Liebessonette ausländischer Dichter und Dichterinnen
(in deutscher Übersetzung)

 



Neroccio de'Landi (1445-1500)
Porträt einer Dame (1480)





 




Michelangelo Buonarroti (1475-1564)

(In der Übersetzung von Sophie Hasenclever)


Sonette


7.
An Luigi del Riccio (1544)
Die Liebe birgt, ein Schleier, alle Wunden,
Die man dem Leben und der Ehre schlug,
Ihr Trost ist Süssigkeit für uns genug,
So dass wir kaum mehr wünschen zu gesunden.

Doch wenn uns heimlich dann in spätern Stunden
Die Hand ein Netz gestellt, die erst zum Flug
Uns Schwingen lieh', löscht sich'rer nur der Trug
Die Liebe aus, je tiefer wir empfunden.

Treu bleibe mir der ersten Gnade Licht,
Die mich vom Tod gerettet; lass den Strahl,
Luigi, nicht vergeh'n, wenn Stürme toben!

Gerechter Zorn besiegt des Dankes Pflicht,
Und irr' ich nicht, wird auch nicht eine Qual,
Durch tausend Freuden wieder aufgehoben.
(S. 163)
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12.
An Vittoria Colonna
O sel'ger Geist, du dessen starker Wille
Mein Herz belebt, das nah' dem Tode war,
Der mich erwählt aus aller Edlen Schaar,
Der um mich sorgt in seines Daseins Fülle,

Erscheine mir zum Trost, mein Leiden stille,
Wie einst dem Blick, erschein' der Seele klar.
Die Hoffnung bringe, dass des Grames baar,
Bald Schmerz nicht mehr, nur Sehnsucht mich erfülle!

Da du bei dir mein Anwalt bist, (o Liebe,
O Huld, die mein noch denkt im Sorgendrange),
So huld'ge für die Huld ich dir ohn' Ende.

Ach welch' ein Wucher, schenkt' ich, schlau wie Diebe,
Dir schlechte Bilder, dass ich dann empfange,
Gestalten von dir wahr und schön als Spende!
(S. 173)
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13.
An Dieselbe
Mich wen'ger unwerth machen deiner Güte,
War meines schwachen Geistes heiss Verlangen;
Wie gern wär' ich entgegen dir gegangen
Auf halbem Weg, sieh wie ich mich bemühte!

Doch ach das Ziel, für das mein Herz erglühte,
Aus eigner Kraft werd' ich es nie erlangen;
Vergieb mir denn mein kühnes Unterfangen,
Durch Irren wird nun weiser mein Gemüthe.

Wer kann mit deiner Gnade je vergleichen,
Die auf uns niederträuft wie Gottes Segen,
Ein schwaches Werk, das ich geschaffen habe.

O sieh: Verstand, Gedächtniss, Kunst erbleichen;
Nie zahlt aus eignem Geist man und Vermögen
Mit tausend Spenden Eine Himmelsgabe.
(S. 175)
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14.
An dieselbe (1550)
Wenn wahre Kunst, mit Zügen und Geberden
Des Menschen Bild erfasst und aufgenommen,
Dann formt sie bald, vom Schöpfungstrieb entglommen
Als Erstgeburt ein schlicht Modell aus Erden.

Doch erst im Stein wird wahr nach viel Beschwerden,
Was uns der Hammer einst verhiess; vollkommen
Erscheint das Bild, die feinsten Züge kommen;
Unsterblichkeit giebt erst das zweite Werden.

Auch ich, als mein Modell ward ich geboren,
Und wie der Stein vom Meissel, hoff' ich täglich
Vollendung mir durch deine heil'gen Hände.

Doch willst du füll'n die Lücken, willst mich Thoren
Von Unform läutern, ach dann muss unsäglich
Ich dulden, eh' gedämpft des Herzens Brände.
(S. 177)
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17.
Wie kann es sein, was doch Erfahrung kündet,
Dass ein lebendig Bild aus Stein gemacht
Den Meister überlebt, der es erdacht!
Das Bild besteht, wenn er zu Asche schwindet.

Sieh, wie das Bild den Bildner überwindet!
Es weichet die Natur der Kunst an Macht;
Mich lehrt's die Bildnerei, was sie vollbracht,
Nicht Zeit und Tod zerstören es verbündet.

So könnt' im Stein ich oder auch in Farben
Uns langes Dasein leih'n, dass unser Wesen
Und unser Antlitz treu bewahret bliebe;

Dann sieht man tausend Jahr, nachdem wir starben,
Wie schön du warst, wie traurig ich gewesen,
Doch thöricht nicht, dass ich dich maasslos liebe.
(S. 183)
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19.
Ich bin jetzt vor mir selbst an Werth gestiegen,
Bin lieber mir, seit dich mein Herze hegt;
So wird erst auf den Stein ein Werth gelegt,
Wenn ihn der Künstler formt' mit edlen Zügen.

