Das Hohe Lied Salomos

In der Übertragung von Martin Luther (1483-1546)

 


Wassily Kandinsky (1866-1944)
Improvisation 209




Das Hohelied Salomo
 

 

I.

2 ER küsse mich mit dem Kusse seines Mundes / Denn deine Brüste sind lieblicher denn Wein. 3 Das man deine gute Salbe rieche / Dein Name ist ein ausgeschütte Salbe / Darumb lieben dich die Megde.

4 ZEuch mich dir nach / so lauffen wir / Der König füret mich in seine Kamer / Wir frewen vns / vnd sind frölich vber dir / Wir gedencken an deine Brüste mehr / denn an den Wein / Die Fromen lieben dich.

5 JCh bin schwartz / Aber gar lieblich / jr töchter Jerusalem / Wie die hütten Kedar / wie die teppiche Salomo. 6 Sehet mich nicht an / Das ich so schwartz bin / denn die Sonne hat mich so verbrand. Meiner mutter Kinder zürnen mit mir / Man hat mich zur Hüterin der Weinberge gesetzt / Aber meinen Weinberg den ich hatte / habe ich nicht behütet.

7 SAge mir an du / den meine Seele liebet / Wo du weidest / wo du ruhest im mittage? Das ich nicht hin vnd her gehen müsse / bey den Herden deiner Gesellen.

8 KEnnestu dich nicht / du schöneste vnter den Weibern / So gehe hin aus auff die fusstapffen der Schafe / vnd weide deine Böcke bey den Hirten heusern.

9 JCH gleiche dich / meine Freundin / meinem reisigen Zeuge an den wagen Pharao. 10 Deine Backen stehen lieblich in den Spangen / vnd dein Hals in den Keten. 11 Wir wöllen dir güldene Spangen machen mit silbern Pöcklin.

12 DA der König sich her wandte / gab mein Narde seinen ruch.
13 Mein Freund ist mir ein büschel Myrrhen / das zwisschen meinen Brüsten hanget. 14 Mein Freund ist mir ein drauben Copher / in den Weingarten zu Engeddi.

15 SJhe / meine Freundin / du bist schöne / schöne bistu / Deine augen sind wie Tauben augen. 16 Sihe mein Freund / du bist schön vnd lieblich / Vnser Bette grünet / 17 vnser Heuser balcken sind Cedern / vnser latten sind Cipressen.


II.

1 JCH bin ein Blumen zu Saron / vnd ein Rose im tal. 2 Wie eine Rose vnter den Dörnen / So ist mein Freundin vnter den Töchtern. 3 Wie ein Apffelbawm vnter den wilden Bewmen / So ist mein Freund vnter den Sönen. Jch sitze vnter dem Schatten des ich begere / vnd seine Frucht ist meiner Kele süsse.

4 ER füret mich in den Weinkeller / vnd die Liebe ist sein Panir vber mir. 5 Er erquicket mich mit Blumen / vnd labet mich mit Epffeln / Denn ich bin kranck fur liebe. 6 Seine Lincke liget vnter meinem Heubte / vnd seine Rechte hertzet mich.

7 JCH beschwere euch / jr töchter Jerusalem / bey den Rehen oder bey den Hinden auff dem felde / Das jr meine Freundin nicht auffweckt noch reget / bis das jr selbst gefellt.

8 DA ist die stimme meins Freunds / Sihe / Er kompt vnd hüpffet auff den Bergen / vnd springet auff den Hügeln. 9 Mein Freund ist gleich einem Rehe oder jungen Hirss. Sihe / Er stehet hinder vnser Wand / vnd sihet durchs fenster / vnd gucket durchs gitter.

10 MEin Freund antwortet / vnd spricht zu mir / Stehe auff meine Freundin / meine schöne / vnd kom her. 11 Denn sihe / der Winter ist vergangen / der Regen ist weg vnd da hin / 12 Die Blumen sind erfür komen im Lande / Der Lentz ist er bey komen / vnd die Dordeltaube lesst sich hören in vnserm Lande. 13 Der Feigenbawm hat knoten gewonnen / die Weinstöcke haben augen gewonnen / vnd geben jren Ruch / Stehe auff meine Freundin vnd kom / meine schöne kom her. 14 Meine Taube in den felslöchern / in den steinritzen / Zeige mir deine gestalt / Las mich hören deine stim / Denn deine stim ist süsse / vnd deine gestalt lieblich.

15 FAhet vns die Füchse / die kleinen Füchse / die die Weinberge verderben / Denn vnser Weinberge haben augen gewonnen. 16 Mein Freund ist mein / vnd ich bin sein / der vnter den Rosen weidet / 17 Bis der tag küle werde / vnd der schatten weiche. Kere vmb / werde wie ein Rehe mein Freund / oder wie ein junger Hirss auff den Scheidebergen.


