Das Hohe Lied Salomos

In der Übertragung von Wilhelm Friedrich Hezel (1777)

 


Wassily Kandinsky (1866-1944)
Improvisation 209

 




Das Hohelied Salomons

Das erste Kapitel
Salomons fürtreflichstes Lied

Sulamith
Möchte er mich doch küssen!
Deine Liebe ist besser als Wein
Und Duft fürtreflicher Oele.
Du hauchest bessres Oel!
Darum liebten dich mannbare Jungfrauen.
Entführe mich! - Laß uns entlaufen!
(Nun bald führt mich in sein Gemach der König.)
Jauchzend wollen wir an dir uns vergnügen,
An deine Liebe mehr denken, als an Wein,
Du, der Redlichen Liebling.

Schwarz bin ich, wie Kedarische Hütten,
Jerusalems Jungfrau'n aber schön, wie Salomons Zelte.

Mir sehe man nicht nach, da ich so schwarz bin,
gebrannt von der Sonne.
Meiner Mutter Söhne, erzürnt auf mich,
machten mich zur Weinbergshüterinn.
Meinen eignen Weinberg hütete ich nicht!

O sage mir doch, du, mein Liebling,
wo du weidest,
Wo du Mittags deine Heerde ruhen lässest,
So will ich selbst mich retten,
wie du, eines deiner Schaafe
Verirrt unter den Heerden deiner Mithirten.

Salomo
Wenn du dich, schönstes Weib,
denn nicht beruhigen kannst:
So gehe hinaus, - hinter der Heerde her,
Und weide deine Zickchen unter dürftigen Schäfern!
Allein, meine Freundinn, ich will dir verstatten,
Zu fahren in Pharao's prächtigem Wagen,
bespannt mit meinen Rossen.
Geschmückt sollen werden deine Wangen
mit Ohringen,
Dein Hals mit kostbaren Perlen.
Schon bereitet man dir goldne
Ohrengehänge mit silbernen Glanzflecken.

Sulamith
So lang der König bey Tafel ist - duftet meine Narde.
Myrrhe ist mir mein Freund,
die zwischen meinen Brüsten ruht.
Ein blühender Palmzweig ist mein Freund
in Engeddischen Weinbergen.

Salomo
Schön bist du, meine Freundinn, schön bist du,
Deine Augen sind Taubenaugen.

Sulamith
Du bist schön, mein Freund!
Wollust war die Zeit,
Da wir wohnten unter unserm
schattigten Zelte in grünen Gefilden.

Salomo
Die Pfeiler unsres Pallastes sind Cedern!
Unser Fußboden weiße Tannen!


Das zweyte Kapitel

Sulamith
Ich - eine Feld-Narzisse?
Eine Lilie der Thäler?

Salomo
Wie eine Lilie unter Disteln,
prangt mein Freundinn
unter den Jungfrauen

Sulamith
Wie ein Apfelbaum unter wilden Bäumen,
prangt mein Freund unter den Jünglingen.
In seinem Schatten wünsche ich zu sitzen.
Denn seine Früchte sind süß für meine Zunge.
Auch Er kann mich ins Weinhaus führen!
Die Decke, die Er über mich breitet, ist Liebe!
Haltet mir Blumen vor!
Stärket mich mit Aepfeln!
Denn ich schmachte vor Liebe!

O legte er seine Linke unter mein Haupt,
und seine Rechte umfaßte mich!

Salomo
Ich beschwöre euch, Jerusalems Jungfrauen,
Bey den Rehen, bey den Hindinnen des Feldes.
Wo ihr diese Liebenswürdige stöhret,
oder aufwecket.
Eher, als sie selbst will!

