Das Hohe Lied Salomos

In der Übertragung von Johann Gottfried Herder (1744-1803)

 


Wassily Kandinsky (1866-1944)
Improvisation 209


 

Lieder der Liebe

Die ältesten und schönsten aus Morgenlande Nebst vier und vierzig alten Minneliedern. Leipzig, in der Weygandschen Buchhandlung 1778

Teil 1: Salomons Hohes Lied

Er küsse mich
Mit seines Mundes Küssen:
Denn deine Lieb‘ ist lieblicher, denn Wein.
Wie deiner süssen Salben Duft,
So ist zerfliessender Balsam
Dein Name:
Darum lieben die Jungfrauen dich.
Zeuch mich dir nach! –
Wir eilen; mich –
Führete der König in seine Kammer.
Wir jauchzen, wir erfreun uns dein!
Gedenken an deine Liebe,
Mehr als an Wein –
Von Herzen lieben wir dich.

Vielleicht ward dieser Seufzer mit einer schmachtenden Blume, mit einer duftenden Morgenrose übersandt; das sehnende Mädchen duftet mit hinüber.

Süß ist ihr auch des Abwesenden Kuß! ihr duften seine Salben. Wenn nur sein Name genannt wird, ist die Luft umher Balsam.

So liebt sie ihn nicht allein: so wird er von Allen geliebt. Alle ihre Gespielinnen wandelt der Duft seines Namens an "o wenn er mir, mir winkte!" – und siehe, sie ist allen vor. "Zeuch mich! – der König hat mich in seiner Kammer." Sie jauchzet, sie erfreut sich an Ihm, genießt unvergleichbare Freuden.

Und gleich ist sie wieder in ihrer Freundinnen Kreise. Wie sie liebt, lieben alle, jauchzen, reden von seinen Umarmungen statt Weins und Freuden. Ihr aller Herz und Seele ist an ihm.

Könnet ihr euch einen Monarchen Orients denken, dem in seinem Garten der Liebe lieblicher geschmeichelt werde? Statt Eifersucht und Neides, statt Zanks und Untreu, ist aller Stimme nur Eine Stimme, aller Gedanke und Herz nur Ein Herz. Ein schüchternes Täubchen bringt der Brief, und buhlt um ihn, aber nur als ihrer Schwestern Bote. Unwillig drang sich ihr Seufzer vor; und sonst genießet sie ihn immer. Du und Er, Ich und Wir wechseln: auch der Ferne ist er ihr nahe, sie spricht mit ihm, wenn sie nur wünschet.

Die Stimme schweigt; es läßt sich ganz eine andrere hören:
Schwarz bin ich und doch lieblich,
Ihr Töchter Jerusalem!
Wie der Kedarenen Gezelte.
Wie die Decken Salomons.
Seht mich nicht an, daß ich schwärzlich bin:
Mich brannte die Sonne.
Die Söhne meiner Mutter zürneten mir:
Sie satzten zur Weinberghüterin mich,
Und meinen, meinen Weinberg
Hütet' ich nicht.
O sage mir,
Den meine Seele liebt:
Wo weidest du?
Wo lagerst du
Am Mittag'? –
Daß ich nicht, wie Verhüllete, geh
Zu Heerden deiner Gespielen.
"Und weißest du das nicht,
Schönste der Weiber;
So folge den Tritten der Heerde nach,
Und weide deine Ziegen
Bei den Zelten der Hirten."

Wie anders ist hier Alles! Dort Duft und Salben, Wein und Freuden, Freundinnen und Königskammern; hier eine Hirtin auf ofner Flur, ein schwarzes von den Töchtern der Stadt beneidetes Landmädchen. Ein Kind der Sonne von Jugend auf und auch jetzt, wie im Brande des Mittags lechzend. Ihr Geliebter ist selbst ein Hirt, der unter andern Heerden weidet, den sie sucht, mit deßen Decke sie sich vergleicht, der ihr in eben dem Tone, als einem unbekannten schüchternen Landmädchen antwortet. Das ganze Stück athmet freies Feld, Mittagsruhe, Hirten- und Landeinfalt.

So fängt die freie Unschuldige an, sie weiß was sie ist und nicht ist, fodert die Weißen und Zarten der weichlichen Königsstadt aus, und trutzt, der Liebe ihres Liebenden gewiß, ihrem hönenden Blicke.

Sie redet von sich in einem Landgleichniß; aber wie meistens diese Gleichniße sind, vielseitig, wahr, treffend. Die Zelte der Kedarenischen Hirten sind schwarz, grob, schlecht, von Kameelhaaren gewebt, im Sonnenbrande, so wie sie, lechzend; aber doch sind sie schön, "nichts ist anmuthiger, sagen die Reisende, als eine weitläufige Ebne voll dieser schwarzer Zelte." Dazu lagern sich die Kedarenen, d.i. die umziehenden Hirten meistens in Gegenden, die sie Roubha, d.i. schöne Luft nennen, wo sie Aussicht haben, und grüne Weiden und Waßerquellen, wo also das Herz des ziehenden dürstenden Morgenländers mit dem Anblick solcher Zelte erquickt wird. - -

Und daß endlich auch Salomo sie nicht verschmähe, daß auch Er unter solchen Zelten wohne; der Zusatz gibt dem Bilde die schönste Farbe. Sie ist in ihrer Niedrigkeit groß, in ihrer von Salomo geliebten Schwärze lieblich: -

Wie Kedarenische Decken,
wie Salomonische Zelte.

Das Übrige ist in gleichem Tone der Unschuld und Landeinfalt. Ihre Neiderinnen macht sie zu Vertrauten ihres Schicksals, das hart war in früher Jugend. Ihre Brüder selbst, die sie "Söhne ihrer Mutter" nennet, um das Unrecht, das sie ihr thaten, ganz zu zeigen, stiessen sie aus ihres Vaters Hause. Sie muste ihnen Magd, Weinberghüterin, werden; ihnen sollte sie Haab' und Gut bewachen und ihre eigene, einzige Haabe, der Reichthum, den ihr die Natur verliehen, ging damit unbarmherzig verlohren. Wie ländlich abermals diese Vergleichung, daß sie die Schönheit schlechthin ihren Weinberg nennet! Ihr Reichthum ist nun dahin, durch den Blick der Sonne ihr geraubet - -

Und da wendet sich ihr Auge von allen gaffenden und neidenden Schönen, zu dem, der sie liebet. Sie schmachtet ihm nach, unbekannt und schaamroth, lange wie eine Verlohrne umirren zu müssen, nach ihm in fremden Gezelten zu fragen:

O sage mir
Den meine Seele liebet,
Wo weidest du?
Wo zeltest du
Am Mittag?

Er ist also Hirt, wie sie; nur sie mit ein paar Ziegen und Er mit vielen Hirten und Heerden. Und da wird ihr ein Wink ihres Geliebten, sich, unbekannt und schüchtern, lieber nicht von der Heerde zu entfernen, in ihren Tritten zu bleiben und ihr Paar Ziegen nach den Zelten seiner Hirten zu weiden: da finde sie ihn, sie, die Schönste der Weiber. – Schöne Scene der Hirtenunschuld.

Ganz anders thut es sich auf in folgendem Gespräche:

Meinem Roß an Pharao Wagen
Gleich' ich, o Freundin, dich.
Lieblich stehn in den Spangen deine Wangen:
Dein Hals in den Ketten schön.
Goldketten laß' ich dir machen,
Mit Pünktchen Silber gesprengt.
Und ihre wetteiferne Antwort:
Wohin der König sich wandte,
Gab meine Narde Duft!
Ein Sträuschen Myrrhe sollst du, mein Lieber,
Mir zwischen den Brüsten ruhn!
Ein Palmenknöspchen bist du, mein Lieber,
Mir aus dem Engeddi-Garten.

Die Bilder sind uns alle fremd, aber schön: die vorige Scene der schüchternen Armuth ist in Stolz und Pracht verwandelt. Da steht sie, die Königliche Braut, wie das Prachtgeschöpf Orients, das Aegyptische Roß vor dem Königswagen. So ihr Wuchs, so ihre Zier. Hoch trägt sie ihren Hals in der Kette, ihre Wange an der Spange steht schön. Der König weiß nichts, als von neuer Pracht, von neuer Zierde - -

Nicht so die Geliebte; die ist an Ihm, nicht am Schmucke; in Liebe, nicht in Pracht. Sie spricht im Reiche der Blumen, nicht des Goldes: dies, auch in Geschenken, ist todt; ihre Bilder, ihre Denkmahle von ihm leben.

Wohin er sich wandte, (oder nach andern, so bald er sich zu ihr wandte, so lange er mit ihr am Mahl war): da duftete ihre Narde. Sie fühlte seine Gegenwart und duftet zu ihm und duftet schöner. Auch entfernt von ihm, ist er ihrem Herzen nah; im Myrrhenstrauße, den er ihr sandte, kühlet er ihren Busen, darauf übernachtend, als das lebende Sinnbild ihres Geliebten auch im Traum und Schlummer. –

Endlich, (und das dritte Bild vollendet Alles) er ist ihr die junge Blüthentraube aus dem Palmenhayne zu Engeddi, nach dem Sinne Orients das schönste Bilde der Belebung, Frucht und Fülle.