III.

1JCH sucht des nachts in meinem Bette / den meine Seele liebet / Jch sucht / Aber ich fand jn nicht.
2 Jch wil auffstehen / vnd in der Stad vmbgehen auff den gassen vnd strassen / vnd suchen / den meine Seele liebet / Jch sucht / Aber ich fand jn nicht. 3 Es funden mich die Wechter die in der Stad vmbgehen / Habt jr nicht gesehen den meine Seele liebet? 4 Da ich ein wenig fur vber kam / da fand ich den meine Seele liebet / Jch halt jn / vnd wil jn nicht lassen / Bis ich jn bringe in meiner Mutter haus / in meiner Mutter kamer.

5 JCH beschwere euch / jr töchter zu Jerusalem / bey den Rehen oder Hinden auff dem felde / Das jr meine Freundin nicht auffweckt / noch reget / Bis das jr selbs gefellet.

6 WER ist die / die er auff gehet aus der Wüsten / wie ein gerader Rauch / wie ein Gereuch von myrrhen / weyrauch vnd allerley puluer eins Apotekers?

7 SJhe / vmb das bette Salomo her / stehen sechzig starcken aus den starcken in Jsrael. 8Sie halten alle Schwerter / vnd sind geschickt zu streitten. Ein jglicher hat sein Schwert an seiner hüfften / vmb der furcht willen in der nacht.

9 DEr könig Salomo lies jm eine Senffte machen von holtz aus Libanon / 10 Der selben Seulen waren silbern / die Decke gülden / der Sitz purpern / der Boden mitten inne war lieblich gepflastert / vmb der Töchter willen zu Jerusalem.

11 GEhet er aus vnd schawet an / jr töchter Zion / den könig Salomo / in der Krone / da mit jn seine Mutter gekrönet hat / am tage seiner Hochzeit / vnd am tage der freuden seines hertzens.


IIII.

1 SJhe meine Freundin / du bist schön / Sihe / schön bistu. Deine Augen sind wie taubenaugen / zwisschen deinen Zöpffen. Dein Har ist wie die Ziegen herd / die beschoren sind auff dem berge Gilead. 2 Deine Zeene sind wie die herde mit beschnitten wolle / die aus der schwemme komen / die allzumal Zwilling tragen / vnd ist keine vnter jnen vnfruchtbar. 3 Deine Lippen sind wie eine rosinfarbe schnur / vnd deine Rede lieblich. Deine Wangen sind wie der ritz am Granatapffel / zwisschen deinen zöpffen. 4 Dein Hals ist wie der thurm Dauid / mit brustwehr gebawet / daran tausent Schilde hangen / vnd allerley waffen der Starcken. 5 Deine zwo Brüste sind wie zwey junge Rehe zwillinge / die vnter den rosen weiden / 6 bis der tag küle werde / vnd der schatten weiche. Jch wil zum Myrrhenberge gehen vnd zum Weyrauch hügel.

7 DV bist aller ding schöne / meine Freundin / vnd ist kein flecken an dir. 8 Kom meine Braut vom Libanon / Kom vom Libanon / Gehe er ein / Trit her von der höhe Amana / von der höhe Senir vnd Hermon / von den wonungen der Lewen / von den bergen der Leoparden. 9 Du hast mir das hertz genomen / meine Schwester liebe Braut / mit deiner augen einem / vnd mit deiner Halsketen eine.

10 WJe schön sind deine Brüste meine Schwester / liebe Braut / deine Brüste sind lieblicher denn Wein / vnd der geruch deiner Salben vbertrifft alle Würtze. 11 Deine Lippen / meine Braut / sind wie trieffender honigseim / honig vnd milch ist vnter deiner Zungen / vnd deiner Kleider geruch ist / wie der geruch Libanon.

12 MEine Schwester / liebe Braut / Du bist ein verschlossen Garten / Ein verschlossen Quelle / ein versiegelter Born. 13 Dein Gewechs ist wie ein Lustgarte von Granatepffeln / mit edlen Früchten / Cipern mit Narden / 14 Narden mit Saffran / Kalmus vnd Cynamen mit allerley bewmen des Weyrauchs / Myrrhen vnd Aloes mit allen besten Würtzen / 15 Wie ein Gartenbrun / wie ein Born lebendiger Wasser / die von Libano fliessen.

16 STehe auff Nordwind vnd kom Sudwind / vnd webe durch meinen Garten / das seine Würtze trieffen.


V.