Sulamith
Meines Lieblings Stimme! - Er kommt! -
Schon geht er auf den Bergen,
schon setzt er über die Hügel,
Wie ein Reh und junger Hirsch. -
Schon steht er hinter unsrer Wand,
Schauet zum Fenster herein,
strahlet durch das Gitter.
Bald wird er mir zurufen:
Auf, Freundinn,
meine Schöne, komme!
Der Winter ist zu Ende,
der Platzregen vorüber und versieget.
Schon sieht man Blumen auf dem Felde,
Die Zeit des Vögelgesanges nähert sich,
Die Stimme der Turteltaube hört man schon
auf unserm Felde.
Schon treibt der Feigenbaum junge Feigen,
Die Blüthen der Weinstöcke duften.
Mach dich auf, Freundinn,
meine Schöne, komme!
Meine Taube, eingeschlossen in Felsen-Klüften,
in Hölen steiler Berge,
Zeige mir deine Gestalt!
Laß mich hören deine Stimme!
Deine so anmuthihe Stimme!
Deine so schöne Gestalt!

Fangt uns die Füchse, die kleinen Füchse,
Der Weinberge Verwüster, auch unsrer Weinberge
in der Blüthe.

Mein Freund ist mein und ich bin sein,
Der unter Lilien weidet,
bis der Tag sich kühlet
und die Schatten entfliehn.

Kehr um, mein Freund,
flüchtig, wie ein Rehe auf den Gebirgen!


Das dritte Kapitel

Sulamith
Auf meinem Bette, bey später Nacht,
suchte ich meinen Liebling.
Ich suchte ihn - und fand ihn nicht.

Ich will mich aufmachen,
und rings umher gehen
In der Stadt, auf den Straßen und Thorplätzen,
Suchen meinen Liebling -
Suchen will ich ihn.
Sollte ich ihn nicht finden?
Stoßen mir die Wächter auf,
die die Stadt umher gehen,
Will ich sie fragen:
Habt ihr meinen Liebling nicht geseh'n?
Bald, wenn ich vor ihnen vorüber bin,
muß ich antreffen meinen Liebling.
Denn will ich ihn halten und nicht los lassen,
Bis ich ihn gebracht habe
in meiner Mutter Hauß,
Ins Gemach meiner Gebährerinn.
Ich beschwöre euch, Jerusalems Jungfrauen,
Bey den Rehen, bey den Hindinnen des Feldes;
Wo ihr diese Liebenswürdige stöhret,
oder aufwecket,
Eher, als sie selbst will!

Salomo
Wer ist die, die den Fluhr heraufkommt,
wie eine Rauchseule,
Beduftet mit Myrrhen und Weyrauch,
mehr, als jeder Gewürzverkäufer?
Salomons Bette umzingeln sechzig Helden,
Ausgewählt unter den Helden Israels.
Sie alle, oft schon angefallen
von feindlichen Schwerdten,
Sind erfahrne Krieger.
Jeder trägt ein Schwerdt an des Seite,
Wider die schaudernde Nacht.
Der Thron, den sich Salomo gebauet hat,
ist aus Bäumen Libanons,
Die Pfeiler von Silber,
Die Träger von Gold,
Der Sitz purpurn,
Innwendig ausgelegt.
Reizender (anzusehen)
als Jerusalems Jungfrauen.
Kommt und bewundert,
Zions Jungfrauen, den König Salomo,
Bewundert die Krone, mit der ihn
krönte seine Mutter
An seinem Vermählungstage,
An dem Tage, da sein Herz frölich war.


Das vierte Kapitel

Salomo
Du bist schön, meine Freundinn,
schön bist du!
Deine Augen, hinter deinem Schleyer
sind Taubenaugen.
Dein Haupthaar ist wie eine Heerde
(schwarzer) Ziegen,
Welche entwollet nach Gilhad eilen.
Dir stehen die Zähne,
wie eine Heerde muntrer Schaafe,
Die aus der Schwämme zurückkommen,
Mütter von Zwillingen,
Und unter welchen keines ohne Lämmer ist.
Wie eine purpurrothe Halsschnur
sind deine Lippen,
Und reizend deine Sprache.
Wie die Schaale des Granat-Apfels
sind deine Wangen,
Hinter deinem Schleier.
Dein Hals ist wie Davids Thurm,
Zum Waffenbehältniß erbauet,
In welchem tausend Schilde hängen,
und alle Köcher der Helden.
Deine beyden Brüste sind
wie zwey Rehkälber,
Zwillinge einer Hindinn,
Die unter Lilien weiden,
bis der Tag sich kühlet
und die Schatten entfliehn.

Sulamith
Ich muß erst auf den Myrrhenberg
und auf den Weyrauchshügel gehen.