Es ist nehmlich bekannt, daß der weibliche Palmbaum mit einem Büschel männlicher Blumen bestreuet und belebt wird; oder man nimmt die männliche Blüthensproße, ehe sie ausbricht, und verhüllet sie in die kleinen Zweige der weiblichen Blume. In diesem Zustande heißt die Palmenblüthe Kopher, d.i. verhüllet: sie muste noch unausgebrochen, und voll des feinen, frischen, Aromatischen Thaues seyn, der die erste Frische der Datteln an Anmuth und Würze übertrifft. In der weiblichen Blume verhüllet, haucht er sie an mit Duft und Leben. Kann ein schöner Bild gefunden werden, das da sage: "ohne dich sind meine Blüthen leblos; dein Athem, ein zarter, junger, frischer Himmelsthau macht Alles in mir lebendig mit neuen Kräften, Gefühlen, mit neuer Schöpfung."

Und das sagten die vorigen Bilder, Nardus und Myrrhe und die Palmensproße sagets am schönsten. Was ist ein Jüngling, deßen eigenstes Bild diese süße Lebensblüthe seyn kann? Wie zart ist die Liebe, die ihn also betrachtet, also liebet und sich als blühenden Palmenbaum fühlet!

Und da in Orient dies Alles Natur ist, da die Geliebten keine schönere Sprache haben, als daß sie einander Blumen zusenden, sich damit fragen und Antwort geben, und jede in diesem Wörterbuch der Liebe ihre bestimmte Bedeutung hat; du übernachtende Myrrhe und du verhüllte Palmenblüthe; wie übertrefft ihr Gold und Kleinode, als Andenken des Geliebten!

O schön bist du, meine Liebe,
O schön bist du!
Deine Augen Täubchen - -
"O schön bist du, mein Lieber,
Auch hold bist du,
Und unser Bette grünt.
Die Balken unsrer Häuser Cedern,
Die Wände Cypressen;
Und ich die Rose des Feldes,
Die Lilie im Thal."
"Wie die Lilie unter den Dornen,
Ist meine Freundin unter den Töchtern."
"Wie ein Apfelbaum unter den Bäumen im Walde,
So ist mein Lieber unter den Söhnen.
In seinem Schatten
Erquick' ich mich,
Und sitze nieder,
Und seine Frucht
Ist meinem Munde süß.
Er hat mich geführt
In ein Haus des Weins!
Und sein Panier,
Ueber mir droben,
Ist Liebe.
O stärkt mich mit dem Weine!
O labt mich mit den Aepfeln!
Denn ich bin krank für Liebe.
Seine Linke
Mir unterm Haupt.
Seine Rechte
Umfaßt mich."
"Ich beschwör' euch, Töchter Jerusalem,
Bei den Hinden, bei dem Rehe der Flur.
Wenn ihr sie weckt!
Wenn ihr sie regt! –
Bis es ihr gefällt.

Welche süße Träumerei der Liebe! Gelänge es mir, sie, die so mißverstanden ist, in ihrem fortgehenden Rausch und Fluge zu entwickeln, welche Scene des Paradieses! –

Das Lob des Geliebten an seine Liebe fängt an; er will ihre Schönheit schildern und der erste Zug derselben, der erste Zug der ersten Beschreibung im ganzen Buche ist – Bescheidenheit und Unschuld. Ihre Augen sind Täubchen, schüchterne Täubchen.

Und als solche beweiset sie sich sogleich. Sie unterbricht seinen Gesang, sie will nicht ihr Lob hören.

Sie lobt ihn; aber auch nur mit Einem Zuge. Die Tochter der Unschuld blickt umher und die ganze Natur um sie wird Paradies, Pallast, Brautbett der Liebe. Die hohen Cedern sind gepflanzt, zu Balken ihres Hauses der Liebe: die immergrünenden Cypressen für sie gereihet, ewige Wände ihres Hauses der Liebe; und was ist sie in diesem grossen schönen Tempel?

Rose des Feldes!
Lilie im Thal!

Welche Bescheidenheit! Welche Demuth! Die Ceder hat Gott gepflanzt, die Cypresse "steigt wie eine Pyramide zu den Wolken, der gröste Schmuck, den die Natur den Gegenden schenkte;" und sie ist die Blume des Feldes, womit die Natur dort Alles bedeckt hat, das Veilchen, die Mayblume, die sich unter den Füßen des Wanderers verlieret. Es ist unrecht, daß man hier den Zusammenhang durchs Kapitel trennte und die Blume Sarons zur grösten Prachtblume machte; sie ist, auch im Munde Christi, das Bild der schönen Niedrigkeit, der lieblichen Demuth.

So nimmt auch ihr Geliebter das Bild; aber er verwandelts in Hoheit. "Lilie, - ja wie die Lilie unter den Dornen, so du unter den Mädchen." Und sie, die abermals, wie ein Veilchen, sich dem Lobe verbirgt, gibts ihm mit Wucher zurück. Er wird ein schöner blühender Apfelbaum unter den wilden Bäumen, (mit denen dort ebenfalls die Gegenden bedeckt sind,) und das Bild wird ihr ein ganzer Traum der Liebe. Da sitzt sie unter dem holden Baum und erquickt sich in seinem weiten Schatten, und droben lachen liebliche Früchte. Sie begehrt, genießt; wie süß dem Munde! Wie Kraftvoll! Sie ist nicht mehr unter dem Baume, sie ist entzückt in ein Haus des Weines.

Der Baum, der über ihr webet, dünkt ihrem zunehmenden süßen Rausche Panier der Liebe. Sie schwimmet, sie schwindet im Meer seiner Kühle und Entzückung; die süße Frucht ihres Geliebten, Apfel und Weinhülle, dünkt ihr Eins; "o labt mich mit dem Weine! o stärkt mich mit den Aepfeln! Denn ich bin krank für Liebe." Sie sinkt, und was bisher Bild des Baums war, wird im Traume in Würklichkeit und Person verwandelt:

"Seine Linke
Mir unterm Haupt:
Seine Rechte
Umfaßt mich."

Sanft zerrinnen ihre Sinnen unter dem webenden Baum im Schoosse der Natur, Unschuld und Liebe.

Und ihr Geliebter singt das süße Schlummerlied, bei dem gleichsam die ganze Natur feiret. Das flüchtige Reh, die leise Hindin schweben vorüber und scheuen sich zu rauschen; "ihr Töchter Jerusalems, Gespielinnen, folget dem Beispiel, weckt sie nicht, regt sie nicht, bis sie selbst erwacht." Sie schläft im süßesten Genuße, dem Traum der Liebe. Der Augenblick ist so schön, daß noch am Ende des Buchs dieser Apfelbaum vorkommen wird, als ein Andenken der schönsten Jugend, den damals gemachten Bund auf immer zu vesten.

O ihr Bräute jugendlicher Unschuld, Liebe und Freude, kennet ihr etwas süßers, als die Zeit, da euer Geliebter euch Alles war und Alles in Hoffnung, in Ahndung ungefühlter Freuden? Träumt ihn lange den seligen Traum Adams und Eva's im Paradiese: umarmet den geliebten Baum und labt euch, und sehet in ihm das Panier der Liebe weben.

Noch ist euch die ganze Natur Brautbett: alles Grünende euer Haus, alles Himmelansteigende euer Portal, eure Krone. Konnte Gott dem Adam im Paradiese mehr geben, als diesen Traum zukünftiger Freuden? und wo er lebet, ist Paradies: das Mädchen, das ihn träumt, schlummert in Unschuld.

Schont sie, Jerusalems Töchter, wecket sie nicht: sie schläft noch als Königin der Natur, auch das wilde Reh hat vor ihr Ehrfurcht. Der Rausch ihrer Freude ist Hoffnung! Ihr Panier ist die Liebe!

Stimme meines Lieben!
Siehe, er kommt!
Springt über die Berge,
Hüpft über die Hügel.
Wie ein Reh ist mein Lieber,
Wie ein flüchtiger Hirsch.
Siehe, da stehet er schon
Dahinter der Wand,
Schaut durchs Geländer,
Blinket durchs Gitter.
Er spricht mein Lieber,
Er spricht zu mir:
Steh auf, meine Liebe,
Steh auf, meine Schöne,
Komm! –
Denn siehe, der Winter ist über,
Der Regen ist über, vorüber!
Man sieht schon Blumen am Boden,
Die Zeit des Gesanges ist da.
Man hört die Stimme
Der Turteltaube
Auf unsrer Flur.
Der Feidenbaum hat seine Feigen
Mit Süße gewürzt.
Des Weinstocks junge Trauben
Duften schon.
Steh auf, meine Liebe,
Steh auf, meine Schöne,
Komm!
Mein Täubchen in den Spalten des Felsen,
In den holen Klüften der Steige,
Laß sehn mich deine Gestalt,
Laß deine Stimme mich hören,
Denn deine Stimme ist lieblich,
Denn deine Gestalt ist schön.

Daß dies Stück mit dem vorigen nicht zusammenhange, siehet ein jeder. Dort entschlief das Mädchen unter dem Apfelbaum, im Träume des Geliebten, der ihr ein Schlummerlied sang. Hier ist er entfernt, lange entfernt gewesen: sie hat die Regenzeit des Winters, wie ein eingeschloßenes Täubchen in den Felsenritzen, zugebracht; jetzt erweckt sie, nicht Frühling, nicht Lerche, sondern Stimme des Geliebten, der fernher kommt und ihr Frühling und Freude bringet.

Von ferne kennt sie seine Stimme und er ists. Er hüpft, er springt über die kleinen Berge, von denen Palästina voll ist, ein hüpfender Hirsch, ein springendes Reh. Da steht er schon hinter der grünen Wand, blickt durchs Geländer, blinkt, wie eine ausbrechende Blume, durchs Gegitter, nun spricht er, nur singt er, horch! Alles, was Frühling und Liebe, Garte und Morgen geben kann, ist in dem Liede; der liebkosende Ton des Originals aber ist unübersetzbar.

