Ernst Wilhelm Lotz (1890-1914) - Liebesgedichte

Ernst Wilhelm Lotz



Ernst Wilhelm Lotz
(1890-1914)

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 


 

 



Verwunderte Strophen

Mädchen! Bist du ein Wunder!
Daß du aufleuchtend dastehst! Und lebst!
Und Fleisch bist! Wunder du und Hirngeborenes,
Das da war, als ich außer mir selbst geriet
In quälender Nacht,
Da ein anderer seinen Arm dir um die Hüften legte!
Du! Nah! lodernd nah!
Du bist mein Atem!
Du bist meine Flamme,
Die hinstirbt, wenn ich meine Sehnsucht dämpfe!
Wenn ich mein Leben zurückdämme! -
Nun aus der Ferne muß ich deine Lichter anstaunen.
Aber meine Sehnsucht ist vorstoßend ein Feuersturm!
Und mein Leben ist eine Geistgewalt in die Weite!

Deine Augen sind zwei Spielkinder,
Die mit blanken Händen eine Fackel
Vorhalten,
Träumend fast, eine blaue Brandfackel
Hinstrecken in mein Herz. -
Halt! Halt! Wartet!
Ein Faß voll Dynamit ist dort verstapelt:
Drauf habe ich unvorsichtig
Die Treue,
Die Ehre der Freundestreue niedergelegt.
(S. 8)
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Deine Haare

Heute reizen mich deine Haare.
Sie sind ein trunkenes Lichterspiel.
Die Seele eines Malers müßte immer in Leuchten aufstehn
Vor solchem Scheinen!
Aber ich bin ein Dichter.
Ich sinke.
Versinke tief in flutrauschenden Traumsinn.
Ich träume.
Ich träume in deine Haare eine Landschaft hinein.

Schwül zieht ein Strom aus großen Dämmerungen
Zum Vordergrund in spät besonnten Schein.
Die reichen Dünste halten Klarheit weich umschlungen.
Ich glaube, hinter breiten Palmenfächern lebt ein Schein
Von einem blanken Marmorstein.
Der Abend duftet von Opferbränden,
Aufwölkend einer Göttin dargebracht.
Mit zitternden Händen
Hat jemand ein Feuer angefacht.
Die Flammen knistern, die Funken sprühen
In staunende Ferne. -
Ich sehe sie oben glühen:
Die ersten Liebessterne.
(S. 9)
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Deine Hände

Jetzt bin ich lüstern nach deinen Händen.
Wenn sie die meinen begrüßend drücken,
Können sie Weltraum-staunend beglücken.
Deine Hände führen ein selbstgewolltes, stilles Leben.
Ich habe mich deinen Händen ergeben.
Nun dürfen sie mich begreifen und fassen,
Zu deinen Höhen, mit Blicken nach Weiten,
Mich geschenk-gütig heben. -
Spielerisch aber werden sie mich übergleiten
Und am Wege hier liegen lassen.
(S. 10)
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Und schöne Raubtierflecken ...

Bist du es denn?
Groß aus dem Weltraum nachts, der Spiegel ist,
Tönt dein zerwehtes Bildnis in meine Seele.
Die Sterne durchziehen harfend deine Brust.
Du aber ...

Du glänzt vielleicht versehnt im weißen Federbett,
Traum liegt dir hart im Schoß. -

Oder ein junger Liebling
Zieht fühlsam mit zeichnendem Finger
Die festen Runden deiner Brust nach.
Ihr seid sehr heiß.
Und schöne Raubtierflecken zieren eure Rücken.
(S. 11)
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Einer Frau

Dein Auge ist grün und kalt wie ein Alpensee,
Gespeist vom reinen Ewigen-Schnee.
Drin ruht im dunkeln Felsengrund
Verwunschen ein Schatz, von Gold und Rubinen schwer.
Davon hat Kunde nur ein Dichtermund. -
Sonst weiß es keiner mehr.
(S. 12)
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Musik

Im Wasgenwald tönte der Abendwind.
Ich ging in Straßburgs Sommerstraßen.
Vom Wasgenwald wehte Musik über Dächern,
Daß alle die Giebel und blanken Zinken
Erglühend zitterten.