Und wie der Blick am Blatt sich mag vergnügen
Mit Schrift und Bild geziert, nach dem nicht frägt,
Das leer und kalt, so kann erst, seit geprägt
In meinen Geist dein Bild, ich mir genügen.

Als wären Zauber, wären Waffen mein,
So zieh' ich, ohne dass Gefahr mich trifft,
Mit solchen Schutzbrief aus nach allen Winden;

Stark gegen Feu'r und Wasser werd' ich sein,
Mit meinem Hauche tilg' ich jedes Gift,
Und mache sehend durch dein Bild die Blinden.
(S. 187)
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20.
Auf goldnem Haar wie glänzet vor Entzücken
Der Blumenkranz, wie dränget sehnsuchtsreich
Die Blüthe sich der Blüthe vor am Zweig,
Den ersten Kuss auf deine Stirn zu drücken.

Die Brust umschliessend freut sich dich zu schmücken
Dein wallend Kleid und deine Locke weich,
Die dem Gewebe goldner Fäden gleich,
Will nimmermüd' dir Wang' und Hals umstricken.

Doch gröss're Lust noch dieses Band geniesst
Mit goldner Spitze, das am Mieder presst
Die holde Brust, dir darf am Busen ruhen.

Der Gürtel schön verknüpft, der dich umschliesst,
Mich dünkt, er spricht: hier halt' ich ewig fest!
Was würden da erst meine Arme thuen?
(S. 189)
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21.
Für And're gütig, nur sich selber hassend,
So lebt ein niedres Thier; mit sanftem Leide
Giebt sterbend es sein Kleid, dass es uns kleide,
Und adelt sich, so schön sein Leben lassend.

Gern liess die todte Hülle ich erblassend,
Für die lebend'ge dir, den Leib, zum Kleide,
Denn wie die Schlange ihre bunte Scheide
Streif' ab ich mein Gewand, die Welt verlassend.

Ach wäre mein nur jenes dichte Vliess,
Aus dem das Kleid gewebt, das dich umwallt,
So blieb' ich bei dir bis zum Tagesschlusse!

Selbst dir als Schuh zu dienen, o wie süss!
Denn Basis wär' ich, Säule der Gestalt,
Und mindestens dir nah im Regengusse.
(S. 191)
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22.
Wenn man die Seele kann im Antlitz schauen
Hast du von meiner Liebe sich're Kunde!
O lass sie dir genügen, dass zur Stunde
Du dich erbarmst, du edelste der Frauen!

Von keuscher Gluth gerührt, mit mehr Vertrauen
Als ich erhofft, magst du zum Liebesbunde
Mir dann vielleicht dich nah'n. Wer aus dem Grunde
Des Herzens bittet, dem wird Gnade thauen.

O sel'ger Tag, der dieser Hoffnung Schimmer
Mir einst erfüllt! Dann haltet ein Ihr Zeiten,
Auf altem Pfade stehe stille, Sonne,

Dass ich, obgleich nicht werth der Huld, dir immer
Die sel'gen Arme darf entgegenbreiten,
Dich Süsse zu umfah'n in ew'ger Wonne.
(S. 193)
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23.
Dir können nah' und fern auf allen Wegen
Die Augen folgen, wo dein Antlitz tagt,
Die Füsse nicht; sie tragen unverzagt
Nur selten Arm' und Hände dir entgegen.

Der Geist, bestimmt sich fessellos zu regen,
Hat stets durch's Auge hohen Flug gewagt,
Doch ach, wie auch die Liebe fleht, versagt
Ist unserm Leib des gleichen Vorrechts Segen.

Nicht folgt, wer Flügel noch entbehrt, zur Höhe
Dem Fluge eines Engels; von der Erde
Folgt nur der Blick ihm, nur das Aug' ist fröhlich.

Hast Macht im Himmel du wie hier, so flehe,
Dass ganz zum Auge dieser Körper werde,
Und Nichts in mir, dass nicht im Schauen selig.
(S. 195)
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24.
Du edler Geist, in dessen keuscher Hülle
Natur und Himmel spiegeln ihre Macht
Und zeigen, was im Menschen sie vollbracht,
Besiegend jedes Werk an Schönheitsfülle!

O holder Geist, in deines Herzens Stille
Wohnt Mitleid, wohnt was dir im Antlitz lacht,
Die Liebe auch; nie eint der Schönheit Pracht
Sich Treue wie bei dir und edler Wille.

Mich fing die Liebe, und die Schönheit hält
In Banden mich, doch Rettung aus der Noth
Mit süssem Blick dein Mitleid mir verspricht.

O welch Gesetz zum Jammer dieser Welt,
O welche Grausamkeit verwehrt dem Tod,
Zu schonen solch ein liebliches Gesicht!
(S. 197)
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25.
"Sprich Amor, ist es Wahrheit, ist's ein Wähnen,
Dass Götterpracht der Herrin Antlitz schmückt,
Vielleicht hat mich ein inn'res Bild entzückt
Vielleicht sah ich ein Ideal des Schönen?"