Er ruft sein Täubchen aus der Felshöle und lockt sie mit allem Reiz und Schmucke des Frühlings. Alles ist da, nur sie fehlt; auch das Turteltäubchen, ihre Gespielin. Alle dufte, blühe, singe; nur ihre Stimme und schöne Gestalt fehlen. - - Und sie läßt sie noch schweigen, das Täubchen antwortet nicht. Es ist offenbar ein einzelnes abgebrochnes Stück, der erste Frühlingsbesuch der Liebe –

Und in Orient, wo auf Einmal Frühling wird, wo, wenn die Regenzeit vorüber ist, die Natur erwacht und oft an Einem Morgen plötzlich eine ganz andre Welt zeiget, ists Zug vor Zug Wahrheit. –

Eben so das Folgende:

Faht uns die Füchse,
Die kleinen Füchse,
Die Weinbergverderber,
Der Weinberg knospt.

Es hangt weder mit dem Vorigen, noch mit dem Folgenden zusammen: es ist ein einzelnes Scheuchlied, wie man ja Jagd- und Ernte-, Kriegs- und Fischerlieder hat; dem Schäferleben des Orients war dies Scheuchlied wider die sogenannten Dibs oder Jackals nöthig. Bekanntlich sind dies kleine Füchse, dunkler als diese, die in Orient in Heerden gehen, alle Nacht um Gärten belfern und den Früchten, insonderheit dem Weine sehr schädlich sind. Der Sammler setzte das Lied hieher, ohne Zweifel, weil im Vorigen die Jahrszeit, zu der auch knospende Weinberge gehören, als blühend beschrieben ward. Das ist nun die Zeit des Geschäfts in diesem Liede, wie im folgenden, das eben so einzeln dasteht:

Mein Lieber ist mein,
Und ich bin sein.
Er weidet in Blumen,
Bis der Tag sich kühlt,
Und die Schatten fliehen.
Kehr um denn, o Lieber,
Sei wie ein Reh,
Wie ein flüchtiger Hirsch,
Ueber die Berge,
Die uns jetzt trennen. - -

Ihr Geliebter ist im Geschäft seines Weidens. Er weidet unter Blumen, mit denen dort Thal und Höhen bedeckt sind. Fern von ihr; aber er wird wiederkommen, mit der Kühle des Tages, mit den längern Schatten; wird wie ein Hirsch springen über die Berge, die jetzt sie trennen. Das Lied ist unschuldig und süß; es versingt ihr die Zeit der Einsamkeit und der Entfernung, die lange schwüle Tagesstunde mit dem Andenken ihres Lieben. – Und nun ist Morgen, Tag, Abend gefeiert; hier kommt ein düstrer Nachtgesang, eben so schön und einzeln.

In meinem Bette suchte ich,
Die lange Nacht,
Den meine Seele liebet –
Ich suchte ihn und fand ihn nicht.
Ich will aufstehn nun,
Die Stadt umgehn,
In den Strassen,
In den Gaßen,
Und suchen ihn,
Den meine Seele liebet;
Ich suchte ihn und fand ihn nicht.
Mich fanden die Wächter,
Die die Stadt umgehn:
"Den meine Seele liebet,
Sahet ihr ihn?"
Ein wenig weiter, ihnen vorüber,
Da fand ich ihn, den meine Seele liebt.
Ich hab‘ ihn und will ihn nicht lassen,
Bis daß ich ihn führe
Ins Haus meiner Mutter,
In meiner Gebährerin Kammer - -

Siehe einen Nacht- und Klagegesang voll Einfalt, Handlung, Schmerz und Freude. Welch ein Tappen und Suchen in der Finsterniß durch Nächte und Nachtzeiten! sie fährt in Träumen auf, findet ihn nicht; sie erträgts nicht, muß aufstehn, wandern durch Gaßen und Straßen und findet ihn nicht. Die Wächter der Stadt, das schnelle Fragen, das Vorübergehen ohne Antwort zu erwarten, sind so ängstlich; - - und da hat sie ihn endlich und will ihn nicht lassen. Der Mutter Haus, der Mutter Kammer soll ihre Beute festhalten und ihr nächtliches Suchen krönen - -

Abermals welche jungfräuliche Scene! In der Mutter Kammer ists, wo sie ihn hinführet, wo sie in Träumen ihn suchte, den sie unter dem Schleier der Nacht mit Angst und Eile sich erwarb - - sie will ihn halten und nimmer lassen. Ist sie deßen nicht werth, diese Liebe? Und siehe, der Geliebte singt ihr das Schlummerlied wieder:

Ich beschwör‘ euch, Töchter Jerusalem,
Bei den Hinden, beim Rehe der Flur,
Wenn ihr sie weckt!
Wenn ihr sie regt!
Meine Liebe,
Bis ihr es selbst gefällt! -

Das Lied stehet hier nicht so gut, wie zum erstenmale, da in der Kammer ihrer Mutter wohl weder Hinden noch Rehe, noch Töchter Jerusalems sind, sie zu stören. Ohne Zweifel setzte es der Sammler her, weil es Nacht ist, und weil er ihr nächtliches Suchen und Streben jetzt mit süßer Ruhe krönen wollte.- -

Und da es einmal Nacht ist, läßt er noch mehr solche einzelne Nachtstücke folgen, die nicht mehr zusammenhangen, als eine Reihe schöner Perlen auf Eine Schnur gefasset:

Wer ist, die dort
Aus der Wüsten steigt?
Wie Säulen Rauch,
Wie Duft von Myrrhen und Weihrauch,
Und köstlicher Würze Duft.

Wir werden den Anfang dieses Fragments noch öfter sehen; es ist ohne Zweifel ein gewöhnlicher Liederanfang und Eingang einer neuen Scene in Orient gewesen, wie jede Nation und Sprache dergleichen hat. Hier steht etwas auf aus der Wüste, schlank und licht wie eine Säule Rauch, duftend wie Myrrhen und köstlicher Weihrauch; es ist den Morgenländern gewöhnlich, so die Erscheinung des Mädchens in Nacht und Dämmerung zu mahlen. Der zarte lange Wuchs ihrer Glieder wird die Rauchsäule; von Salben und Weihrauch muß bei ihnen Schönheit und Liebe duften.

Siehe das Bett‘, Salomo’s Bett‘!
Sechzig Mächtige stehn umher,
Aus den Mächtigen Israel.
Sie alle die Hand am Schwert,
Alle Kriegsgelehrt,
Jeder an der Hüfte sein Schwert,
Fürm Graun der Nacht.
Ein Prachtbett‘ machte der König Salomo sich,
Aus Cedern vom Libanon.
Die Säulen macht‘ er von Silber,
Den Himmel von Gold,
Die Decke von Purpur,
Die Mitte gepolstert mit Liebe,
Für die Töchter Jerusalems.
Gehet hinaus und schauet ihn an,
Ihr Töchter Zions, den König
Salomo;
In der Krone, womit ihn seine Mutter gekrönt.
Am Tage seiner Verlobung,
Am Tage der Freude seines Herzens.

Ohne Zweifel gaben die vorigen Nachtscenen Anlaß, daß der prächtige Gesang, der auch mit Nacht und Schrecken anfängt, jetzt folget; aber in wie sonderbarer Verbindung!

Das Lied hat drei Strophen, wovon die beiden ersten in ihrem Ausgange offenbar zu einander passen. Das erste Bett ist so furchtbar "um des Grauens willen der Nacht", das zweite prächtig "um der Töchter willen Jerusalems", das dritte vollendet des Königs Pracht und Herzensfreude.

Ward je eine Vermählung würdiger besungen? Der Gesang steigt vom Bett des Helden zum Bette der Liebe, von ihm zur Krone der Hochzeit und Herzensfreude. In jenem ist der König nur furchtbar, im zweiten beneidet und prächtig, in der dritten geliebt und selig. Das Erste schmücken Helden, das zweite Bulerinnen, das dritte Mutter und die ewige Freundin.

Der Brautkranz seiner Mutter geht dem Könige über Heldenruhm und Königskrone. - -

Die Vermählte erscheint hier nicht: sie pranget auf keinem Throne. Sogleich aber folgt, wie sie es verdient, ihr Lob, nicht durch Pracht, Gold und Reichthum, sondern durch Schönheit. Von nun an werden die Schilderungen kühner, denn es lieben sich zwei von der Mutter Vermählte:

O schön bist du, meine Liebe,
O du bist schön.
Deine Augen Täubchen
Am Lockenhaar.
Dein Haar ist wie die Gemsenheerde,
Die weidet vom Gilead.
Die Zähne wie die Lämmerheerde,
Die neugeschoren aus der Quelle steigt,
Die alle Zwilling tragen,
Und keins derselben fehlt.
Wie ein Purpurfaden deine Lippen,
Und deine Rede süß.
Wie ein aufgeritzter Apfel deine Wangen
Am Lockenhaar.
Dein Hals, wie Davids Thurm,
Gebauet zur Waffenburg,
Tausend Schilde hangen an ihm,
Lauter Schilde der Helden.
Die zwo Brüste dein,
Wie zwo Zwillingsrehchen,
Die unter Lilien weiden. - -

Und weiter läßet ihn die bescheidne schaamhafte Braut nicht sinken. Sie unterbricht seine entzückte Beschreibung:

"Bis der Tag sich kühle,
Und die Schatten fliehn,
Will ich dort zum Myrrhenberge
Zu den Weihrauchhügeln gehen."

