Das Hohe Lied Salomos

In der Übertragung von Johann Ferdinand Schlez (1782)

 


Wassily Kandinsky (1866-1944)
Improvisation 209

 




Das Hohelied Salomonis


I.
Kap. I, 2-4

Er küsse mich mit seines Mundes Küssen;
Denn deine Lieb' ist lieblicher denn Wein:
Wie deiner süssen Salben Düfte fliesen,
So strömt dein Name balsamrein;
Drum lieben auch die Jungfrau'n dich -
O laß' vor allen mich
Dir folgen; denn nach dir,
Sieh! nach dir eilen wir
Wol freudiger in Reihen,
Als nähme selbst der König mich
Ins Harem auf zu sich. -
Wir jauchzen, wir erfreuen
Uns deiner und gedenken dein
Und deiner Huld mehr, denn an Wein
Und lieben innigst dich!


II.
Kap. I, 5-6

Schwarz bin ich - doch angenem
Töchter von Jerusalem!
Wie die Zelte
In der Kedarener Felde,
Wie die Deken Salomons. -

Hönet mich
Nicht, daß ich
Braun und schwärzlich bin;
Wisst! die heise Sonne stralte
Mir die Wange braun, und malte
Schwärze mir ums Kinn.

Meiner Mutter Söne
Schonten meiner Schöne
Aus Erbittrung nicht:
Ihres Weinbergs must' ich hüten,
Und die Blüten
Meines Weinbergs wahrt' ich nicht. -


III.
Kap. I, 7-8

Du, mein Herzensliebling! sage -
Sag'! wo weidest du?
Sag' wo hältst du Ruh'
Am Mittage?
Daß ich dich nicht hin und wieder,
Bei den Herden deiner Brüder
Eingehült erfrage. -

Und dis weist du nicht, du schönste
Aller Frau'n? so folge nur
Meinen Schafen auf der Spur,
Und las weidend deine Ziegen
Bei den Hirtenzelten liegen.


IV.
Kap. I, 9-14

Wie mein Roß an Phar'ons Wagen
Bist du Freundin! lieblich stehn
In den Spangen
Deine Wangen,
Und dein Hals in Ketten schön;
Künftig lass' ich goldne Spangen
Dir mit Silberblik erhöh'n!

Ihm duftet meine Nard' entgegen;
Verweilt der König sich
In seinen Reihen! nun wil ich
Gleich einem Myrrhensträußchen dich
Mein Liebling! zwischen Brüsten hegen;
Ein Palmenknöspchen sollst du mein
Aus dem Engeddi Garten seyn!


V.
Kap. I, -15 - II, - 7

Schön bist du Liebe! schön bist du,
Dein Augenpaar wie Täubchen!
Schön bist du Lieber! hold bist du,
Und unser Bette grünet!

Die Balken unsers Hauses sind
Die Zedern, und die Wände
Zypressen; - ich - die Ros im Feld,
Die Lilie im Tale.

Wie Lilien unter Dornen ist
Mein Liebchen unter Töchtern! -
Ein Apfelbaum im Waldgesträuch
Mein Lieber unter Sönen!

Nach seinem Schatten lechzt mein Herz
So sehnsuchtsvol! - ich seze
Mich unter ihn, und seine Frucht
Ist meinem Gaumen süsse. -
Er fürt mich in ein Haus des Weins,
Und sein Panier ist Liebe
Da über mir - - o stärket mich!
O stärkt mich aus den Flaschen!

Und labet mit den Aepfeln mich,
Denn ich bin krank vor Liebe! - -
Mir seine Linke unterm Haupt
Umarmt mich seine Rechte. -

Euch Töchter von Jerusalem!
Beschwör' ich bei den Hinden,
Beschwör' ich bei dem Reh der Flur
O wekt sie nicht!
O regt sie nicht!
Bis ihr es selbst gefält. -


VI.
Kap. II, 8-14

Ha! die Stimme meines Lieben! -
Sieh! er kommt, er kommt zu mir!
Springt auf Bergen - hüpft auf Hügeln,
Eilt auf schneller Winde Flügeln,
Wie ein Reh, ein Hirsch zu mir!

Und - schon steht er beim Gegitter
An der Wand, und blikt herein;
Komm o Schönste! spricht er - weile
Nicht im Lager; Liebchen eile,
Komm! der Lenz bricht lächelnd ein.

