Otto Ludwig (1813-1865) - Liebesgedichte

Otto Ludwig

 

Otto Ludwig
(1813-1865)

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 

Du und ich

Auf bunten Blumenmatten,
Vom Weltgedräng so weit,
Im tiefen Waldesschatten,
In süßer Einsamkeit,
Da sollt ein Leben werden,
Mein Lieb, so wonniglich;
Was wärs, das wir entbehrten?
Für uns wär nichts auf Erden,
Mein Lieb,
Mein Lieb, mein lieblich Lieb, als du und ich!

Wenn über Thal und Berge
Der junge Tag sich hebt,
Und über ihm die Lerche
Auf süßen Wirbeln schwebt
So selig und alleine,
So frisch und feierlich
Die goldnen Morgenscheine!
Nur Gott im stillen Haine,
Mein Lieb,
Mein Lieb, mein lieblich Lieb, und du und ich.

Wir thäten mit der Sonne
Die selgen Augen auf,
Und die ihn schloß, die Wonne,
Begänn den Tageslauf.
Du schafftest und ich schriebe
Manch frohes Lied für dich;
Und wer zum Essen bliebe,
Das wäre nur die Liebe,
Mein Lieb,
Mein Lieb, mein lieblich Lieb, und du und ich.

Magst schlafen oder wachen,
Magst sitzen oder gehn,
Magst sinnen oder lachen -
Ich kann nicht satt mich sehn.
So käm es, daß in Eile
Der Abend uns beschlich.
In Städten, manche Meile
Von uns wohnt Langeweile,
Mein Lieb,
Mein Lieb, mein lieblich Lieb, nur du und ich.

Und käm die Nacht gezogen,
Wir schauten Brust an Brust
Zum blauen Himmelsbogen
Und seiner Sterne Lust.
Und - süß dahin gerissen
Die Sterne senkten sich
Herab auf unsre Kissen -
Die Nacht sollt es nicht wissen,
Mein Lieb,
Mein Lieb, mein lieblich Lieb, nur du und ich!
(S. 89-90)
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Avancer

Du standst im goldnen Abendschein
Verklärt in stillem Denken.
Da trat ich scheu und blöd herein,
Besorgend, dich zu kränken.

Ich nahte voll verlegner Not;
Kaum wagt ich aufzublicken.
Du standst, die Wang umhaucht von Rot -
Ich sah es mit Entzücken.

So standen wir und schwiegen lang
Und wagten nicht zu reden,
Doch endlich wich dem süßen Drang
Die Furcht des scheuen Blöden.

Ich sprach zu dir: Nicht bin ich wert
Der Stell zu deinen Füßen,
Und nimmer hätt ich das begehrt,
Wüßt ich, dich möchts verdrießen.

Du nicktest still und setztest dich
Und hasts mir nicht verwiesen;
Und nieder warf ich froher mich
Und saß zu deinen Füßen.

Da saß ich froh und sah hinauf
Und horchte deinen Worten.
Doch wagte meines Blickes Lauf
Sich nicht zu deines Pforten.

Da sprach ich: Wär ich doch verwandt
Den Engelein, den süßen,
Dann dürft ich diese Engelshand,
Die weiße, zarte küssen.

Da reichtest freundlich du den Schnee
Zur Lindrung mir hernieder,
Doch heißer noch drang mir das Weh
Der Sehnsucht durch die Glieder.

Drauf klagt ich: Ich verdien es nicht,
Ins Auge dir zu schauen -
Du gönntest mir das süße Licht,
Du holdeste der Frauen.

Ich sah hinauf und sah hinein,
Die Erde war verflogen,
So hast du mit dem süßen Schein
Die Seele mir entsogen.

Ich seufzt: O wär ich jenes Band,
Dann könnt ichs wohl erringen -
Ich dürft mit liebend leiser Hand
Den schlanken Bau umschlingen.

Da hobst du mich, du süßes Weib,
Gerührt von meinem Harme.
Da lag der schlanke, zarte Leib
Dem Glücklichen im Arme.

Da hab ich nimmermehr gefragt,
Und, Mund an Mund gesunken,
Was ich zu hoffen nie gewagt,
Des Himmels Lust getrunken.
(S. 60-62)
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Hüttchen im Odenwald

Ein Hüttchen steht im Odenwald,
Von Tannen tief versteckt -
Laß ruhn, laß ruhn, wie bist du bald,
Mein armes Herz, geweckt.

