Johann Mayrhofer (1787-1836) - Liebesgedichte



Johann Mayrhofer
(1787-1836)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 





Alte Liebe

Alte Liebe rostet nicht,
Hört' ich oft die Mutter sagen;
Alte Liebe rostet nicht,
Muß ich nun erfahrend klagen.

Wie die Luft umgibt sie mich,
Die ich einst mein eigen nannte,
Der ich lebte ritterlich,
Die mich in die Weite sandte.

Seit die Holde ich verlor,
Hab' ich Meer und Land gesehen, -
Vor dem schönsten Frauenflor
Durft' ich unerschüttert stehen.

Denn ihr Bild trat vor den Geist,
Zürnend halb und halb voll Milde, -
Und was irgend Zauber heißt
Wich beschämt dem lieben Bilde.

Hier der Garten, dort das Haus,
Wo wir einst so traulich kos'ten!
Seh' ich recht? sie schwebt heraus -
Wird die alte Liebe rosten?
(S. 98)
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An die Geliebte

Von Dir entfernt, streb' ich zu Dir zu kehren, -
Hat ohne Dich das Leben Werth?
Wann Helios am Himmel fährt,
Denk' ich: durchflieh' nur Deine gold'nen Sphären!

Ich will nur Sie, und dann den Fluß, die Bäume,
Wie sie die dunkle Erde nährt;
Bin ich auch dürftig, ungeehrt, -
Ich lebe froh von Blüten holder Träume.

Es zweigt in mir des Geistes milde Kraft,
Aus Blumen saug' ich Lebenssaft,
Und sing' und wand're selig weiter,
Und Deine Augen nenn' ich meine Leiter.

Und Dichtung rankt um mich ihr zart Geflecht,
Ich witt're Freiheit, übe Recht, -
Des Lebens Einklang ist gefunden,
Und Haß und Nacht und Zweifel sind entschwunden.
(S. 99)
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Aussicht

Ich weiß, daß sie der Mutter immer sagt:
Sie müsse ihrer lieben Blumen warten;
Ich weiß, sie harret mein im stillen Garten,
Der blühend über'm braunen Felsen ragt.

Ich schau' hinauf aus dem gewund'nen Thal'
Zu ihr; bald wird sie mir am Busen liegen!
Wie ihre Locken in den Lüften fliegen,
Die Locken, goldener am Sonnenstrahl!

So trunken steige ich den Berg hinan,
Wie auf der Jugend, auf der Liebe Schwingen
Getragen, ihr den Morgenkuß zu bringen:
Sie ist mir gut, sie nimmt ihn freundlich an.

Umschlungen staunen wir am Lustgefild
Vom Strom durchflossen, vom Gebirg umgürtet;
Ihr Mächte, die ihr uns zusammenführtet, -
Verbleibt dem liebevollen Bunde mild!
(S. 100)
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Stillleben

Sie beugt den zarten, schlanken Leib
Mir über's Haupt zum Licht,
Und streckt den Arm, und lispelt: "Bleib!
Dir gilt die Schere nicht!"

So halt' ich still, und sauge gern
Die Lebenswärme ein, -
Wohl flimmert draußen Stern an Stern,
Was kümmert mich ihr Schein?

Die Kerze, die nun heller brennt,
Doch brennt sie nicht wie ich;
Nur wer der Liebe Flammen kennt,
Begreift mein Glück und mich.

In trauter Stube eingeengt,
Von Ihrem Hauch belebt,
Weiß ich es kaum, daß ich gedrängt,
Von Wünschen einst gestrebt!

Gestrebt - nach Ruhm, nach Wirksamkeit,
Nach Glück, - und es nie fand,
Bis es in diese Einsamkeit
Die zarten Blüten wand!
(S. 101)
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Da capo

Was bleibt im Menschen ewig jung?
Das Herz! wir dürfen's sagen!
Wer regt es stets zu frischem Schwung?
Die Liebe! kannst noch fragen?

Wohl manchmal scheint der Strom gestockt, -
Man könnt' am Eis' zerschellen, -
Der Flötenton der Liebe lockt -
Da gibt es wieder Wellen.

Der alte Kreislauf stellt sich her,
Und Glück und Qual wogt wieder -
Wir segeln auf dem hohen Meer,
Und singen neue Lieder.
(S. 102)
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Der Einseitige

Ich kenn' ein süßes Lippenpaar
In wunderholdes Roth getaucht;
Den Lippen horch' ich immerdar,
Wenn meine Seele Labung braucht!