Und der eben so bescheidne Liebhaber, der ihre Schaam ehret und sogleich fühlt, warum sie seinem Lobe entrinnen wollte, fährt nachgebend fort:

Ganz bist du schön o Liebe,
Kein Tadel ist an dir.
Mit mir vom Libanon o Braut,
Vom Libanon wirst du kommen mit mir,
Wirst von der Höh Amana sehn,
Von Senir, Hermon weit umher,
Von den Wohnungen der Löwen,
Von den Bergen der Parden –
Du beherzest mich, o meine Schwester-Braut!
Du beherzest mich mit Einem deiner Blicke,
Mit Einer Ketten an deinem Halse.
Wie süß ist deine Liebe,
Du meine Schwester Braut
Wie süßer ist deine Liebe dann Wein!
Der Duft von deinen Salben
Als aller Duft!
Honig triefen deine Lippen, o Braut!
Milch und Honig ist unter deiner Zunge,
Der Duft von deinen Kleidern,
Wie Libanons Duft.
Ein heiliger Garte bist du, meine Schwester-Braut,
Ein heiliger Quell, ein versiegelter Brunn,
Deine Gewächs‘ ein Aepfelparadies
Mit aller köstlichen Frucht.
Nardus und Krokus,
Cimmet und Canna,
Weihrauch und Myrrhen
Mit allen treflichen Würzen.
Ein Brunn der Gärten,
Ein Quell lebendiger Wasser,
Die rinnen von Libanon –
Erhebe dich, Nord!
Und Südwind, komm,
Durchweh meinen Garten,
Daß seine Würze fließen. - -

Die bescheidne Geliebte, abermals sein begeistertes Lob zu enden, als ob sie es nicht verstünde, hält ihn beim Wort:

So komme mein Geliebter
In seinen Garten
Und esse seine köstliche Frucht.
Und er, ihr abermals nachgebend:
Ich kam in meinen Garten
O meine Schwester, Braut!
Und brach von meinen Myrrhen
Und meinen Würzen,
Und aß von meinem Honig‘
Und Honigseim,
Und trank von meinem Weine
Und meiner Milch.
Nun eßet, meine Geliebten,
Und trinkt, und werdet trunken, ihr Lieben - -

So endet dies unvergleichliche Stickwerk von Zucht, Einfalt, Liebe und Schönheit, gelänge es mir, nur einige Hauptzüge davon im Geiste Morgenlands zu verfolgen!

Die Schilderung der Gestalt seiner Geliebten ist ganz in Bildern der lebendigen Natur, aus der wir so sehr hinaus sind. Die meisten Gleichnisse dieser Art dünken uns daher unnatürlich, Morgenländisch und übertrieben; da im Orient hingegen sie beinah bestimmte Sprache sind und daher auch in diesem Liede allemal wiederkommen, wenn der Theil menschlicher Schönheit, den sie abbilden, genannt wird. So sind die Augen mehr als einmal blöde Täubchen, die hinter der vollen schönen Locke hervorblicken; das Haar mehr als einmal die Gemsen-, die Zähne mehr als einmal die Lämmerheerde; Natur und Wahrheit liegt in den Bildern! – Kann das zarte Haar, auch in seinem Herabfliessen, im Fall seiner schönen Locke lieblicher geschildert werden, als im Bilde jener glänzenden Heerde, die weidend hie und da, und wie in Flechten und Locken den schönen Gilead hinabströmet? Die Fülle, die Weiße, die ununterbrochne Reihe, die Gesundheit und Wohlgestalt der Zähne, kann sie ein beßer Bild in der lebendigen Natur finden, als von der Heerde neugeschorner, neugewachsener Lämmer, wo jede Mutter Zwillinge trägt und keine fehlt, keiner es mangelt? Wer nennet mir ein schöner Bild zarter Lippen, als den Purpurfaden, der süße Rede wie Gesang der Liebe haucht? und ein süßeres Bild der zarten erröthenden Wange, als den Milch- und Blutsaft des aufgerißenen Granatapfels? Der Hals mit Davids Thurme verglichen, ist oft belacht worden; ich weiß aber nicht, was hier im Punkte der Vergleichung treffender seyn könne? Vest und rund und schön und geziert steht er über der Brust der Königlichen Braut da; auch an ihm, wie an der stolzen Davidsveste, hangt glänzende Siegsbeute, die einst ein Held trug, und überwunden freiwillig dahinzollte, das prangende Halsgeschmeide. So gehet es fort mit den Bildern bis auf die Zwillingsrehchen, die unter den Lilien weiden; so lange Natur Natur ist, wird man aus der Schäferwelt und Gegend keine reizendere, lebendigere Bilder finden.

Dies war die Beschreibung ihrer Wohlgestalt und Schönheit. Da aber die sittsame Braut abbrach und kein weiteres Detail wollte, und der ihr nachgebende Bräutigam alles Übrige in zwei Zügen zusammennahm, "ganz bist du schön, o Liebe! An dir ist kein Tadel", und doch nicht abbrechen konnte; welch andre noch entzücktere Schilderung macht er jetzt, nicht von ihrer Schönheit, sondern von ihrem Reiz, von ihrem Reiz in Liebe und Freundschaft. Ihre Kleider duften, ihre Lippen triefen Honig, Milch und Honig unter ihrer Zunge, der ganze Libanon in ihrem Gewande. Quell, Garte, ein Paradies von Bäumen, Erquickungen, Labungen, Früchten – nichts thut ihm Genüge, die Entzückung zu beschreiben, die ihm ihre Liebe gewährt. Er schwimmet und schwebt gleichsam auf allen den Düften und Blumen, Quellen und Kühlungen, die er nennet, und hat sich selbst noch nichts gesagt. Er befielt dem Nord und Süd aufzustehen und seinen Garten zu durchregen, daß die Würze fließen, daß er noch begeisterter spreche. Welch ein Pindarischer Schwung auf den Flügeln der Natur, der Regung und Liebe! nur muß man freilich in Morgenlande die Bilder sehen. Was ist ihnen dort eine lebendige Quelle, ein frischer Strom! wie theuer ein reiner versiegelter Quell, und ein Paradies voll Düfte und Würze, ein heiliger verschloßener Garte! Ihnen wohnt Eden noch auf den Spuren, der Garte verlohrner Liebe - -

Und zugleich ist alles so bestimmt, so örtlich. Gilead ist noch bis auf den heutigen Tag der lachende Berg voll weidender Heerden aller Art und gleichsam voll regen Lebens. Libanon noch bis jetzt die Höhe voll Cederduft, weiter Aussicht, insonderheit nach Damaskus hinab, voll Wildes und frischer Kräuter, das Vaterland der Ströme und Quellen. Da nun die ganze Stelle "Komm herab mit mir vom Libanon" bis zu der "Du hast mich beherzt gemacht o Schwester" so mißdeutet und übel verstanden worden, so sei mir ein Wort näherer Entwicklung vergönnet.

Die Braut ist nicht auf Libanon, als ob er sie von der Schnee-Höhe mit seiner Stimme, wie ein Kind, herunter riefe, denn sie ist bei ihm und was sollte sie bei Pardern und Löwinnen schaffen? Er singet sie ja und sie unterbrach ihn eben. Da sie ihn nun aber mit einem Luftgange in den Myrrhenhain, in ein duftendes Schattenwäldchen unterbrach, und der Liebhaber sie im Lobe und Lieben nicht lassen wollte: so spricht er: "Mit mir, meine Liebe, mit mir! Willt du lustwandeln, meine Liebe, da sind andre Gegenden, andre Aussichten. Vom Libanon herab will ich dich führen, von seiner Höh Amana und Senir sollt du blicken: durch das Reich der Löwinnen und Leoparden bin ich mächtig gnug, dich zu begleiten. Denn du machst mich stark: ein Blick von dir macht beherzt, ein Wenden deiner Halskette." Und nun strömt ihr Lob unter dem Bilde Libanons und Gileads, des Gartens und der Würze, das, wie wir sehen, eben ihre unterbrechende Einsprache dem Liebling in den Mund legte.

Und so laßet uns mit einem Worte die so verkannte und gemißhandelte Einsprache der Braut feiren. Schönheit und Reize sind süß; aber eine Braut der Unschuld, Bescheidenheit und Schaamröthe soll man loben. Als ihr Liebhaber, ihr Vermählter, nur von ihrem Busen sprach, wandte sie sich; es unterbrach ihn ihre Lippe voll Milch und Honig. Und der Liebling fähret nicht fort, nennet sie von jetzt an nur Schwester, wählt auch in seiner Entzückung nur Gleichniße vom verschloßnen Quell, vom versiegelten Garten, vom heiligen, reinen Brunnen, als ob er mit jedem Wort ihr Ohr schonen und die Rose ihrer Schaamhaftigkeit, die schönste Blume im Kranz ihrer Schönheit, feiren wollte. Und da er nochmals zu lang‘ auf den Düften ihrer Liebe schwebet, unterbricht sie ihn wieder, thut als ob sie ihn nicht verstehe? ladet ihn in seinen Garten. Und er folgt ihr wieder, spricht: "das sei’s zwar nicht, wovon er rede! den Garten habe er in allen seinen Reizen genossen," ruffet aber seine Freunde und Geliebten in denselben, sich mit ihm zu freuen, damit Er und Sie sich an ihrer Freude erlaben. -–Süßer Streit der Liebe und Unschuld, der männlichen Entzückung und weiblichen Schaamröthe! sanft Gewebe, das die Hand des zartesten Künstlers spann und die Hand des Menschenfreundes in unsre Natur webte. Mit der Perle der Unschuld, mit der Rose der Zucht ist dem Brautschmuck seine beste Zier, dem Garten des heiligsten Vergnügens die schönste Blume geraubt, und der heiterste Quell trübe. –

Und siehe, eben von der Stelle des Hohenliedes, die sie so zart feiret, hat man sie verjagen, hat Worte der Unschuld zu schändlichen Zweideutigkeiten machen wollen, die nach allen Zeugnissen, alt und neu, der Orient gar nicht kennet, gar nicht leidet, sondern uns zweideutigen gesitteten Europäern als Schlamm und Schande ins Gesicht speiet. Was wäre denn der Garte, daran der Liebhaber satt hat und seine Gespielen dazu einladet? was wäre er im Gefühl des eifersüchtigen reinen Morgenländers? - - Doch warum verderben wir uns die Scene der Unschuld mit Erinnerungen solcher Art? Freunde und Geliebten haben satt getrunken: der Bräutigam sich satt gelobet; es folgt abermals eine Nachtscene.