MEin Freund kome in seinen Garten / vnd esse seiner edlen Früchten.
1 Jch kom / meine Schwester / liebe Braut / in meinem Garten / Jch habe meine Myrrhen sampt meinen Würtzen abgebrochen / Jch hab meins Seims sampt meinem Honige gessen / Jch hab meins Weins sampt meiner Milch getruncken. Esset meine Lieben / vnd trincket meine Freunde vnd werdet truncken.

2 JCH schlaff / Aber mein hertz wacht / Da ist die stim meins Freundes der anklopffet. Thu mir auff liebe Freundin meine schwester / meine Taube / meine frome / Denn mein heubt ist vol tawes / vnd meine locken vol nachtstropffen. 3 Jch habe meinen Rock ausgezogen / wie sol ich jn wider anziehen? Jch habe meine Füsse gewasschen / wie sol ich sie wider besuddeln?

4 ABer mein Freund steckt seine Hand durchs loch / Vnd mein Leib erzittert da für. 5 Da stund ich auff / das ich meinem Freunde auffthet / Meine hende troffen mit Myrrhen / vnd Myrrhen lieffen vber meine Finger an dem rigel am schlos / 6 Vnd da ich meim Freund auffgethan hatte / war er weg vnd hin gegangen.

DA gieng meine Seele er aus nach seinem wort /
Jch sucht jn / Aber ich fand jn nicht / Jch rieff / Aber er antwortet mir nicht. 7 Es funden mich die Hüter die in der Stad vmbgehen / die schlugen mich wund / Die Hüter auff der mauren namen mir meinen Schleier. 8 Jch beschwere euch jr Töchter Jerusalem / findet jr meinen Freund / so saget jm / das ich fur Liebe kranck lige.

9 WAS ist dein Freund fur andern Freunden / O du schönst vnter den Weibern? Was ist dein Freund fur andern Freunden / das du vns so beschworen hast? 10 Mein Freund ist weis vnd rot / auserkoren vnter viel tausent. 11 Sein Heubt ist das feinest Gold. Seine Locken sind kraus / schwartz wie ein Rabe. 12 Seine Augen sind wie Taubenaugen an den wasserbechen / mit milch gewasschen / vnd stehen in der fülle. 13 Seine Backen sind wie die wachsende wurtzgertlin der Apoteker. Seine Lippen sind wie Rosen die mit fliessenden Myrrhen trieffen. 14 Seine Hende sind wie güldene Ringe vol Türkissen. Sein Leib ist wie rein Elphenbein mit Saphiren geschmückt. 15 Seine Beine sind wie Marmelseulen / gegründet auff gülden füssen. Seine gestalt ist wie Libanon / ausserwelt wie Cedern. 16 Seine Kele ist süsse vnd gantz lieblich / Ein solcher ist mein Freund / mein Freund ist ein solcher / jr töchter Jerusalem.


VI.

1 WO ist denn dein Freund hin gegangen / O du schönest vnter den Weibern? Wo hat sich dein Freund hin gewand? So wöllen wir mit dir jn suchen. Mein Freund ist hin ab gegangen in seinen Garten / zu den Wurtzgertlin / das er sich weide vnter den Garten vnd Rosen breche. 2 Mein Freund ist mein / vnd ich bin sein / der vnter den Rosen sich weidet.

3 DV bist schön / meine Freundin / wie Thirza / lieblich wie Jerusalem / schrecklich wie Heerspitzen 4 (Wende deine Augen von mir / Denn sie machen mich brünstig) Deine Har sind wie ein herd Ziegen / die auff dem berge Gilead geschoren sind. 5 Deine Zeene sind wie ein herd Schaf / die aus der schwemme komen / die allzu mal Zwilling tragen / vnd ist keine vnfruchtbar vnter jnen. 6 Deine Wangen sind wie ein Ritz am Granatapffel / zwisschen deinen zöpffen.

7 SEchzig ist der Königinnen / vnd achzig der Kebsweiber / vnd der Jungfrawen ist kein zal. 8 Aber eine ist meine Taube / mein Frome / eine ist jrer Mutter die liebste / vnd die ausserwelete jrer Mutter. Da sie die Töchter sahen / preiseten sie dieselbige selig / die Königinnen vnd Kebsweiber lobeten sie. 9 Wer ist die erfür bricht / wie die Morgenröte / schön wie der Mond / ausserwelet wie die Sonne / schrecklich wie die Heerspitzen.

10 JCH bin hin ab in den Nussgarten gegangen / zu schawen die Streuchlin am Bach / zu schawen ob der Weinstock blühet / ob die Granatepffel grüneten. 11 Meine Seele wusts nicht / das er mich zum wagen AmiNadib gesetzt hette.

12 KEre wider / kere wider / o Sulamith / kere wider / kere wider / das wir dich schawen / Was sehet jr an Sulamith / den Reigen zu Mahanaim?


