzten Füsse des Mai's aus dem Kleide des blendenden Winters,
Grazien gaukelten um die hehre Gestalt. - O! die Alten
Logen, es seien der Grazien drei; - denn siehe, aus Hero's
Einem lächelnden Blick' entblühten der Grazien hundert.
Solche Priesterinn fandest du nie, o göttliche Kypris! -
Also glänzt unter vielen Schönen, die einzige Schönste,
Kypris Priesterinn stralt als eine andere Kypris,
Fesselt allgeliebt der Jünglinge zärtliche Herzen!
Keinen gab es, der nicht zum Weibe wünschte sich Hero.
Wann sie durch den Mahony-getäfelten Tempel einherschritt,
Folgten ihr Blicke und Herzen, der Männer heisseste Sehnsucht.
Einer der Jünglinge sprach von Entzückung, die Worte bezaubert:
"Sparta hab' ich gesehen, die hehre Stadt Lakedämons,
Wo den Heerruf man hört, und der Schönheit entzückenden Wettstreit;
Aber nirgends erblickt' ich solchen gewinnenden Liebreitz.
Wahrlich! der jüngern Grazien Eine pfleget hier Kypris.
Müde vom Anblick, werd' ich doch nimmer satt des Beschauens,
Sterben möcht' ich sogleich in Hero's süsser Umarmung! -
Zeus im Olympos zu herrschen, ach! wie mit Freuden verschmäht' ichs,
Wann mir die Parzen auf Erden zum Weibe beschieden nur Hero.
Aber darf ich dann nimmer deine Priest'rinn berühren,
Kypris, o schenke mir einst doch eine so Holde zur Gattinn!"
Also der Jüngling. Andere bargen in seufzender Brust tief
Ihre Wunden, und waren entzückt ob der Schöne des Mägdleins.
Leidenbewährter Leander! du sahst die bescheidene Moosros',
Wolltest mit heimlichen Flammen nicht verzehren die Brust dir,
Sondern plötzlich durchdrungen vom feuersprühenden Liebspfeil'
Wolltest du leben, nicht ohne die herzgewinnende Hero.
In dem stralenden Blicke erglühet die Flamme der Liebe,
Und der Sturm des siegenden Feuers foltert die Mannsbrust;
Denn des unbescholtenen Weibes bezaubernder Liebreitz
Wühlt im Herzen der Männer mehr als geflügelte Pfeile;
Blicke eröffnen den Weg, und von den stralenden Blicken
Bohrt die Wunde sich tiefer hinein in die glühende Mannsbrust.
Staunen erfasst ihn, und Furcht, und Schaam, und ermannender Wagsinn.
Zitternd wogte sein Herz, und rieth beschämt ihm die Flucht an.
Stumm und still war alles bey Hero's holdem Einherschritt,
Aber Eros verdrängte die Schaam, und ermannte den Jüngling.
Leise tritt er hinzu, und stellt sich hin vor das Mägdlein,
Schaut verstohlen umher, und wirft verführende Blicke,
Fesselt mit Worten des Auges, das Herz der trefflichen Jungfrau.
Aber diese, erspähend Leanders heimliche Sehnsucht,
Freut sich ihrer Reitze; doch senkt sie das schimmernde Antlitz
Hocherröthend mit sanftem Schweigen nieder zur Erde,
Und verspricht in verstohlenen Blicken Leanders Erhörung.
Ihr entgegen winkt, und hoch erjubelt der Jüngling,
Dass mit heimlicher Freude das Mädchen vernehme die Inbrunst.
Als nun erharrte die Liebe verschwiegene Stunde Leander,
Senkte stralenden Glanzes sich Eos am Busen der Thetis,
Hesperos Stern entschimmert' dem düsterschattigen Schleier,
Sieh' da naht er sich muthvoll dem göttlichen Mädchen mit Mannskraft.
Als das braune Gewand der Nacht die Erde umhüllte,
Drückt er unbemerkt dem Mädchen die rosigen Finger,
Seufzend unaussprechlich tief. Doch schweigend entwand sie
Gleich als zürnte sie hoch, die rosenschimmernde Hand ihm.
Als vernommen er jetzt den Sinn der Liebebesiegten,
Griff mit der Hand er kühn das künstlich gestickte Gewand an,
Führend sie in die verborgensten Winkel des heiligen Tempels.
Wankend, zögernden Schrittes, folgt ihm Hero, die Jungfrau,
Gleich als wollte sie nicht, entfuhren ihr drohende Worte:
"Fremdling! was macht dich verwegen? Thor! was berührst du mich Jungfrau?
Weg von hier, und lass fahren der Priesterinn heilige Schleifen,
Fürchte vor meiner vielbegüterten Aeltern Entrüstung!
Dir geziemts nicht zu fassen die Priest'rinn der Kyprischen Göttinn,
Thörichtes Wagestück ists, zu besiegen die Reitze der Jungfrau."
Also drohete sie, wie Jungfern geziemet die Drohung.
Kaum empfand den Stachel der weiblichen Warnung Leander,
Und er erkannte in ihm sogleich der Liebe Trophäen.
Drohen nämlich die Schönen ihren Herzens-Erkohrnen,
Dann sind Drohungen selbst Zeugen der Kyprischen Inbrunst.
Küsse schattirten den duftenden Rosennacken der Jungfrau,
Und getroffen vom Pfeile erhub er die rührenden Worte:
"Holdeste Kypris nächst Kypris, Athäne nächst Athenäa!
Ich vergleiche dich nicht den schönen Huldinnen Tellus,
Sondern den Töchtern Dios, des göttlichen Sohnes Kronions.
Selig, wer dich gezeuget, und die Gebährerinn selig,
Deren tragendem Schoosse du dich entwandst! Ach, erhör' doch
Heisses Flehn, und erbarm' dich unbezwinglichen Liebsdrangs!
Bist du Priesterinn Kypris, verricht' dann auch Dienste Kytherens!
Komm, anfing're der Göttin mystisch fesselnden Traurig,
An Aphroditens Altare zu dienen, geziemt nicht den Jungfern;
Denn Kythere ist abhold den Unvermählten. Doch willst du
Tragen die liebliche Fesseln, und wissen der Göttinn Geheimniss?
Eh'stand ist es und Brautbett. Du also, liebst du Kytheren,
O dann trage den Honig der schmelzenden Liebe zur Zell' dir!
Nimm als Verehrer mich an, noch lieber als Gatten, erlaub' es!
Den, von erotischen Pfeilen getroffen, Amor dir zuführt.
Also führt' zu Jardaniens Nymphe den frev'len Herakles
Einst der geflügelte Hermäs, schwingend den mächtigen Goldstab.
Kypris sandte mich dir, und nicht der listige Hermäs.
Kennst Atalantes Schicksal du nicht, der Arkadischen Jungfrau?
Ihre Keuschheit bekümmert, entwand sie Milanions Arm' sich;
Drob erzürnt' Aphrodite, und setzt, dem sie sträubend entsprungen,
Mitten ihr ins blutende Herz. Drum folge, Geliebte,
Ach! und schüre nicht auf den Zorn der Göttinn von Kypros!"
Sprachs und bewegte das Herz im Busen des sträubenden Mägdleins,
Beugend jungfräulichen Trotz mit liebehauchender Rede.
Sprachlos senkte die Reine abwärts zum Boden ihr Antlitz,
Schaamerglühend verbarg sie der Wangen rosigen Anflug,
Rührte, schwebenden Trittes, kaum den getäfelten Boden,
Und zog voller Verwirrung fester die Shawl um die Schultern.
Alles glückliche Zeichen. Denn das sprachlose Schaamroth
Liebeglühender Mädchen verkündigt die Nähe des Brautbetts.
Jetzt empfand sie im Innern Kupidens süssschmerzenden Pfeilschuss,
Feuer zuckte im wogenden Busen Heros, der Jungfrau,
Trunken der Schlankheit und Schöne des liebenswürdigen Jünglings.
Als zur Erde gesenkt sie nun das strahlende Antlitz,
Hing Leander unverwandt, und mit sprühenden Blicken
An dem zarten Flaume des sanftgebogenen Nackens.
Endlich ertönte Leandern der Stimme schmelzender Wohllaut,
Während die thauende Röthe der Schaam die Wangen herabrann:
Rühren könntest du, Fremdling, durch deine Reden den Marmor,
Sag', wer lehrte dich locken durch reizende Wortlabyrinthe?
Weh' mir! Wer lenkte in diese heimische Gauen den Schritt dir?
Doch umsonst hast du aufgeboten die Kunst. Denn, ein Fremdling,
Unstät und ruhlos, wie könntest je du meiner begehren?
Oeffentlich führet uns nimmer Hymen ins rechtliche Brautbett,
Meiner Erzeuger Stolz zernichtet uns're Verbindung.
Wolltest auch bleiben, ein irrender Pilger, auf heimischer Flur du,
Wie vermöcht'st du zu bergen die innere Glut Aphroditens?
Ueble Gerüchte sind willkomm der Zunge geschwätziger Menschheit,
Was die Mitternacht deckt', erzählt das Volk sich am Kreuzweg'.
Doch wohlan, entdecke mir deinen Namen und Heimath!
Denn die Meinigen weisst du; ich trage den fürstlichen: Hero,
Und bewohn' einen schwindelnden wogenumdonnerten Schlossthurm.
Hier verseufz' ich mein Leben mit einer einzigen Sklavinn,
Ausser Sestias Städtchen, hart am tiefwelligen Meerstrand',
Nach der Eltern verhasstem Beschlusse, die See nur zum Nachbar.
Nah' sind mir weder Gespielen, noch der Jünglinge Reigen,
Immer vom dämmernden Morgen bis in die Schauer der Nacht hin
Schrecket mein Ohr nur die Brandung der sturmgegeisselten Meerfluth.
Sprachs, doch die Rosen der Wangen, die hinter dem Lilienschleier
Schaamvoll erglühten, klagten ob ihrer Rede sie selbst an.
Aber Leander, verwundet vom scharfen Pfeile der Sehnsucht,
Sann nur zu siegen in Eros frischbegonnenem Wettstreit.
Denn der verschlagene Amor schnellt zwar den Pfeil in die Mannsbrust,
Aber er heilet auch wieder die triefende Wunde, und spendet
Rath den Sterblichen, die er beherrscht mit gewaltigem Scepter.
Auch dem verliebten Leander half er in drängender Herznoth;
Tiefaufseufzend sprach er die kunstgeründeten Worte:
