Feodor Löwe (1816-1890) - Liebesgedichte

 



Feodor Löwe
(1816-1890)

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 


 



Schön ist der Mond,
Der nächtlich einsam wallt,
So schön bist du!
Doch auch so ernst und kalt.

Mein Herz ein See,
In dem dein Bildniß ruht.
Und bist du nah,
So wechselt Ebb' und Fluth.

Du aber theilst
Dies wilde Drängen nicht,
Streust still auf mich
Dein träumerisches Licht.
(S. 9)
_____



Kannst dem Frühling du gebieten:
Keine Blüthen sollst du tragen?
Kannst dem Sprosser du gebieten:
Nicht in Liedern sollst du klagen?
Kannst dem Tage du gebieten:
Heute soll es nimmer tagen?
Kannst dem Sturme du gebieten:
Keine Wolke sollst du jagen?
Kannst dem Echo du gebieten:
Schweige still bei meinen Fragen?
Kannst dem Himmel du gebieten:
Seine Sterne zu versagen?
Kannst dem Adler du gebieten:
Sich zur Sonne nicht zu wagen?
Kannst dem Herzen du gebieten:
Nicht in Lieb' für dich zu schlagen?
(S. 10)
_____



Hast du die Sage nie vernommen
Von jenem zaubervollen Baum,
Dess' Schatten, wie der Saft des Mohnes,
So süß betäubt in Schlaf und Traum.

Und wer dort müde eingeschlummert,
Dem hat der Baum, der nie verdirbt,
Ein seltsam Weh ins Herz gerauschet,
Das nur mit seiner Hülle stirbt!

So hat dein Lied mit milden Tönen
Die Brust durchzuckt, so wunderbar,
Daß ich in jenen Augenblicken
Dem Schläfer gleich am Baume war.

Nun ich erwacht, fühl' ich das Wehe,
Das deines Liedes Nachklang ist.
O schöner Traum! o kaltes Leben! -
Ob du, mein Weh, die Liebe bist!?
(S. 11)
_____



Glaubst du wirklich, daß ich fern von dir?
Ewig, ewig, weilest du bei mir.

Du mein Mond bei stiller Abendruh;
Meines Tages lichte Sonne du.

Wie ein Vogel durch die Lüfte zieht,
Mein Gedenken stets zu dir entflieht.

Wie von keinem Schlummer weiß der Bach,
So ist meine Sehnsucht immer wach.

Ach, so fern von dir und doch so nah!
Nur wer liebet, weiß, wie mir geschah.
(S. 12)
_____



Dein Auge

I.
Dein Auge dünkt mir oft ein See,
Von Zauberschein umwebt,
Aus dessen Wellen eine Fee
Die feuchten Glieder hebt.

Des Lotos duft'ge Blüthen zieht
Sie aus dem langen Haar,
Von ihrer Lippe tönt ein Lied
Berauschend, wunderbar.

Und wie sie singt, schlingt sie um sich
Den Schleier licht und rein;
Da ist es mir, als zög' es mich
In ihre Fluth hinein.

O singe, singe, holde Fee!
Dein wunderreiches Lied,
Wie all mein Leid, wie all mein Weh
Verbraust - verrauscht - entflieht.
(S. 13-14)

II.
Ein selt'nes oft gewünschtes Buch
Ist mir dein Angesicht,
Auf jedem seiner Blätter steht
Ein blühendes Gedicht.

Doch wenn ich lesen will darin,
Recht nach gelehrtem Brauch,
Schlägt mir die Blätter listig um
Der Schalk in deinem Aug'.
(S. 15)

III.
Draußen, sagt Ihr, streut der Winter
Eis und Schnee auf Berg und Thal;
Mag er! laßt mich ruhig träumen
Hier in meiner Sonne Strahl.

Denn in ihren dunklen Augen
Blüht mir eine and're Welt,
Die ein immer grüner Frühling
Lebensfrisch umschlungen hält.
(S. 16)

IV.
Ich mag so gern in stummer Lust
Dir gegenüber steh'n,
Und unverwandt, gedankenvoll
In deine Augen seh'n.

Da ist mir oft, als ob dein Blick
Die Wirklichkeit verdrängt,
Mit süßem Mohnsaft zauberisch
Die Seele mir besprengt.