Könnte ich vom Haupt des Liebhabers einige Thautropfen als Tropfen der Vergeßenheit auf meine Leser sprengen, daß sie das trefliche Stück ganz und allein und unvermengt mit vorigen Farben und Eindrücken fühlen!

Ich schlafe und mein Herz wacht!
Stimme meines Geliebten!
Er klopft!
"Thu auf mir, meine Schwester, meine Freundin,
Mein Täubchen, meine Reine,
Thu auf mir."
"Mein Kleid ist ausgezogen;
Wie? soll ichs anziehn?
Meine Füße sind gewaschen;
Soll ich sie neu besudeln?" –
Mein Lieber streckte
Die Hand durchs Gitter,
Mein Innres bebte mir.
Schnell stand ich auf,
Zu thun ihm auf, dem Lieben.
Meine Hände troffen Myrrhen,
Meine Finger troffen Myrrhen,
Die über den Riegel liefen.
Auf that ich meinem Lieben;
Mein Lieber war entwichen,
Verschwunden - -
Meine Seele war mir entgangen,
Da er zu mir sprach –
Ich sucht‘ ihn nun, und fand ihn nicht.
Ich rief ihn, aber Er
Antwortete mir nicht.
Mich fanden die Hüter
Die die Stadt umgehn.
Sie schlugen mich,
Sie verwundten mich.
Sie raubten mir den Schleier
Die Hüter der Mauern.
Ich beschwör‘ euch, Töchter Jerusalems!
Wenn ihr ihn findet,
Meinen Geliebten,
Was wollt ihr ihm sagen? –
Daß ich vor Liebe krank bin.
"Was ist denn dein Geliebter vor Geliebten,
Du Schönste der Weiber!
Was ist denn dein Geliebter vor Geliebten,
Daß du uns beschwurst?"
Mein Lieber ist weiß und roth,
Ein Panier aus zehnmal Tausenden.
Sein Haupt das feinste Gold,
Seine Locken kraus,
Und schwarz, wie ein Rabe.
Seine Augen wie die Täubchen übr Quellen,
In Milch gebadet,
In Fülle schwimmend.
Seine Wangen sind wie Blumenbeete,
Wie Kästgen Würze.
Seine Lippen Rosen,
Sie triefen strömende Myrrhe.
Seine Hände güldne Cylinder,
Voll Tyrkiße.
Sein Bauch ein lauteres Elfenbein,
Mit Sapphieren bedeckt.
Seine Schenkel Marmorsäulen,
Gegründet auf güldnem Fuß.
Sein Ansehn wie der Libanon,
Erhaben wie ein Cederbaum.
Sein Gaume Süßigkeiten
Und ganz Er Lieblichkeiten.
Der ist mein Lieber, der ist mein Freund,
Ihr Töchter Jerusalems.
"Und wohin ging denn dein Geliebter?
Du Schönste der Weiber.
Und wohin wandte sich dein Geliebter?
Wir wollen ihn suchen mir dir."
Mein Lieber ging in seinen Garten,
Zu seinen Blumenbeeten,
Zu weiden in den Gärten,
Zu sammlen Rosen sich.
Mein Lieber, ich bin sein,
Mein Lieber, er ist mein,
Der unter den Rosen weidet. - -

So bricht das Stück ab, und ohne Zweifel sinds auch schon mehrere Stücke, die der Sammler an einander fügte, weil Gelegenheit und eine gute Fuge da war. Das wandernde Nachtmädchen beschwur die Töchter Jerusalems, und da diese antworten und nach dem Merkmal ihres Geliebten fragten, so war die beste Zeit, daß die ängstige vor Liebe Kranke die Gestalt ihres Liebhabers mit einem Glanz und einer Sehnsucht auszeichnet, die fast die Nacht erleuchten. Und da die Gefragten weiter fragen und sie ihnen nichts weiter will, so kommt das Lied wieder unter die Schäfer- und Rosengesänge, wo sie bei Gelegenheit der Rosen ihr altes Bekänntniß der Liebe wiederholet und eine Nachtigall gleichsam mit diesem Schluß und Wiederhalle forteilet. - - Auch muß ich abermals bemerken, wie verändert die Scene gegen der vorigen erscheine. Dort war eine Königsvermählte, der Gilead und Hermon, die Davidsveste und der ganze Libanon mit Löwen und Leoparden zu Gebot stand. Alle Bilder waren in dieser Fülle, in diesem Schweben: Ein Blick von ihr konnte Helden machen: die Goldkette ihres Halses riß den Liebhaber mit sich fort. Hier ist ein Landmädchen, die in ihrer Hütte, im Garten, allein schläft. Der Geliebte kommt zur schlechten Thür, wo er am Riegel eingreifen kann und wie ein Schäfer die Thür seiner Geliebten salbet. Er ist voll Thau und ohne Obdach, will eingelassen seyn – sie schlummert, spricht zwischen Schlaf und Wachen, wie ein armes, reines Landmädchen. So steht sie auf, so sucht sie, so ruft sie, so begegnen ihr die Wächter, so beschwört sie die Töchter Jerusalems als eine Unbekannte, so antworten ihr diese; kurz, dies Niedrige, Garten- und Landmässige ist die Seele dieses vortrefflichen Liedes. Setzet eine Königin im Goldsaal an die Stelle, und alles ist verschwunden - -

Der Anfang des Stückes hat einen so außerordentlichen stillen Naturreiz, daß ich etwas darüber zu sagen verstumme. Das Schlafen "aber das Herz wacht", die Stimme des Geliebten, das Klopfen, die Namen, mit denen er sie anredet, die Beweggründe seiner flehenden Bitte: ihr Säumen, ihr Tändeln, das mühsame Kleid, der reine Fuß - - und wie er nun am Riegel regt, sich selbst öfnen will; wie sie zusammenfährt, aufsteht, eilt, öffnet, unvermuthet die Hand voll Myrrhen hat, die Finger voll Salbe des stillen Opfers seiner Liebe - - und Er hinweg ist, nicht da ist, nicht spricht, nicht antwortet: "Die Seele war mir entwichen, ich war ja außer und nicht bei mir, daß ich schwieg, da er sprach, daß ich träumte, da er klopfte - -" Armes Mädchen! du mußt dein Säumniß nun mit später Reue, Wunden und Angst büssen.

Wie sie nun umgeht! wie sie irret! nächtlich ängstlich suchet und irret! bis an die Mauer geräth und den Wächtern in die Hand fällt, die sie als eine Unedle behandeln, sie verwunden, ihr den Schleier der Ehrbarkeit und jungfräulichen Zier rauben – und wie sie, alles verschmerzend, weiter eilt, die Töchter Jerusalems beschwört, nur zu sagen, ihm zu sagen, daß sie krank sei von Liebe - -

Und da die Töchter Jerusalems stolz und prächtig nach Merkzeichen ihres Geliebten fragen; welch ein Zeitpunkt zu seinem Lobe, zu Schilderung seiner Gestalt! Jetzt unter dem Schleier der Nacht, im Gefühl, ihn verscherzt, ihn beleidigt zu haben; überdem aufgefordert, gereizt von diesen vornehmen Spröden und endlich aus der Fülle eines liebesiechen, verwundeten, kranken Herzens. Da strömt sein Lob: seine Gestalt wird ein wahres Prachtbild, Kolossus von männlicher Würde, Glanz und Schönheit. Sie schildert ihn, nicht wie er sie schildern würde: mehr seine Kleider als ihn; mehr seinen Anblick, als seine Reize. Ehrfurcht und Zucht haben so viel Theil an ihrem Gesange als Sehnsucht und Liebe. Nur wiederhole ich, daß diese Gestalt mir der Landscene des Nachtgesanges abstechend dünkt: beides scheint nur vom Sammler gebunden.