"Jungfrau! aus Liebe zu dir durchschwimm' ich die rasende Meersfluth,
Glühte sie gleich von Feuer, und wär' ihre Tiefe unschiffbar.
Dich zu umarmen, fürcht' ich nicht die schmetternde Brandung
Nicht den brüllenden Schlund der hoch aufbrausenden Sprudel,
Wann nur dunkelt die Nacht, so wag' ichs, ein triefender Bräut'gam,
Zu durchschwimmen mit Muth des Hellesponts reissenden Stromgang;
Denn nicht fern, gegenüber bewohn' ich das Städtchen Abydos.
Zeig' mir nur aus der Ferne vom wolkenerhabenen Schlossthurm'
Eine einzige Leuchte durch die Schatten der Graunnacht!
Dann bin ich Eros Nachen, und deine Leuchte ist Leitstern;
Starrend darauf gewahr' ich nicht das Sinken Bootäs,
Noch das Sprühen Orions, noch die Streifen Amaxäs.
Glücklich lande ich dann im Port jenseitiger Heimath;
Aber wehre, Geliebte, dem heftig schnaubenden Sturmwind',
Dass nicht erlösche die Leuchte, meiner Wogenfahrt Leitstern,
Und nicht erstarren mit ihr, plötzlich die Kräfte des Schwimmers!
Willst du endlich ihn wissen, den wahren Namen, den ich trag'?
Hör'! ich heisse Leander, ein Buhle der kranzreichen Hero."
Also verlobten sie sich zum Genusse verstohlner Umarmung,
Schwuren sich nächtliche Freuden, und wohl zu verwahren die Thurmleucht',
Die verkündende Botinn der wartenden Letzungen Hymens,
Jene: zu halten das Licht, und dieser: das Meer zu durchrudern.
Schwärmend allnächtlich erlabten sie so sich an Hymens Genussreitz,
Und nur trennte sie wieder die Liebe verscheuchende Eos.
Dann schritt jene zum Thurm', und dieser, im tappenden Dunkel
Nicht zu verirren, sich richtend nach den Signalen des Schlossthurms,
Schwamm' zu den volkreichen Strassen des tief unterspülten Abydos.
Nach dem nächtlichen Kampfe verstoh'ner Ergüsse sich sehnend,
Wünschten sie oft um ihr Brautbett der Finsterniss Rabengefittig.
Endlich stieg sie herauf die Nacht im düsteren Schleier,
Schlafsucht bringend den Männern, nur nicht dem verliebten Leander.
Sinnend harrt' er am Strande der hochaufbrausenden Brandung,
Auf die Verkünderinn der liebestillenden Letzung,
Die so heiss erfleh'te und durch so trügliche Leuchte,
Diese fernher schimmernde Botinn geheimer Umarmung.
Kaum gewahrte die Schatten der Lichtverscheucherinn Hero,
Als sie aushieng die Leucht' am grauen Gemäuer des Schlossthurms.
Mit dem Lodern derselben entbrannt' auch Leander vor Sehnsucht,
Eros zündete mit der Leuchte zugleich auch sein Herz an.
Doch, als unter ihm keuchte das Ufer vom schäumenden Andrang',
Bebte er anfangs zurück, allein es siegte die Mannheit,
Und ergoss sich muthvoll in folgende tröstliche Worte:
"Grausam ist Eros, und unversöhnlich der Pontus; doch tobt nur
Wasser im Meere, mich sengen Amors innere Gluthen.
Schüre dies Feuer, mein Herz, und bang' ob der strudelnden Flut nicht!
Folg' zur Geliebten mir nach! Wozu vor den Wogen Besorgniss?
Ist dir entfallen, dass Kypris selbst, entsprossen dem Meerschaum,
Ueber den Pontus gebeut, und unsere brennende Inbrunst?"
Also sprechend entriss mit beyden Händen das Kleid er
Seinen reitzenden Gliedern, und knüpft' es sich hin auf den Scheitel,
Sprang vom Ufer herab, und stürzt' in die Wellen des Meers sich,
Feurig schwimmend entgegen der fernherschimmernden Thurmleucht',
Selbst sich Rud'rer zugleich, und Schiff, und Lenker des Fahrzeugs.
Auf dem schwindelnden Thurm' stand treu mit der Leuchte die Jungfrau,
Wehrend mit ausgespanntem Gewand dem stürmischen Windstoss',
Dass er nicht ausweh' die Leucht', bis endlich glücklich Leander
Sich in die Bucht von Sestos nach tausend Beschwerden hereinrang;
Und sie führt' ihn herauf zu ihrem Thurm', und umhals'te
Vor eröffneter Thür' schweigend den schnaubenden Bräut'gam,
Triefend über und über vom Bade der schäumenden Meersfluth;
Wusch und salbt' ihm die Haut mit köstlich riechendem Balsam
Um zu verwischen mit Narde des Helesponts widrigen Seedunst,
Und geleitet ihn dann ins Inn're des magdlichen Brautbetts.
Auf dem rosigen Lager umarmt sie den keuchenden Liebling,
Und ihren Lippen entthauten folgende stärkenden Worte:
"Sehr viel hast du gelitten, wohl mehr, als einer, mein Bräut'gam!
Sehr viel hast du gelitten, getrunken des Ozeans Galltranks,
Eingesogen genug in geissenden Fluthen des Fischdunsts;
Aber komm' und vergiss in meinem Schoos deinen Kampfschweiss."
Also das Mädchen; und hurtig lösst' ihr Leander den Gürtel,
Lüstern sie kirrend zum Tragen der holden Bürde Kytherens.
Sonder Tanz war die Hochzeit, und sonder Hymen das Brautbett,
Und es brachte kein Sänger zur zygischen Juno den Glückwunsch.
Keine Hochzeitsfackeln umstrahlten das bräutliche Lager,
Keiner hüpfte dahin im Tanze fliegender Chöre,
Und weder Vater noch Mutter sang eine Fest-Hymenäe.
Unbeleiert entschwand die Stunde hehrer Vermählung,
Stille herrschte umher, und Dunkel deckte das Brautbett;
So vollzogen sie sonder Hymanäen die Hochzeit.
Mitternacht führte den Brautzug, denn nimmer erblickte die Eos
Auf dem kundigen Lager den herzerkohrnen Leander,
Weil in der Frühe, noch lechzend nach unersättigter Wollust,
Er zum jenseits geleg'nen Abydos wieder zurückschwamm.
Aber Hero verstand zu täuschen die Eltern im Schleppkleid'
Galt am Tage für Jungfrau, und letzte Nachts sich als Gatinn,
Beide nur wünschend, dass bald in Westen die Sonne herabsänk'.
So verbargen sie künstlich ihre heimliche Liebschaft,
Schwelgend zusammen in schlau verstohl'nen Genüssen Kytherens.
Aber ein Weilchen nur lachte der Himmel ihrer Umarmung,
Und es welkten sich fälbend Hymens trüg'rische Myrthen.
Denn es ergriff der Reif-erzeugende Winter den Scepter,
Und gebot den Stürmen zu heulen in schrecklicher Heersmacht.
Schnaubend peitschten Orkane die alles verschlingenden Strudel,
Und zerwühlten wüthend des Meeres grässlichen Abgrund,
Geisselnd höher und höher des Hellesponts schäumenden Stromgang.
Hart am gellenden Ufer zerschellte der schlammichte Schiffskiel,
Und nur entkam den trüg'rischen Fluthen der kundige Seemann.
Doch es vermochte das Schrecken der wogenheulenden Windsbraut
Abzuhalten nicht dich, du heldenmüthiger Jüngling!
Denn dich stählte mit Muth das Signal des schimmernden Schlossthurms,
In die tückischen Fluthen frisch zu stürzen aufs Neu' dich.
Hättest unglückliche Hero du diesen Winter entsagt doch,
Ach! eine flüchtige Frist nur, Deines Leanders Umarmung,
Hättest entzündet sie nicht die wollustwinkende Leuchte!
Aber Amor und Schicksal gebot. Gefallend den Parzen,
Steckte des Todes Fackel sie auf, und nicht mehr der Liebe.
Sieh'! auf dunkelem Fittig' senkte nieder die Nacht sich,
Heftig peitschten die heulenden Stürme, einander durchkreuzend,
Das sich thürmende Meer, und schlugen das Ufer mit Ingrimm.
Dennoch wagte Leander, gefoltert von brennender Sehnsucht,
Auf den brüllenden Rücken der löwengrimmigen Fluth sich.
Plötzlich stiessen Wellen auf Wellen, empörten den Pontus,
Und es schien sich das Meer mit dem Aether zu paaren.
Rund umher erscholl das Getose schnaubender Windsbraut,
Eurus stürmt entgegen dem Zephir, und Notus mit Ingrimm
Stürzt auf Boreas los; erschrecklich zürnte Poseidon.
Unversöhnlich schnaubten die Strudeln, doch kämpfte Leander
Treulich fort, und erflehte der Meerentsprossenen Gottheit
Schutz, und bald des allmächtigen Meerbezwingers Poseidons.
Auch erinnert' er Boreas an die attische Nymphe,
Aber keiner erhört' ihn; denn Eros erlieget dem Schicksal.
Hier und dorther geworfen vom wogenthürmenden Andrang
Ward immer schwächer und schwächer der erlahmende Fussfloss',
So wie nicht minder auch der kämpfenden Hände Vermögen.
Häufig strömte das Wasser, und ungehindert verlief es
Ihm in die Kehl' sich, er schlürfte herab den verderblichen Salztrank,
Und es erlöschte des Sturms feindliches Blasen zuletzt noch
Mit der treulosen Leucht' auch die Lieb' und das Leben Leanders.
Weilend und sinnend stand Hero mit sorgsamspähenden Blicken,
Tief im wallenden Busen von tausend Aengsten gefoltert.
Eos dämmerte aufwärts, und noch sah' sie nicht ihren Liebling.
Ueberall schweifte ihr Blick umher auf dem Rücken des Weltmeers,
Ob sie erspäh'te Leandern, durch Sturm und erloschene Schlossleucht'
Irrgeführt und verschlagen. - Auf einmal am Fusse des Thurms sah'
Todt sie und klippenzerfleischt da liegen den zärtlichen Jüngling,
Riss herunter vom Busen das kunstgestickte Gewand sich,
Wüthend stürzend hinab in die Fluth vom erhabenen Schlossthurm'.
. . . Also starb an der Seite des Wellenverschlungenen Hero,
Bis zur letzten Stunde des Todes einander noch treu sich.