Ich fühle mich, doch wie getheilt
In Wachen und in Traum.
Es schweift, es streift, es zieht in mir;
Wohin? ich weiß es kaum.

Wie es der Knospe räthselhaft,
Sie kennt, sie ahnt es nicht;
Sie muß, sie muß! bis endlich sie
Die enge Hülle bricht.

Es ist ein Weh, ein tiefes Weh!
Du willst es nicht versteh'n!
O süßer Schmerz, o bitt're Lust!
In deine Augen seh'n.
(S. 17-18)

V.
Die Sage spricht: wo tief ein Schatz
Im Schoos der Erde ruht,
Da brennt ein Feuer in der Nacht,
Da hält ein Kobold Hut.

Der Gräber aber schleicht herbei,
Der kennt ein mächtig Wort,
Das schnell den argen Hüter bannt,
Und hebt empor den Hort.

So ist dein großes Auge mir
Ein wundersames Licht,
Das aus der seidnen Wimper Nacht
Wie Zauberfeuer bricht.

Es wacht ob einem selt'nen Schatz,
Der ist das Herze dein;
Wie gerne höb' ich ihn empor,
Fiel nur das Wort mir ein.
(S. 19-20)

VI.
In den Sternen steht geschrieben
Jedes Menschen Loos auf Erden;
Sollt' ich deßhalb gram dir werden,
Daß ich sterben soll am Lieben.

Nein, ich will es ruhig tragen;
Aber daß ich's völlig lerne,
Lass' mich täglich meine Sterne,
Deine Augen drum befragen.
(S. 21)
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Dir ist gewiß mein Saitenspiel
Verhaßt aus Herzensgrund,
Das nimmer gibt der Liebe Lust
In frohen Tönen kund.

Das wie ein trüber Thränenstrom
Die Klagewellen hebt,
Das trauernd wie ein Schwan dahin
Auf blut'gen Schwingen schwebt.
(S. 22)
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Mein Lied, wie schliefst du in der Brust so lang,
Schon glaubt' ich dich dem Tode hingegeben,
Da hat ihr Bild und ihrer Stimme Klang
Dich aufgeweckt zu neuem frischen Leben.

Nun klingst du wieder, aber auch der Schmerz
Ist mit erwacht und seine ew'gen Klagen;
Denn mächtig hat ans unbewahrte Herz
Ihr zaubervolles süßes Wort geschlagen.

Die Ruhe floh und ließ die Unruh' ein,
Ich fühle rastlos mich umhergetrieben,
Zu dir, zu dir! nur Sehnsucht ist mein Seyn,
Und lieben heißt jetzt leben - leben lieben.
(S. 23)
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O süß' Geschwätz der unbelauschten Liebe,
So reich an Sinn und arm doch an Verstand;
Da sitzt man Stunden lang oft Hand in Hand
Und Aug' in Aug', und zehrt an einem Triebe.

Was uns den Geist beschwerte, ist verschwunden,
Der Schmerz entschlummert, wie bei Mittagsgluth
Der Schnitter schlummernd auf den Garben ruht,
Die er geschnitten selbst und selbst gebunden.

Befriedend sinkt auf uns're Seele nieder
Ein stiller Mondschein, eine Sommernacht
Voll süßen Duftes, wenn im Busche wacht
Die Nachtigall und singt sehnsücht'ge Lieder.
(S. 24)
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Auf dem Gipfel eines Berges
Stand ich frei im Sonnenstrahl.
Voll Entzücken rief ich jauchzend
Deinen Namen in das Thal.

Und die Schläferin im Felsen,
Echo, wurde davon wach,
Rief von Kluft zu Kluft lautklingend
Deinen holden Namen nach.

Und im Thal die grünen Bäume
Hatten froh ihr Haupt bewegt,
Blüthen in die Luft hinstreuend,
Die so süßen Namen trägt.
(S. 25)
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O sage nicht, ich sey ein Träumer,
Der sinnend Feld und Wald durchirrt,
Auf Trümmern lagernd, wo die Eule
Mit scheuem Flug mein Haupt umschwirrt.