"Du weisst es, denn du kamst mit ihr; mein Sehnen
Entfachst nur du, nur du hast mich berückt;
Doch fleh ich, trotz der Qual, die mich bedrückt,
Nicht mindre diese Flammen, diese Thränen!"

""Die Schönheit, die du siehst, entstammt der Erde,
Doch wächst ihr Glanz, steigt sie zu höhern Sphären;
Durch deine Augen tritt sie in die Seele;""

""Und diese, dass gleich ihr unsterblich werde
Die Schönheit, nimmt sie auf, sie zu verklären;
So laut're Schönheit siehst du, ohne Fehle!""
(S. 199)
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26.
Wie grosser Schmerz, wird tödtlich grosse Freude!
So bringt der Gnade jäher Ruf dem Diebe,
Der starr und kalt den Nacken beugt dem Hiebe
So schnell den Tod, als wie des Schwertes Schneide.

O Lust, o Schmerz, Ihr droht dem Leben Beide!
Auch ich, der wähnte, dass kein Trost mir bliebe,
Empfand, als plötzlich mich beglückt die Liebe,
Dass leichter tödtlich Lust uns wird als Leide.

Was neu, ob herb, ob süss, bringt rasch enthüllt,
Durch Gegensatz den Tod; des Busens Haft
Zersprengt die Lust, Gram schnürt das Herz zusammen.

Drum willst du, dass ich lebe, dämpfe mild
Dies Glück, für das es mir gebricht an Kraft!
Mein Geist vergeht in solchen Freudenflammen!
(S. 201)
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27.
Kein Bild, sei es entstammt aus höhern Sphären,
Sei es ein irdisch Wesen, schafft mein Geist,
Das deinem Zauberkreise mich entreisst,
Mir Waffen leiht, um deinem Reiz zu wehren.

Denn dein beraubt fühl' ich den Gram sich mehren,
Mein Geist sinkt hin, dem du die Kraft verleihst,
So nimmt nicht ab, wenn du mich von dir weis'st
Die Qual, ach nein, sie wird mich ganz verzehren.

Nicht kann zur Rettung rasche Flucht mir taugen,
Die Feindin Schönheit folgt mit schnellen Füssen,
Dem Raschen ist der Schwache nie entronnen,

Doch Amor trocknet lächelnd mir die Augen,
Verspricht mir jedes Leiden zu versüssen,
Denn niedrig ist kein Preis, so schwer gewonnen.
(S. 203)
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28.
Im Herzen nicht ist meiner Liebe Leben;
Das Herz, das irdisch, sterblich ist, enthält
Die ew'ge Liebe nicht, sie lebt gesellt
Dem Wahn, der Sünde nicht, von Schuld umgeben.

Mir hat die Liebe klaren Blick gegeben,
Die Schönheit dir beim Eintritt in die Welt,
So dass ich selbst in dem, was einst zerfällt,
In deinem Reiz erkenn' der Gottheit Weben!

Vom ewig Schönen trennt in mir sich nimmer
Die Liebe, wie die Wärme nie vom Feuer;
Was ihm entstammt und gleicht, das möcht' ich schauen!

Du trägst in deiner Augen sel'gem Schimmer
Das Paradies, wo du zuerst mir theuer,
Und seine Pforten sind mir deine Brauen!
(S. 205)
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29.
Zuerst, als meine Augen an dir hingen,
Da wähnt' ich stark mich, festen Blick's zu schauen
Der Schönheit Glanz; so blickt der Aar im Blauen
Die Sonne an; mir sollt' es nie gelingen!

Wer Engeln sucht zu folgen ohne Schwingen,
Gleicht jenem, der die Saat dem Stein, dem rauhen,
Und seine Worte mag dem Wind vertrauen,
Mit Menschenwitz will Gottes Geist durchdringen.

Ach duldet mich in ihrer Sonnennähe
Die Schönheit nicht, ertrag' ich nicht die Blitze,
Und ist doch, fern von ihr, mir Trost verwehret,

Was wird alsdann mit mir? wo find' ich, wehe,
Den Führer und den Helfer, der mich schütze,
Da Gluth ihr nah, ihr fern mich Schmerz verzehret?
(S. 207)
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30.
Mit deinen Augen seh' ein Licht ich tagen,
Das meine blinden Augen nie erblicken,
Mit deinen Füssen trägt die Last mein Rücken,
Die ich mit meinen lahmen nie getragen.

Mit deinen Schwingen kann ich Flügel schlagen,
Mit deinem Geist kann ich zum Himmel blicken,
Du färbst mich weiss vor Schmerz, roth vor Entzücken,
Machst heiss im Frost mich, kalt in Sommertagen.

Dein Wille, hohe Frau, ist auch der meine,
Aus deinem Herzen sprosset mein Empfinden,
Aus deinem Geiste meine Worte stammen.