Am Hüttchen steht ein Espenbaum,
Der zittert immerdar;
Du hast, mein Herz, den schönsten Traum
Geträumt seit manchem Jahr.

Es stürzt ein Bach mit voller Macht
Hinab den Tannengrund;
In Thränen hab ich zugebracht
Um dich wie manche Stund!

Es biegen sich die Zweiglein lind
Herunter und hinauf.
Sei still! sei still, du lieber Wind,
Weck mir mein Herz nicht auf.

Und wecken soll mirs niemand nicht,
Soll schlafen immerfort,
Bis daß sie selber freundlich spricht:
Wach auf! mit süßem Wort.

Das schwarze Haar, das Kränzlein drauf,
Wie ist dirs nah und weit!
Und spricht sie nicht: Mein Herz, wach auf!
So schlaf in Ewigkeit.

Die Tannen rauschen: Fasse Mut
Und sei mit Klagen still;
Und ist sie dir ja lieb und gut,
Sie kann nicht, wie sie will.

Es floß so mild ein stiller Schein
Um uns die ganze Nacht;
Das Lämpchen wars, wobei sie dein
Mit Schmerzen hat gedacht.
(S. 29-30)
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Es windet zwischen Hügeln

Es windet zwischen Hügeln
Ein enges Thal sich fort,
Es schwebt mit müden Flügeln
Ein Vöglein überort.

Es tönt sein leises Singen
Trüb übers Bächlein drin,
Das hüpft mit Silberklingen
Durch Rain und Stein dahin.

Und auf den tiefern Matten
Da hat die stille Nacht
Aus purpursammtnen Schatten
Ihr Bette schon gemacht.

Hoch an den Felsen drüber
Da webt der letzte Schein
Verwaist, verweht vorüber,
Nun muß es dunkel sein.

Und dunkel ists, und Schweigen
Ruht über nah und fern,
Am Himmel aber zeigen
Will sich ein milder Stern.

Der müde Vogel singet:
Dank, süßer, süßer Schein!
Ich schlummre schon, das klinget
In meinen Traum hinein.

So stille Lüfte fächeln,
Es fließt vom Firmament
Herab dein süßes Lächeln,
O träumt ich ohne End!
(S. 90-91)
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Alternative

Gestern ruht ich an der Quelle,
Lauschte ihrem Murmellauf,
Sieh, da stieg aus klarer Welle
Leis ein reizend Weib herauf.

Mit den Lippen wie Korallen,
Mit der Augen tiefem Blau,
Kaum bedeckt von Schleiers Wallen
Nahte mir die holde Frau.

Und sie sprach: Sei mir ergeben -
Nein, du willst, du kannst nicht fliehn -,
Wie das Bächlein soll dein Leben
Froh durch goldne Auen ziehn.

Komm mit mir zu süßen Scherzen
In des Flusses klaren Grund;
Wecktest in der Brust die Schmerzen,
Mach mich, Jüngling, nun gesund.

Und den zarten, liebewarmen
Spitzte sie, den roten Mund -
Doch ich ließ sie ohn Erbarmen,
Ließ sie krank und liebeswund!

Nimm mich schnell in deine Arme,
Sichre dein beneidet Gut,
Mädchen, oder ich erbarme
Mich der Schönen in der Flut!

Bei dem Lächeln leis und flüchtig
Deines Schelmenangesichts!
Bist du gar nicht eifersüchtig?
Kind, ich stehe dir für nichts!
(S. 38-39)
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Frühlingstrunkenheit

Ich gehe umher in Träumen,
Ich weiß nicht, wie mir ist.
Dies Heben - dies Verlangen -
Der Lenz hat mich geküßt!

Ich bin ein kleines Vöglein,
Das hoch herunter sieht
Auf Wald und Strom und Berge
Und singt ein trillernd Lied.

Ich bin die schwanke Woge,
Die fern an Felsen schlägt;
Ich bin die kleine Rose,
Die sie am Busen trägt;

Ich zieh mit Silberschwänen
Die Kreise durch den See,
Und in mir singt wie Schwäne
Sehnsüchtig Lust und Weh!

Es wehn mir Mädchenlocken
Und Küsse um den Mund;
Ihr blauen, schwarzen Augen
Macht krank mich oder gesund.