Salomo
Vollkommen schön bist du, meine Freundinn,
und kein Fehl an dir.
Mit mir kommen, Braut, auf Libanon,
Denn darfst du dich auf des Amana's
Spitze wagen,
Auf den Gipfel Senirs und Hermons,
In die Wohnungen der Löwen,
auf die Gebürge der Pander.
Mein Herz hast du verwundet, geliebte Braut!
Mein Herz hast du verwundet,
durch Eines deiner Augen,
Durch Eine Perle an deinem Halse.
Wie reizend ist deine Liebe! geliebte Braut!
Deine Liebe ist besser als Wein,
Und der Duft deiner Oele fürtreflicher,
als alle Gewürze.
Braut! - Honig träufeln deine Lippen!
Honig und Milch sind unter deiner Zunge!
Der Duft deiner Kleider ist
wie der Duft Libanons.
Aber - ein verschlossener Garten bist du,
geliebte Braut!
Ein verschlossener Garten!
Eine versiegelte Quelle!
Deine Sprößlinge müßten
einem Lustgarten gleichen,
In welchem Granat-Bäume wachsen,
mit den herrlichsten Früchten,
Blühende Palm- und Narden-Bäume,
Narden und Crocus,
Calmus und Cynamen,
Nebst allen Arten von Weyrauch- Myrrhen-
und Sandel-Bäumen,
Und allen Arten der besten Gewürze.

In diesem Garten würdest du die Quelle,
Eine Cisterne von frischem Wasser seyn,
So, wie es herab rieselt vom Libanon.

Sulamith
Erhebe dich, Nordwind! -
Komme, Südwind!
Lasse meinen Garten duften,
den Hauch seiner Gewürzbäume sich verbreiten!
Damit mein Freund
in seinen Garten komme
Und genieße seine herrlichen Früchte!


Das fünfte Kapitel

Salomo
So muß ich denn, geliebte Braut,
in meinen Garten gehen!
Meine Myrrhe und meine Gewürze pflücken!
Meinen Honigkuchen essen!
Meinen Wein und meine Milch trinken!
Esset - Gespielen!
Trinket und berauschet euch, Freunde!

Sulamith
Zwar schlief ich, mein Herz aber war unruhig.
Da hörte ich meinen Freund klopfen und sprechen:
Mache mir auf, meine vertraute Freundinn,
meine fehllose Taube!
Mein Haupt ist voll von Thau,
Mein grauses Haar vom Träufeln der Nacht.

Ich hatte ausgezogen meinen Rock,
Wie konnte ich ihn sogleich wieder anziehen?
Gewaschen hatte ich meine Füße,
Hätte ich sie wieder besudeln sollen?

Mein Freund steckte seine Hand
durchs Schlüssel-Loch,
Und meine Eingeweide wallten ihm entgegen.
Ich stund auf, aufzuthun meinem Freunde: -
Meine Hände träufelten Myrrhen,
Und meine Finger fette Myrrhe.
Ich öffnete meinem Freunde die Thüre,
Mein Freund aber war unsichtbar! -
Schon war er hinweg.
Meine Sehnsucht entbrannte nach ihm,
da er redete
Ich suchte ihn, fand ihn aber nicht,
Rufte ihm - aber er antwortete mir nicht!

Es trafen mich an die Stadt-Wächter. -
Unbarmherzig schlugen sie mich!
Die Wächter der Stadtmauer raubten mir
meinen Schleyer!

Ich beschwöre euch, Jerusalems Jungfrauen,
Wo ihr meinen Freund antreffet,
daß ihr ihm saget:
Ich schmachte vor Liebe.

Die übrigen Maitressen
Was ist dein Freund vor andern?
Schönstes Weib!
Was ist dein Freund vor andern,
daß du uns beschwörest?