Mit bleichen Lippen stets beklagend
Ein eingebildet ewig Leid,
Von nahen wilden Kämpfen redend,
Ein kranker Sohn der kranken Zeit.

Wohl hast du Recht! an tiefer Wunde
Krankt diese Zeit - doch was sich naht?! -
Sieh, wie der Pflug das Feld durchschneidet,
Aus Wunden sprießt die schöne Saat.
(S. 26)
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Ein stiller Sonntag ist genaht.
Ich weiß es, daß du jetzt getreten,
Das schwarze Buch in weißer Hand,
Ins Gotteshaus, um fromm zu beten.

Mich aber hat der junge Tag
Auf einen Felsen hingetrieben;
Der Orgel Ton, der Glocke Ruf,
Ist unten tief im Thal geblieben.

Hier, wo die Bergluft mich umweht,
Will ich der Träumereien pflegen,
Das heiße Haupt, als wie zum Schlaf
Ans kühle Moos der Stämme legen.

Auf meiner Sehnsucht Schwingen rasch
In deines Zaubers Kreise eilen,
Dir nah im Geist und doch so fern
Die heil'ge Andachtfeier theilen.
(S. 27)
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Du sangst und freudig fuhr der Baum
Empor aus seinem Wintertraum,
Und sprach zu sich vernehmlich kaum:
Ach, endlich will es lenzen!

Du sangst und freudig rief die Luft,
Bald grünet wieder Au und Kluft,
Aus tausend Kelchen will den Duft
Der Frühling mir kredenzen!

Und da du sangst, hab' ich erkannt
Wie trotz dem ew'gen Sonnenbrand
Aus stummer Wüste glühem Sand
Doch Rosen können glänzen.

Du sangst! da fühlt' ich, kaum bewußt,
Ein Schauern wie von Schmerz und Lust,
Sah all' die Wunden meiner Brust,
Umrankt von frischen Kränzen.
(S. 28)
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Den Lüften hab' ichs aufgetragen:
Flieht hin und säuselt ihr ins Ohr,
O Himmel, schreib ihr meine Klagen
Mit deinen Sternenlettern vor.

Ihr stets bewegten Wellen, klinget
Und zeigt ihr meines Bildes Schein,
Ihr muntern Waldbewohner, singet
Bei ihr von meiner Liebespein.

Ihr süßen Frühlingsblumen, blühet
Und sprecht ein duftend Wort für mich;
Du Sonne, sag ihr: sieh, er glühet,
So wie ich glühe, nur für dich.
(S. 29)
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Ob ich dich liebe! kannst du es noch fragen?
Du hast es lange schon zu gut erkannt,
Wenn ich dir wortlos gegenüber stand.
Ob ich dich liebe! kannst du es noch fragen?
Und als mein Herz an deinem laut geschlagen,
War da ein Zweifel noch, der nicht entschwand?
Ob ich dich liebe! kannst du es noch fragen?
Du hast es lange schon zu gut erkannt.
(S. 30)
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Ach, sie ist krank! tritt leise auf,
Stör' ihren Schlummer nicht.
Wie selbst der arge Schmerz versöhnt
Ihr liebes Angesicht.

Doch nein, sie wacht! ins Kissen tief
Birgt sie das süße Haupt.
O neid'sche Wolke, die mir so
Den Strahl der Sonne raubt.

Das sonst so heit're traute Kind
Ist nun so ernst und bleich;
Doch wie sie leidet, dünkt sie mir
An Schönheit doppelt reich.

O wundersamer Frauenreiz,
Wo endet deine Macht.
Bezaubernd wenn sie leidend weint,
Bezaubernd wenn sie lacht.
(S. 31)
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In tiefer Nacht, vor deinem Haus
Stand ich in stiller Lust;
Scharf war die Luft, den Mantel schlug
Ich um die heiße Brust.

Ich schaute sinnend, unverwandt
Nach deinem Fenster hin;
Mit mir des Mondes lichter Strahl,
Der in die Scheiben schien.

Wie neid' ich doch den Strahl, der jetzt
Die Lippen dir umfließt,
Wie sehr den mohnbekränzten Gott,
Der deine Augen schließt.