Aus: Musäos Hero und Leander
Metrisch übersetzt von
Heinrich Simon van Alpen [1761-1830]]
In der neuen Verlagsbuchhandlung
und Buchdruckerey in Cöln 1808
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Aus Ovids Heroiden

18. Brief: Leander an Hero

Seinen Gruß, den, legte das Meer sich, lieber er brächte,
Schickt der Abydier hier, Mädchen von Sestos, dir zu.
Wenn mir die Götter geneigt und hülfreich sind in der Liebe
Wird, ob ungern auch, lesen dein Auge die Schrift.
Doch das sind sie mir nicht. Warum sonst hemmten sie meine
Wünsche und ließen mich nicht gehn den gewöhnlichen Weg?
Schwärzer als Pech siehst selbst du den Himmel, von Winden die Meersfluth
Wogend; es wagten darauf bauchige Schiffe sich kaum.
Nur ein einziger Mann, der kühne, von welchem mein Brief hier
Eingehändigt dir wird, wagt aus dem Hafen die Fahrt.
Einzusteigen mich schickte ich an; doch stand auf der Lauer
Ganz Abydus, indem lösen er wollte das Tau.
Unbemerkt nicht konnte, wie sonst, von den Ältern ich bleiben;
Unser verheimlichter Bund hätte sich offen gezeigt.
Alsbald schrieb ich noch dies und sprach: Geh, glückliches Blättchen,
Bald wird Hero nach dir strecken die reizende Hand.
Möglich auch, daß an den Mund sie dich führt und berührt mit den Lippen,
Während mit schneeigem Zahn reißen die Bande sie will.
Als ich Worte der Art mit leisem Geflüster gesprochen,
Fuhr mit dem Übrigen fort auf dem Papiere die Hand.
Ach, wie wünschte ich lieber, als daß sie schriebe, sie schwämme,
Trüge, wie sonst sie gewohnt, ämsig mich über die Fluth.
Aber ist passender sie die ruhige Fläche zu schlagen,
Ist sie doch meines Gefühls passende Dienerin auch.
Sieben Nächte schon ist's, ein Raum, mir länger als Jahre,
Daß in heißerer Fluth kocht die geschwollene See.
Wenn ich in diesen Nächten den herzerquickenden Schlummer
Habe gesehn, soll lang dauern die Wuth noch des Meers.
Sitzend auf einem Felsen, betrübt nach deinem Gestade
Schau' ich, wohin ich nicht selbst kann, mich begebend im Geist.
Ja, die Leuchte sogar, die wacht auf der Spitze des Thurmes,
Sieht entweder mein Blick, oder er meint sie zu sehn.
Dreimal habe das Kleid auf dem trockenen Sand ich geworfen,
Dreimal hab' ich versucht nackt den gefährlichen Weg.
Aber es trotzte das schäumende Meer dem Beginnen des Jünglings,
Deckte, entgegen die Fluth drängend, des Schwimmers Gesicht.
Doch, o unbarmherzigster du von den reißenden Winden,
Was doch führst du mit mir Krieg so entschlossenen Sinns?
Mich trifft, Boreas, weißt du es nicht, dein Rasen, das Meer nicht.
Was erst würdest du thun, kenntest die Liebe du nicht?
Bist du auch noch so kalt, nicht kannst du, Verwünschter, doch leugnen,
Daß du in Liebe geglüht für die Actäerin einst.
Wenn bei dem Raub der Geliebten man dir verschließen den Luftweg
Hätte gewollt, wie wohl hätte gefallen es dir?
Halte doch ein, gieb günstige Luft mit milderem Wehen.
So mag Hippotes' Sproß Hartes gebieten dir nie!
Aber ich flehe umsonst; dem Flehn murrt selbst er entgegen;
Nirgends hält er die Fluth, die er erschüttert, im Zaum.
Wenn doch Dädalus jetzt die verwegenen Flügel mir gäbe,
Ob nicht fern auch von hier ist der Icarische Strand.
Alles ertrüge ich gern, wenn nur in die Lüfte ich schwingen
Könnte den Leib, der oft schwebt' in der schwankenden Fluth.
Aber indessen mir Alles das Meer und die Winde versagen,
Denk' ich der Anfangszeit meines verstohlenen Glücks.
Eben begann die Nacht - süß ist der Erinnerung Wonne -,
Als ich das Vaterhaus glühend vor Liebe verließ.
Ohne Verzug ablegt' ich die Furcht zugleich mit der Kleidung;
Und die elastische Fluth schlug ich, die Arme gestreckt.
Luna gewährt' ihr zitterndes Licht fast immer dem Schwimmer,
Als Begleiterin mir freundlich zu fördern den Weg.
Sei mir, begann ich, zu ihr aufblickend, du glänzende Göttin,
Hold; an die Felsen zurück denke des Latmus dein Geist.
Nicht läßt dich Endymion sein unbeugsamen Herzens:
Wende dein Angesicht heimlicher Liebe doch zu.
Du, die Göttin, entfliegst des Sterblichen wegen dem Himmel;
Die mich fesselt, ist selbst Göttin, verzeihe dem Wort.
Nicht zu gedenken der Sitten, die würdig der himmlischen Brust sind;
Solche Gestalt ist nur wirklicher Göttinnen Theil.
Nach der Venus und dir steht Keine voran ihr an Anmuth;
Und daß Worten du nicht glaubest, so siehe sie selbst.
Soweit du, wann rein in silbernen Strahlen du glänzest,
Durch dein flammendes Licht alle Gestirne besiegst,
Soviel schöner ist sie, als alle mit Schönheit Begabte.
Blöd' ist, zweifelst du noch, Göttin vom Cynthus, dein Blick.
Dieses oder von dem nicht eben Verschiedenes sprechend,
Schoß ich dahin in der Nacht durch die mir weichende Fluth.
Wieder strahlte das Bild des Mondes im Spiegel der Woge;
Helle, wie Tageslicht, herrscht' in der schweigenden Nacht.
An das Ohr schlug weder ein Laut, noch irgend Geräusch mir
Außer dem Rauschen der Fluth, wie sie mein Körper durchschnitt.
Halcyonen allein, des Ceyx gedenk, des geliebten,
Schienen zu klagen ein Lied süßer Erinnerung voll.
Schon ermatteten mir an den Schultern beiden die Arme;
Hoch auf die Fläche des Meers richt' ich mich kräftig empor.
Da erblickt' ich von ferne das Licht. Mein Feuer, begann ich,
Sehe ich dort; mein Licht leuchtet da drüben am Strand.
Plötzlich kehrten die Kräfte zurück den ermüdeten Armen;
Fügsamer schien mir die Gluth, als sie gewesen zuvor.
Daß ich empfinden nicht kann die Kälte der frostigen Tiefe,
Macht die Liebe, die mir glüht in der sehnenden Brust.
Und je näher ich komme, je mehr das Ufer herantritt,
Und je weniger bleibt; mehrt nur die Lust sich am Weg.
Wie ich nun vollends gesehn kann werden, erhöhest den Muth du,
Weil du mir zusiehst; machst, daß ich mich fühle voll Kraft.
Jetzt anstreng' ich mich auch zu gefallen der Herrin im Schwimmen,
Werfe die Arme geschickt, daß es dein Auge erfreut.
Dich hält kaum die Amme zurück in die Tiefe zu springen -
Denn ich sahe auch dies, und du betrogest mich nicht -;
Doch bewirkte sie nicht, obgleich sie im Laufe dich aufhielt,
Daß nicht naß dir der Fuß ward von der vordersten Fluth.
Und du empfängst mich und drückst mich ans Herz mit seligen Küssen,
Küssen, ihr Götter, den Weg über die Fluthen wohl werth!
Und von den Schultern dir nimmst das Gewand du, um mir es zu reichen,
Drückst den Regen des Meers mir aus dem triefenden Haar.
Weiteres weiß noch die Nacht und wir und unser vertrauter
Thurm und die Leuchte, die mir zeigt durch die Wellen den Weg,
Wollte die Freuden man zählen, die diese Nacht uns gewährte,
Könnt' in dem Hellespont zählen die Algen man auch.
Denn je kürzere Zeit zu verstohlnem Genuß uns vergönnt war,
Sorgten wir um so mehr, daß sie verloren nicht war.
Als zu verscheuchen die Nacht Tithonus' Gemahlin bereit war,
Und Auroren voran Lucifer ein sich gestellt;
Häufen wir Kuß auf Kuß, in Hast ohn' Ordnung sie raubend,
Klagen einander, zu kurz sei doch die Dauer der Nacht.
Und so zögernd noch stets, auf das bittere Mahnen der Amme
Steig' ich vom Thurme herab endlich zum schaurigen Strand.
Weinend trennen wir uns, ich stürz' in das Meer mich der Jungfrau,
Nach der Geliebten zurück blickend, so lange ich kann.
Glaubst du die Wahrheit nur, auf dem Hinweg schein' ich ein Schwimmer,
Ein Schiffbrüchiger mir, kehre zurück ich, zu sein.
Glaubst du auch dies, zu dir scheint abwärts gehend der Weg mir,
Von dir weg ein Berg starren Gewässers zu sein.
Ungern kehr' ich zurück - wer sollt' es glauben? - zur Heimat;
Ungern weil' ich fürwahr jetzt in der heimischen Stadt.
Ach, warum doch scheidet das Meer verbundene Herzen,
Und birgt nicht ein Land zwei von demselben Gefühl?
Kann dein Sestos nicht mich, dich mein Abydos nicht nehmen?
Gleich sehr zieht dein Land mich und das meinige dich.
Warum stürmt es in mir, sobald es stürmt auf dem Meere?
Warum kann mir so leicht schaden ein nichtiger Wind?
Schon ist unsere Liebe bewußt den gekrümmten Delphinen,
Und nicht unbekannt glaub' ich den Fischen zu sein.
Schon stellt dar sich getreten ein Pfad der gewohnten Gewässer,
Wie ein Weg von dem Druck häufiger Räder gebahnt.
Daß nur so mir der Weg sich ermöglichte, klagte ich früher;
Doch jetzt klag' ich, auch der sei durch die Winde versperrt.
Schäumt doch in mächtigen Wogen das Meer der Athamantide,
Und kaum bleibt ein Schiff selber im Hafen geschützt.
So wohl war dies Meer, als von der versunkenen Jungfrau
Selbes den Namen erhielt, welchen es eben noch hat.
Und berüchtigt genug schon ist's vom Verluste der Helle;
Sei's, daß meiner es schont, zeigt es im Namen die Schuld.
Phryxus beneid' ich; es trug hin über die traurigen Wogen
Ihn auf wolligem Vließ sicher das goldene Schaaf.
Doch nicht wünsch' ich den Dienst des Widders mir oder des Schiffes,
Ist mir zu theilen die Fluth nur mit dem Körper vergönnt.
Mittel bedarf ich mit nichten; mir sei nur möglich zu schwimmen,
Werde zugleich Fahrzeug, Schiffer und Fahrer ich sein.
Helices acht' und der Bärin ich nicht, die Tyrus benutzet;
Unsere Liebe verschmäht Sterne gemeinen Gebrauchs.
Schaut auf die strahlende Krone und auf die Parrhasische Bärin,
Flimmernd am eisigen Pol, schaut auf Andromeda nur;
Nichts, was Perseus einst und Liber und Jupiter liebten,
Sagt als Leitstern mir zu auf der schwankenden Bahn.
Mir erglänzt ein anderes Licht, das sicherer leitet,
Das auf dunkelem Pfad wandeln die Liebe nicht läßt.
Schau' ich nur dies, so könnte nach Colchis, zum äußersten Pontus,
Wo der Thessalische Kiel Bahn sich gebrochen, ich gehn;
Könnte im Schwimmen besiegen den jugendlich starken Palämon
Und den Wunderkraut plötzlich zum Gotte gemacht.
Häufig erschlaffen mir wohl durch die stete Bewegung die Arme;
In der gewaltigen Fluth lassen sie kaum sich erziehn.
Sprech' ich zu ihnen jedoch: Nicht schlechte Belohnung der Arbeit
Sag' ich, zu fassen den Hals bald der Geliebten, euch zu;
Alsbald sind sie voll Kraft und streben dem Preise entgegen,
Wie in Elis das Roß, das man der Schranke entläßt.
So die Geliebte, für die ich glühe, nur hab' ich im Auge,
Dich, o Mädchen, die weit mehr du den Himmel verdienst.
Ja, den Himmel verdienst. Doch weile annoch auf der Erde,
Oder verkünde auch mir, wie zu den Göttern man kommt.
Hier wohl bist du, doch wirst du zu Theil nur wenig dem Armen,
Und mir stürmt's in der Brust, wie auf dem Meere es stürmt.
Daß mich ein breites Meer nicht trennt, was hat es für Nutzen?
Steht ein Wasser so schmal minder darum uns im Weg?
Fast wär's besser, uns schiede ein Raum so groß wie die Erde,
Und mit der Herrin zugleich läg' auch die Hoffnung mir fern.
Denn je näher du bist, je näher versehrt mich die Flamme;
Selten nur ist der Genuß, Hoffnung vorhanden nur stets.
Was ich liebe, berühr' ich beinah, so nahe mir ist es;
Doch ach, Thränen erregt dieses beinahe mir oft.
Was wär's Anderes wohl, wenn fliehende Früchte erhaschen
Und die entweichende Fluth wollte erreichen der Mund?
Also werd' ich umarmen dich nicht, als wenn es das Meer will?
Wird kein Sturm mich sehn glücklich in deinem Besitz?
Und da minder gewiß Nichts ist als Wellen und Winde,
Wird auf Wellen und Wind immer mein Hoffen beruhn?
Stürmt es schon jetzt, wie wann mir das Meer der Hüter der Bärin
Und die Plejade empört und das Olenische Thier?
Nicht mir bekannt entweder ist Amors Verwegenheit, oder
Unvorsichtig auch dann wird er mich treiben ins Meer.
Glaube auch nicht, das sagt' ich nur zu, weil fern noch die Zeit ist.
Spät nicht sollst du empfahn meines Versprechens Beweis.
Seien durch einige Nächte nur noch die Wellen in Aufruhr,
Werd' ich versuchen den Weg durch die erbitterte Fluth.
Und ausschlagen mir wird entweder zum Glücke das Wagstück,
Oder der Liebespein machen ein Ende der Tod.
Wünschen werd' ich jedoch dort ausgeworfen zu werden,
Daß schiffbrüchig mein Leid finde den Hafen bei dir.
Weinen wirst du und sagen, indem du mich deiner Berührung
Würdigest: Dem bin ich Quelle gewesen des Tods.
Doch es betrübt, ich fühl's, der Gedanke dich meines Verlustes,
Und in diesem Betracht ist dir zuwider mein Brief.
Klage nur nicht, ich schließe; doch daß auch die Wogen sich legen,
Möge sich meinem Gebet schließen das deinige an.
Einige Ruhe nur brauch' ich, bis daß ich hinübergelange;
Ist dein Ufer erreicht, rase, wie früher, der Sturm.
Dort beut meinem Schiffe sich dar ein passender Standplatz,
Und in keinerlei Bucht ankerte besser mein Kiel.
Dort, dort sperre mich Boreas ab, wo süß es, zu weilen;
Dann vorsichtig und laß werde zum Schwimmen ich sein.
Schmähungen werde auch nicht den tauben Wellen ich sagen,
Klagen nicht, daß das Meer widrig dem Schwimmenden sei.
Mögen die Winde zugleich und zärtliche Arme mich halten,
Und zu bleiben mich dort zwingen ein doppelter Grund.
Rühren werd' ich die Ruder des Leibs, sobald es der Sturm nur
Zuläßt; halte du nur immer die Leuchte in Sicht.
Übernachte indeß bei dir statt meiner das Briefchen,
Welchem zu folgen ich selbst wünsche in kürzester Frist.