Sieh! der Winter ist verschwunden;
Regengus und Sturm entflieht -
Blumen sprossen aus dem Bette;
Vögel wirbeln in die Wette
Ringsumher ihr Frülingslied!

Und die Turteltaube girret
Schon umher auf unsrer Flur,
Und der Feigbaum beut die süsen
Erstlingsfrüchte zum geniesen,
Aus den Händen der Natur;

Auch des Weinstocks Blüte hauchet
Seine Würze durch die Luft; -
Komm dann Schönste! komm! verweile
Nicht im Lager - Liebchen, eile
Zu des süsen Weinstocks Duft!

Komm, mein Täubchen in den Klüften
Holer Felsen, in dem Spalt
Rauer, unwirtbarer Steige; -
Las die Stimme hören! zeige
Deine wonnigte Gestalt!


VII.
Kap. II, 15

Hascht die Schakkalen,
Die kleinen Schakkalen,
Die Weinbergsverwüster;
Der Traubenstok knospt!


VIII.
Kap. II, 16-17

Mein Freund ist mein,
Und ich bin sein!
Er wallt auf Rosenweiden,
Bis sich des Tages Hize neigt
Und von der Flur der Schatten weicht; -
Kehr' Liebster um! - Eil' gleich dem Reh,
Gleich Hirschen über Berg' und Höh'
Die jezt uns ferne scheiden. -


IX.
Kap. III, 1-5

Rings in dem Bette
Sucht' ich mit Sehnen,
Sucht' ich die lange Nacht durch
Meinen Geliebten; -
Aber mein Mühen
War ach! vergeblich verwandt!
Nun aber wil ich
Aufstehn vom Bette,
Wil die Stadt schleunig umgeh'n,
Und durch die Strassen,
Und durch die Gassen
Suchend dem Lieben nachzieh'n.

Alles vergeblich - -
Ach! der Geliebte
War nicht zu finden - umsonst!
Mich aber fanden
Drausen die Wächter,
Die die Stadt schüzend umgeh'n:

Sagt' mir! o sah't ihr
Meinen Geliebten - -
Sah't ihr den Liebling denn nicht?
- wenig vorüber,
Ihnen vorüber,
Fand ich - - da fand ich ihn doch!

Ich will ihn halten,
Will ihn nicht lassen,
Bis ich ihn füre ins Haus,
Und in die Kammer,
Da meine Mutter,
Meine Gebärerin wohnt.

Euch Töchter von Jerusalem!
Beschwör' ich bei den Hinden,
Beschwör' ich bei dem Reh der Flur -
O wekt' sie nicht!
O regt sie nicht!
Bis ihr es selbst gefält.


X.
Kap. III, 6

Wer ist sie, die dort wie Säulengewölk
der Wüsten entsteigt?
Wie Dampf von Myrrhen und Weihrauch,
wie Duft der köstlichen Würze
Des Händlers? - - -


XI.
Kap. III, 7-11

Sieh! am Königsbett steh'n
Sechzig von den Mächtigen
Israels - am Schwerd die Hand,
Allesamt zum Streit gewandt!

Jeder an der Hüft' sein Schwerd,
Vor dem Grau'n der Nacht bewärt! -
Zu dem Bett nahm Salomon
Zedernholz vom Libanon;
An die Seiten sezet' er
Silbersäulen rings umher;
Macht' von Gold den Himmel sein;
Purpurn must' die Deke sein;

Und die Mitte polstert sich
Für die Töchter minniglich; -
Kommt dann! seht den Salomon
Zions Töchter! in der Kron',

Womit ihn der Mutter Hand
Krönte, da er sich verband; -
An dem Tag, wo Freud und Lust
Sich erglos in seine Brust.


XII.
Kap. IV, 1-6

Schön bist du Liebe! schön bist du!
Dein Augenpaar ist Täubchen gleich
Am Ringellokenfall!

Dein Haar, wie eine Gemsenschaar,
Die weidend um den Gilead
Hinauf und nieder steigt;

Die Zäne, gleich der Lämmerheerd',
Die neugeschoren aus dem Fluß
Zum Ufer sich erhebt,

Von denen jedes Zwilling trägt,
Und keines felt; - Dein Lippenpaar
Gleich einem Purpurband;

Die Stimme hold; die Wange dein
Wie ein Granatapfelriz
Am Ringellokenhaar;
Dein Hals, wie Davids Waffenturm
In seiner tausend Schilde Schmuk,
Der Heldenschilde Schmuk!