O sanfter Strahl, der du herauf
Aus kaum bewegter Fluth
Die duftge Lotosblume lockst,
Die in der Tiefe ruht.

Auch Liebchens Busen ist ein See.
In seiner Wellen Schaum
Liegt, wie die Lotosblume still,
Verborgen tief ein Traum.

Lockt ihn herauf und zeige ihr,
Wie in der kalten Nacht,
Von Frost umstarrt, in Liebesglut
Ihr Freund so einsam wacht.
(S. 32-33)
_____



Du fragst mich, was mir fehle,
Was mich so traurig stimmt,
Du fragst, was meiner Seele
Den Ton der Freude nimmt.

Ich darf dir doch nicht klagen
Das Leid, das mich umgibt,
Ich darf dir doch nicht sagen,
Wie sehr ich dich geliebt.

Wie magst du dich erkunden
Nach meiner Schmerzen Last,
Da du für meine Wunden
Doch keinen Balsam hast.
(S. 34)
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O traue nicht der Farbe meiner Wangen,
Die meines Lebens frühes Abendroth,
Ein letztes Glüh'n - der Tag ist schon vergangen,
Bald naht die Nacht und Alles stumm und todt.

Dann sind verklungen alle meine Klagen,
Die Augen starr, die deine Schönheit sah'n;
Doch wenn du hörst im Lenz den Sprosser schlagen,
Dann wehe dich ein still' Erinnern an!
(S. 35)
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Dein Blick hat von der Stirne mir
Die Falten weggewischt,
Die welken Blumen in der Brust
Mit süßem Thau erfrischt.

Dein Wort hat aus der Seele mir
Den Mißmuth weggescheucht,
Wie Nebel bei des Windes Hauch
Im stillen Thal entfleucht.

Dein Kuß, ein warmer Sonnenstrahl,
Dringt tief ins Herz hinein,
Als sollte da, wo Winter war,
Auf einmal Frühling sein.
(S. 36)
_____



Und wieder singt die Nachtigall
Ihr allerschönstes Lied der Nacht,
Und wieder sind die Sterne all'
Wie meine Sehnsucht aufgewacht.

Ich streife still durch Busch und Strauch.
Allein! - so ist mir wohl fürwahr!
Der Abendwind mit lauem Hauch
Streut Blüthen mir auf Bart und Haar.

Ich denke dein! und über mir
Ein schöner Stern, so licht und rein.
Es ist als sänge er von dir:
Sie denket dein! sie denket dein!
(S. 37)
_____



Sie kniete am Altar voll Frömmigkeit,
Bleich war ihr Angesicht und schwarz ihr Kleid;
Ihr sanfter Blick war niederwärts gesenkt,
Ihr reiner Geist zum Urgeist hingelenkt.

An einen Pfeiler, stummgelehnt von fern,
Gleich einem Abgefallenen des Herrn,
Stand düster ich - und sah von Schmerz erregt,
Ihr Lippenpaar, das zitternd sich bewegt.

Der süße Mund der jetzt Gebete spricht,
Der süße Mund verwarf mich Sünder nicht.
Dies schöne Aug', zum Himmel hingeschickt,
Hat oftmals mich voll Liebe angeblickt.

Was zag' ich drum, wenn auch die blinde Welt,
Mich zu Verlor'nen und Verworfnen stellt?
In stille Ruh' mein Herz ergebe dich,
Ein reiner Engel betet ja für mich.
(S. 38)
_____



O forsche nicht dem Grame nach,
Der dumpf auf meiner Seele brütet!
Leg' deine Hand, sanft auf mein Haupt,
Und jeder Sturm hat ausgewüthet.

Dann aus geriß'nen Wolken schaut
Des Mondes Halbscheid ruhig nieder;
In meinem Innern ist es Nacht -
Doch eine stille Nacht ist wieder.
(S. 39)
_____



Kannst du den Sprosser deshalb schelten,
Daß er an seines Weibchens Nest
Aus liederreicher Brust die Töne
Wie Trauersänge schallen läßt?

