Liebessonette ausländischer Dichter und Dichterinnen
(in deutscher Übersetzung)

 



Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)





 




Luis de Gongora y Argote (1561-1627)

(In der Übersetzung von Friedrich Wilhelm Hoffmann)



Sonett

Den süssen Mund, Dir winkend, Dich zu laben
Am Thau, erzeuget zwischen Perlenschnüren,
Und nicht nach jenem Nectarsaft zu gieren,
Dem Zeus credenzet vom Jdäerknaben:

Flieh ihn, Du Liebender, wenn Leben haben
Du willst! Denn wo die Lippen sich berühren,
Der Schlange gleich, in Blumen nicht zu spüren,
Da lauert Amor mit den gift'gen Gaben.

Lass ja Dich täuschen von den Rosen nimmer,
Die, thaubeglänzt und duftig, wie Dich dünket,
Aurora's Purpurschoosse sind entfallen!

Nicht Rosen - Tantal's Aepfel sind es, immer
Den fliehend, welchem eben sie gewinket,
Und Amor's Gift nur bleibt zurück von allen.
(S. 377)
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Sonett

Das Schiff, verletzt vom rauhen Felsgesteine,
Berührt nicht reuiger den sichern Strand,
Nicht schwirret aus dem Netz, das aufgespannt,
Der Vogel ängstlicher zum dichten Haine:

Die schöne Nymphe zieht hinweg das kleine
Bedrohte Füsschen, schreckenübermannt,
Nicht rascher von der Au, sobald erkannt
Im hohen Grase sie der Nattern eine:

Als, Amor! vor der Zorneslaune Toben,
Dem schönen Angesicht, den blonden Haaren
Der Feindinn, die vergebens ich erhoben,

Ich, fliehend, mich dem leichten Fuss vertraue.
Leb, Spröde, wohl! und wohl mögt ihr auch fahren
Du rauher Felsstein, Goldnetz, Blütenaue!
(S. 378)
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Sonett

Aurora'n kam, der Schönen, nachgegangen
Der goldne Phöbus aus des Ostens Thoren;
Bekränzt war ihre Rosenstirn von Flore'n,
Und um die seine Glutenstrahlen prangen.

In blauer Luft, auf grüner Aue sangen
Die zarten Vöglein, als der Tag geboren,
Wie Lust sie eingab oder Gram erkoren,
In frohen Tönen hier und dort in bangen.

Doch als dahergeschritten Leonora,
Die Steinen Seele, Körper gäbe Winden,
Und ihrer Zauberstimme Klang erwachte:

Hört' ich nicht Vogel mehr, sah nicht Aurora;
Entweder, weil ihr Annahn Alles schwinden,
Oder mich taub und blind - was sichrer - machte.
(S. 379)
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Übersetzt von Friedrich Wilhelm Hoffmann (1785-1869)

Aus: Blüthen spanischer Poesie
Metrisch übertragen von Friedrich Wilhelm Hoffmann
Dritte, stark vermehrte Auflage
Magdeburg und Leipzig
Verlag der Gebrüder Baensch 1857


 

 

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