Und deine beiden Brüste sind
Gleich eines Rehes Zwillingspaar,
Das unter Rosen wallt. -

Bis Küle weh't und Schatten flieh'n,
Wil ich zu jenem Myrrhenberg,
Zu Weihrauchhügeln geh'n!


XIII.
Kap. IV, 7 - Kap. V, 1

Ganz hold und schön bist du o Liebe!
Kein Tadel ist an dir; -
O komm vom Libanus, du mir Verlobte,
Vom Libanus herab mit mir!

Sieh' von der Höh' Amanna, siehe
Herab von Hermon und von Senirs Haupt,
Von Löwenwonungen von Bergen,
Wo wild der Leoparde raubt.
Du nahmst, o meine Braut und Schwester!
Das Herze nahmst du mir,
Mit einem einzgen deiner Blike,
Mit Einer Kette, deines Halses Zier.

Wie süs ists nicht, verlobte Schwester,
Von dir geliebt zu sein! -
Dein Balsamduft ist süs vor allem,
Und deine Lieb' ist lieblicher denn Wein!

Milch - Honig - ist auf deiner Zunge,
Und Honig träuft von deiner Lipp' herab,
Und deiner Kleider Duft ist besser
Als der, so je den Libanus umgab.

Ein vest verschlosner Garten, bist du, Liebe!
Ein wolverwarter Quell!
Ein Born, durch Siegeldruk verschlossen,
Stets heiter, unentweiht und hell; -

Und deine Glieder, wie ein Apfelgarten,
Der lauter gute Früchte trägt,
Der Nardus, Krokus, Zimmt und Kanna
Mit vielverschiednen Weihrauch hegt;

Wo Aloe und Myrrhen sprossen,
Und alle guten Würze sind; -
Ein Gartenbrunn; ein Quell lebendig Wasser,
Das Libanus hernieder rinnt;

Erheb' dich Nord! komm Südwind, und durchwehe
Den Garten! - streue seinen Duft um mich! -
So komm' mein Lieber dann in seinen Garten,
Und lab' an seinen Früchten sich!

Ich kam, und brach in meinem Garten,
O meine Schwesterbraut! vom Keim
Der Myrrhen, brach von meiner Würze,
Aß Honig, aß von meinem Honigseim,

Und trank von meiner Milch, und labte
Mich froh an meinem Wein - - -
Ess't dann ihr Trauten! trinkt ihr Lieben
Zu Trunkenheit die Freuden ein! -


XIV.
Kap. V, 2 - VI, 2

Ich schlafe - doch mein Herze
Wacht; - Stimme meines Lieben . . .
Er klopft! . . . O thu' mir auf!
Mein Liebchen, meine Schwester,
Mein Täubchen, meine Reine -
O thu' mir auf die Tür!

Mein Haupt ist nas - die Loke
Träuft Perlen, die im Dunkel
Der Nacht herabgetau't.
Mein Kleid ist ausgezogen;
Sol ich mich frisch bekleiden?
Der Fus ist rein gebad't;
Sol ich ihn neu besudeln? -

Da zog mein Vielgeliebter
Die Hand vom Gitter ab: -
Wie bebte da mein Innres!
Hui! fuhr ich auf, und eilte,
Dem Lieben aufzuthun;

Da trof die Hand von Myrrhe;
Die Finger trofen Myrrhe,
Die auf dem Riegel flos; -
Ich öfnete dem Lieben; -
Allein! er war entwichen,
Verschwunden ach! war er.

Mein Geist war mir entgangen,
Als ich sein Sprechen hörte . . .
Nun sucht' ich her und hin,
Doch er war nicht zu finden; -
Ich rief; und der Geliebte
Gab keine Antwort mir.

Da fanden mich die Wächter,
Die rings die Stadt umziehen,
Und ach, sie schlugen mich!
Es riss' die Mauerwache
Mir meinen Schleier ab!

- Euch allesamt, ihr Töchter
Jerusalems! beschwör' ich,
Wenn ihr den Lieben seht -
Wenn ihr den Lieben findet -
Was wollet ihr ihm sagen?
Ich sei vor Liebe krank. -

Wer ist denn dein Geliebter
Vor andren Vielgeliebten?
Du, aller Frauen Zier!
Wer ist denn dein Geliebter,
Vor andern Vielgeliebten,
Daß du uns so beschwurst?