Daß er voll unbekannter Sehnsucht
In wehmuthvollen Klängen schlägt,
Da doch der Zweig, auf dem er flötet,
Sein Haus und seine Liebe trägt?

Darf er in Liedern nicht mehr klagen,
Dann schweigt auf ewig sein Gesang;
Denn Balsam ist dem kleinen Sänger
Aushauchen all' den Schmerzensdrang.

So lass' auch mir an deiner Seite
Der unbekannten Sehnsucht Schmerz!
Darf ich nicht singen mehr von Leiden,
Dann zuckt in ew'gen Leid mein Herz.
(S. 40-41)
_____



Aus des Baches duft'gem Blüthenrahmen,
Aus den Wellen lächelt mir dein Bild,
Alle Lüfte rufen deinen Namen,
In den Sternen prangt er, klar und mild.

In den Wolken glaub' ich dich zu sehen,
Auf den Bergen, tief im dunklen Wald,
Deine Stimme glaub' ich zu verstehen,
Wenn des Sprossers Lied den Hain durchschallt.

Ewig du! im lichten Reich der Sterne,
In den Wellen, in der Liederlust,
In den Wolken, in des Waldes Ferne,
Ewig, ewig hier in meiner Brust!
(S. 42)
_____



Du hast erkannt, o nur zu gut,
Was ich für dich gefühlt!
Dein Blick war Eis, der meine Glut,
Du hast ihn nicht gekühlt.

Wie von dem Kahn durchpflügt, der See
Die klaren Wellen regt,
Und tief aufseufzend doch sein Weh
Sich wieder glättend trägt.

So hast du oft durchpflügt mein Herz
Mit hartem, scharfem Wort,
Doch trug ich still den heißen Schmerz,
Und liebte ruhig fort.

Wie sich der Schwan, vom Pfeil erreicht,
Noch einmal aufwärts schwingt,
Die blut'ge Brust dem Himmel zeigt,
Und niedersinkend singt: -

So zeig' ich dir die wunde Brust,
Denn Himmel bist du mir, -
Und meines Sinkens mir bewußt,
Sing' ich doch noch von dir.
(S. 43-44)
_____



Könnt' ich umfangen dich in heißer Liebesglut,
Wie tausend Sterne an dem Himmel stehen,
Mit tausend Augen dich, Geliebte, sehen,
Versenken mich in deiner Blicke Flut -
Berauschen mich in deines Athems Wehen,
Die Lippen küssen dir, bis auf das Blut -
Könnt' ich umfangen dich in heißer Liebesglut,
Dann wollt' ich gerne zu den Schatten gehen!
(S. 45)
_____



Wie doch dein liebes süßes Lied
So seltsam mir die Brust durchzieht!
Wie Alphornklang am stillen See,
Beruhigt all' das Heimathweh.

An deiner Wiege sang es dir
Die Mutter einst, jetzt singst du's mir;
Und wie es damals dich erfreut,
So lullt es mich in Schlummer heut.

O Kinderlied! o Kinderzeit!
Wie liegst du mir so weit, so weit!
Und doch kann ich nicht widersteh'n
Den Klängen, die mich jetzt umweh'n.
(S. 46)
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Mein Inn'res hast du umgeschaffen,
Es ward ein and'rer Mensch aus mir,
Du nahmst mein vorig' Herz, das wilde,
Ein neues bess'res dank' ich dir.

Ein Engel hast du meine Schritte
Vom falschen Pfad hinweggelenkt,
In des Vergessens dunkle Tiefe
Der wilden Wünsche Glut gesenkt.

Mein Gnadenbild bist du geworden,
Dahin die wunde Seele zieht.
O blicke freundlich auf den Pilger,
Der betend dir zu Füßen kniet!
(S. 47)
_____



O Tochter Mosis! du schöne Jüdin!
Du Blume aus dem Morgenland!
Weshalb sind deine schwarzen Augen
Stets zürnend von mir abgewandt? -

O stolze Jungfrau! weshalb so grausam,
Und doch dabei so mild zu seh'n!
O grolle nicht und lächle wieder,
Du lieblich Kind von Idumen.