Dem Monde gleich' ich, arm an eignem Scheine,
Den uns're Augen nie am Himmel finden,
Strahlt Sonne ihn nicht an mit ihren Flammen.
(S. 209)
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32.
Wenn in zwei Liebenden des Schicksal's Walten,
Wenn keusche Lieb' sich gleich und Frömmigkeit,
Wenn Einer weinet bei des Andern Leid,
Ein Will' und Geist in beiden Herzen schalten,

Wenn eine Seele lebt in zwei Gestalten,
Verklärt in Beiden, sie zu gleicher Zeit
Mit einem Flügel trägt zur Seligkeit,
Ein goldner Pfeil zwei Busen hat gespalten;

Wenn Beide für einander liebend brennen,
Doch keiner selbst sich liebt, wenn Jeder täglich
Zum höchsten Ziel den Andern will begeistern,

Und wenn dies schwacher Abglanz nur zu nennen
Von unsrer Liebe, sag' mir, ist's dann möglich,
Dass Groll das Band löst zwischen solchen Geistern?
(S. 213)
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33.
Auf dass in mild'rem Wesen hier verbleibe,
Als meine Herrin, ihrer Reize Zier,
So fleh' ich: nimm, Natur, sie wieder dir,
Wenn sie die Zeit entreisst dem schönen Leibe.

Aus diesen Reizen bild' dem hehren Weibe
Ein himmlisch Wesen nach, und für und für
Sei Liebe nun bemüht, zu formen ihr
Ein Herz, das sie zu Huld und Mitleid treibe.

Ach! sammle meine Seufzer auch und Thränen,
Und gieb sie Jenem, der in künft'gen Tagen
Bestimmt, der Theuren Ebenbild zu lieben;

Vielleicht rührt einst das Herz er seiner Schönen
Mit meinem eignen Gram, mit meinen Klagen,
Dann strahlt ihm Huld, die mir versagt geblieben.
(S. 215)
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36.
O könntest du in meinem Innern lesen,
Wie himmlisch Sehnen läutert alle Triebe,
Du strenge Herrscherin im Haus der Liebe,
Du würdest mich vielleicht vom Gram erlösen;

Doch da zur Ewigkeit der Geist erlesen,
Der Leib zum Tod, wie soll der Sinn, der trübe,
Wie soll der Leib den Geist durchschaun, wie bliebe
Kein Räthsel ihm des Geistes tiefstes Wesen?

So wird mir nie mein keusches Sehnen frommen,
Das heimlich glüht; es seh'n ja nur mit Klarheit
Was sinnlich ist, die Sinne, leicht betrogen;

Mir ist der Herrin Gnadenlicht genommen,
Die falschem Schein vertraut; doch sieh', wer Wahrheit
Nicht glauben will, der hat sich auch belogen.
(S. 221)
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37.
O wie bezahlt der Mensch wohl eine Gabe,
So gross als Rettung aus des Todes Händen?
Nicht löst der Schuldner sich mit tausend Spenden,
Und böt' er zum Ersatz die ganze Habe.

Doch könnt' er auch vergelten, welche Labe,
Welch' Glück würd' er dem Geber dann entwenden,
Das höchste: frei die Gnaden auszuspenden;
So bleib' ich gern dein Schuldner bis zum Grabe.

Ja lieber mag mich denn mein Undank drücken,
Als dass zum Wohlthun fordre gleiche Rechte
Dies Herz, bereit dich dienend zu erhöhen.

Und könnt ich dich so wie du mich beglücken,
Wärst du dann Herrin noch, passt' ich zum Knechte?
Bei gleicher Macht kann Herrschaft nicht bestehen.
(S. 223)
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38.
Den Augen gebt zurück, o Fluss, o Quelle,
Das Wasser nicht entsprungen Euren Bronnen,
Die Thränen, die in Eure Fluth verronnen,
Zu wilder Höhe trieben Eure Welle!

Du trübe Luft, die mir das Licht, das helle,
In Nebel hüllt, verdunkelnd meine Wonnen,
Gieb wieder, um die Blicke neu zu sonnen,
Die Seufzer mir, dass es kein Dunst entstelle!

Die Schritte, Erde, gieb zurück den Füssen,
Es sprosse neu das Gras auf meinem Wege;
Gieb, Echo, heut zurück mir Klag' und Stöhnen,

Gebt meinem Aug', Ihr Sterne, o Ihr süssen,
Die Blicke wieder, dass ich lieben möge
Ein andres Weib, da Euch verhasst mein Sehnen.
(S. 225)
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39.
Es trauert die Vernunft, dass liebentglommen,
Auf Glück ich rechne, mahnt an Schmerz und Schande,
Bis ich erröthe über solche Bande;
Was kann dir, fragt sie, deine Liebe frommen?

Von deiner Sonne wird nur Tod dir kommen,
Und nicht des Phönix Tod! - Umsonst, dem Brande
Wehrt Niemand! Hat je an des Abgrunds Rande,
Wer fallen will, des Retters Hand genommen?

Ich seh' mein Elend, hör' der Wahrheit Bitte,
Doch wohnt ein Feind im Busen mir, der schlimmer
Mich nur versehrt, je williger ich leide.