Wie von den Felsen, silberhell
Herunter rauscht der kühle Quell,
Wie Morgenhauch die Wipfel regt,
Und schmeichelnd sich zu Blumen legt:

So schmeichelt mir zum Herzen sich
Der Wohllaut ein, umflutet mich,
Verwirrt mich über Zeit und Ort,
Und schlüpft wie die Forelle fort.

Von allen Sinnen blieb mir nur
Die Kraft, zu hören, noch zurück;
So schenkst Du Jeglichem sein Glück,
Sein angemess'nes Glück, Natur!
(S. 103)
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Der Fernen

Du, die mich so hart gemieden,
Schwebst in Freude, schwebst in Frieden,
Nun durch Strom und Thal geschieden,
Über helle Rosen hin.

Alles liebevolle Werden,
Lenz und Sommer hier auf Erden,
Wie der Sterne Flammenheerden, -
Ändern sie den trüben Sinn?

Bergeslüfte, Kunstgebilde,
Und der Töne reiche Milde,
Ach, besiegt von Deinem Bilde,
Wirken nimmer wie zuvor.

Hymnus sei Dir meine Klage!
Laß mich meiner Sehnsucht Frage,
Bange Nächte, bange Tage,
Hüllen in der Dichtung Flor!
(S. 104)
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Im März

Liebe, neig' Dein reichgelocktes Haupt
Sinnend über diese Veilchen nieder!
Strauch und Buche trauern unbelaubt, -
Doch die kleinen Veilchen sprießen wieder.

Aus dem dumpfen Mauerwerk der Stadt
Bin ich fort und in den Wald gegangen;
Schnee und Eis umkrusteten den Pfad
Streckenweis', und keine Lerchen sangen.

Frühlingsschauer rüttelten den Hain,
Einsam pflückt' ich, Liebe, Dir die Blumen:
Diese sollten meine Sprecher sein,
Hieß ein feindlich Schicksal mich verstummen.

Ist es nicht der Treue dunkles Loos
Sich zurückzuziehen und zu schweigen?
Von den Schätzen, die sie hegt im Schooß,
Darf die Erde nur die Veilchen zeigen.

Wenn Dich ihre sanfte Bläue rührt,
Ihre milden Düfte Dich erquicken:
Denk' daß Treue mich herausgeführt,
Sie zu suchen, sie für Dich zu pflücken.
(S. 105)
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Erhebung

Einst schwärmte ich trunken
Im Auge des Freundes,
Wir träumten uns frei!
Froh schwanden die herrlichen
Stunden, - noch glüh' ich,
Gedenk' ich des Traum's!
Nun ist es wohl anders!
Doch hab' ich gewonnen,
Und preise mein Glück.

Einst liebt' ich ein Mädchen,
Wie Rosen, so blühend,
Wie Lilien, so rein.
Ich plünderte Wiesen,
Ihr Kränze zu flechten,
Ihr Blumen zu streu'n.
Wohin sie sich wandte,
Sie sah sich umgeben
Von rührenden Zeichen
Des treuesten Sinn's,
Nun ist es wohl anders!
Doch hab' ich gewonnen,
Und preise mein Glück.

Das Herz, das einst jubelnd,
Für Freundschaft geglüht,
Das Herz, das voll Sehnsucht
Für Eine gelebt, -
Es hat sich erweitert:
Nun ruhen in ihm
Die Sterne, die Welten,
Die Ströme und Meere,
Und alle Geschlechter,
In Liebe vereint.
D'rum hab' ich gewonnen,
Und preise mein Glück.
(S. 107-108)
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Labung

Wie Waldes Kühlung uns erquickt
Nach schattenlos durchzog'ner Fläche,
Wie Leben uns entgegenblickt
Aus dem Krystalle frischer Bäche:

So haucht mir Deine liebe Nähe
Die alte Lust am Dasein ein,
Und was ich höre, was ich sehe,
Erborgt von Dir erst Ton und Schein.
(S. 120)
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Aus: Gedichte von Johann Mayrhofer
Aus dem Nachlasse mit Biographie und Vorwort
herausgegeben von Ernst Freih. v. Feuchtersleben
Wien 1843
Verlag von Ignaz Klang, Buchhändler

 


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Mayrhofer_(Dichter)





 

 


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