Beim Mondesschimmer, beim Sternenlichte,
Beim Sonnenschein, in düst'rer Nacht,
Ist immerdar dein holdes Bildniß
In meiner Seele aufgewacht.

O spröde Schöne! o holde Recha!
O lichter Stern aus Ostens Bahn!
Zertritt des alten Hasses Funken -
Was gehen uns die Väter an?

O Tochter Jakobs! o stolze Jüdin!
Der Morgen naht, die Nacht entflieht.
Dem Christen bleibt dein Thor verschlossen -
Dein Herz verschlossen seinem Lied.
(S. 48-49)
_____



Du bist nicht todt, ruhst du im Grabe auch,
Du lebst für mich - mir bist du nicht geschieden;
Du schwebst um mich als duft'ger Frühlingshauch,
Und singst als Nachtigall der Seele Frieden.

Als schöner Stern, als flüchtig Traumgebild,
In jeder Blume blühst du mir entgegen;
Du klingst im Bache, rauschest im Gefild -
Ich fühle dich und deiner Liebe Segen.

Wir waren eins, wie Baum und Wurzel sind,
Wir sind auch eins nach deinem Tod geblieben;
Du tief im Grabe - mich durchbraust der Wind, -
Und daß ich blühe, dank' ich deinem Lieben.
(S. 50)
_____



Wer noch nie ein treues Herz gebrochen,
Hat die Liebe noch nicht ganz empfunden,
Kennet nicht das ruhelose Pochen
Und das Strömen ew'ger Todeswunden.

Einen Abschied für das ganze Leben -
Wer ihn nie mit bleichem Mund gesprochen,
Ist der Qual noch nicht dahin gegeben,
Daß ein treues Herz für ihn gebrochen.

Der allein kann Herzen nur verstehen,
Der das seine konnte unterjochen;
Der mit trock'nen Augen stumm gesehen,
Wie ein treues Herz für ihn gebrochen.
(S. 51)
_____



Nur der Schmerz erzeugt die Lieder,
Darum, vielgequältes Herz,
Trage nur gelassen wieder
Diesen neuen Trennungsschmerz!

Klage nicht, daß dieses Scheiden
Dir ein tiefes Leiden bringt!
Singe nur in diesem Leiden,
Wie im Sturm die Harfe singt.

Lass' ihn durch die Lüfte zittern,
Diesen schwermuthvollen Klang!
Bis von all' den ew'gen, bittern
Qualen, jede Saite sprang.
(S. 52)
_____



O weich geschaffen süßes Frauenherz,
Das in dem letzten Kampf, selbst wenn es bricht,
Doch nur von Segen und Vergebung spricht,
Und lieb gewinnt den herben Todesschmerz.

Das aus dem Hügel, wo die Urne steht,
Als jener Baum mit lindem Zauber sprießt,
Der auf schlaflose Augen Schlummer gießt,
Und Frieden in die Brust des Schuld'gen weht.
(S. 53)
_____



Von meinem Lieb' verwahr' ich,
O wie erinnrungsreich!
Zwei Rosen, eine purpur'n,
Die and're weiß und bleich.

Die rothe Rose schenkte
Sie mir an jenem Tag,
Als sie zum ersten Male
An meinem Herzen lag.

In Thränenthau erblühet
Brach ich die weiße ab,
Als ich auf Allerseelen
Besucht ihr stilles Grab.
(S. 54)
_____



Am See

I.
Langsam zieht der stille Schwan
Feuchte Gleise in die Wogen,
An das Ufer hat den Kahn
Müd der Schiffer hingezogen.

Weide flüstert und das Rohr,
Neigen sich bald auf, bald nieder;
Singen wohl den Wellen vor
Leise linde Schlummerlieder.
(S. 55)

II.
Nun ist es still, du bist geschieden,
Und nahmst die schönen Tage mit.
Auf öden Wegen hallt mein Schritt,
Einsam am Ufer such' ich Frieden.

Es baut der See die Wellenhügel,
Im Schilfe ruft die junge Brut
Und flüchtig streift die klare Flut
Die Schwalbe mit dem spitzen Flügel.