Weis und rot ist mein Lieber,
Ist unter zehnmaltausend
Ein Ausbund, ein Panier!
Sein Haupt gleich feinem Golde;
Und seine Haare lokigt
Und wie ein Rabe schwarz;

Und seiner Augen Beide,
Wie Täubchen über Quellen,
So weis, in Milch gebadt,
Und unter Fülle ruhend; -
Die Wangen Blumenbeete,
Der schönsten Würze vol;

Sein Lippenpaar, wie Rosen,
Die Myrrhenströme triefen;
Und seiner Hände Schmuk
Wie goldne Tyrkisringe;
Und Elfenbein sein Körper,
Ganz mit Sapphir bedekt;

Die Schenkel, Marmorsäulen
Auf goldnen Fus gegründet;
Sein Wuchs wie Libanus,
Erhaben wie die Zeder;
Sein Gaume Süssigkeiten,
Und ganz Er, Lieblichkeit!

So ist mein Freund - ihr Töchter
Jerusalems! so ist er
Der Vielgeliebte mein!

Und wohin gieng dein Liebster?
Du, aller Frauen Zierde!
Wir suchen ihn mit dir. -

Mein Liebster gieng in Garten,
Zu seinen Blumenbeeten; -
Zu weiden unter Grün,
Und Rosen abzupflüken - - -
Ich sein, und Er der Meine,
Der unter Rosen wallt!


XV.
Kap. IV, 3-8

Schön wie Tirza, bist du Freundin!
Reizend wie Jerusalem:
Furchtbar wie die Kriegesmänner,
Die am Heeresflügel stehn.

Wend' die Augen vor mir über,
Sie bemannen mir das Herz;
Und dein Haar - so wallt die Heerde
Gemsen um den Gilead.

Deine Zäne, gleich den Lämmern,
Die nur erst die Quelle wusch,
Deren jedes Zwilling träget,
Und nicht eins von allen felt.

Gleich den Rizen in den Aepfeln
Des Granatbaums ist das Paar
Deiner Wangen, rings begrenzet
Vom gewundnen Lokenhaar.

Sechzig sind der Königinnen
Achtzig sind der Bulerinnen
Und die Jungfraun ohne Zal;
Unter allen aber Eine
Meine Taube, meine Reine,
Sie die Krone meiner Wal.

Sie die Eine ihrer Mutter;
Sie die Liebste ihrer Mutter! -
Alle Jungfraun priesen sie
Glüklich - und die Königinnen,
Samt dem Chor der Bulerinnen
Lobten alle sie!


XVI.
Kap. VI, 9-12 Kap. VII, 1-13 Kap. VIII, 1-4

Ha! wer ist sie, die dort wie Morgenrot
aufglänzt, im milden
Schimmer des Mondes, rein wie die Sonne,
wie Kriegesheer furchtbar?

Zum Nussgarten war ich gangen,
Nach den Früchten im Tal zu sehn;
Zu schau'n, ob an den Traubenranken
Schon Knospen entstehn?

Ob die Aepfel Blüten tragen? -
Denn mir fiel nicht bei,
Daß ich der Kriegeswagen
Meines edeln Volkes sei.

Kehr um! kehr um o Sulamith!
Kehr um, daß wir dich schaun!
Was wollt ihr schau'n an Sulamith?

Der Gottesheere Tanz!
Wie schön tritst, Fürstentochter du!
In deinen Schuhen her!
Das Weben deiner Hüften gleicht
Gekett von Meisterhand;

Dein Nabel, wie ein runder Kelch,
Dems nie an Trank gebricht;
Dein Leib, dem Waizenhagel gleich,
Den Lilien umziehn; -

Und deine beiden Brüste sind
Ein Rehezwillingspaar;
Dein Hals, ein Turm von Elfenbein;
Und deine Augen, hell.

Wie Hesbons Teiche bei dem Tor
Der Fürstentochter sind;
Und deine Nase, wie das Schlos (auf Libanus),
Das nach Damaskus sieht;

Dein Haupt wie Karmel, und dein Haar
Ein Königspurpurbund -
Wie schön bist holde Liebe du!
Wie reizend in der Lust!