Das ist ein seltsam Treiben
Und wunderbar Elend.
Bedeuts Liebesanfang?
Bedeuts Liebesend?

Ich bin nicht froh, nicht traurig,
Gesund nicht und nicht krank.
Ich habe wohl getrunken
Von einem Zaubertrank?

Der Lenz hat einen Becher,
Geformt aus blauer Luft,
Gefüllt mit Lieb und Liedern
Und Blum und Waldesduft;

Und hat mich aufgehoben
Mit seiner weichen Hand
Weit über alle Berge
Bis an des Bechers Rand.

Den hab ich ausgetrunken
Bis auf den tiefsten Grund;
Dann hat er mich geküsset
Mit seinem roten Mund.

Dann warf er mich kopfüber
In all die Blumen hin;
Da ists denn wohl kein Wunder,
Wenn ich nicht bei mir bin.

Ja ich bin frühlingstrunken,
Der Lenz hat mich geküßt,
Drum irr ich sinnend und träumend
Und weiß nicht, wie mir ist.
(S. 35-37)
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Das zerbrochene Herz
(1844)

Ich ging im nächtgen Schweigen
Dahin am Felsenhang;
Es schien der Mond so eigen,
Mir war so seltsam bang.

Da zogen graue Streifen
Durchs tiefe, feuchte Thal
Und drehten sich im Reifen
Herum wohl tausendmal.

Und eh ich mich versehen,
Stand ich schon mitten drin;
Da ist es mir geschehen,
Daß ich so traurig bin.

Alsbald war ich umschlossen,
Von Armen weich und hold,
Alsbald war ich umflossen
Von Locken hell wie Gold;

Alsbald von Wunderaugen
Da ist das Herz mir wund;
Alsbald zwei Lippen saugen
Mein Leben aus meinem Mund.

Der Sinn war mir zerronnen
In Wonnebangigkeit;
Und wie ich mich besonnen,
Da war sie weit schon, weit.

Und bog noch in der Ferne
Den schlanken Hals zurück.
Wie blieb ich doch so gerne
Bei, dir, mein süßes Glück!

Und breiter schwoll und breiter
Zum Nebel ihr Gewand;
Das wogte weiter, weiter
Und weiter und verschwand.

Und jeden Abend kehrte
Die süße Fei zurück,
Und jeder Abend mehrte
Der Liebe süßes Glück.

Und wieder zogen Streifen
Durchs tiefe, feuchte Thal
Und drehten sich im Reifen
Herum wohl tausendmal.

Und eh ich mich versehen,
Stand ich schon wieder drin,
Da ist es mir geschehen,
Daß ich so traurig bin.

Sie sah mit trüben Blicken
Und sah mich traurig an;
Und drückte zum Ersticken,
So, wie sie nie gethan.

Ich konnte kaum noch sprechen:
Was drückst du mich so sehr?
Dein Herz will ich zerbrechen;
Du siehst mich nimmermehr.

Und preßte fest und fester
Ans Herz das liebe Herz:
Ade, du Liebster, Bester,
Du meine Lust, mein Schmerz.

Und fester noch umschlungen,
Gepreßt vom lieben Mund,
Da ist mein Herz zersprungen,
Zerbrochen wohl zur Stund!

Sie bog noch in der Ferne
Den schlanken Hals zurück.
O Mond! o lieben Sterne!
Nie kehrt mein einzig Glück.

Und breiter schwoll und breiter
Zum Nebel das Gewand;
So wogt es weiter, weiter -
O Sterne! und verschwand.
(S. 113-115)
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Klage

O Lindenbaum, du treuer,
Wie deine Blätter rauschen,
Du alter, ewig neuer,
Wie deine Blätter rauschen.
Ach, Linde, grüne Linde,
Wie schwankst du froh im Winde.
Ich war wie du, o Linde -
Sie - ach! ist wie der Wind!

So hat sie mir geschmeichelt,
Wie deine Blätter rauschen,
So hat sie mich gestreichelt,
Wie deine Blätter rauschen.
Ach, Linde, grüne Linde,
Wie schwankst du froh im Winde.
Ich war wie du, o Linde -
Sie - ach! ist wie der Wind!