Und wie die Luft dies Segel schwellet,
So schwellt mein Herz die Sehnsuchtsqual.
O sprich, Gewölk, wo ist ein Strahl,
Der meine Seelennacht erhellet?
(S. 56)

III.
In den Schoos der tiefen Flut
Schmiegt der Mond sein Angesicht,
Auf bethauten Gräsern ruht
Sein befriedend süßes Licht.

Nicht ein Lüftchen ist erwacht,
Und der See bewegt sich kaum,
Diese laue Sommernacht
Wiegt den schönsten Liebestraum.

Ferner Nachtigallen Schlag
Weckt der Rose duft'ge Scham;
Was mich so bewegen mag,
Ist es Wonne, ist es Gram?
(S. 57)

IV.
Ueberall aus Busch und Strauch,
Aus den Wolken, aus dem See,
Weht mich an ein trüber Hauch,
Sieht mich an ein Blick voll Weh.

Wenn ich müßig hingestreckt,
Wenn ich zieh' mit raschem Schritt,
Hat ein Ton mich aufgeschreckt,
Zieht ein bleicher Schatten mit.

Ein gescheuchter Vogel fleucht
Aus dem windbewegten Rohr -
Abgehärmt und thränenfeucht
Schwimmt im See dein Bild mir vor.
(S. 59)
_____



Der Rosenstrauch

Aus deinem Grabe sproß ein junger Rosenstrauch
Gepflegt vom Sonnenstrahl, von Thau und Frühlingshauch,
Wuchs er zum Baum empor; sein wogendes Gezweig
Im grünen Blätterschmuck war vieler Blüthen reich.

Stets neuer Rosen voll, warf er die alten ab
Und deckte streuend so mit Blüthenstaub dein Grab,
Um deine Urne schlang er seinen schönsten Ast,
Als hielt er liebend sie mit treuem Arm umfaßt.

Und eine Nachtigall erwählte sein Geäst
Und baut' in dessen Schoos ihr liederreiches Nest;
Bald sitzend in dem Baum, bald auf dem Marmorstein,
Sang sie ihr süßes Weh spät in die Nacht hinein.

Es hat der Rosenstrauch die Wurzel tief und fest
Durch die verweste Brust bis in dein Herz gepreßt;
Und saugte so sich Kraft aus deines Herzens Staub,
Daß er zum Baum erwuchs mit Blüth' und jungem Laub.

Nun steht er da voll Pracht und wieget in der Luft
Sein blühendes Gezweig und hauchet süßen Duft;
Die losen Blätter streut er nieder auf dein Grab
Und trägt den Zoll des Danks dir also freundlich ab.

Wie du im Leben hier durch manche That erfreut,
Also erfreuest du im Rosenstrauch noch heut.
So ist dein stilles Grab der höchsten Liebe Bild,
Die selbst im Tode noch ein Born des Segens quillt.
(S. 63-64)
_____
 

Aus: Gedichte von Feodor Löwe
Stuttgart Franckh'sche Verlagsbuchhandlung 1843

 

Biographie:
Franz Ludwig Feodor (seit 1881) von Löwe (* 5. Juli 1816 in Kassel; † 20. Juni 1890 in Stuttgart) ist der Sohn von Ferdinand Löwe.

Er wirkte erst an den Bühnen zu Hamburg und Frankfurt, seit 1841 an der Hofbühne zu Stuttgart, wo er sich namentlich auch als Regisseur Ruf erworben hat. Er reiht sich den tüchtigsten Künstlern seiner Zeit würdig an; insbesondere gelten sein Hamlet, sein Leicester (in Maria Stuart) sein Faust, Bolingbroke und Karl Moor für vollendete Kunstleistungen. Auch hat er durch Schwung und Formschönheit ausgezeichnete Gedichte (Stuttg. 1854, 2. Aus. 1860), Neue Gedichte ( 1875) sowie Freimaurerdichtungen: Den Brüdern (2.Aufl.,Leipz. 1874), Aus eigner Werkstatt (Stuttg. 1.881), Zwischen den drei Säulen (das. 1884) u. a. veröffentlicht.
Aus: www.wikipedia.de

siehe auch ADB: http://www.deutsche-biographie.de/sfz53882.html

 



 

 


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