Weiß und roth ist ihr Geliebter, erkennbar unter zehntausenden, als ob er unter ihnen Panier schwänge. Sein Haupt ist feines Gold: sie verliert gleichsam die Züge seines Gesichts unter dem Schmucke des Turbans, der ihn auszeichnet und bei den Morgenländern überhaupt so wie das Sinnbild männlicher Würde, so auch Unterschied des Standes und der Ehre ist. Seine Locke ist kraus und Rabenschwarz: voll Stärke der Jugend und des Charakters. Seine Augen werden als Täubchen ausgemahlet, wie sie bisher noch nicht wurden, und es ist offenbar, daß in der Vergleichung nicht von Augen der Tauben, sondern von ihrem ganzen Bilde die Rede sei, wie sie über der Quelle in Fülle schwimmen und sich in Helle des Wassers baden; so belebt, so schwimmend und Regevoll, so voll Schüchternheit und Unschuld sind diese Augen. Uebergeht es nicht weit was die spätern Morgenländer durch den Blick der Gazelle sagen? Seine Wangen sind aufsteigende Blumengeländer und (wenn mir der Ausdruck erlaubt ist ) Apothekerbüchschen voll köstlicher Würze. Und seine Hände goldne Cylinder mit Ringen und Armschmuck umfasset. Und sein Bauch zartes Elfenbein, mit Sapphieren geziert im Gürtel und Dolchschmuck. Und seine Schenkel Marmorsäulen, auf goldnem Fuß – wo abermals Stärke und Vestigkeit mit Schmuck und Pracht nach Morgenländischer Weise Eins wird. Und welch ein Bild, wenn sein ganzer Anblick ein Libanus wird! sein Wuchs eine erlesne ewige Zeder! Und sein Gaume ist Süßigkeiten, seine Lippen leibhafte Rosen (nicht blos Rosen im Bilde) und Er ganz Lieblichkeit, ganz Lust und Liebe. –

Man nehme zusammen, wie die Künstlerseele der Liebhaberin ihren Geliebten ausbildet und ihn gleichsam als veste, ewige Ehrensäule hinstellt, und denke es sich in die Sitten Morgenlandes, das so sehr auf der Einen Seite Pracht und Schmuck, Diadem und Goldkleinode, als auf der andern die Verhüllung liebet, am Manne die Verhüllung der Würde, am Weibe die Verhüllung der Zucht. Er steht als Held und König da, nur Antlitz und Hände sind unverhüllet, und auch die überdecket mit Reichthum. Kleidung und Gestalt sind in des Morgenlandes Königliche Weise - - ein Ebenbild der Mannesehre und Würde.

Da wir die Garten- und Rosenliederchen schon haben, so wenden wir uns weiter; und siehe, ihr Lob wird mit einem Lobe vergolten:

Schön bist du, meine Freundin,
Wie Thirza schön,
Lieblich wie Jerusalem,
Furchtbar wie ein Kriegsheer.
Wend‘ ab die Augen,
Vor mir über,
Sie sind mächtiger, als ich.
Dein Haar ist wie die Gemsenheerde,
Die weidet vom Gilead.
Die Zähne wie die Lämmerheerde,
Die aufsteigt aus der Quelle,
Die alle Zwillinge tragen,
Und keins derselben fehlt.
Wie ein Ritz am Granatapfel deine Wange,
Am Lockenhaar.
Sechzig sind Königinnen,
Und achtzig Bulerinnen,
Und Jungfraun ohne Zahl;
Eine die ist meine Taube,
Meine Reine,
Sie, die Eine ihrer Mutter,
Sie, die Liebste ihrer Mutter.
Es sahen sie die Töchter,
Und preiseten sie selig;
Die Königinnen
Und Bulerinnen
Lobeten sie.

Es ist gut, daß wir die meisten Züge dieses Liedes schon erläutert haben; es ist ein hohes Lob auf die vorige arme Nachtscene. Mit den Königsstädten Judäas verglichen; dem schönen Thirza, dem lieblichen Jerusalem, ist sie zugleich furchtbar, wie Kriegsheere: er kann ihren Blick nicht ertragen. Und doch wieder wie lieblich mit Haar, Munde, Wangen! Und abermals wie prächtig, die Einige unter Königinnen, Bulerinnen und unzähligen Jungfraun! Und aufs neue wie lieblich! sie die reine Taube; ihrer Mutter Einzige, Liebste. Keine Königin und Bulerin vermag sie zu beneiden; alle müssen sie glücklich preisen und lieben. - -

Das Stück hatte schon prächtige, kriegerischkönigliche Züge; es ist aber nur Anklang gegen das, was folgt, und was ich beinah für den Gipfel des Buchs halte:

Wer ist, die aufglänzt wie das Morgenroth?
Lieblich wie der Mond,
Rein wie die Sonne,
Furchtbar, wie ein Kriegesheer?
"Zum Nußgarten war ich gangen,
Nach den Früchten im Thal zu sehn;
Zu sehn, ob schon der Weinstock knospe,
Ob schon die Aepfel blühn?
Und wußte nicht, daß meine Seele
Mich gesetzt zum Kriegeswagen
Meines edlen Volks."
Kehr‘ um, kehr‘ um, o Sulamith!
Kehr‘ um, kehr‘ um,
Wir wollen dich schaun!
"Was wollet ihr schaun an Sulamith?"
Den Tanz der Gottesheere.
Wie schön sind deine Tritte in den Schuhn,
Du Tochter des Edlen!
Die Schwingungen deiner Hüften sind
Wie Kettenwerk, geschlungen von Meistershand.
Dein Nabel ein runder Becher,
Dem’s nimmer an Maas gebricht.
Dein Bauch ein Weizenhügel,
Umpflanzt mit Rosen.
Deine zwo Brüste wie zwo Rehchen,
Die Einer Mutter Zwillinge sind.
Dein Hals ein Thurm von Helfenbein.
Deine Augen Teiche zu Hesbon,
Am Thore der Fürstentöchter.
Deine Nase wie das Schloß auf Libanon,
Das gen Damaskus schaut.
Dein Haupt auf dir, wie der Karmel.
Das Haar deines Haupts, wie Purpur,
Ein geflochtner Königsbund.
Wie schön bist du,
Und wie so lieblich bist du,
O Liebe in der Lust!
Deine Höhe
Ist gleich dem Palmenbaum,
Und deine Brüste den Trauben.
Ich sprach: "ich klimm‘ auf den Palmenbaum!
Ich erfaße seine Zweige.
Deine Brüste sollen mir Trauben seyn,
Und deines Athems Duft
Wie Aepfelduft,
Und koste deinen Gaumen
Wie guten Wein -"
"Der einschleicht meinem Lieben
Süß hinein,
Und schlummert die Lipp‘ ihm
Säuselnd zu.
Ja ich bin meines Lieben,
Und seine Lust zu mir;
Komm, mein Geliebter,
Wir wollen aufs Land,
Auf Dörfern wohnen
Und früh dann aufstehn,
In den Weinberg gehn,
Sehn, ob der Weinstock blühe?
Ob seine Trauben sich aufthun?
Ob die Aepfel blühn?
Da will ich dir
All meine Liebe geben!
Die Blumen der Liebe duften schon,
Und über unsrer Thür
Ist allerlei Schönes,
Neues und Alt,
Mein Lieber, ich barg es dir.
Wer gibt mir dich
Zum Bruder mir?
Der meiner Mutter
Brüste gesogen.
Ich fände dich draußen
Und küßte dich,
Und keiner verachtete mich.
Ich wollt dich führen,
Ich wollt dich bringen
In meiner Mutter Haus.
Du solltest mich lehren,
Ich würde dich tränken,
Mit Trank, den ich bereitet,
Mit Most von meinem Baum.
Seine Linke
Mir unterm Haupt,
Und seine Rechte
Umfaßt mich."
"Ich beschwör‘ euch, Töchter Jerusalem,
Wenn ihr sie weckt!
Wenn ihr sie regt, die Liebe!
Bis es ihr gefällt!"

Ich will zuerst die Verbindung und den Gang des Ganzen Gesanges zeigen; ich ihm liegen die meisten Reize.

Es wird ausdrücklich eine neue Scene angekündigt, mit dem bekannten Anfange: "wer ist die, die aufsteigt?" Hier aber gehet sie nicht als Dämmerung, als süßer Rauch auf, sondern schön wie die Sonne, Mond, Aurora. Der Stral der Morgenröthe bricht an, es wird Mond, es wird Sonne, es wird ein blinkendes furchtbares Kriegsheer.

Sie erscheint also in aller Pracht der Liebe: aber wie? wozu? –

Zuerst singend. Sie singet das Schäferlied "zum Nußgarten war ich gangen", erinnert sich ihrer vorigen Landeinfalt, ihres Stillen, ruhigen Lebens, als sie die Natur gepflegt, gewartet, geliebt und nicht weiter gedacht; damals nicht gewußt habe, daß ihre Seele d.i. ihr Muth und Genius sie zu der Würde bestimmt habe, in der sie jetzt erscheinet. Da sie kriegerisch aufging und vom bewillkommenden Gesange mit einem furchtbaren Kriegsheer verglichen wurde: so nennt sie auch diese Würde kriegerisch, den Rüstwagen ihres edlen willigen Volks, und der Ausdruck wird uns aus der Geschichte Salomons und der Sprache der Hebräer überhaupt verständlich. Roß und Wagen Israels sind ein gewöhnlicher Ausdruck für Kriegsmacht, Schutz und Schirm, Heldenmäßige Bedeckung. Das wollte Gott seinem Volk seyn, das war Elias, wie sein Jünger ihm nachrief, gewesen; so nennet sie sich jetzt mit dem veredelnden Ausdruck, daß sie es nur über ein freies edles Volk sei. Die Geschichte Salomons sagt uns, daß er die Israeliten nicht zu Knechten gemacht, sondern sie "Kriegsleute und seine Diener und Fürsten und Ritter und Aufseher über seine Knechte und Wagen seyn laßen"; wird der liebende König in diese Anordnungen nicht auch seine Liebe gemischt haben? Es heißt von ihm: "er herrschte weit umher, und hatte Friede, daß jeder in Israel unter seinem Weinstock und Feidenbaum sicher wohnte", und doch "brachte er zu Hauf Wagen und Reuter, daß er hatte tausend und vierhundert Wagen und zwölftausend Reuter, und ließ sie in den Wagenstädten und zu Jerusalem" ein furchtbar Kriegsheer! Konnte also auch der Ausdruck seiner Lieder ohne diese Spuren bleiben? Mußte seine Königin und Liebe nicht auch in diese Prachtspiele gemischt seyn? und wie natürlich, daß sie nun an ihre vorige Ruhe und Landeinfalt denket! Kurz, es ist etwas Ähnliches jenem prächtigen Prophetischen Psalme:

Dein Volk, die Edlen, sind mit dir
Am Tage des Siegs
In festlichen Kleidern
Wie aus der Mutter der Morgenröthe
Glänzender Thau - -

sie erscheint als eine Deborath, in königlicher Kriegspracht.