Ums Münster aber war die Luft von Purpur.
Hier, auf den Flügeln des Westes herübergekommen,
Hier sank das Lied der rot erstaunten Wälder,
Herab, hier wo Musik in Steinen wohnt.

Ihr großen Wälder mit den alten Stämmen
Und Felsen, rauh gezackt, dämmernde Dörfer,
So tief versenkt in roter Nebel Flut,
Und Wohlgerüche, die der Abend atmet.

Also voll Süße war das Spiel der Lüfte,
Daß ich, nachlauschend dem Verklungenen,
Hier mitten im bunten Kreisen der Stadt,
Nur unter Tannen schritt, die waldig wogten,
Nur Büsche glühen sah und Johanniswürmer,
Und vor mir, der ich folgte, solch ein Mädchen,
Das wie aus Tau gebaut war.

Und fern ein Licht, mein Haus, darin ich feiern würde
Ein Fest der Sommerliebe bei rotem Wein
Und leisem Geigenstreichen.

Ja deine Lippen dufteten so nach Harz
Und feuchten Gräsern, die ein Reh zerknickt.
Ja du warst süß und berauschend wie das Lied,
Das von den rot geschauten Bergen vorhin
In meine Adern gezittert ist.
(S. 13)
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In deinem Zimmer

In deinem Zimmer fand ich meine Stätte.
In deinem Zimmer weiß ich, wer ich bin.
Ich liege tagelang in deinem Bette
Und schmiege meinen Körper an dich hin.

Ich fühle Tage wechseln und Kalender
Am Laken, das uns frisch bereitet liegt.
Ich staune manchmal still am Bettgeländer,
Wie himmlisch lachend man die Zeit besiegt.

Bisweilen steigt aus fernen Straßen unten
Ein Ton zu unserm Federwolkenraum,
Den schlingen wir verschlafen in die bunten
Gobelins, gewirkt aus Küssen, Liebe, Traum.
(S. 25)
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Frühlingsatem

Eine Liebesfrohheit hat meine Wangen rot gepudert.
Mein Atem mischt sich weich dem Tagwind.

Wo ich die Straßen betrete, sind sie zum Festzug bereitet.
Ein blumiges Schauvolk festschreitet und gleitet.

Menschen erwartungs-groß haben sich aufgestellt,
Aus allen Fenstern kommen Blicke zu mir Sonntag-erhellt.

Mit bloßem Kopfe und mit vor Jungkraft federnden Zehen
Muß ich immer und immer durch Sonnenstraßen gehen.

Ich habe ein fernblaues Mädchen am Ende der Straße erschaut,
Das liebruhelos Säulen von Sonnenstaub vor mir baut.

Und während ich gehe, geht in meiner Herzbrust jemand
mit viel schnelleren Füßen
Und ruft: Wir werden heut küssen! küssen!

Weichluft-umschlungen verzittert mein Jubelschrei hinab in die Brust,
Und mein Atem strömt ab in den Wind. Von Dächern weht
ein Gelächter.
(S. 28)
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Ich schleppe meine Stunden ...

Laß mich meine Hände um deine Gelenke spannen
Und meine Stirn an deine Schulter lehnen,
O du umträumte Geliebte!

Ich schleppe meine Stunden durch Straßen, Kontore
und windige Treppenhäuser,
Und alle Augen, die mir begegnen, sind behauchte
Scheiben,
Hinter denen, in Rechnen-Folianten geduckt,
Ein Seelen-Jemand vor grün verdeckter Lampe dämmert.

Mädchen, wenn ich meine Augen in deine warmen Hände presse,
Dann steigt so dunkel und weich um mich auf,
Daß ich träume, ich sei bei meiner Mutter,
Tief bei meiner Mutter in der Blutnacht.
(S. 40)
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Spät über den Häusern ...

Spät über den Häusern,
Wann die Dächer von Farben tropfen,
Kniest du bei mir am Fenster auf dem Schemel.
Ein Wundern bebt in dir,
Ich fühle deine Pulse klopfen,
Als lebte dein Blut in mir. – -

Kannst du das fest begreifend sehen:

Wie ich am Fenster lehne
Und, weich beglüht,
Die Arme in das Licht hinüberdehne.
Mit meinen Fingern pflück ich aus den grünen Grüften
Die kleine, abendfarbne Tanzmusik vom Kaffeehaus.
In meinen Händen wird sie groß und lodert in den Sommerlüften.