VII.

1 WJe schön ist dein gang in den Schuhen / du Fürsten tochter. Deine Lenden stehen gleich an einander / wie zwo Spangen / die des Meisters hand gemacht hat. 2 Dein Nabel ist wie ein runder Becher / dem nimer getrenck mangelt. Dein Bauch ist wie ein Weitzenhauffe vmbsteckt mit Rosen. 3 Deine zwo Brüste sind / wie zwey junge Rehe zwillinge. 4 Dein Hals ist wie ein Elffenbeinen thurm. Deine Augen sind / wie die Teiche zu Hesbon / am thor Bathrabbim. Deine Nase ist wie der Thurm auff Libanon / der gegen Damascon sihet. 5 Dein Heubt stehet auff dir / wie Carmelus. Das Har auff deinem heubt / ist wie die purpur des Königs in falten gebunden.

6 WJE schön vnd wie lieblich bistu / du Liebe in wollüsten. 7 Deine Leng ist gleich einem Palmbawm / vnd deine Brüste den Weindrauben. 8 Jch sprach / Jch mus auff den Palmbawm steigen / vnd seine zweige ergreiffen / Las deine Brüste sein wie Drauben am weinstock / vnd deiner Nasenruch wie Epffel / 9 vnd deine Kele wie guter Wein / der meinem Freunde glat eingehe / vnd rede von fernigem. 10 Mein Freund ist mein / vnd er helt sich auch zu mir.

11 KOm mein Freund / las vns auffs Feld hin aus gehen / vnd auff den Dorffen bleiben. 12 Das wir früe auffstehen zu den Weinbergen / Das wir sehen / ob der Weinstock blühet vnd augen gewonnen habe / Ob die Granatepffelbewm ausgeschlagen sind / Da wil ich dir meine Brüste geben. 13 Die Lilien geben den ruch / vnd fur vnser thür sind allerley edle Früchte. Mein Freund ich hab dir beide heurige vnd fernige behalten.


VIII.

1 O Das ich dich / mein Bruder / der du meiner Mutter brüste saugest draussen fünde / vnd dich küssen müste / das mich niemand hönete. 2 Jch wolt dich füren vnd in meiner Mutter haus bringen / da du mich leren soltest / Da wolt ich dich trencken mit gemachtem Wein / vnd mit dem Most meiner Granatepffel. 3 Seine Lincke ligt vnter meinem Heubt / vnd seine Rechte hertzet mich.

4 JCH beschwere euch töchter Jerusalem / Das jr meine Liebe nicht auffweckt noch reget / bis das jr selbs gefellet. 5 Wer ist die / die er auff feret von der Wüsten / vnd lehnet sich auff jren Freund? Vnter dem Apffelbawm weckt ich dich / da deine Mutter dich geboren hatte / da mit dir gelegen ist / die dich gezeuget hat.

6 SEtze mich wie ein Siegel auff dein Hertz / vnd wie ein siegel auff deinen Arm / Denn Liebe ist starck wie der Tod / vnd Eiver ist fest wie die Helle / Jr glut ist fewrig / vnd ein flamme des HERRN / 7 Das auch viel Wasser nicht mügen die Liebe auslesschen / noch die ströme sie erseuffen / Wenn einer alles Gut in seinem hause vmb die Liebe geben wolt / so gülte es alles nichts.

8 VNser Schwester ist klein / vnd hat keine Brüste /
Was sollen wir vnser Schwester thun / wenn man sie nu sol anreden? 9 Jst sie eine Maure / so wöllen wir silbern Bollwerg drauff bawen. Jst sie eine Thür / so wöllen wir sie festigen mit Cedern bolen. 10 Jch bin eine Maur / vnd meine Brüste sind wie Thürne / Da bin ich worden fur seinen augen / als die Frieden findet.

11 SAlomo hat einen Weinberg zu BaalHamon / Er gab den Weinberg den Hütern / das ein jglicher fur seine Früchte brechte tausent Silberlinge. 12 Mein Weinberg ist fur mir. Dir Salomo gebüren tausent / Aber den Hütern zwey hundert sampt seinen Früchten.

13 DJE du wonest in den Garten / Las mich deine stimme hören / Die Geselschafften mercken drauff. 14 Fleuch mein Freund / vnd sey gleich eim Rehe oder jungen Hirssen auff den Würtzbergen.


Ende des Hohenlieds Salomo.

GEDRÜCKT ZU WITTEMBERG:
DURCH HANS LUFFT.
D. M. XLIIII.

Aus: Luther-Bibel 1545: Das Hohelied Salomonis. Digitale Bibliothek Band 29: Die Luther-Bibel
 

 

 

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