Der Aufzug verändert sich und wird Tanz, Tanz wie der Reigen der Engel, der himmlischen Kriegsheere: mir ist kein Lied bekannt, wo der Tanz so veredelt, so idealisirt wäre. Der Chor ruft ihr zu, daß sie sich wende, sich ihnen wieder zuwende und schaun laße. "Was wollet ihr schaun an Sulamith?" antwortet sie im Schwunge der Kunst. "Den Tanz der Mahanaim!" singet der Chor zurück und es erschallet eine Freudenlied, wo jeder Zug nur aus diesem Bilde Leben und Bewegung hernimmt, oder er stünde todt da.

Freilich sind wir auch hier in andrer Welt. Wir denken vom Tanz anders, und mögen von dem unsern Recht oder Unrecht haben; gnug die Morgenländer in den frühesten Zeiten der Unschuld dachten anders. Ihnen waren die Engel, die Sterne, ein jauchzendes tanzendes Siegsheer um den Thron des Allerhöchsten. Chor und Gegenchor, Mahanaim, feierten ihn im ewigen Liede und auch unter Menschen war Tanz, wie Gesang, in den ersten Zeiten heilig. Das Siegslied am tothen Meer erschallte unter Chören der Weiber, mit Pauken im Reigentanze, das Siegslied der Deborath trägt davon gleiche Spuren: und daß dieser Tanz nicht weich und wohllüstig sei, deßhalb ist er so prächtig und kriegerisch eingeleitet worden.

Und so sind seine Bilder. Im Tritte, im stolzen Tritt in ihren Schuhen erscheint sie eine Tochter des Edeln vera incessu patuit Dea!

Die Wendungen und Schwingungen ihrer Hüfte sind ein Theseischer Tanz, ein Gewebe der Ariadne; Kettenwerk künstlichgeschlungen von Händen des Meisters. Ihr Nabel quillt, wie ein runder Becher, dem niemals Mischung fehlt, der immer Ebenmaas hält, nie aufsprudelt, nie lechzet, in süßer Fülle, wie die Krone des Bechers, schwebet. Ihr Bauch ein Weizenhügel, der sanft sich hebt, hinaufschwillt, und der Zephyr in seinen Ähren macht Wallen, und die Rosen der Kleider, des schönen weiten Gewandes, schweben umher. Und die Rehchen weiden stille und verhüllt unter den Lilien ihres Busens. Und der Hals steht stolz und gebehrdet sich veste: ein Thurm von Elfenbein. Und die Augen schwimmen, wie Hesbons Teiche vor dem schönsten Thore, wo die Töchter der Edeln wandeln. Und die Nase raget hervor, schön und stolz wie das Luftgebäude, auf einer der Höhen Libanons, das die fröhliche Aussicht ins Thal nach Damaskus und bis übers Meer hat. Und das Haupt trägt sie, stolz und fröhlich wie der Karmel, das fröhlichste Gebürge Judäas und gleichsam das Haupt unter seinen Bergen. Und das Haar ist wie eine Purpurschnecke gewunden, geflochten wie ein Königsturban; das Diadem der ganzen edeln Gestalt, ihres Königlichen Wuchse und Schrittes die prangende Krone! – Wer den Anstand einer weiblichen Gestalt im edlen prächtigen Tanze prächtiger schildern kann, mags versuchen –

Freilich verlieren auch diese Bilder mit der Sprache, den Gegenden und Sitten Morgenlandes für uns Viel. Der Becher in seinem Ueberfluß war ihnen das Bild aller Fülle, Fröhlichkeit und Wonne, so wie der lechzende Becher das Zeichen der Noth, Traurigkeit und Armuth. Es war ihnen also gewohntes Bild, ob der Becher überströme? gnug habe oder lechze? und das wird hier zum Sinnbilde des feinsten Maases und Ebenmaasses in der fröhlichsten Bewegung. Das poco piu und poco meno kann kein lebenderes Bild aus der Welt des Genußes und der Freude finden. Die Nase, den Theil des Gesichts, der dem Ganzen Vestigkeit und Zusammenhang gibt, schämen wir uns beinahe zu nennen; die Morgenländer nennten ihn oft, und da das Schloß von schöner Aussicht, mit dem sie hier verglichen wird, gerade Salomons Bau war, so hatte das Gleichniß alle Reize der Neuheit und Phantasie des Königs. "Dein Haupt, wie Karmel," scheint kolossalisch; da es hier aber heißt: "Dein Haupt steht auf dir, wie Karmel", d.i. du trägsts so erhaben und fröhlich als jenes luftige Gebürge sich ausnimmt, das man von weiten zuerst erblickt, so verschwindet das Ueberspannte. "Die Augen Teiche zu Hesbon, wo die Töchter der Edeln spazieren." Den Morgenländern sind die Teiche und Quellen Augen der Erde, sprudelndes Leben, aufquillende Seele, und sind sie es nicht? Ist nicht eine schöne Gegend ohne Waßer, was ein Antlitz ohne Auge? Der Königsbund endlich die Krone von Allem. Man weiß, daß die Morgenländer in der Form und dem Gebunde des Turbans ihre Stände unterscheiden, und so sind die Windungen der Purpurschnecke in ihrem Haar hier das Höchste von Allem. Man setze die Bilder und Formen in die Bewegung, die ihr gebühren, und es wird eine tanzende Göttin.

Wie Tanz einladet zu Lust und Liebe, so schwinget sich auch der Gesang dahin. Er siehet ihren Wuchs unter dem süßen Bilde des Palmbaums, umfähet sie ganz, und wird so innig, daß die Braut selbst ihm auf die süße Weise der Unschuld die Wollusttrunkne Lippe versiegelt. Eben da sein Gesang am Athem der Liebe hanget und saugt und kostet süßen Nektar – da spricht die Braut weiter:

Süßer Nektar, der dem Lieben
Sanft einschleichet,
Süß dir eingeht, und die Lippe
Reden machet im Schlaf - -

Was können alle Katonen sagen, daß hier nicht unendlich lieblicher gesagt sei, da sie seine Lippen mit einem Druck des Fingers der Liebe schließt. "Schweige Freund, es ist Genuß des Heiligthums der Liebe, du sprichst im Schlummer."

Und wie sie fortfährt: "ja, Liebster, ich bin meines Lieben und seine Lust ist zu mir; aber komm hinaus. Hier ist kein Ohr, das deine Worte ertrage. Dort in den Wohnungen der Einfalt, wo noch die Natur rein und unverhüllet würkt, dort ist jetzt die Frühlingszeit der Liebe. Da blüht mit uns die Blüthe des Baums und die junge Knospe des Weinstocks. Unter ihnen, frühe, wenn noch alles schläft, und nur die Blumen der Liebe uns duften;

Da, Liebster, will ich dein
Mit aller Liebe seyn. –

Und sie duften ihr schon, die Dudaim: sie sieht die Thür ihrer Hütte ländlich mit Früchten und Blumen geschmückt und gekrönet. Ihrer Hütte fehlt nichts, sie will ihrem Lieblinge auch nicht fehlen, hat ihm noch manches Schöne von Früchten von vorigem Jahre aufgesparet, kurz, sie findet sich ganz in der Einfalt und Süßigkeit des Landlebens –

Noch nicht gnug. Sie möchte ihre Liebe noch unschuldiger, ganz zur Schwester- und Bruderliebe machen.

Ach, daß du nicht mein Bruder bist!
Und Einer Mutter Brust mit mir geküßt,
Daß wo ich dich nur fände,
Ich küßen könnte dich,
Und niemand hönte mich,
Und wähnet’s Sünde.
Umfaßen, umschlingen wollt ich dich,
Und führen dich
In meiner Mutter Haus.
Du winktest mir,
Ich brächte dir
Den Trank, den ich bereitet,
Den Most von meinem Baum.
Und seine Linke
Mir unterm Haupt:
Und seine Rechte
Umarmt mich –

Wer ist der Sittenrichter, der die Liebe keuscher Vermählter je Paradiesischer gedacht hätte? Wo ist das Herz, das der süßen Schwestertaube nicht zusinge zum drittenmal das Lied der schlummernden Liebe:

Ich beschwör‘ euch, Töchter Jerusalem,
Weckt sie nicht!
Regt sie nicht!
Bis sie selbst erwacht.