Auf einmal wächst vom goldnen Horizont,
Weiß, riesengroß und spät besonnt,
Dein hingeträumter Leib heraus.

Da spanne ich meine Arme weit
Durch bunt verhängte Abenddämmerungen
Um deines Leibes Traumverlorenheit. -
Mädchen! und halte dich dort über Dächern und der Zeit
Wie hier am wachen Fenster, märchenfest umschlungen!
(S. 41)
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In gelben Buchten sogen wir der Fernen ...

In gelben Buchten sogen wir der Fernen
Verspülte Lüfte, die von Städten wissen,
Wo Lüste grünen, angerührt vom Wahnsinn.
Wir schwammen auf dem Fieberschiff stromauf
Und sonnten unsre Leiber an dem Buhlen
Waldheißer Panther, die der Sommer quält.
Der Klapperschlange nacktes Schlammgeringel
Wand sich verstört, als wir vorüberkamen,
Und in verschlafnen Dörfern gurgelte die Lust.
Ein warmer, satter Wind strich durch die Palmen. –
Ich sah dich weiß von Schlaf.
Und als ich von dir ebbte, hochgehoben
Von meinem stolzen, satt gestürmten Blut:
O Sturm der Nächte, der mich Blut-wärts zog
Zu kühnen, nie entdeckten Ländergürteln:
O schwül Geliebte! Strom der Geheimnisse!
Verschlafenes Land! Im Süden! O Sommer-Qual!
(S. 55)
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Torkelte mir vom Kopf der Schlaf ...

Torkelte mir vom Kopf der Schlaf,
Stieß ich das Fenster auf in die Nacht,
Kamen die Süchte mit schneidendem Flügelschlagen
Und haben im Niederstürzen mich brandig gemacht.

Daß die Abende dürftiger flammen!
Und die Nächte windig und düster durchbrannt! –
Ehemals in verschlafenen Wasserbuchten
Weiß kamen die Träume und zitterten silbern zum Land,

Zogen die Vögel in sonnigen Streifen
Unter dem Nachtlicht, nach Norden verweht,
Unsere Glieder tranken das Buchtengrün,
Und die Wälder der Tiefe vermählten uns spät. –

Haben wir uns im Rausche verloren,
Müde verspült vom Wasser, als Schlaf auf uns fiel? –
Meine Gesänge durchhallen die Meere
Und rufen nach Dir, meine Nächte versilberndes Spiel!
(S. 56)
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Deine Haare waren mir Sommer und Gartenglück ...

Deine Haare waren mir Sommer und Gartenglück,
An die Vorstadt gebaut. Weite und Wehen.
Da fand ich Traum und Körper. Und den Wind,
Der meine frühen Nächte überflammte. –
Nun gleite ich manchmal kühl in Booten
Mit hartem Hals:
Und ich begreife, daß ich einsam bin.
(S. 57)
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Ich bin ein Haus aus tief gefügtem Glas ...

Ich bin ein Haus aus tief gefügtem Glas.
Nun kommen alle Menschen, kühl wie Schatten,
In meine Brust und feiern weiche Feste.
Glanz, meine Kuppel, die im Klaren tönt,
Ein leiser Riß durchzittert ihre Stimme:
Du Ferne. Gleitende. Du Klang im Wind!

Die Wagen, die in wachen Straßen
Schwebten,
Wissen um deinen Gang
In zager Nacht.

In dunklen Türmen, die den Abend riefen,
Versammeln sich die ungekühlten Fernen:

Ich wünsche Dich!
Das Eis zerriß in Schollen:
So schrien meine Hände
Nach dem Zwei!

Schon krönten junge Lauben meinen Schlaf,
Doch schrille Lichter blendeten den Frühling. –
O Taumellose. Groß. Im Städtewald!
(S. 58)
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Wir fanden Glanz, fanden ein Meer, Werkstatt und uns ...