19. Brief: Hero an Leander

Daß ich des Grußes und Heils, das du mir, Leander, in Worten
Sendetest, mich in der That könne erfreuen, so komm.
Mir zu lang' ist jeder Verzug, der Freuden hinausschiebt;
Meiner Liebe gebricht, laß es mich sagen, Geduld.
Gleich ist unsere Glut, doch ungleich bin ich an Kraft dir.
Männern wurde zu Theil, glaub' ich, ein stärkerer Geist.
Schwach ist gleich dem Körper das Herz bei dem zarten Geschlechte.
Zögerst du lange annoch, werd' ich vor Sehnen vergehn.
Ihr bringt bald auf der Jagd und bald bei dem heiteren Landbau
Viel langweilige Zeit zu in verschiednem Vertreib.
Bald euch fesselt der Markt und der Preis der gesalbten Palästra;
Oder ihr lenkt mit dem Zaum folgsamer Rosse Gebiß.
Jetzt an der Angel den Fisch, jetzt fangt ihr in Schlingen den Vogel;
Spätere Stunden des Tags spület mit Wein ihr hinweg.
Mir, dem Allen entrückt, bleibt, wenn ich auch weniger heftig
Glühte, doch übrig zu thun außer zu lieben ja Nichts.
Was mir nun bleibt, das thu' ich; und dich, mein einzig Vergnügen,
Lieb' ich noch mehr, als daß du es erwiedern mir kannst.
Flüsternd sprech' ich entweder von dir mit der theueren Amme,
Wundre mich, was für ein Grund wohl dich verhalte im Weg;
Oder ich schaue aufs Meer und schelte beinahe mit deinen
Worten die See, die doch wogt von dem häßlichen Wind;
Oder hat nachgelassen an Wuth ein wenig die Woge,
Klag' ich, du könntest gewiß kommen, doch wolltest du nicht.
Thränen entquellen dabei den liebenden Augen, die traulich
Ab das Mütterchen mir trocknet mit zitternder Hand.
Oft auch späh' ich, ob Tritte von dir sich finden am Strande,
Als bewahrte der Sand Spuren des flüchtigen Drucks.
Um zu fragen nach dir und zu schreiben dir, forsch' ich, ob Jemand
An von Abydos gelangt, oder dahin sich begiebt.
Ja, ich küße wie oft die Kleider auch, welche du ablegst,
Wann in des Hellesponts Fluthen du tauchen dich willst.
Hat geendet der Tag und des Abends trautere Stunde
Nach Verscheuchung des Lichts flimmernde Sterne gebracht,
Alsbald stell' auf dem Thurme ich aus die wachende Leuchte,
Zeichen und Marke des Wegs, den du zu nehmen gewohnt.
Ziehend und drehend den Faden sodann an, der tanzenden Spindel,
Bringen mit weiblicher Kunst hin wir die zögernde Zeit.
Was in so langwieriger Zeit indessen ich spreche,
Fragst du? In meinem Mund bist du, Leander, allein.
Glaubst du wohl, Amme, nun habe das Haus mein Liebster verlassen?
Oder ist Alles noch wach, er vor den Seinen in Furcht?
Glaubst du, nun lege bereits er ab von den Schultern die Kleider?
Nun mit geschmeidigem Öl salbe die Glieder er ein?
Meistens nickt sie; doch kümmert sie nicht sich um unsere Küsse,
Sondern beschlichen vom Schlaf, neigt sich des Mütterchens Haupt.
Und nach kurzem Verzug ausruf' ich: Nun schwimmt er gewiß doch,
Und den gelenkigen Arm wirft er, zertheilend die Fluth.
Hab' ich den Boden berührt und einige Fäden vollendet,
Frage ich, ob du wohl sein könntest inmitten des Meers.
Und bald' schau' ich hinaus, bald fleh' ich mit schüchterner Stimme,
Daß dir ersprießliche Luft gebe erleichterten Weg.
Manchmal halt' ich die Ohren gespannt und lausche nach Tönen,
Meinend, ein jedes Geräusch künde dein Kommen mir an.
Ist mir in solcherlei Täuschung die Nacht beinahe vergangen,
Werden die Augen mir matt, heimlich befallen vom Schlaf.
Wider Willen vielleicht, doch schläfst, Gottloser, bei mir du;
Wenn du auch gleich nicht willst kommen, so bist du doch da.
Denn bald däucht mir, ich sähe bereits in der Nähe dich schwimmen;
Bald, dein triefender Arm schling' um den Nacken sich mir;
Jetzt, ich würfe, wie stets, das Gewand um die triefenden Glieder;
Jetzt, ich wärmt' uns die Brust, Busen an Busen gedrückt;
Vieles noch sonst, das sagen nicht darf die züchtige Zunge,
Das man zu thun sich freut, doch zu erzählen sich schämt.
Ach ich Arme! zu kurz ist dieses Vergnügen und unwahr;
Denn mit dem Schlafe zugleich bist du mir immer entflohn.
Möchte ein festeres Band doch endlich uns Liebende einen,
Fehlen der volle Genuß unserer Liebe doch nicht!
Warum verbrachte ich kalt der einsamen Nächte so viele?
Warum bist du so oft, säumiger Schwimmer, mir fern?
Freilich, es ist das Meer noch nicht zugänglich dem Schwimmer;
Doch in der gestrigen Nacht wehte ein sanfterer Wind.
Warum versäumtest du sie, was kommen nicht sollte, befürchtend?
Ließest so günstige Zeit schwinden und eiltest nicht her?
Sollt' alsbald auch zu ähnlicher Fahrt sich die Möglichkeit bieten,
War doch diese soviel besser, als früher sie war.
Aber es änderte schnell die Gestalt sich der wogenden Tiefe.
Oft, wann eilen du willst, kommst du in kürzerer Zeit.
Hier vom Wetter erreicht, Nichts hättest du, mein' ich, zu klagen;
Hieltest du mich im Arm, würde dir schaden kein Sturm.
Ich dann wenigstens hörte getrost die sausenden Winde,
Betete nie, daß sanft würden die Wogen der See.
Was ist aber geschehen, daß mehr du fürchtest die Welle
Und jetzt scheuest das Meer, das du verachtet vorher?
Denn wann früher du kamst, nicht weniger waren die Fluthen,
Weiß ich ja, oder nicht viel weniger drohend und wild.
Rief ich dir nicht zu: O sei nicht allzuverwegen,
Daß mir Armen dein Muth nicht zu beweinen noch ist?
Sage, woher die Furcht? Wo ist die sonstige Kühnheit?
Wo der gewaltige Held, welcher verachtet das Meer?
Sei dies lieber jedoch, als was du früher gewesen;
Mache nur sicher den Weg über das ruhige Meer;
Wenn du derselbe nur bist und so, wie du schreibst, mich noch liebest,
Und die frühere Glut nimmer zu Asche verglimmt.
Nicht so fürcht' ich den Wind, der, was ich ersehne, verzögert,
Als daß ähnlich dem Wind flüchtig sich wendet dein Sinn;
Daß ich zu wenig dir bin, und das Ziel die Gefahren nicht aufwiegt,
Und ich ein Lohn dir zu sein scheine, der Mühe nicht werth.
Manchmal fürcht' ich, mir schade das Land, und als Thracisches Weib sei
Ebenbürtig ich nicht einem Abydischen Bett.
Alles vermag zu ertragen jedoch ich eher, als wenn du,
Eine Dirne im Arm, müßige Zeit dir vertreibst;
Wenn sich zu deinem Hals je fremde Arme erhöben,
Und ein anderes Band setzte dem unsern ein Ziel.
Lieber gestorben, als solchem Vergehn zum Opfer zu fallen!
Ja, es komme mein Tod deiner Verschuldung zuvor.
Nicht, weil Zeichen etwa du mir kommenden Schmerzes gegeben,
Sage ich dies, auch nicht auf von Gerüchten geregt;
Aber ich fürchte nur Alles - denn wer liebt ohne Befürchtung! -
Und Entfernte ja zwingt Mehr nur zu fürchten der Ort.
Wie weit glücklicher die, die ihre Nähe erkennen
Wahre Beschuldigung lehrt, fälschliche fürchten nicht läßt!
Wirkliche Kränkung entgeht mir, und eingebildete quält mich;
Beiderlei Irrthum macht gleiche Bekümmerniß mir.
Daß du doch kämst, daß doch nur der Wind dir oder der Vater,
Wenigstens nicht ein Weib wäre der Zögerung Grund!
Hör' ich von Einer jedoch so, glaube mir, sterb' ich vor Kummer;
Lange schon sündigest du, willst du mir geben den Tod.
Doch du sündigest nicht, und es schreckt dergleichen umsonst mich.
Daß du kommen nicht sollst, müht sich der neidische Sturm.
Ach, wie wird das Gestade gepeitscht von schrecklicher Brandung!
Und in schwarzem Gewölk birgt sich verschwunden der Tag!
Kam zu dem Meere vielleicht voll Liebe die Mutter der Helle,
Um das versunkene Kind weinend in strömender Fluth?
Oder empört die Gewässer, benannt nach dem widrigen Stiefkind,
Die Stiefmutter, nunmehr Göttin geworden des Meers?
Nicht will wohl dem zarten Geschlecht der Ort, wie er jetzt ist;
Dieses Gewässer verschlang Helle und schadet auch mir.
Doch du solltest, Neptun, der eigenen Flammen gedenkend,
Keiner Liebe den Weg hemmen durch Wellen und Wind.
(Wenn Amymone nicht und Tyro gepriesener Schönheit
Nichtige Märchen nur sind deiner begangenen Schuld.
Circes Kind und Almymons, die helle Halcyone ruf' auch
Dir und Medusa, noch nicht Schlangen im Haare, zurück,
Und Laodice, blond, und Celano, zum Himmel erhoben,
Und von denen noch sonst, weiß ich, die Namen ich las.
Diese und Mehrere noch, so wenigstens singen die Dichter,
Haben die zärtliche Brust liebend an deine gelegt.
Der du also so oft die Macht der Liebe erfahren,
Was versperrst du durch Sturm uns den gewöhnlichen Weg?)
Schone uns, Wilder, und kämpfe dich aus auf offenem Meere;
Nur zwei Länder ja trennt dieser so schmale Canal.
Dir, dem Gewaltigen, ziemt, nur gewaltige Schiffe zu schleudern,
Oder ein trotziger Feind ganzen Geschwadern zu sein.
Schimpflich dem Meergott ist's, den schwimmenden Jüngling zu schrecken.
Solchen Ruhmes fürwahr schämte sich jeglicher Teich.
Edelgeboren ist er und berühmten Geschlechtes, doch leitet
Nicht er den Stamm von Ulyß, dem dir verdächtigen, ab.
Gnädig erhalte ein Paar: er schwimmt, in dem Körper Leanders
Schwebt mein Hoffen jedoch mit auf der nämlichen Fluth.
Horch', es hat auch geknistert das Licht - ich schreibe bei Lichte -,
Hat geknistert und mir Zeichen gegeben des Glücks.
Wein in die günstige Flamme hinein läßt träufeln die Amme:
Morgen, beginnt sie und trinkt, werden wir mehrere sein.
Gleite denn durch die bezwungene Fluth und mehre die Zahl uns,
Der du mein ganzes Herz über und über erfüllst.
Kehr' ins Lager zurück, der Amors Bund du verlassen.
Warum liegt mein Leib denn in der Mitte des Betts?
Grund nicht hast du zur Furcht; selbst wird beistehen dem Kühnen
Venus, und ebnen des Meers Pfade, die Tochter des Meers.
Oft gelüstet mich selbst den Weg durch die Wogen zu machen;
Aber es pflegt dies Meer sichrer für Männer zu sein.
Denn warum, da Phryxus darauf und die Schwester doch fuhren,
Gab dem schaurigen Meer Namen das Weib denn allein?
Fürchtest du, daß an Zeit vielleicht es dir fehle zur Rückkehr,
Oder zu schwer dir die Last wäre des doppelten Wegs;
O so laß in der Mitte des Meers zusammen uns treffen
Und auf der Höhe der Fluth reichen zum Küssen den Mund;
Und so kehren zurück zu unseren Städten ein Jedes.
Wird dies wenig auch sein, ist es doch besser als nichts.
Möchte entweder die Schaam, die heimlich zu lieben uns nöthigt,
Oder die Liebe vergehn, die vor dem Rufe sich scheut!
Über Verbundenes kämpft jetzt, Schaam und Liebe; ich schwanke,
Was ich wähle; die Schaam ehret, die Liebe entzückt.
Wie einmal nach Colchis der Pagasäer Jason
Kam, auf flüchtigem Kiel führt' er Medea davon.
Wie einmal Lacedämon betrat der Buhler vom Ida,
Kehrte mit seinem Raub gleich er nach Hause zurück.
Du verlässest, so oft du besuchst die Geliebte, sie wieder;
Und wird Schiffen die Fahrt schwierig, so schwimmst du davon.
Aber nur so, o Jüngling, du Sieger der schäumenden Wogen,
So nur verachte das Meer, daß du es immer noch scheust.
Werden nicht Schiffe, gezimmert mit Kunst, vom Meere bewältigt?
Du glaubst, daß dein Arm mehr als das Ruder vermag?
Was du wünschest, Leander, das scheut der Schiffer, zu schwimmen.
Dies ist endlich das Loos eines gescheiterten Schiffs.
Ach, nicht einzureden dir wünsch' ich, wozu ich ermahne;
Laß ja machen dich nicht meine Ermahnungen schwach.
Wenn du herüber nur kommst und deine ermatteten Arme,
Die in den Wogen du oft warfst, um die Schultern mir schlingst.
Aber so oft ich den Blick zuwende dem blauen Gewässer,
Zieht mir ein Schauergefühl durch die beklommene Brust.
Und nicht minder erschreckt ein Bild der gestrigen Nacht mich,
Ist durch Opfer auch gleich, die ich gebracht, es gesühnt.
Gegen Morgen etwa - schon war im Erlöschen die Lampe,
Das ist die Zeit, wo wahr pflegen die Träume zu sein -
Gleitete mir aus den Fingern, erschlafft vom Schlafe, der Faden,
Und auf das Kissen herab senkt' ich zur Ruhe das Haupt:
Da vermeint' ich zu sehn in nicht zu bezweifelnder Wahrheit
Einen Delphin, der schwamm über die stürmische Fluth.
Aber es schmetterte bald auf den sickernden Sand ihn die Brandung,
Und den Armen verließ Woge und Leben zugleich.
Was es auch sei, ich fürchte; und du verlache den Traum nicht,
Und vertraue dich ja ruhigem Meere nun an.
Schonst du selber dich nicht, so schone des liebenden Mädchens,
Das, wenn du nicht lebst, nimmer zu leben vermag.
Baldige Ruhe jedoch läßt hoffen das Brechen der Wellen;
Dann mit sicherer Brust theile die friedliche See.
Aber so lange das Meer ist unzugänglich dem Schwimmer,
Mildre ein kommender Brief mir den verhaßten Verzug.
(S. 197-222)