Dann schmeichelte sie andern,
Wie deine Blätter rauschen;
Ja, Wind und Untreu wandern,
Wie deine Blätter rauschen.
Ach, Linde, grüne Linde,
Wie schwankst du froh im Winde;
Ich blieb wie du, o Linde -
Sie - ach! ist wie der Wind!
(S. 37-38)
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Liebe
(Die erste Strophe aus einem Volksliede)

O wie ists möglich dann,
Daß ich dich lassen kann,
Hab dich von Herzen lieb,
Das glaube mir.
Du hast das Herze mein
So ganz genommen ein,
Daß ich kein andern lieb,
Als dich allein.

Wie doch nur ists geschehn,
Daß ich nur dich mag sehn,
Wie nach dem Sonnenlicht
Blumen sich drehn.
Nur der Gedank allein,
Daß du nicht mehr wärst mein -
Ach! auf der Welt kein Tod
Bringt diese Pein.

Noch verging keine Nacht,
Die ich nicht durchgewacht,
Die ich mit Schmerzen nicht
Dein nur gedacht.
Ach, vielleicht scherzest du,
Ach, vielleicht herzest du,
Während mich Tag und Nacht
Meidet die Ruh.

Könntst du mich lassen doch,
Brechen den Schwur so hoch -
Bis ich vor Kummer stürb,
Liebt ich dich noch.
Lieben ist das allein,
Wenn ich will elend sein,
Ist alles Lebensglück,
Herzlieb, nur dein!
(S. 26-27)
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Bescheid
(1831)

Sag mir, so sprach die Spröde,
Was das für Blumen sind
Hier an dem kleinen Fenster?
Und sag es mir geschwind.

Das hast du nicht erraten?
Und rätst doch sonst so schnell.
Es ist der kalte Winter,
Ein gar verliebter Gesell.

Und wie vorbei er sauset
Mit jähem Windesflug,
Schreibt er an alle Fenster
Des Liebchens Namenszug.

Die langen eisgen Zapfen
Sind Feder ihm und Stift;
Könnt ich sie nur entziffern,
Die bunt verschlungne Schrift!

Es packt mich tief im Herzen
Der Eifersucht Gewalt;
Du bists, du bist sein Schätzchen!
Was wärst du sonst so kalt!
(S. 46-47)
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Reines Herz

Selig dem
Die Götter geben
Ein reines, edles Herz.
Er trägt den Zauber in der reichen Hand,
Was er berührt, mit Wonne zu durchschwellen.
Die enge Hütte dehnt sich zum Olymp,
Wohin er seine Brust voll Götter bringt.
Nur dem ist arm das Leben,
Der es mit armen Augen sieht.
Ihm schmilzt der Dinge Frühling
Unter der gierigen Hand.
Drum, gütige Götter, erhaltet
Ihm, dem Glücklichen, dem ihr sie gabt,
Die selige Gabe, erhaltet ihm
Im Busen das reine, edle Herz.
(S. 14-15)
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So reich!

Wie ruht sichs doch an deiner Brust
So weich, so weich, so weich;
Zu zählen all die Götterlust
Zu reich, zu reich, zu reich!

Und daß ich weiß, du liebst nur mich
In all der Welt so weit,
Wie himmlisch, himmlisch ruht es sich
In solcher Sicherheit.

Wie ist die Lieb ein süßes Gift
Und Arznei zugleich:
Sie macht so arm ihn, den sie trifft,
Und doch so reich, so reich.

Und alles, alles, was du hast,
Dein ganzes, ganzes Sein,
Das halt ich reicher Mann umfaßt,
Ein süßes, seligs Mein.
(S. 88-89)
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Zu stille Liebe

Zwei liebten sich und wollten sichs nicht sagen,
Und küßten sich auf eines Kindes Munde,
Und sahen sich nur in des Kindes Augen,
Und sprachen sich nur durch den Mund des Kindes.
Da starb das Kind. Nun konnten sie nicht küssen,
Nicht mehr sich sehn und auch nicht mehr sich sprechen;
Da haben sie sich ganz in sich gezogen,
Und immer fremder sind sie sich geworden
Und haben immer heißer sich geliebet,
Nach Kuß und Blick gesehnt und süßer Rede,
Und sind am End vor Sehnsucht gar gestorben.
(S. 15)
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Alle Gedichte aus: Otto Ludwigs gesammelten Schriften. Erster Band: Biographie, Zwischen Himmel und Erde, Gedichte
Leipzig Fr. Wilh. Grunow 1891
(Hrsg. von Adolf Stern und Erich Schmidt)


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Ludwig

 

 


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