Und auf dieser Schuldlosen Stelle laßet uns den vorigen Palmbaum und die Dudaim der Liebe nochmals ansehn. Den Morgenländern war jener Baum an Wuchs und Blüthe, an Fruchtbarkeit und Süßigkeit der Trauben, des Safts, der Früchte, das schönste Sinnbild der ehelichen Liebe. Von dem süßen Weine, der dem Freunde so sanft eingehen, und ihn in trunknen Schlaf wiegen soll, ist der Palmenhonig noch jetzt das schönste Geschenk Morgenlands und die Bewirthung an hochzeitlichen Festen. Auch ist in der Anwendung, des Palmbaums Wuchs, seine Zweige, seine Trauben, der süße Athem des stärkenden Obstes, endlich der Nektar, der einschleicht und sich mit schwatzendem Schlummer endet, so zart behandelt, daß ich mich fast der Mißgeburt schäme, die hievon etwas anstößig oder unanständig fände. Nehmet das Gegentheil von Allem und sehet, was alsdenn die Menschliche Natur sei? Laßet den fliegenden Königstritt der Geliebten zur kranken Bettlerschwere ersinken: laßt es dahin kommen, daß die Spange des größten Künstlers sich mühsam wende, die Rehe von ihrem Gipfel fliehn und Hesbons Teiche sich trüben: Libanons Schloß liegt im Schlamm, und der einst fröliche Karmel steht nackt und wankend: dem runden Becher mangelt Getränk, und der schlanke Palmbaum ist Dornbusch – ihr Pharisäer, ihr Katonen, ist nun die Menschheit beßer, glücklicher, edler? Ist der süßeste Nektar des Paradieses nicht geschaffen, daß er gewürzt mit Unschuld und Schwesterliebe genossen werde? O Natur, Natur, du heiliger und entweiheter Gottestempel! da am meisten entweiht, wo man dich am lautesten rein bewahret, und am schönsten gepflegt, wo man in Hütten der Unschuld und Landeinfalt mit der Blüthe des Baums und der unschuldigen Knospe des Weinstocks feiret. Wenn deine Hütterin, die jüngste der Charitinnen, die Schaam in Rosengewande, aus allen Kreisen von Geschmack, Pharisäerwohlstand und Liebhaberei des unzüchtig Schönen verbannt seyn wird, sie, die immer da am wenigsten erkannt ist, wo sie am tieffsten wohnet, und da gesucht und gesetzt wird, wo ihre letzte Spur dahin ist; unschuldige Natur, heiliger Gottestempel, so wirst du da stehn, wohin auch dieses Feldtäubchen ihren Geliebten locket und winket, im Schoss der Einfalt und Armuth

Wer ist, die dort aufsteigt,
Aus der Wüsten her?
Gelehnt auf ihren Geliebten.

Zum drittenmal kommt der Anfang des Liedes wieder, aber leiser. Sie kommt nicht mehr wie Säule Weihrauch, nicht wie Aurora, Mond, Sonne und Kriegsheer; sie wandelt ruhig am Arm des Freundes.

Unter dem Apfelbaume
Wecket‘ ich dich.
Da gebar dich deine Mutter,
Da gebar, die dich gebohren.
"Ein Siegel präge mich auf dein Herz,
Ein Siegel auf deinen Arm!
Denn stark, wie der Tod, ist die Liebe;
Ihr Eifer hart, wie die Höll‘.
Ihre Kohlen glühende Kohlen,
Flamme des Herrn.
Viel Wasser mögen nicht aus sie löschen, die Liebe,
Und Ströme sie nicht ersäufen.
Und gäb‘ ein Mann auch Haus und Gut um Liebe;
Sie verschmähn, sie verachten ihn.

Siehe ein Gespräch der ehelichen Treue. Vielleicht äußerte die Geliebte, an seinen Arm gelehnt, Kümmernisse über die Dauer seiner Liebe; und siehe da kommen sie zu dem Baum, wo er sie zuerst weckte, dem süßen Andenken ihrer Jugendliebe und ersten Regung. Der alte Bund wird wieder erneuet und dem heiligen Namen der Mutter, die sie hier mit Schmerzen gebar, die sie als ihre Einige auferzog und ihm vermählte, bei ihm und diesem Baume, der sie ihm gegeben, wird der Bund beschworen. Es ist als ob sie ihre Kinder hieher führen, ihnen dies Heiligthum der Geburt ihrer Mutter, und ihrer Liebe und ihres ewigen Bundes oft zeigen wollten; und da also an seinem Arm hangend, antwortet sie:

Ein Siegel präge mich auf dein Herz,
Ein Siegel auf deinen Arm –

und das Lied, wie es folgt, möchte selbst Siegel der Liebe aufs ganze Buch heißen. Tod und Hölle, Glut und Blitz, Ströme und Waßer, Haus und Gut kommt zusammen, die Stärke, die Ewigkeit der Liebe zu bewähren. Sie hält vest, wie der Tod, umarmt wie das Grab, sie glühet tief, sie flammet hoch: kein Feind, kein Hinderniß kann sie tilgen, sie überwindet Widerstand und Gefahr. Wo sie ist, ist sie allmächtig, und wo sie nicht ist, kann sie nicht erzwungen, nicht erkauft werden; Reichthum und Schätze werden um sie verachtet – Ich wollte beinah, das Buch schlöße mit diesem Göttlichen Siegel.

Es ist auch so gut, als geschloßen; denn was folgt, scheint mir nur ein beigefügter Nachhall, damit nichts dieser Art verlohren ginge. Es ist das sinnreiche und stolze Gespräch einer Schwester mit ihren Brüdern.

Der Eine spricht:
Unsre Schwester ist noch klein,
Noch knospet nur ihr Busen;
Was wollen wir unsrer Schwester thun,
Wenn man wird um sie werben?
Der Zweite:
Ist sie eine Mauer,
So wollen wir auf sie bauen
Einen Silberpallast.
Ist sie eine Pforte,
So wollen wir sie verwahren
Mit Cedernholz.
Die Schwester:
Ja eine Mauer bin ich,
Und meine Brüste Thürme.
Da war ich in seinen Augen,
Wie Eine, die Frieden fand.

Ich laße mit Fleiß die Uebersetzung in ihrer morgenländischen räthelhaften Dämmerung, damit der Stral der Aufklärung so angenehmer werde. Offenbar ists eine Berathschlagung älterer weiser Brüder über die Sicherheit der Schwester, wenn sie heranwächst. Die Berathschlagung ist etwas früh und der Rath selbst etwas hölzern. Der Bruder antwortet: ist sie eine Mauer d.i. hält sie vest und wohl auf ihre Ehre, so soll sie belohnt werden. Silberne Spitzen, Putz und Kleinode, sollen sie zieren. Wäre sie aber eine Pforte, (die nicht Mauer) so müssen wir sie einschließen; (sie vervestigen mit Cedernbohlen) – der gewöhnliche Weg Morgenlandes, Treue und Keuschheit zu sichern. – Unwillig hierüber bricht die Schwester aus: "Mauer bin ich und keine Pforte; auch darf ich eurer Thürme und Bevestigungen nicht, meine Brüste sind Thürme, mein Busen gibt mir Sicherheit und Schutz. Ja nicht blos Sicherheit nach Kampfe; sondern Sieg und Frieden beim ersten Anblick. Der Feind erscheint vor der Mauer; beim ersten Anblick der Spitzen soll er abziehn und der Stadt den Frieden geben: d.i. meine Person selbst soll ihm Ehrfurcht einflößen, daß ich in Ruhe bleibe – ich habe eures Raths und eurer Einschliessung nicht vonnöthen." Daß dies unfehlbar der Sinn sei, zeigt folgende kleine Geschichte, die ihnen das Mädchen zum Spott dazusetzt:

Einen Weinberg hatte Salomon
Zu Baal-Hamon.
Er that den Weinberg Hütern aus,
Daß jeder ihm für seine Früchte
Tausend Silberlinge brächte.
Mein Weinberg ist
Vor Augen mir:
Die Tausend werden dem Salomo,
Und die die Frucht ihm hüten,
Haben zweihundert noch.

Offenbar eine Spottgeschichte von dem, was aus dem Hüten und Wahren herauskommt. Der König bekommt, was er sich ausbedung, und jeder nimmt sich noch zum Hüterlohn das Seine. Sie wahret, spricht sie, ihren Weinberg selbst, so wird sie nicht betrogen und darf keinen Hüterlohn zollen.

Ob das schöne Mährchen bisher so verstanden sei? weiß ich nicht; ich wenigstens habe es nirgend gefunden. Ich mag aber nicht darum streiten, "es könnte es sonst ein alter Rabbi gesagt haben" – kurz, mich dünkt, dies ist sein klarer Sinn, und der Sinn ist schön, und im Ton des Morgenlandes sinnreich. Man weiß, daß sie eine so räthselhafte Sprache des Witzes in Bildern, Gleichnissen und Beispielen lieben und getraue mich, zu sagen, daß dies eins der schönsten Stücke der Art sei, die aus dem Hebräischen Alterthume zu uns gekommen. Eben deßwegen und weil Salomons Name und Weinberg darinn vorkommt, ward ihm vermuthlich die Stelle zum Anhange des Hohelieds. Es könnte aber übrigens auch zugleich als ein kleiner Belag zur Schatzkammer des großen Königs, so wie der Haushaltung, so auch vermuthlich in der Liebe dienen. – Die Moral darinn ist: "wahre Zucht, Schönheit und Ehre verwahret sich selbst. Sie bedarf keiner Klammern, Bollwerke, Hüter und Thürme, so wenig als diese sie "ersetzen oder ihr nützen" und diese Moral ist Mädchenhaft, und jugendlich eingekleidet –

Es folgt noch das Fragment eines Gesprächs:
Du Wohnerin der Gärten,
Die Gespielen horchen auf deine Stimme
Laß mich sie hören –
"Fleuch, mein Geliebter, gleich dem Reh,
Dem jungen Hirsch‘ auf duftender Höh –

und damit endets. Entweder wollte der Sammler nichts untergehn lassen und fügte auch dies kleine Duo bei; oder er sollte noch mehr anzeigen, wie wir gleich untersuchen wollen. Offenbar ists die Stimme eines jungen Liebhabers, der die Stimme dieser Nachtigall hören will; sie winkt ihm aber zu fliehn, wie ein Hirsch auf duftenden Bergen – und so verhallet das Buch –

Aus: Johann Gottfried Herder: Sämtliche Werke. Band VIII. Hrsg. von Bernhard Suphan. Georg Olms Verlagsbuchhandlung Hildesheim 1967. Reprografischer Nachdruck der Ausgabe Berlin 1892.

 

 

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