Aus: Publii Ovidii Nasonis Opera Ovids Werke
Berichtigt, übersetzt und erklärt von Heinrich Lindemann
Sechster Theil: Die Heroiden
Leipzig Verlag von Wilhelm Engelmann 1867
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Hans Sachs (1494-1576)

Historia
Die unglückhafft lieb Leandri mit fraw Ehron

Hört zu gar ein kleglich geschicht,
Die uns Museus hat bericht!
Vor langer zeyt der fein poet
Nach der lenge erzelen thet
Von dem schön jüngling Leandro.
Gen dem die zart jungkfraw Ero
Inn heisser liebe wart verwund.
Doch keins zum andren kommen kund.
Sie wont auff einem thuren hoch,
Umbflossen mit dem meere noch,
Bey Abido, der mechting stat.
Endlich fund Leander ein rat.
Zu nacht er uberschwimmen wolt,
Ein liecht sie ihm auffstecken solt,
Das er sich richten möcht darnach.
Als nun die finster nacht anprach,
Ersach Leander das warzeichen,
Thet doch vor grosser forcht erbleichen
Ob dem grausamen meer ungstüm.
Sprang doch darein und wend sich ümb,
Dem liecht nach zu dem thuren schwam.
Ero ihn freudenreich auff namb.
Sie trücknet sein nasse gelider.
Da er sein krefft erholet wider,
Da pflagen sie der süssen lieb,
Die nacht in hoher freud vertrieb.
Vor der morgenröt urlaub numb.
Leander wider uber schwumb.
Nach dem er fast all nachte kam,
Zu seiner liebhaberin schwam
Von Seste, seinem vaterland,
Still, das es innen ward niemandt,
Biß ihn das untrew wanckel glück
Kürtzlich beweist sein neydisch dück.
Als sich begab nun winter-zeit,
Das meer mit ungestümigkeit
Durch kalte wind sich hoch aufbließ,
Leander doch nit underließ,
Zu schwimmen zu der liebsten sein,
Wagt sich fast alle nacht darein
Und schlug gantz alle forcht zu rück.
Doch kam endlich das falsch gelück.
Eins nachts ergriff ihn ein sturmwind.
Das liecht im thuren lasch geschwind.
Das meer war wütig alles sander.
Die wellen schlugen gen einander,
Hoch wie die berg mit lautem schal,
Mit schröcklich brausendem abfal.
Leander nicht meer schwimmen kund.
Erstarrt und müd sanck er zu grund
Und ertranck da elendigklich.
Ero wart sein gar hertzigklich.
Als ir lieb nit kam, wie ander zeit,
Umbgab sie grosses hertzenleyd.
Endlich warff ihn das meer zu land
Unden an thuren obgenandt.
Als nun die morgen-röt auff-prach,
Ero under dem thuren sach
Ihren liebhaber bleich ertruncken
An dem gestat tödlich versuncken.
Zu hand sie auß dem thuren sprung,
Umbfing ihren liebhaber jung,
Sprach: Hast du dein leib umb mich geben,
Mag ich an dich auch nit mehr leben.
Mit ihm sie auch zu grunde sanck
Und frey-willig mit ihm ertranck.

Beschluß
Wo noch so fleischlich liebe brend,
Leßt sie nach ir ein trawrig end,
Wann sie wagt sich in groß gefar.
Drumb saget das alt sprichwort war,
Lieb sey ein anfang vil ungmachs
An leib und seel; so spricht Hans Sachs
1541, am 3 tag Junii.

Aus: Hans Sachs. Hrsg. von Adelbert von Keller. Band 1-24. Georg Olms Verlagsbuchhandlung Hildesheim 1964. Reprografischer Nachdruck der Ausgabe Stuttgart (1870) (Bibliothek des Literarischen Vereins: Band 105) (entnommen dem Band 2 der Ausgabe)
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Daniel Schiebeler (1741-1771)

Leander und Hero

Dir etwas zu erzählen,
Befiehlst du, Chloe, mir;
Wie gern, geliebte Chloe,
Wie gern gehorch' ich dir!

Es war einmal ein Jüngling,
Voll Zärtlichkeit, wie ich;
Er glühte für ein Mädchen,
Das dir an Schönheit glich.

Sie war an Reiz dir ähnlich,
Doch nicht an Sprödigkeit,
Und Gegengunst belohnte
Des Jünglings sanftes Leid.

In Sestus lebte Hero,
Nah an des Meeres Rand,
Leander in Abidus,
Am gegenseit'gen Strand.

Einst hatte sie am Feste
Cytherens ihn erblickt,
Sein zärtlich Flehn vernommen,
Ihn an ihr Herz gedrückt.

Allein ihr strenger Vater
Errieth, zu beyder Pein,
Den Trieb, der sie entflammte,
Und schloß das Mädchen ein.

Leander sieht von ferne
Den Thurm, der sie umgiebt,
Wie muthig macht nicht Amor
Den, der wahrhaftig liebt!

Der Schlaf goß Schlummerkörner
Auf ganz Abidus aus,
Und schnell verließ Leander
Das väterliche Haus.

Er geht zum nahen Meere,
Geführt von Hero's Bild,
Und fleht zur Göttinn Luna,
Die ihren Glanz enthüllt.

Er wirft sich in die Wellen
Mit frohem Ungestüm;
Die Silberwellen rauschen,
Und schäumen hinter ihm.

Er kömmt zum andern Ufer,
Wo seines Mädchens List
Den festen Thurm eröffnet,
Und küßt, und wird geküßt.

Erst wenn die Morgenröthe
Am Horizont erwacht,
Vertraut' er sich von neuen
Dem Meer, das ihn gebracht.

Oft sahn ihn die Tritonen,
Und rühmten seine Glut;
Oft priesen seine Liebe
Die Nymphen in der Flut.

Doch ach! ein Sturm entstehet,
Und schreckt des Jünglings Blick,
Und tobt, und wehrt dem Schwimmer
Den Weg zu seinem Glück.

Er hoft, der Sturm wird schweigen;
Doch stärker tobt das Meer.
Er hoft acht lange Tage,
Und irrt am Strand einher.

Und endlich scheint ihm länger
Kein Hinderniß zu groß;
Er stürzet, voll Verlangen,
Sich in des Meeres Schooß.

Umsonst; sein Fuß ermüdet,
Dem Arm gebricht die Kraft;
Er wird vom schnellen Wirbel
Zum Abgrund fortgeraft.

Der Strom bringt seine Leiche
Zu seinem Mädchen hin;
Sie sinkt auf den Geliebten,
Von Schmerz entseelt, dahin.

Die traurige Geschichte
Bewegt zu Thränen dich?
Du fühlst des Mitleids Züge;
Nur, Chloe, nicht für mich!

Doch zittre, folgst du länger
Der Sprödigkeit Gebot;
Auch in den stillsten Bächen
Trift, wer ihn sucht, den Tod.

Aus: Daniel Schiebelers Auserlesene Gedichte
Herausgegeben von Johann Joachim Eschenburg
Hamburg 1773 (S. 229-232)
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Friedrich Schiller (1759-1805)

Hero und Leander

Seht ihr dort die altergrauen
Schlösser sich entgegenschauen,
Leuchtend in der Sonne Gold,
Wo der Hellespont die Wellen
Brausend durch der Dardanellen
Hohe Felsenpforte rollt?
Hört ihr jene Brandung stürmen,
Die sich an den Felsen bricht?
Asien riß sie von Europen,
Doch die Liebe schreckt sie nicht.

Heros und Leanders Herzen
Rührte mit dem Pfeil der Schmerzen
Amors heil'ge Göttermacht.
Hero, schön wie Hebe blühend,
Er, durch die Gebirge ziehend
Rüstig, im Geräusch der Jagd.
Doch der Väter feindlich Zürnen
Trennte das verbundne Paar,
Und die süße Frucht der Liebe
Hing am Abgrund der Gefahr.

Dort auf Sestos' Felsenturme,
Den mit ew'gem Wogensturme
Schäumend schlägt der Hellespont,
Saß die Jungfrau, einsam grauend,
Nach Abydos' Küste schauend,
Wo der Heißgeliebte wohnt.
Ach, zu dem entfernten Strande
Baut sich keiner Brücke Steg,
Und kein Fahrzeug stößt vom Ufer;
Doch die Liebe fand den Weg.

Aus des Labyrinthes Pfaden
Leitet sie mit sicherm Faden,
Auch den Blöden macht sie klug,
Beugt ins Joch die wilden Tiere,
Spannt die feuersprühnden Stiere
An den diamantnen Pflug.
Selbst der Styx, der neunfach fließet,
Schließt die Wagende nicht aus,
Mächtig raubt sie das Geliebte
Aus des Pluto finsterm Haus.

Auch durch des Gewässers Fluten
Mit der Sehnsucht feur'gen Gluten
Stachelt sie Leanders Mut.
Wenn des Tages heller Schimmer
Bleichet, stürzt der kühne Schwimmer
In des Pontus finstre Flut,
Teilt mit starkem Arm die Woge,
Strebend nach dem teuren Strand,
Wo auf hohem Söller leuchtend
Winkt der Fackel heller Brand.

Und in weichen Liebesarmen
Darf der Glückliche erwarmen
Von der schwer bestandnen Fahrt
Und den Götterlohn empfangen,
Den in seligem Umfangen
Ihm die Liebe aufgespart,
Bis den Säumenden Aurora
Aus der Wonne Träumen weckt
Und ins kalte Bett des Meeres
Aus dem Schoß der Liebe schreckt.

Und so flohen dreißig Sonnen
Schnell, im Raub verstohlner Wonnen,
Dem beglückten Paar dahin,
Wie der Brautnacht süße Freuden,
Die die Götter selbst beneiden,
Ewig jung und ewig grün.
Der hat nie das Glück gekostet,
Der die Frucht des Himmels nicht
Raubend an des Höllenflusses
Schauervollem Rande bricht.

Hesper und Aurora zogen
Wechselnd auf dem Himmelsbogen,
Doch die Glücklichen, sie sahn
Nicht den Schmuck der Blätter fallen,
Nicht aus Nords beeisten Hallen
Den ergrimmten Winter nahn;
Freudig sahen sie des Tages
Immer kürzern, kürzern Kreis,
Für das längre Glück der Nächte
Dankten sie betört dem Zeus.

Und es gleichte schon die Wage
An dem Himmel Nächt' und Tage,
Und die holde Jungfrau stand
Harrend auf dem Felsenschlosse,
Sah hinab die Sonnenrosse
Fliehen an des Himmels Rand.
Und das Meer lag still und eben,
Einem reinen Spiegel gleich,
Keines Windes leises Weben
Regte das kristallne Reich.