Du Herrin stehst in zweier Tode Mitte,
Den einen fürcht' ich und begreife nimmer
Den andern; so stirbt Seel' und Leib durch beide.
(S. 227)
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40.
Was ist es, das die Seele mir entzündet?
Ahn' ich der Gottheit Glanz, die Strahlen krönen,
Sah ich auf Erden je ein Bild des Schönen,
Das meine Seele zitternd nachempfindet?

Blieb mir ein Himmelsstrahl, der nie erblindet,
Von jener Seligkeit, nach der mit Thränen
Sich die verbannten Menschenherzen sehnen,
Die niemals ganz aus dem Gedächtniss schwindet?

Das was ich fühl' und schau', das was mich leitet,
Ist nicht in mir noch weiss ich wo es finden!
Zeig' Du es mir, denn seit ich Dich erschaue

Fühl ich, wie sich in meinem Busen streitet
Ein Ja und Nein, ein bittersüss Empfinden;
Gewiss Dein Auge ist es, holde Fraue!
(S. 229)
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46.
Wird schon ein junges Herz von kleiner Gluth,
Die offen flammt, verzehrt, was wird dem Herzen,
Das oft geglüht und heimlich trägt die Schmerzen,
Gescheh'n von nie gestillter Flammen Wuth?

Schon zahlte meine Kraft der Zeit Tribut;
Aus der Lebend'gen Schaar mich auszumerzen
Naht schon der Tod, da hat mit wildem Scherzen
Die Gluth entzündet Amor's Uebermuth!

Staub bin ich bald, grausam vom Sturm entrafft,
Der dennoch mild, dem Wurm den Leib entreisst;
Da mäss'ge Flamme so mein Herz verbrannt,

Als ich dem grünen Holz noch glich an Kraft,
Wie hoff' ich, dürrem gleich, dass jetzt mein Geist
Den Leib mir friste in dem jähen Brand.
(S. 241)
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47.
O käm' der Schönheit deiner Augensterne
Das Feuer gleich, das sie ringsum entzünden,
Dann flammte wohl die Welt aus Feuerschlünden,
Es schmölzen selbst des Poles eis'ge Kerne.

Doch hat der güt'ge Himmel, der sich gerne
Erbarmt des Schwachen, dass wir nicht erblinden,
Die Augen uns umflort und wir empfinden
Den Glanz nur wie ein Licht in weiter Ferne.

Nie wird wie's deinem Reiz gebührt entbrennen
Der Liebe Gluth; nur Stückwerk schaun wir Thoren,
Des Ew'gen, lieben Das nur, was wir sehen.

Mich auch bewahrt mein mangelhaft Erkennen,
Die Schwäche nur, dem Menschen angeboren,
Für dich im Flammentode zu vergehen.
(S. 243)
_____


48.
Wird Huld mir mehr als sonst die Liebe zollet,
Weil längre Prüfung ich ertrug als Viele,
So wein' ich doch, dass erst am Lebensziele
Ihr Liebeswonnen mir erblühen wollet!

Der Himmel, denkt er wirklich unser, grollet,
Dass wir erglüh'n zur Zeit der Winterkühle,
Und ich zähl' meine Jahre nach und fühle,
Wie rasch dem Alter Zeit und Glück entrollet!

Ziemt Lieb' uns nur in unsres Lebens Fülle,
Und glüh' ich dennoch in den letzten Stunden,
Da schon die Sonne ist im Untergehen,

Die Welt sich taucht in kalter Nebel Hülle,
Dann, Herrin, hast die Zeit du überwunden
Und führst zurück mich auf des Lebens Höhen!
(S. 245)
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49.
Ich tauschte kurzen Frieden ein für langen,
Ein Schmerzenslächeln ach für süsse Zähren,
Doch wo die Wahrheit schweigt mit ihren Lehren,
Gibt sich Vernunft der Sinnlichkeit gefangen.

Ist schuld mein Herz, dein Antlitz schuld am Bangen,
Am Gram, den umso zärtlicher wir nähren
Je mehr er wächst, ist schuld der Glanz der Sphären,
Den du in deinen Augen aufgefangen?

Unsterblich ist ja deiner Schönheit Wesen;
So göttlich wurde sie für uns geschaffen,
Dass mir ein Trost das Leid versüsst, das herbe:

Ich kann nicht anders sein, als ich gewesen!
Gab dir der Himmel mich zu tödten Waffen,
Wer darf der Schuld dich zeihen, wenn ich sterbe?
(S. 247)
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50.
Hätt' ich, als du zuerst dem Blick erschienen
Geahnt, dass ich in deiner Sonnensphäre
Verjüngt einst würde, wie die Fabellehre
Vom Phönix sagt, dass du mich willst entsühnen, -

Dem Hirsch, dem Luchs, dem Panther gleich, dem kühnen,
So rasch mein Ziel verfolgend, von der Schwere
Des Alters nicht gehemmt wie jetzt, so wäre
Ich hingeeilt Dir, Lieblichste, zu dienen.