Wir fanden Glanz, fanden ein Meer, Werkstatt und uns.
Zur Nacht, eine Sichel sang vor unserem Fenster.
Auf unsern Stimmen fuhren wir hinauf,
Wir reisten Hand in Hand.
An deinen Haaren, helles Fest im Morgen,
Irr flogen Küsse hoch
Und stachen reifen Wahnsinn in mein Blut.
Dann dursteten wir oft an wunden Brunnen,
Die Türme wehten stählern in dem Land.
Und unsre Schenkel, Hüften, Raubtierlenden
Stürmten durch Zonen, grünend vor Gerüchen.
(S. 59)
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Eine Französin im sächsischen Schwarme ...

Eine Französin im sächsischen Schwarme,
Kühne Frühlinge züngelt ihr Blick.
Leichte Gewässer
Spielen die Finger über den Tisch.
Träumen die Winde von ihrem Gelächter.
Doch das Café, die Musike und wir und mein flackernder Stift
Kreisen belichtet, verebben, mit Bücklingen fließend
Und lassen gekräuselt
Im Lächeln Madonna zurück.
(S. 60)
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Nachtwache. Rot. Ein Atem ringt in uns ...

Nachtwache. Rot. Ein Atem ringt in uns.
Ein Wind will auf. Voll Freude, Heimweh-Schluchzen.
Wir suchen irr. Nach Fleisch, nach Welt. Nach Lachen.
Wir sind umragt von uns.
Der Durchbruch stockt. Die Fesseln. Schwer das Blut.
Versenkt die Brunst, die stöhnt und aufwärts möchte.

Wir wollen Glanz und Weite, helle Höhen,
Vom Meer umweht. Und Küsse, tief ins Fleisch
Lechzende Jagd durch flammende Gebirge
Nach Panthern, Affen, Frauen
Und nach Schlaf.
Nach süßen Nächten, die uns schlafen lassen.
Wir sind nach Inseln toll in fremden Welten.
Denn wir sind außer uns: Vor unsrer Enge!
Und bauen immer heiß an unserm Traum.
(S. 61)
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Verzaubert

Blau auf den Hügeln
Sind Lichter entfacht.
Auf seidenen Flügeln
Segelt die Nacht.

Wir stehen allein
Und unerkannt
Im Flimmerschein
Am Höhenrand.

Und sprechen nicht.
Und leben kaum.
Und sind ein Licht
In einem Traum.

Still über der Wiese
Schwebt der Stern
Vom Paradiese. -
Wir sehen ihn gern.
(S. 107)
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Sterne der Nacht ...

Sterne der Nacht, ihr leuchtet so schön!
Mild und klar strahlt ihr des Frühlings
Volle Sehnsucht mir ins Blut. -
Wie die Augen der Geliebten
Leuchten in der Nacht -:
In der Liebesnacht.
(S. 109)
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Das war in der Nacht ...

Das war in der Nacht:
Die Nacht duftete von Opferbränden,
Die hatte jemand der Liebesgöttin dargebracht:
Mit zitternden Händen
Hatte er von Sehnsucht ein Feuer angefacht;
Die Flammen knisterten, die Funken sprühten
In gotthohe Ferne -:
Du sahst, wie sie droben glühten:
Liebessterne.
(S. 110)
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Meine Arme breiten sich ...

Meine Arme breiten sich,
Meine Pupillen weiten sich:
Die Liebe hat mich heut Nacht
Mit pulsenden Fingern berührt,
Da bin ich aufgewacht
Und habe allen Zauber der Liebe gespürt.
(S. 112)
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Die Morgenwiese ist ...

Die Morgenwiese ist vom Tauregen feucht.
Mir deucht,
Die Haare der Erde hätten nicht feucht sein müssen
Und waren fein trocken geblieben,
Hätt' es nicht heut Nacht den Mond getrieben,
Sie zu bedecken mit seinen Küssen. -
Seht nur, beiden schlägt das Gewissen:
Der Mond hat sich um die Ecke gestohlen,
Rot geworden ist die Erde
Und lacht in sich hinein ganz unverhohlen
Mit heimlichtuender Gebärde.
(S. 112)
_____



Das späte Leuchten

O nie entgleite mir, du heißer Traum!
Wie du mir kamst, bei Nacht, beim letzten Schwelen
Der Lampe, - Schaumgebild aus Zaubersälen,
Auftauchend aus dem grausen, schwarzen Raum!