Lustige Delphinenscharen
Scherzten in dem silberklaren
Reinen Element umher,
Und in schwärzlicht grauen Zügen
Aus dem Meergrund aufgestiegen
Kam der Tethys buntes Heer.
Sie, die einzigen, bezeugten
Den verstohlnen Liebesbund,
Aber ihnen schloß auf ewig
Hekate den stummen Mund.

Und sie freute sich des schönen
Meeres, und mit Schmeicheltönen
Sprach sie zu dem Element:
»Schöner Gott! du solltest trügen!
Nein, den Frevler straf' ich Lügen,
Der dich falsch und treulos nennt.
Falsch ist das Geschlecht der Menschen,
Grausam ist des Vaters Herz,
Aber du bist mild und gütig,
Und dich rührt der Liebe Schmerz.

»In den öden Felsenmauern
Müßt' ich freudlos einsam trauern
Und verblühn in ew'gem Harm,
Doch du trägst auf deinem Rücken,
Ohne Nachen, ohne Brücken,
Mir den Freund in meinen Arm.
Grauenvoll ist deine Tiefe,
Furchtbar deiner Wogen Flut,
Aber dich erfleht die Liebe,
Dich bezwingt der Heldenmut.

»Denn auch dich, den Gott der Wogen,
Rührte Eros' mächt'ger Bogen,
Als des goldnen Widders Flug
Helle, mit dem Bruder fliehend,
Schön in Jugendfülle blühend,
Über deine Tiefe trug.
Schnell von ihrem Reiz besieget
Griffst du aus dem finstern Schlund,
Zogst sie von des Widders Rücken
Nieder in den Meeresgrund.

»Eine Göttin mit dem Gotte,
In der tiefen Wassergrotte
Lebt sie jetzt unsterblich fort,
Hilfreich der verfolgten Liebe
Zähmt sie deine wilden Triebe,
Führt den Schiffer in den Port.
Schöne Helle! Holde Göttin!
Selige, dich fleh' ich an:
Bring' auch heute den Geliebten
Mir auf der gewohnten Bahn!«

Und schon dunkelten die Fluten,
Und sie ließ der Fackel Gluten
Von dem hohen Söller wehn,
Leitend in den öden Reichen
Sollte das vertraute Zeichen
Der geliebte Wandrer sehn.
Und es saust und dröhnt von ferne,
Finster kräuselt sich das Meer,
Und es löscht das Licht der Sterne,
Und es naht gewitterschwer.

Auf des Pontus weite Fläche
Legt sich Nacht, und Wetterbäche
Stürzen aus der Wolken Schoß,
Blitze zucken in den Lüften,
Und aus ihren Felsengrüften
Werden alle Stürme los,
Wühlen ungeheure Schlünde
In den weiten Wasserschlund,
Gähnend wie ein Höllenrachen
Öffnet sich des Meeres Grund.

»Wehe! Weh mir!« ruft die Arme
Jammernd. »Großer Zeus, erbarme!
Ach! Was wagt' ich zu erflehn!
Wenn die Götter mich erhören,
Wenn er sich den falschen Meeren
Preisgab in des Sturmes Wehn!
Alle meergewohnten Vögel
Ziehen heim in eil'ger Flucht,
Alle sturmerprobten Schiffe
Bergen sich in sichrer Bucht.

»Ach gewiß, der Unverzagte
Unternahm das oft Gewagte,
Denn ihn trieb ein mächt'ger Gott.
Er gelobte mir's beim Scheiden
Mit der Liebe heil'gen Eiden,
Ihn entbindet nur der Tod.
Ach! in diesem Augenblicke
Ringt er mit des Sturmes Wut,
Und hinab in ihre Schlünde
Reißt ihn die empörte Flut!

»Falscher Pontus, deine Stille
War nur des Verrates Hülle,
Einem Spiegel warst du gleich;
Tückisch ruhten deine Wogen,
Bis du ihn heraus betrogen
In dein falsches Lügenreich.
Jetzt in deines Stromes Mitte,
Da die Rückkehr sich verschloß,
Lässest du auf den Verratnen
Alle deine Schrecken los!«

Und es wächst des Sturmes Toben,
Hoch zu Bergen aufgehoben
Schwillt das Meer, die Brandung bricht
Schäumend sich am Fuß der Klippen,
Selbst das Schiff mit Eichenrippen
Nahte unzerschmettert nicht.
Und im Wind erlischt die Fackel,
Die des Pfades Leuchte war,
Schrecken bietet das Gewässer,
Schrecken auch die Landung dar.

Und sie fleht zur Aphrodite,
Daß sie dem Orkan gebiete,
Sänftige der Wellen Zorn,
Und gelobt den strengen Winden
Reiche Opfer anzuzünden,
Einen Stier mit goldnem Horn.
Alle Göttinnen der Tiefe,
Alle Götter in der Höh'
Fleht sie, lindernd Öl zu gießen
In die sturmbewegte See.

»Höre meinen Ruf erschallen,
Steig aus deinen grünen Hallen,
Selige Leukothea!
Die der Schiffer in dem öden
Wellenreich, in Sturmesnöten,
Rettend oft erscheinen sah.
Reich ihm deinen heil'gen Schleier,
Der, geheimnisvoll gewebt,
Die ihn tragen, unverletzlich
Aus dem Grab der Fluten hebt.«

Und die wilden Winde schweigen,
Hell an Himmels Rande steigen
Eos' Pferde in die Höh'.
Friedlich in dem alten Bette
Fließt das Meer in Spiegelsglätte,
Heiter lächeln Luft und See.
Sanfter brechen sich die Wellen
An des Ufers Felsenwand,
Und sie schwemmen, ruhig spielend,
Einen Leichnam an den Strand.

Ja er ist's, der auch entseelet
Seinem heil'gen Schwur nicht fehlet!
Schnellen Blicks erkennt sie ihn,
Keine Klage läßt sie schallen,
Keine Träne sieht man fallen,
Kalt, verzweifelnd starrt sie hin.
Trostlos in die öde Tiefe
Blickt sie, in des Äthers Licht,
Und ein edles Feuer rötet
Das erbleichte Angesicht.

»Ich erkenn' euch, ernste Mächte,
Strenge treibt ihr eure Rechte,
Furchtbar, unerbittlich ein.
Früh schon ist mein Lauf beschlossen,
Doch das Glück hab' ich genossen,
Und das schönste Los war mein.
Lebend hab' ich deinem Tempel
Mich geweiht als Priesterin,
Dir ein freudig Opfer sterb' ich,
Venus, große Königin!«

Und mit fliegendem Gewande
Schwingt sie von des Turmes Rande
In die Meerflut sich hinab.
Hoch in seinen Flutenreichen
Wälzt der Gott die heil'gen Leichen,
Und er selber ist ihr Grab.
Und mit seinem Raub zufrieden
Zieht er freudig fort und gießt
Aus der unerschöpften Urne
Seinen Strom, der ewig fließt.

Aus: Friedrich von Schiller Sämtliche Gedichte und Balladen
Herausgegeben von Georg Kurscheidt
Insel Verlag 2004 (S. 145-152)
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Friedrich Hölderlin (1770-1843)

Hero

Lange schlummern ruhig all die Meinen,
Stille atmet durch die Mitternacht;
Auf dann! Hero! auf und laß das Weinen!
Dank euch, Götter! Heros Mut erwacht.
Fort ans Meer! ans Meer! es schäume die Welle,
Brause der Sturm mir immer ins Angesicht!
Fort ans Meer! ohn ihn ist alles Hölle -
Liebe ängstet mich Arme - Sturm und Welle nicht.

Ruhig will ich da hinüberlauschen,
Wo sein Hüttchen über Felsen hängt,
Rufen will ich's in der Woge Rauschen,
Wie sein Zaudern seine Hero kränkt.
Ha! da wird er sich mutig von seinem Gestade
Stürzen, Posidaons Kraft ihm Liebe verleihn,
Lieb ihn leiten des Meeres furchtbare Pfade,
Götter! wie wird - wie wird uns wieder sein?
(Sie kommt ans Meer.)

Aber Himmel! - wie hoch die Wogen schäumen!
So hätt ich den Sturm mit nicht gedacht.
Weh! wie sie dräuend gegen mein Ufer sich bäumen!
Stärkt mich, Götter, in dieser ernsten Nacht! -
Nein! mir banget nicht um Tod und Leben -
Tod und Leben, wie das Schicksal will!
Liebe besieget die Schrecken, die um mich schweben,
Schlangengezisch, und Skorpionen, und Löwengebrüll.

Jüngling! sieben solcher Schreckennächte
Harr ich deiner, zager Jüngling, schon,
Wenn mein Jüngling meiner Angst gedächte,
Oh! er spräch Orkanen und Wogen Hohn.
Oder hätt er den furchtbaren Eid gebrochen,
Spottet er meiner im Arm der Buhlerin -
Ha! so bin ich so leicht, so schön gerochen,
Leicht und schön gerochen - ich sterbe hier um ihn.

Aber weg von mir! du Donnergedanke!
Weg, das flüsterte mir die Hölle zu,
Daß mein Jüngling, mein Leander, wanke,
Nein! Geliebter! bleibe, bleibe du!
Wann ich dich in diesen Wogen dächte,
Deinen Pfad so schröcklich ungewiß,
Nein! ich will einsam durchirren die Schreckennächte,
Dein zu harren, Geliebter, ist ja schon so süß.

Aber horch! - o Himmel! - diese Töne -
Wahrlich! es waren des Sturmes Töne nicht -
Bist du's? - oder spielt die Narrenszene
Täuschend mit mir ein grausames Traumgesicht?
Götter! da ruft es ja wieder Hero! herüber,
Flüstert ja wieder die Stimme der Liebe mir her -
Auf! zu ihm, zu ihm in die Wogen hinüber,
Wenn er ermattete - auf! dem Geliebten entgegen ins Meer.

Sieh! wie im Tanze, stürz ich zu dir vom Gestade,
Liebe soll mir Posidaons Kraft verleihn,
Liebe mich leiten des Meeres furchtbare Pfade -
Götter! Götter! wie wird uns wieder sein!
Kämpfend über den Wogen will ich ihn drücken,
Drücken an Brust und Lippe mit Todesgefahr,
Ha! und sink ich, so träumet mein Entzücken
Noch im Abgrund fort, wie schön die Stunde war.

Aber Götter! was seh ich? meinem Gestade
Schon so nahe? - Gesiegt! mein Held hat gesiegt!
Siehe! er schwebet verachtend die furchtbare Pfade
Mutig einher, vom Meere gefällig gewiegt.
(Freudig.) Ha! er soll mich suchen - da will ich lauschen
Hinter diesem Felsen - (Leise.) Götter! wie schön!
Wie die weiße Arme durch die Welle rauschen,
Ach! so sehnend, so strebend nach Heros Ufer hin.

Aber Grauen des Orkus! Sterbegewimmer!
Grauen des Orkus! dort dem Felsen zu!
Wie? - so kenn ich diese Totentrümmer!
Wehe! wehe, also siegtest du? -
Aber weg! ihr höllische Schreckengesichte!
Täuschende Furien! weg! er ist es nicht!
So zerschmettern nicht der Götter Gerichte -
(Sie hält ihre Leuchte über den Toten hin.)
Aber dieses Lächeln auf dem Totengesicht -

Kennst du's? Hero! kennst du's? - Nimmer, nimmer
Spricht das tote Lächeln Liebe dir - (Sie weint heftig.) Engelsauge!
so ist erloschen dein Schimmer -
Blicktest einst so heiße Liebe mir.
Jüngling! erwecken dich nicht der Geliebten Tränen?
Nicht die blutige Umarmungen?
Jüngling! Jüngling! diese Todesmienen -
Wehe! sie töten mich! wehe! diese Zuckungen.
Und er dacht in seiner Todesstunde,
In der Kämpfe furchtbarstem noch dein -
Hero! stammelt' er noch mit sterbendem Munde -
Und so schröcklich muß sein Ende sein?
Ha! und diese Liebe überleben -
Ohne diesen Toten in der Welt -
Weg! vor dem wird Hero nicht erbeben,
Der zu diesem Toten die Einsame gesellt.

Wenig kurze schröckende Sekunden -
Und du sinkst an deines Jünglings Brust,
Und du hast ihn auf ewig wiedergefunden,
Ewig umlächelt von hoher Elysiumslust - -
(Pause.)
Ha! ich habe gesiegt! an des Orkus Pforte
Anzuklopfen - nein! ich bin nicht zu schwach!
Hero! Hero! rief er, Götterworte!
Stärkt mich! stärkt durchs Dunkle mich! ich folge nach.