Doch nein, wozu den Gram noch länger nähren,
Da eines Engels Augen Frieden bringen?
Hätt' ich Dich auch geschaut in früher Jugend,

Nicht könntest du wie heut solch' Heil gewähren,
Denn jetzt erst, mit von dir verlieh'nen Schwingen,
Im Flug gleich schnell schweb' nach ich deiner Tugend!
(S. 249)
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51.
Versetz' in jene Zeit zurück mich heute,
Wo zaumlos toben mochte blinde Gluth!
Gieb mir das Antlitz wieder engelgut,
Dem alle Jugendkraft gewelkt zur Seite;

Die Schritte ohne Zahl in alle Weite,
Die schwer und mühvoll nur das Alter thut,
Dem Busen Feuer gieb und Thränenfluth,
Willst du noch einmal, Amor, mich zur Beute!

Denn lebst von Zähren wirklich du, vergossen,
In Leid und Lust, was macht den Greis dir theuer,
Der fast am andern Ufer angekommen?

Schon wehrt der Geist mit himmlischen Geschossen
Sich gegen deinen Pfeil. Das stärkste Feuer,
Es zündet nicht im Holz, das schon verglommen.
(S. 251)
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52.
Als mir dein Augenstern zuerst erglühte,
Da war's kein irdisch' Licht, das mich getroffen,
Schon sah mein Geist entzückt den Himmel offen,
Ein ew'ger Friede zog in mein Gemüthe;

Denn nimmer stillt mein Herz der Anmuth Blüthe,
Erzeugt aus dieser Erde niedren Stoffen;
Der Schönheit Ursprung ist sein Ziel und Hoffen,
Es fliegt der ew'gen Schönheit zu und Güte.

Nie hoffe denn ein weises Herz den Frieden
Von jener Blüthe, die zu Staub verkehren
Die rauhe Zeit und Tod, der uns beschieden;

Wohl mag der Sinne Gluth den Geist verheeren,
Die Liebe nicht, sie heiligt uns hienieden,
Doch erst der Himmel wird uns ganz verklären.
(S. 253)
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53.
Für grosse Schönheit grosse Lieb' empfinden
Ist Sünde nicht, wenn diese Gluth erweicht
Und milde stimmt das Herz, sodass nun leicht
Der Gottheit Liebespfeile Eingang finden.

Die Liebe weckt und ruft den Geist, den blinden,
Beflügelt ihn, dem sie die Pfade zeigt,
Sie ist dem Pilger, der zum Himmel steigt,
Die erste Stufe aus dem Thal der Sünden.

Die Liebe, Herrin, die ich mir erkoren,
Sie zieht zum Himmel, sie ist reine Minne,
Nicht ziemt dem edlen Mann' ein lüstern Spielen;

Die wahre Liebe wird im Geist geboren,
Die andre ist die Sklavin nur der Sinne;
Sie richtet ihren Pfeil nach niedren Zielen.
(S. 255)
_____


54.
Was ich in deinem Antlitz sah, beschreibe
Mit Worten nimmer ich; doch was es kündet
Hob oft den Geist, den noch der Körper bindet,
Zu Gott empor mit diesem Erdenleibe.

Dien' ich dem Spott des Pöbels auch zur Scheibe,
Zeiht er der Regung mich, die er empfindet,
So hoff' ich doch, dass Treue festgegründet,
Dass keusche Gluth so werth wie einst dir bleibe!

Die ird'sche Schönheit, für den Blick des Weisen
Gleicht sie dem Liebesquell, dem wir entstammen;
Vom Himmel hat die Welt nicht andre Proben,

Nicht andre Früchte kann die Erde weisen;
Sind treu und keusch nur meiner Liebe Flammen,
Ist süss der Tod und frei mein Flug nach Oben.
(S. 257)
_____


55.
Du weisst, dass ich es weiss, wie dir mein Lieben
Nicht mehr verborgen ist; ich weiss, es kennt
Dein Herz den, der dir folgt und für dich brennt,
Und dennoch sind wir fremd und stumm geblieben!

Ist Wahrheit diese Ahnung, darf ich lieben?
Hast du die keusche Hoffnung mir vergönnt,
So spalte sich die Mauer, die uns trennt;
Verhehltes Leid muss doppelt uns betrüben.

O zürne nicht! ich liebe ja zumeist
In dir, was selbst du liebst; mein Geist verehret
Dich Edle, flammt empor zu deinem Geist.

Doch ganz zu fassen ist uns hier verwehret,
Das was dein Antlitz ahnungsvoll verheisst,
Es sterbe erst, wer das zu schau'n begehret!
(S. 259)
_____


56.
Dein Geist stieg in des Leibes Kerkerzelle
Von dort herab, wohin er einst enteilt;
Dass sich ein Engel, der die Seele heilt
Und Ruhm der Welt verleiht, uns zugeselle.