Sulamith
Mein Freund ist weiß und roth!
Kennbar unter zehnentausenden!
Sein Haupt gleicht seinem Gold,
Sein grauses fliegendes Haar ist schwarz,
wie ein Rabe.
Seine Augen, wie Augen der Tauben
an geschlängelten Bächen,
Die, wie in Milch gewaschen,
an Wassergräben sitzen.
Seine Wangen sind wie ein
Gewürz-Gefilde,
Bebauet von Ausländern.
Seine Lippen sind Lilien,
und träufeln die fetteste Myrrhe.
Seine Hände sind goldne Cylinder,
übersäet mit Chrysolythen.
Sein Leib, weiß, wie Elfenbein,
ist mit Saphiren besetzt.
Seine Beine sind weiße Marmorseulen,
gegründet auf goldne Stützen.
Sein Ansehen ist wie Libanon,
Fehllos, wie Cedern.
Anmuth ist auf seiner Zunge,
und reizend sein ganzes Er!
Dies ist mein Freund! dies ist mein Gatte!
Jerusalems Jungfraun!


Das sechste Kapitel

Die übrigen Maitressen
Wo ist er denn hin, dein Freund?
Schönstes Weib!
Wohinwärts gieng denn dein Freund?
Wir wollen ihn dir suchen helfen.

Sulamith
Mein Freund gieng hin in seinen Garten,
Auf die Gewürzgefilde,
Um in den Gärten zu weiden
und Lilien zu pflücken.
Mein Freund ist mein und ich bin sein,
Der unter Lilien weidet.

Salomo
Schön bist du, meine Freundinn, wie Tirza,
Reizend, wie Jerusalem,
Furchtbar, wie Kriegsheere.
Wende deine Augen von mir, -
sie machen mich schamroth!
Dein Haupthaar gleicht einer Heerde Ziegen,
Welche entwollet nach Gilhad eilen.
Deine Zähne sind wie eine Heere Schaafe,
Die von der Tränke zurückkommen,
Mütter von Zwillingen und unter welchen
keines ohne Lämmer ist.
Gleich der Schaale des Granat-Apfels
sind deine Wangen hinter deinem Schleyer.

Hier sind sechzig Königinnen
und achtzig Beyschläferinnen
Und unzählige Jungfrauen.
Sie aber allein ist meine fehllose Taube,
Die Beste ihrer Mutter,
Die Auserwählte ihrer Gebährerinnen.
Es sahen sie Jungfrauen, -
sie mußten sie preisen -
Königinnen und Beyschläferinnen -
und sie mußten sie loben: -
Wer ist es, die in der Dämmerung
so früh daher kommt?
Schön, wie der Mond,
Glänzend, wie die Sonne,
Schreckend, wie Kriegs-Heere?

Sulamith
Ich gieng hin in den Nußgarten,
An grünenden Thälern mich zu belustigen,
Zu sehen, ob der Weinstock ausschlage,
Ob die Granatbäume grünen.
Unvermuthet kamen mir zu Gesichte
Amminadabs Wägen.


Das siebente Kapitel

Amminadab
Kehre wieder, kehre wieder,
Salomo's vertrauteste Schöne!
kehre wieder, kehre wieder!
Deinen Reiz wollen wir bewundern.

Sulamith
Was würdet ihr wohl an mir,
Der Dürftigsten unter zwey Heeren,
bewundern können?

Salomo
Wie schön sind deine Füße,
du Fürstentochter!
Der Gürtel, der deine Lenden umschließt,
Ist wie der Halsschmuck,
verfertigt durch Meister Hände.
Dein Nabel ist ein runder Becher,
Der nie von Weinsekt leer ist.
Dein Bauch gleicht einem Getraidehaufen,
Umzäunt mit rothen Lilien.
Deine beyden Brüste sind wie
zwey junge Rehzwillinge;
Dein Hals ist wie ein elfenbeinerner Thurm;
Deine Augen sind wie die Teiche in Hesbon;
beym Thor Bat Rabbim;
Deine Nase wie ein Thurm Libanons,
Von dem man herunter nach Damaskus sieht.
Dein Haupt ist wie der Berg Karmel;
Im Purpur färben sich deine Lippen;
Gefesselt ist der König durch deinen Halsschmuck.
Wie schön, wie reizend bist du,
Liebenswürdig durch majestätische Schönheit!

Diese deine Leibeslänge gleicht einer Palme,
Und deine Brüste den Trauben.