Aus: Friedrich Hölderlin: Sämtliche Werke und Briefe.
Erster Band. Carl Hanser Verlag
München 1981 (3. Auflage) (S. 53-56)
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Ludwig Christoph Heinrich Hölty (1748-1776)

Leander und Hero
Eine Romanze

Schon ehmahls sang der Leyermann
Musaeus die Geschichte,
Die ich euch jetzt, so gut ich kan,
Erzähle und berichte. -
Ein Jüngling, der Leander hieß,
Kam einstmahls in ein Städchen,
Das seinem Blick die Hero wies,
Die Krone aller Mädchen.

Er machte einen Reverenz,
Der ihn zur Erde drückte,
Als er die Miß, im jungen Lenz,
Zum erstenmahl erblickte.
Von nun an schwebt' ihr Götterbild,
Im labyrintschen Tanze,
Um seinen Blick, das Haupt umhüllt
Mit einem Blumenkranze.

Bald schwatzt er ihr von Liebe vor,
Von Martern, und von Schmerzen.
Und sie? sie widmet ihm ihr Ohr,
Nebst einem Platz im Herzen.
Nun fühlt der Jüngling sich, und brennt,
Die Schöne glüht nicht minder,
Doch, ach, das Meer der Helle trennt
Die beyden armen Kinder.

Er hatte, leider, keinen Kahn,
Drum schwamm er duch die Fluthen,
Was noch kein Amadis gethan,
Wenn Hayn und Fluren ruhten.
Ein schattenvoller Myrtenhayn
Verhüllte ihre Küße,
Und tausend andre Tändeleyn
In grüne Finsterniße.

Was sie sich Zärtliches gesagt,
Das wißen nur die Plätze,
Wo sie manch Stündchen zugebracht,
Am flüsternden Geschwätze
Des Bachs. Sie fühlten Cypris Sohn,
Indeß die Gegend lauschte,
Und ihrer Küße Silberton
Den Schattenwald durchrauschte.

Kurz, sie beschloßen dieses Spiel,
Geschaffen zum Ergötzen,
Das ihnen ziemlich wohl gefiel,
Hinführo fortzusetzen.
Leander schwamm, die Schöne saß
Am Ufer, voll Verlangen,
Den Liebling, wär er noch so naß,
Zu küßen, zu umfangen.

Sie wies ihm, mit erhobner Hand,
Ein Lichtgen in der Ferne,
Wenn Nacht sich um das Mondlicht wand,
Und um den Glanz der Sterne.
Er folgte dann dem Lichtstral nach. -
Doch Aeols Höhlen senden
Einst Stürme, und die reißen, ach,
Das Licht ihr aus den Händen.

Nun öfnet sie den Rosenmund
Zu Seufzern und zu Klagen,
Der Königin von Amathunt
Ihr Herzeleyd zu sagen.
Umsonst! Die Göttin spielte just,
Sie hatte gute Karten,
Und spürte folglich keine Lust
Der Hero aufzuwarten.

Das arme Kind! Ihr Seufzen schallt
Umher, ein Thränenregen
Quillt ihr vom Aug. Indeßen wallt
Ein Leichnam ihr entgegen.
Leander ists, er schwimmt erblaßt
Zum Ufer, bange Scene!
Ein kalter Todesschauer faßt
Die Brust der jungen Schöne.

Denn jetzt entschleyert Luna sich
Von Wolken, und enthüllet
Der Hero, die am Ufer schlich,
Mit Traurigkeit erfüllet,
Leanders Tod. Sie spricht kein Wort,
Stürzt rauschend in die Wogen,
Und ihre Seele flattert fort,
Dem schönsten Leib entzogen.

Aus: Ludwig Christoph Heinrich Hölty
Gesammelte Werke und Briefe
Kritische Studienausgabe. Hrsg. von Walter Hettche
Wallstein Verlag 1998
(S. 12-14)
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Johann Baptist von Alxinger (1755-1797)

Hero und Leander
Nach dem Musäus

1.
Sing, Göttinn, mir die Fackel, die Vertraute
Verstohlner Freuden, sing, wie von Abydus her
Leander durch das stille Meer
Nach Küssen schwamm, die nie Aurora schaute.
Sing von dem Eiland, wo dem holden Paar
Durch Liebe sanft gebettet war.
Mich däucht, ich seh' schon dieser Fackel Schimmer,
Seh' am Gestade schon den liebevollen Schwimmer!

2.
O hätte Jupiter die Leucht' ans Firmament
Versetzet, und den Stern der Liebenden genennt!
Sie, Aphroditens Bothinn; die Gesandte
Der Hero, sie, die oft in schlummerloser Nacht,
Eh' jener wilde Sturm erwacht,
Vor der Verliebten Bett, ein Sinnbild Amors, brannte.
Doch bald, ach bald erlosch mit einem Mahl
Leanders Leben und ihr Strahl!

3.
Von Sestus über krümmt Abydus in die Wogen
Des Hellesponts den nachbarlichen Port:
Cytherens Knabe spannet seinen Bogen,
Und sieh! in beyde Städt' ist Ein Pfeil schon geflogen.
Leander brennet hier, die Jungfrau Hero dort.
Sie glichen beyde sich, sie glänzten an dem Ort,
Den sie bewohnten, beyde, wie im Dunkeln
Zwey überschöne Sterne funkeln.

4.
Du kannst, führt dich dein Weg in diese Gegend hin,
Vom Thurme, dessen Fuß der Hellespont befeuchtet,
Und wo die schöne Sesterinn
Leanders nasse Bahn erleuchtet;
Auch kannst du von dem Meeresstrand,
Der noch um beyde klagt, die Traurgeschicht' erfragen;
Doch wo zuerst der Jüngling Lieb' empfand
Und Gegenlieb' erhielt, soll dieses Lied dir sagen.

5.
Die Jungfrau Hero stammt' aus einem edlen Blut
Und war, wiewohl sie noch kein Liebeskuß erfreute,
Cytherens Priesterinn; selbst eine zweyte
Cythere, wohnte sie nah' an der Meeresfluth,
Von ihren Aeltern fern, in einem Thurm; sie scheute
Der Weiber Lästerzunge, die nicht ruht,
Wo Andrer Schönheit glänzt; drum wollte sich beym Reigen
Und in Versammlungen die Kluge niemahls zeigen.

6.
Wohl aber goß sie oft nach priesterlicher Pflicht
Uranien und ihrem Sohn, des Köcher
Sie fürchtete, den heilgen Söhnungsbecher,
Doch sie entfloh darum den Flammenpfeilen nicht.
In Sestus feyert man ein Freudenfest Adonen
Und Venus jedes Jahr; nun kehrte dieses Fest,
Zu dem der Mädchen keins zu wallen unterläßt,
Die in Cyther' und rings in allen Inseln wohnen.

7.
Auch in des Libanus süß düfterndem Gesträuch
Bleibt mancher Reigen unvollendet;
Das Eiland Cyperns auch, der Phryger Königreich,
Hämonien, Abydus sendet
Nach Sestus Schaar auf Schaar; darunter wallen hin
Viel Jünglinge von mädchenholdem Sinn,
Weit minder um das Fest mitopfernd zu begehen,
Als vieler Mädchen Reiz an einem Ort zu sehen.

8.
Hold, wie der Silbermond, ein ganzes Rosenbeet
Auf ihrer Wangen Wölbung geht
Die Jungfrau Hero durch die Hallen
Des Tempels; milder Glanz umstrahlt sie; ihr Gewand
Sieht man, so weiß wie Schnee, zum Fuße niederwallen.
Die Alten haben nur drey Grazien genannt,
Doch irrten sie; es schaute süß verwundert,
Wer Hero lächeln sah, in jedem Auge hundert.

9.
Schön war sie, wie kein Weib, so schön, daß sie der Ehre,
Die Nebenbuhlerinn der reizenden Cythere,
Nicht ihre Priesterinn nur, zu heißen würdig schien.
Sie war durchs Haus der Göttinn nie gegangen,
Ohn' aller Männer Herz und Auge mitzuziehn;
In jedem Busen pochte das Verlangen:
O schmücke die mein Brautgemach!
Und einer aus der Schaar, wollüstig staunend sprach:

10.
Ich war in Sparta, sah mit lüsterner Begier
Viel nackter Schönen Kampf; doch dieser hier glich keine;
Matt schau' ich mich, nicht satt; o Venus dungst du eine
Der jungen Grazien? für eine Nacht mit ihr
Gäb' ich mein Leben hin, wählt' ihres Bettes Decken
Vor einem Göttersitz: doch darf vielleicht
Nach deiner Priesterinn sich meine Hand nicht strecken;
So gib, gib ein Weib, das diesem Mädchen gleicht.

11.
So einer aus der Schaar; noch mancher war darunter,
Der seine Qual verbarg, still und in sich gekehrt;
Doch konntest du es nicht, Leander, tief Verwundter!
Hell glänzt' in deinem Blick das Feur, das dich verzehrt,
Gleich Amors Fackel; Hero zu erstreben
Schwurst du dir selber, oder nicht zu leben.
Denn keusche Schönheit trifft das Herz in größrer Eil'
Und tiefer, als der schnellste Pfeil.

12.
Die Augen sind der Weg; von hier aus schleicht
Das Weh zum Herzen: dieß erfuhr Leander.
Furcht, Staunen, Kühnheit, Scham bestürmten nach einander
Den armen Jüngling; endlich weicht
Der Liebe Furcht und Scham; mit schlauen Seitenblicken,
Mit stummem Winken, leisem Schritt
Und liebendem Vertrauen tritt
Er vor sein Mädchen hin, die Holde zu bestricken.

13.
Sie, diese List bemerkend, freut
Ob seiner Schönheit sich, vergilt mit Gegenwinden
Die seinen, läßt voll Sittsamkeit
Ihr liebliches Gesicht in ihre Rechte sinken,
Und hebts erröthend wieder auf.
Er sieht es, jauchzt und wünscht, daß bald vom Meer herauf
Mit Rabensittichen die dunkle Nacht sich schwinge
Und heimlich ihn mit ihr zusammen bringe.

14.
Auch sieht er Hespern kaum durch graue Wolken glühn;
So fleugt er schon zu seiner Schönen;
Er drücket ihr, vertraut und liebekühn
Die Rosenfingerchen, nicht ohne zärtlich Stöhnen;
Sie zieht die Hand, als wie erzürnt, zurück
Und schweigt; doch er bemerkt mit schlauer Freude
Der Liebe ganzen Sieg im unentschloss'nen Blick
Und faßt sie dringender beym schön gewebten Kleide.

15.
Sie sträubet sich und - folgt, ins innerste Gemach
Des Tempels folget sie dem kühnen Jüngling nach,
Doch endlich droht sie ihm mit weiblich sanfter Stimme:
Wie Fremdling? rasest du? legst du die freche Hand
An mich, mich Jungfrau? weg! laß fahren mein Gewand.
Reich ist mein Vater, reitz', o reitz' ihn nicht zum Grimme!
Auch Venus zürnte dir ob dieser Frevelthat;
Zu einer Jungfrau Bett führt kein so ebner Pfad.

16.
So droht ihm Hero mädchenhaft;
Er nimmt es weise für Gewährung,
Denn Drohn erschöpft der Mädchen letzte Kraft,
Denn Drohn verkündiget dir Stunde der Erhörung.
Er waget, schon verwegener und ganz
Von Amors Wonne hingerissen,
Des Mädchens Hals, dem Elfenbein an Glanz,
An Duft den Rosen gleich, mit heißem Mund zu küssen.

17.
O du, mit größerm Reitz als Irdische geschmückt,
So rufet er, du gleich Cytheren, gleich Athenen,
Beglückt sind sie, die dich erzeuget, hochbeglückt!
O wolltest du doch meine Wünsche krönen!
Unwiderstehlich reißt mich Liebe zu dir hin.
Erbarme dich des Zärtlichen, erhöre
Sein Bitten, fliehe nicht die Freuden der Cythere,
Du kannst, du darfst es nicht, als ihre Priesterinn.

18.
An dem Altar der Liebenden zu dienen
Ziemt einer Jungfrau nicht; sie kann sich nimmer freun
Ob einer Jungfrau Dienst; o dürft ich mich erkühnen,
Zu ihren Orgien dich einzuweihn!
Die, willst dus wissen, die bestehen in den Freuden
Des hochzeitlichen Betts; selbst deine Priesterpflicht
Verstattet dir in Zukunft nicht,
Die Herzenschmelzerinn, die Liebe, zu vermeiden.