Dein Wesen, nicht die Schönheit sonnenhelle,
Entflammt mich, denn ein Herz, wo Tugend weilt,
Baut niemals seine Hoffnung übereilt
Auf das, was rasch entführt der Zeiten Welle.

Doch lebt solch' edler Geist in schöner Hülle,
Dann fasst ihn Jeder, wie man an der Scheide
Die Klinge kennt, eh' eine Hand sie zückte.

Nichts in der Welt lehrt so wie Schönheitsfülle
Den Schöpfer lieben! Sieh es streiten Beide,
Natur und Himmel, wer zumeist dich schmückte.
(S. 261)
_____


57.
Ein Augenblick genügt, dass in die Seele
Mir durch die Augen jede Schönheit gleite;
Ich wette, dass für Hundert nicht an Breite,
Für Tausend nicht an offnem Weg es fehle.

Und ich, der ich mit Eifersucht mich quäle,
Ich weiss nicht, der ich jeder Schönheit Beute,
Ob Eine wohl, und welche, die mich freute
Von Allen, mich mit ew'ger Lieb' beseele.

O wer entwindet sich der Schönheit Ketten!
Ein Irrlicht ist die Gluth, ein blindes Sehnen
Der Welt verliehn, auf dass sie fortbestehe.

Welch' Elend, wenn nicht Gott, um uns zu retten,
Den Geist emporzieht zu dem ewig Schönen,
Welch Elend, Mensch zu sein, welch endlos Wehe!
(S. 263)
_____


58.
Kaum sah' ich, der ich zittre bald, bald streite,
Im Geist entzückt den Abgott meiner Seele,
Tritt zwischen uns der Tod aus seiner Höhle,
Und scheucht, da ich verzage, ihn ins Weite.

Willkommen heisst die Seele, die befreite,
Vielmehr als Lust dies Grau'n, dass sie sich stähle
Zum letzten Kampf und sühne ihre Fehle;
Doch Amor lässt nicht ab von seiner Beute;

Er spricht: "Ihr sterbt nur einmal und ersteht
Aufs neu geboren nie im Erdenland;
Wer stirbt in meiner Gluth, was ist sein Loos?

Hat sich in Liebesgluth, die der Magnet
Der Herzen ist, die Seele reingebrannt
Wie Gold, kehrt froh sie heim in Gottes Schoss!"
(S. 265)
_____


60.
Mit reiner Liebesgluth mag wohl im Bunde
Die Hoffnung, die nicht trügt, zum Himmel flammen,
Denn wollte jede Regung Gott verdammen,
Wozu erschuf er dann die Weltenrunde?

O kann ich lieben dich aus bessrem Grunde,
Als um dem güt'gen Schöpfer, dem entstammen
Die hohen Reize, die durch keusche Flammen
Mich läutern, Lob zu weihn mit Herz und Munde!

Die Hoffnung hat nur jenes Herz betrogen,
Das sich verkauft der Schönheit eitlem Schimmer,
Der mit der Stunde abnimmt und verschwindet;

Doch hat sie nie ein keusches Herz belogen,
Denn ob die Hülle wechselt, welkt doch nimmer
Die Liebe, die schon hier den Himmel findet.
(S. 269)
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62.
Auf den Tod der Vittoria Colonna
Da einst der Welt und meinem Liebessehnen
Der Tod die Herrin meiner Seufzer nahm,
Blieb die Natur, die sie uns gab, voll Schaam
Und Schmerz zurück und jedes Aug' voll Thränen.

Doch darf sich hier der Tod nicht Sieger wähnen,
Der Sonnen Sonne raubend uns zum Gram,
Weil Liebe ihn bezwang, die siegreich kam,
Sie hier und dort mit ew'gem Glanz zu krönen.

Schon dacht' er deinen Nachruhm zu vernichten,
Dass er so rasch wie Andrer Ruhm verblühe,
Schon sann er auf dein ewiges Verderben,

Und doch lebst mehr in Liedern und Gedichten
Du heut im Tod, als einst im Leben, siehe
Das ew'ge Leben fandest du im Sterben.
(S. 273)
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63.
Auf den Tod der Vittoria Colonna
O wär' ich doch von dieser Welt geschieden
Als Phöbus noch beglänzte meine Bahn,
Als mir vergönnt zu schweben himmelan
Mit seiner Federn Kraft, dann hätt' ich Frieden!

Ach meine Sonne schwand! Wenn mir hienieden
Viel lichte Tage einst versprach mein Wahn,
So fasst nun Angst, ob Zeit mir bleibt, mich an,
Ob offen noch das Himmelsthor dem Müden.

Die Feder war einst Flügel, Treppe war
Die steile Bahn mir, Phöbus Wandrers Licht,
Der Tod kein Schreckbild, nein des Trostes Quelle!