Ich dachte, dürfte ich doch diese Palme besteigen!
Dürfte ich ihre Aeste ergreifen!
Wie Weintrauben sollten mir deine Brüste seyn,
Dein Hauch wie Aepfelduft,
Und deine Zunge wie Wein.

Sulamith
Diesen Reiz fühle mein trauter Geliebter!
Mit ihm unterhalte ich mich des Nachts in Träumen.
Ich gehöre meinem Geliebten,
Und für mich schlägt sein Verlangen.

Komm, mein Freund! laß uns aufs Feld gehen,
Und unter blühenden Palmen ruhen.

Frühe wollen wir an den Weinstöcken arbeiten,
Wollen sehen, ob der Weinstock ausschlage,
Ob die jungen Trauben hervorsprossen,
Ob die Granatbäume blühen,
Dort will ich Dir meine Liebe schenken.

Dort sollen uns Liebeswurzeln duften,
Und über unsrer Thüre allerley diesjährige und
vornjährige fürtrefliche Früchte,
Die ich für dich, mein Freund! aufbewahrt habe!


Das achte Kapitel

Sulamith
Wer giebt dich mir zum Bruder,
Der meiner Mutter Brüste gesogen hat?
Finde ich dich draußen, so küss' ich dich,
Und niemand wird deßwegen schändlich von mir reden.

Ich will dich führen, ich will dich bringen
in meiner Mutter Haus,
Um vertrauter mit mir zu leben;
Mit gewürztem Wein und Granat-Aepfel
will ich dich tränken.
Seine Linke lege er unter mein Haupt,
Und seine Rechte umfaße mich.

Ich beschwöre euch, Jerusalems Jungfrauen,
Wo ihr diese Liebenswürdige stöhret,
oder aufwecket
Eher, als sie selbst will!

Wer ist sie, die auf dem Gefilde daher kommt,
Die sich ihrem Freund so gefällig macht? -
Unter diesem Apfelbaum will ich dich wecken,
Dort, wo dich deine Mutter gebahr,
Wo deine Gebährerinn Geburtsschmerzen hatte.

Drücke mich, wie einen Siegelring, an dein Herz,
Wie einen Siegelring an deinen Arm.
Denn mächtig wie der Tod ist meine Liebe,
Unerträglich wie das Grab meine Sehnsucht;
Ihre Flammen sind lodernde Feuerflammen des Jova.
Wasserfluthen vermögen nicht,
diese Liebe zu dämpfen,
Noch Ströme, sie zu vertilgen.
Wollte einer alle Reichthümer seines Hauses
vor die Liebe geben, -
Man würde sie dagegen verachten.

Noch ist unsre Schwester klein,
Noch hat sie keine Brüste;
Was wird mit ihr anzufangen seyn,
Zur Zeit, wo man sich mit ihr unterredet.

Ist sie eine Mauer:
So wollen wir eine silberne Brustwehr über sie bauen.
Ist sie aber ein offnes Thor,
So wollen wir es mit einem
cedernen Riegel verschließen.

Ich war eine Mauer,
Und meine Brüste waren wie zween feste Thürme.
Ich war in seinen Augen wie eine,
Die auf einmal glücklich worden ist.

Salomo hat ja selbst einen Weinberg zu Baal-Hamon;
Er hat ihn der Aufsicht der Weinbergshüter übergeben;
Jeder bringt für die Früchte desselben
tausend Silberlinge.

Mein Weinberg bleibe nur mein!
Die tausend magst du, Salomo,
Und zweyhundert nebst den Früchten
mögen die Weinbergshüter bekommen!

Der Schäfer
Du Bewohnerinn der Gärten;
Die Mithirten belauschen deine Stimme;
Nur mich laß sie hören.

Sulamith
Fliehe, mein Freund! gleich einem Rehe,
Oder jungem Hirsch, auf Gewürz-duftende Berge.


übersetzt von Wilhelm Friedrich Hezel (1754-1824)

Aus: Wilhelm Friedrich Hezel's
Neue Uebersetzung und Erklärung
des Hohen Liedes Salomons
Nebst zween Briefen an einen Staatsmann
an einem Herzogl. Sächsis. Hofe,
über einige interessante Gegenstände der Bibel.
Leipzig und Breslau 1777




 

 

 

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