19.
Drum nimm mich zum Gemahl, nimm mich zum Diener nur;
Ich bin ja deine Beut', erjagt mit Amors Pfeilen.
So hieß vor dem der Gott mit goldnem Stab, Mercur
Alciden zu dem Dienst der Tochter Jardans eilen;
Doch mich schickt Venus dir, nicht Hermes; flieh, o flieh
Der Göttinn Zorn, durch den bestrafet Atalante
Bald heftig in Milanion entbrannte,
Den sie erst stolz verschmäht; flieh ihn und fürchte sie.

20.
So lenkt mit Lieb' erregenden Gesprächen
Leander Hero's Sinn, so sehr sie widerstrebt;
Sie wagt nicht, ihn zu unterbrechen,
Berührt den Boden kaum mit leichtem Fuße, bebt,
Verbirgt die rothe Wang' und schweiget: doch wer hätte
Dieß Schweigen nicht verstanden? deutlich zeigt
Des Herzens leisen Wunsch ein Mädchen, wenn es schweigt;
Ihr Schweigen selber ruft den Jüngling in ihr Bette.

21.
Nun fühlet Hero ganz die bittre Süßigkeit
Der Liebe, staunet hoch erfreut
Des Jünglings Schönheit an und senkt nun wieder
Ihr Augenpaar verschämt zum Boden nieder.
Indeß betrachtet er mit Amors süßer Wuth
Der Jungfrau zarten Hals: fest kleben seine Blicke,
Nie satt, daran; sie schweigt, doch endlich kehret Muth
Und Stimm' in ihre Brust zurücke.

22.
Sanft sagt sie ihm, und während daß sie spricht,
Träuft Scham ein Purpurroth ihr auf das Angesicht,
O Jüngling, deß Gespräch auch selber Steine rührte,
Wer wies dir jeden Gang der schlauen Redekunst?
Wer wars, der dich, weh mir! in unsre Mauern führte?
Du strebst umsonst nach meiner Gunst;
Nie würden Hero's Aeltern einen Gatten,
Der fremd und unstät ist, zu wählen ihr verstatten.

23.
Auch irrest du, dafern du ja gehofft,
Als Gast in Sestus zu verweilen
Und in geheim mein keusches Bett zu theilen,
Spitz ist der Menschen Zung' und liebt Verleumdung, oft
Hört man erstaunt auf allen Gassen,
Was man im Stillen that; doch, Jüngling, unbekannt
Ist mir dein Nahme noch, ist mir dein Vaterland;
Willst du mich die nicht wissen lassen?

24.
Mein Nahme, so wie du, wie jeder Fremdling weiß,
Ist Hero; meiner Aeltern streng Geheiß
Gab einen hohen Thurm mir außer Sestus Mauern
Am Meer zur Wohnung; dort, mit einer Magd allein,
Muß ich von den Gespielen, von den Reihn
Der muntern Jugend fern, des Alters Lenz vertrauern;
Denn Tag und Nacht umrauschet meinen Thurm
Die Meereswog', umsauset ihn der Sturm.

25.
So sagt sie, schämt sich wieder, hüllt
Die purpurfarbne Wang' in das Gewand und schilt
Sich selbst ob dem Gespräch; Leander aber sinnet,
Wie er den süßen Kampf der Liebe kämpfen kann;
Denn Amor ist verschmitzt, er heilet auch den Mann,
Den er verwundet hat; weß Herrschaft er gewinnet,
(Und welches Herz ist nicht des Listigen Gewinn?)
Dem gibt er klugen Rath und Weisheit in den Sinn.

26.
Leander, welcher auch durch ihn sich weiser fühlte,
Antwortet schlau: Geliebteste, zu dir
Eilt' ich durchs Meer, wenns auch ein Sturm durchwühlte,
Wenns auch von Feuer sötte; was ist mir,
Der hineilt, daß er Hero's Gürtel löse,
Des Sturmes Heulen und des Meers Getöse?
Ja von Abydus aus, wo ich zu seyn begonnt,
Durchschwimm' ich in der Nacht den wilden Hellespont.

27.
Nur halte von dem Thurm ins Meer mir eine Leuchte,
Mit diesem Leitstern steur' ich durch die feuchte,
Nachtvolle Bahn, ein Schiff der Liebe, fort
Und morgens wiederum nach meiner Heimath Port.
Mag Arctos auch, die nie ins Meer sich tauchet,
Mag mir Orion drohn, Bootes untergehn;
Nur, Theure, daß kein Wind in deine Fackel hauchet!
Wenn dieser Führer fischt, so ist um mich geschehn.

28.
Noch wisse dieß: Leander nenn' ich mich,
Der schön gekränzten Hero Gatten.
Mit Recht nannt' er sich so; denn sie verbanden sich,
Zu küssen Hymens Kuß, wenn wieder sich die Schatten
Vom Himmel senkten; sie verspricht, das Meer
Zu hellen, durchzuschwimmen schwöret er;
Sie fühlen schlaflos schon den Vorschmack süßer Freuden,
Doch ach! der Morgen kommt und zwinget sie zu scheiden.

29.
Sie schleicht nach ihrem Thurm, er aber schifft zurück,
Doch als ein Merkmahl legt er Stein' an das Gestade,
Daß sie in dunkler Nacht zum Thurme seine Pfade
Hinleiten: beyde sehn mit sehnsuchtsvollem Blick
Der Nacht entgegen, die das süße
Geschwätz der Liebe berg', und Hymenäens Küsse;
Sie kommt auch mit dem schwarz verschleyerten Gesicht;
Bringt allen Menschen Schlaf, nur dem Leander nicht.

30.
Der stand schon, seit der Abend graute,
Am hallendem Gestad' und schaut' und schaute,
Ob nicht die Fackel ihm der Liebe Botschaft bringt.
Auch, wie die Schatten dichter werden, schwingt
Sein Mädchen sie empor: mit ihr zur Wette brannte
Des Jünglings Herz, durch das nun doch ein Schauer fährt,
Wie er die Woge laut aufrauschen hört,
Bis daß er endlich sich mit diesem Trost ermannte:

31.
Zwar grausam ist das Meer, doch grimmer ist die Liebe,
Denn die ist Feuer, jenes Wasser nur.
Schwor ich nicht einen heilgen Schwur?
Winkt mir nicht Hero? und ich bliebe?
Ha Wellen, raset fort! du flammst auch fort, mein Herz!
Was fürcht' ich? von der See geboren ist Cythere?
Und so wie über Liebesschmerz,
So waltet sie auch über Meere.

32.
Sprachs, riß mit beyden Händen das Gewand
Vom schön gebauten Leibe, band
Es überm Haupte fest und warf sich in die Wellen,
Die sich von Hero's Fackel hellen.
Hier, selber Ruderer und Schiff und Steuermann,
Schwimmt er der Leuchte nach, die sie entgegen strecket
Und vor feindselgem Wind oft mit dem Kleide decket,
Auch kommt er endlich matt im Golf von Sestus an.

33.
Sie führt ihn in den Thurm, umfaßt schon an der Thür
Den Keichenden, dem noch von Meerestropfen
Die Locken träufeln, läßt ihr Herz an seinem klopfen
Und öffnet ihm die Hochzeitkammer, hier
Wäscht, trocknet, salbt sie ihn mit Oehl, gepreßt aus Rosen,
Nimmt in ihr Bett, das sie von Fellen hoch erbaut,
Den Keichenden, schmiegt dann vertraut
An ihn sich an und spricht mit süßem Kosen:

34.
Schwer, o mein Bräutigam, ists dir geworden schwer,
Wie keinem Bräutigam: komm, laß in diesen Armen
Den lästigen Geruch vom fischevollen Meer
Verduften, laß den starren Leib erwarmen.
Sie sagts, indem sie sich den Gürtel rauben läßt;
Nun lehret er sie schnell der holden Aphrodite
Geheimniß, ohne daß bey ihrem Hochzeitfest
Ein Dichter Jugen rief, die Fackel Flammen sprühte. | Juga=Juno

35.
Kein Tänzer schwebete durch muntre Reihn:
Kein Hymenäus scholl von froher Aeltern Munde;
Das ernste Schweigen hat allein
Den neu Vermählten in der Liebesstunde
Gebettet, Finsterniß und Nacht die Braut geschmückt,
Aurora nie bey ihr den Bräutigam erblickt.
Der schwamm schon früh zurück mit küsseheißen Wangen
Und nie gesättigtem Verlangen.

36.
So denn bey Tage Jungfrau, Weib bey Nacht,
O Hero, täuschest du das Paar, das dich gezeuget,
Und weil der Liebe Glück dir nur im Dunkel lacht,
Klagst du den Tag oft an, der sich zu langsam neiget.
Doch selber dieses Glück, so theur gekauft es war
Und so verstohlen, hat das arme Paar
Nur eine kurze Zeit genossen;
Denn vom Verhängniß ward sein früher Tod beschlossen.

37.
Der Winter kommt, der Wirbelwinde Schaar
Erregt das Meer vom Grund auf, bange fliehet
Das Schiffervolk die dräuende Gefahr,
Indems auf trocknen Sand die wunden Schiffe ziehet.
Leander aber stürzt mit allzu kühnem Muth,
So bald verrätherisch ihm von dem hohen Turme
Die Hochzeitfackel winkt, dem Sturme
Hohn sprechend, in die wilde Fluth.

38.
Unglücklich Mädchen, misse deinen Lieben
Den Winter durch! o zeige nicht
Ein allzu bald verlöschend Licht!
Umsonst! sie zeigts, sie zeigts, getrieben
Von Lieb' und Schicksal, weh dir, weh!
Der Parzen Fackel ists, was deine Hand erhoben,
Nicht Amors Fackel! sieh! die Winterstürme toben
An das Gestad', und Nacht bedeckt die See.

39.
Auf ihrem lauten Rücken schwebt Leander
Voll süßer Hoffnungen, doch das Gewässer schwillt,
Schwillt himmelan, wälzt ihn von Wog' auf Wog', es brüllt
Der Winde grimme Schaar, sie rücken auf einander
Laut heulend zu dem furchtbarn Streit.
Vom Weste wird der Ost, vom Nord der Süd bedräut:
Leander, eingedreht in fürchterliche Kreise,
Fleht den Unsterblichen: o schirmet meine Reise!

40.
Zur seegebornen Venus bethet er;
Er bethet zum Neptun, dem Herrscher auf dem Meer,
Beschwöret Boreas bey Orythyjens Küssen:
Vergebens! Amor hat den Parzen weichen müssen.
Von allen Seiten stürmts, des Jünglings Stärck' erschlafft,
Schon sinkt matt Hand und Fuß, schon wird er fortgerafft,
Schon läuft verderblich ihm viel Wassers in die Kehle,
Die Fackel lischt, mit ihr Leanders Lieb' und Seele.

41.
Doch Hero schlaflos blickt stets auf des Meeres Rücken;
In ihrer Seel' auch stürmts; sie kann ihn nicht erblicken,
Obgleich das Morgenroth die Gegend schon erhellt:
Doch itzt, itzt sieht sie ihn am Fuß des Thurms zerschellt
Und todt, sie siehts, zerreißet die Gewänder
Und ihre Brust und wirft vom hohen Thurmgeländer
Sich mit Geräusch herab auf ihren todten Freund:
So starb das arme Paar im Tode noch vereint.

Aus: Johann von Alxinger's sämmtliche Werke
Siebenter Band: Gedichte Erster Theil
Wien Im Verlage der Franz Haasischen Buchhandlung 1812 (S. 33-55)
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Karl Ludwig Kannegießer (1781-1861)

Hero

Europa's Hero, Asiens Leandern
Sing' ich, samt Liebesleid und Liebeslust.
Den Hellespont weiß, seiner Kraft bewußt,
Zu ihr Leander schwimmend zu durchwandern;

Doch er erliegt im Sturm des Meers Mäandern.
Sie sieht den Leichnam, trägt nicht den Verlust,
Stürzt in die Flut an seine kalte Brust:
Vereint ist wieder Eines mit dem Andern.

Mit wilderer als süßer Liebesglut
Dann nach Europa voll Erobrungswut
Stürmt Attila, jedoch auch um zu sterben. -

Mag Asia doch um Europa werben!
Nur bleibe mit barbarischem Ergusse
Uns fern der Asiat, so Hunn' als Russe!

Aus: Frauenlob Sonette von
Karl Ludwig Kannegießer
Berlin 1853
Verlag von Constantin Breuer Unter den Linden 13 (S. 29)
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