Jetzt steigt mein Geist, der solcher Hülfe baar,
Nicht mehr empor, Erinn'rung stärkt mich nicht;
Wer räth, wer hilft mir an des Grabes Schwelle?
(S. 275)
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64.
Auf Vittoria's Tod
Was Wunder, dass einst in des Feuers Nähe
Ich flammend schmolz, da jetzt noch, wo verglühte
Der off'ne Brand und still nur im Gemüthe
Verglimmt, ich doch durch ihn zu Staub vergehe.

So glorreich schlug die Flamme in die Höhe
Die tausend Schmerzen mir entgegensprühte,
Dass mir, der bei dem Anblick trunken glühte,
Wie Fest und Spiel einst dünkten Tod und Wehe.

Seit mir des Grossen Feuers Herrlichkeit,
Das mich mit Gluth genährt, der Himmel nahm,
Glimm' stil, versteckt wie Kohlen ich im Heerde.

Bringt Amor neues Holz nicht noch zur Zeit,
Das Flammen giebt, dann sprüht aus mir, o Gram,
Kein Fünkchen mehr, da schon ich Asche werde.
(S. 277)
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79.
Ein Mittel heilt die Wunde nur, die schwere:
Durchbohr' dies Herz, das schon dein Blitz zerschlagen!
Doch dir ist eigen, Leben so wie Plagen
Zugleich zu steigern, dass sich Beides mehre.

Du sandtest mit dem ersten Pfeil, du Hehre,
Den Liebesboten mit; ich hört' ihn sagen:
"Erglühe, Herz, denn Liebesflügel tragen
Allein den Sterblichen zur Himmelssphäre."

"Ich bin es ja, der deine blöden Augen
Schon in der Jugend auf das Schöne lenkte,
Das uns lebendig in den Himmel führet."
. . . . . . . . . . . . . . . . 
(S. 307)
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80.
Flieht, Liebende, den Amor, flieht den Brand,
Die Gluth ist furchtbar, tödtlich ist die Wunde,
Auch nützt die Flucht nur in der ersten Stunde,
Sonst hilft nicht Trennung, Kraft nicht, noch Verstand.

Flieht, denn wie scharf sein Pfeil, wie stark die Hand
Zeigt Euch mein Beispiel! Eurer Schmerzen Kunde
Lest mir im Antlitz, lernt aus meinem Munde,
Wie grausam Amors Spiel und wie gewandt.

Flieht! säumet nicht gleich mir! Beim ersten Blicke
Hielt ew'gen Friedens ich mich auch versichert,
Nun fühl ich's und Ihr seht's, unheilbar brenn' ich!
. . . . . . . . . . . . . . . . . . 
(S. 307)
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81.
Dein Antlitz, meine einz'ge Lust im Leben,
Wo treibt's mich hin? Ich steig' in Fleisch und Blut
Zu sel'gen Geistern auf! Welch gröss'res Gut
Kann Menschenhuld dem Sterblichen wohl geben!

Gerechtigkeit, was soll ich vor dir beben?
Wenn so das Werk dem Schöpfer gleicht, ist Gluth
Der höchsten Liebe schuldiger Tribut,
Da Gottideen in ihm verkörpert leben.
. . . . . . . . . . . . . . 
(S. 309)
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82.
Durch dich o Liebe, nährt' ich lange Zeit
Die Seele und zum Theil auch ihre Hülle,
Und Wunsch und Hoffnung machten in der Stille
Mich tüchtig zu der Kunst, der ich geweiht;

Doch jetzt entfalt' ich meine Flügel weit,
Zum höhern Ruhehafen strebt mein Wille,
Ich fleh' nur Eins, dass meiner Sünden Fülle,
Die viele Blätter deckt, mir Gott verzeiht!
. . . . . . . . . . . . . . 
(S. 309)
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83.
Hier war's, wo ich mit ihrer Huld verloren
Mein Herz und Leben, wo sie Heil versprach
Mit ihren schönen Augen und mir ach
Durch diese nahm, was sie mir still geschworen!

Hier schlang, hier löste sie das Band dem Thoren,
Von diesem Stein sah ich ihr weinend nach,
Als sie entschwand, um die das Herz mir brach,
Die mich mir nahm und doch mich nicht erkoren!
. . . . . . . . . . . . . . . . . 
(S. 311)
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103.
O welche Wonnen träufet jene Kraft
Durch's Aug' in's Herz, die selbst der Zeiten Schwere
Und selbst den Tod besiegt, die Schmerzen schafft
Und Trost zugleich; wer ist die Macht, die hehre?

Die Liebe ist es, hold und tugendhaft,
Der Edlen Ziel und Streben, Preis der Ehre;
Sie spricht: Wie Todte ohne Lebenssaft
So geht der Mensch dahin, der liebeleere.
. . . . . . . . . . . . 
(S. 329)
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Übersetzt von Sophie Hasenclever 1824-1892)

Aus: Sämmtliche Gedichte Michelangelo's
In Guasti's Text
Mit deutscher Übersetzung von Sophie Hasenclever
Eingeführt durch M. Jordan
Leipzig Verlag vom Alphons Dürr
MDCCCLXXV [1875]




 

 

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