O weile! - Länger als dies seltne Strahlen,
Das meinem Blut entsteigt und dich umwallt! -
O bleibe ganz! - O Du! - Du Wohlgestalt!
Wunsch meiner namenlosen Fieberqualen!

Ich nenne dich: "Endlich!" - - Wie du leuchtend bebst, -
Wie du die Augen langsam aufwärtshebst, -
Wie du verblaßt - - und flackernd mir entschwebst. - -

Die Lampe lischt. Es ist sehr still -: So Nacht! -
Warum mein Gott! Hast du mir das gemacht!
Du hast unstillbar Flammen mir entfacht!
(S. 114)
_____



Nachtgesang

Sieh, die Treppen des Gebirges
Kam die Nacht heraufgestiegen,
Und sie pflückte alle Abendrosen ab.

Sieh, die Treppen des Gebirges
Kam der Mond heraufgestiegen,
Und er pflanzte
Stille weiße Lilien ein.

Wie sie zitternd Blüten treiben
Hoch und leuchtend in die Nacht.

Hör, die Treppen meines Hauses
Sehnsucht kommt heraufgestiegen,
Und sie pflückt mir meine roten Rosen ab.

Mädchen, kämst du wie ein Vollmond
Still herauf auf meiner Treppe,
In die Brust mir
Deiner Brüste Lilien pflanzend,

Daß sie große Blumen tragen
Weiß und traumhaft in die Nacht.
(S. 114-115)
_____



Verzückung

O komm, du Ruhe, Frieden, fließend Licht,
Zu rühren sanft, als daß dich Worte malen,
Auf deren Wesen solche Kerzen strahlen,
Wie aus der Engel leuchtendem Gesicht.

Das war vor Jahren - oder auch vor Stunden:
Die Sonne sank fiebernden Haupts zum Meer.
Da stieg aus meines Herzens blutigen Wunden
Ein Rauch von Farben auf und leuchtete umher.

Am Horizont die dunkeln Abendwände
Glühten so purpurn auf bei meinem Gram.
Vom nahen, schattenhaften Berggelände,
Floß rot ein Strom, der mir vom Herzen kam.

Zu höchsten, feinsten Wolkenzweigen,
Schon halb getaucht in vage Nacht,
Drang jener Glanz und hat im Neigen
Des Meeres Leuchten angefacht.

Da war kein Ding im ganzen Abendland,
Das ich nicht sah bei meiner Fackel Schein, -
Nur du, für die ich zündete den Brand,
Du warst nicht da. Warum nur du allein!

Kam doch der Abendstern mit stillem Prangen,
Kam doch das ganze selige Heer der Nacht. -
Nur du bist mir nicht aufgegangen!
Und hast mir Gluten doch entfacht!
(S. 115-116)
_____



Ich küßte dich ...

Meine Lippen sind bunt gesprungen.
Ich küßte dich zu sehr, zu lang.
Mein buntes Herz hat sich in meine Lippen hinauf-
geschwungen.
Hörst du: Es atmet und zuckt. Es stimmt einen süßen
Gesang.

Es singt ein wehendes Lied auf deinen Mund.
Nur dein Lippenherz kann begreifen sein Tönen,
So singend, so bunt.
Langsam müssen wir unser Staunen daran gewöhnen.
(S. 122)
_____



Die Nacht strich funkend ...

Die Nacht strich funkend und heiß über meine Scheitel.
Der Gedanke an eine Jung-Geliebte
Atmete bei mir im Bett. - -
Aber als der Tag vor meinem Fenster ergrünte,
Schrak ich in Wachheit empor
Und sonnte meine Augen an einem neuen Traum,
Spinnweb-Strahlentraum.

Den zerlegte ich mit meinen Wunschblicken
Und stellte in den Morgen hinein ein scheues Glück.
In ein rotes Tulpenbeet stellte ich es hinein
Auf einen schneeigen Sockel.
Und schrieb darunter mit meinem Finger
Zittrig verwischt
Das Wort, das ein Staunen ist:
Freund.
(S. 122-123)
_____

Aus: Ernst Wilhelm Lotz
Gedichte, Prosa, Briefe
Herausgegeben von Jürgen von Esenwein
edition text + kritik
München 1994
 


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Wilhelm_Lotz

 

 


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