Dem Palmbaum gleich ist deine Höh',
Dein Busen Trauben gleich;
Ich sprach; den Palmbaum klimm' ich auf,
Halt' an die Aeste mich!

Da sollen deine Brüste mir
Die Trauben sein; der Duft
Aus deiner Nase, Aepfelduft;
Dein Gaume guter Wein. -

Der meinem Lieben süs einschleicht,
Zum Schlummer seine Lippen neigt
Und reden macht - Ja, ich bin sein,
Und seine Gegenliebe mein!

Komm dann mein Liebster! - komm mit mir
Aufs Land! - auf Dörfern wollen wir
Nun wohnen, wollen früh aufstehn
Und zu dem lieben Weinberg gehn;
Seh'n ob die Knospen öfnen sich?
Ob Aepfel blühn? - - O! dann wil ich
Dir alle meine Liebe weih'n - -
Und sieh! der Liebe Blumen (Dudaims) streu'n

Schon Duft umher - und allerlei
Verschiedne Würze, Alt und Neu,
Erwarten über unsrer Tür
Dich Liebster! al dieß spart' ich dir. -

O, daß du nicht mein Bruder bist!
Und meiner Mutter Brust geküst!
Wo ich dich fände, küst ich dich,
Und niemand schmähte höhnend mich;

Um deinen Arm geschlungen, hieng
Ich fest an deiner Brust, und gieng
Zur Mutterwonung mit dir ein -
Da solltest du mein Lehrer seyn;

Und ich mein Liebster! tränkte dich
Mit würzigtem Getränk, das ich
Bereitet selbsten, uns zur Kost,
Samt meiner Aepfel süsem Most.
Wie seine Linke unterm Haupt
Umarmet seine Rechte mich!

Euch Töchter von Jerusalem
Beschwör' ich alle, wekt sie nicht!
Beschwör' ich, wekt die Liebe nicht,
Bis ihr es selbst gefällt.


XVII.
Kap. VIII, 5-7

Wer ist sie, die dort der Wüsten entsteigt
Gestüzt auf ihren Geliebten? -

Unter diesem Apfelbaume
Wekt' ich einst vom Schlummer dich;
Hier gebar dich deine Mutter;
Hier entkamst du ihrem Schoos!
Präge mich gleich einem Siegel
Auf dein Herz - auf deinen Arm;
Denn, stark wie der Tod ist Liebe,
Fest ihr Eifer wie das Grab;

Ihre Kolen, glimmend Feuer,
Flammend wie Jehovens Stral;
Wasser mögen sie nicht löschen,
Ströme nicht ertränken sie -

Sie - die wonnesüse Liebe! -
Böt ein Mann auch Hab und Gut
Seines Hauses, um die Liebe;
Man verschmäht, verachtet ihn. -


XVIII.
Kap. VIII, 8-10

Zwar ist noch unsre Schwester klein,
Noch keimt ihr Busen nur;
Doch sag'! wenn man wird um sie frei'n,
Was wollen wir ihr thun?

Ist Mauer sie: so bauen wir
Auf sie ein Silberschlos;
Ist Pforte sie: verwahren wir
Sie wol mit Zedernholz.

Ja! eine Mauer - das bin ich!
Mein Busen Türmen gleich - -
Da ward in seinen Augen ich,
Als die den Frieden fand.


XIX.
Kap. VIII, 11 zum Ende

Ein Weingebirg hat Salomon
Zu Baal-Hammon, das verteilt
Er unter Hüter - jeder bringt
Ihm tausend Silberling' zum Preis
Für seine Frucht; - Mein Weinberg ist
Vor Augen mir! Dir Salomon
Gehören tausend; - aber der,
So deines Weinbergs Frucht bewacht,
Bekommt zweihundert noch zum Lohn. -

O du der Gärten Wonerin!
Las hören deine Stimme mich!
Sieh! die Gespielen lauschen all!

Eil Vielgeliebter! gleich dem Reh -
Komm schleunig, wie ein schneller Hirsch
Auf Balsambergen eilt! -

übersetzt von Johann Ferdinand Schlez (1759-1839)

Aus: Salomons Lieder
Eine metrische Uebersezung
mit Anmerkungen
von Johann Ferdinand Schlez
Anspach, in des Commercien-Commissair
Benecict Friederich Haueisens privilegirten
Hof-Buchhandlung 1782




 

 

 

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