Emerenz Meier (1874-1928) - Liebesgedichte

 

 

Emerenz Meier
(1874-1928)

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:

 




Morgen

Der Himmel erwartet die Sonnenbraut.
Wohl hat er von ferne ihr Bild schon erschaut,
Denn sieh, wie jäh sich das Antlitz sein
Gerötet mit feurigem Purpurschein.

Nun steigt sie herauf mit strahlendem Blick,
Der Bräutigam grüßt sie in seligem Glück
Und führet sie sacht ins azurne Zelt. -
Schön guten Morgen, du herrliche Welt!
(S. 9)
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Frohe Ausfahrt

Jetzt hat er die Harmonika,
So laßt ihn vor uns pfeifen,
Indessen wir mit Hopsassa
Durch Wald und Wiese streifen.
Der Bursch ist sauber wie der Tag
Mit seinem Sonnenleuchten,
Und jedem Mägdlein, das ihn mag,
Wird oft das Aug sich feuchten.

Jetzt singen wir den Berg hinan,
Die Bäche unten sausen,
Und Steine kollern auf der Bahn,
Hoch oben Wälder brausen.
Der Kuckuck ruft, der Häher schwebt
Lautschnalzend dort im Blauen,
Das Herz erbebt und jauchzt und strebt,
Vom Berg ins Tal zu schauen.

Ihr Burschen, wendet euch geschwind,
Nehmt jeder froh die Seine
Und stürmet wie der Wetterwind
Hin über Moos und Steine.
Das Glück in uns hat festen Halt,
Das wollen wir nicht jagen,
Nur sehen, was dazu der Wald
Und Tal und Bäche sagen.

Es lacht die Lust aus jedem Strauch,
Weil licht die Zweige prangen,
Sie wiegt sich in der Winde Hauch
Und kost um unsre Wangen.
Froh tobt der Bäche Silberfall,
Hoch steht des Waldes Bogen,
Ein Blumenmeer, grüßt uns das Tal,
"Kommt, sinkt in meine Wogen!"

O holde Jugendseligkeit
Was gleichet deiner Süße!
O daß der Liebe Wunderzeit
Sich ewig halten ließe!
Doch rastlos wechseln Glück und Pein
Wir selbst, wie bald, vergehen,
Und über unsrer Gräber Reih'n
Wird neuer Lenz erstehen.
(S. 10-11)
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Heckenröslein

Im Hag da hat der Frühling
Groß Wunder aufgeführt,
Mit seinem Zauberstabe
Den grünen Dorn berührt.
Da sind hervorgesprossen
Viel Röslein hold und zart,
Duftvolle Blumenküsse,
Allein in ihrer Art.

Die Mädchen und die Burschen
Ziehn jodelnd ihre Bahn.
Sie bleiben stehn und staunen
Das Frühlingswunder an.
"Hei, Rosen, süße Rosen!
Gib mir, ich geb' dir auch!"
Und jubelnd wird umrungen
Der Heckenrosenstrauch.

Laßt sie nur ritzen, bluten,
Die hast'gen Fingerlein!
Bald prangt auf Hut und Busen
Das Dornenblümchen fein.
Dann ziehn mit neuem Jauchzen
Sie weiter wie die Wolk',
Die Mädchen und die Burschen,
Das heitre Frühlingsvolk.
(S. 12)
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Vorfrühling

Da draußen rauscht der Regen,
Der Wind braust überm Land;
Doch leise webt den Segen
Des neuen Lenzes Hand.

Sie lockt aus Strauch und Bäumen
Der Knospen grünen Schein,
Sie schmückt mit lichten Säumen
Der Wälder düstre Reih'n.

Sie webt schon an dem Kleide
Der stillen Erdenbraut,
Die bald zu aller Freude
Dem Frühling wird getraut.

Mag jetzt der Sturm nur tosen,
Er knickt die Hoffnung nicht.
Bald winken uns die Rosen
Und blüh'n Vergißmeinnicht.
(S. 43)
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Lied vom Blümlein

Ein Blümlein war im Welken
Und wollt' nicht sterben noch;
Da rief's zum Himmelvater:
"Ach hilf, ach hilf mir doch!"

Das Blümlein durft' nicht sterben,
Denn Gott gedachte sein.
Er gab ihm frischen Regen
Und milden Sonnenschein.

Da hob es freudig wieder
Sein Köpfchen aus dem Grün
Und sprach: "Wie wär' es traurig,
So jung schon zu verblüh'n."

Zur Nachtzeit kam von Norden
Ein ungestümer Wind,
Der brach mit kaltem Hohne
Das zarte Frühlingskind.

"Was ließ mich Gott nicht welken?"
Klagt's nun dem Morgenrot.
"Sanft wär' ich eingeschlummert; -
Nun leid' ich härt'ren Tod."
(S. 45)
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Wilde Balsaminen

Wilde Balsaminen blühen
Tief im Wald an kühlem Ort;
Wenn, berührt, die Früchte sprühen,
Haucht der West den Samen fort.

Herz, du gleichst den Balsaminen:
Erst wenn Leid dich rauh berührt,
Regen Lieder tief sich drinnen,
Die, befreit, der Wind entführt.
(S. 52)
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Die Herbstzeitlose

Einst brachte unser'n Planeten
Die Eiszeit in große Not,
Es ging alles Leben flöten,
Jahrtausende lang blieb's tot.

Dann sandte der Herr den Frühling
Erbarmungsvoll hinab,
Er sollte das Leben wecken
Aus tausendjährigem Grab.

Der schlug mit Himmelskräften
Die Gletscher auf das Haupt
Und machte grün die Gebirge
Und alles neu belaubt.

Er schlug mit dem Stab die Erde
Und hieß die Blumen erstehn,
Die vor der Eiszeit waren,
Dieweilen er zählte zehn.

Da kamen sie aufgeschossen
Viel Hunderte an der Zahl
Und wuchsen zu Millionen
In Au und Wald und Tal.

Und nochmals schlug er die Erde
Und mahnend war sein Ruf:
"Es fehlt noch eine von allen,
Die Gott, der Herr, erschuf!"

Da kam ein verdrießlich Murren
Aus tiefem Wiesengrund
Und dann ein spöttisches Lachen
Von elfenzartem Mund:

"Ich folge dir nicht, Herr Frühling,
Zu lange harrt' ich auf dich,
Die ganze schreckliche Eiszeit.
Jetzt warte du auf mich!"

Wohl schwang der Frühling sich klagend
Zu Gottes Thron empor,
Wohl schalt auch dieser die Blume,
Doch bleib sie taub wie zuvor.

Sie schloß in die dunkle Kammer
Der Erde sich trotzig ein,
Obwohl ihr Herzchen verlangte
Nach Licht und Sonnenschein.

Doch endlich nach vielen Monden, -
Sie hielt es nicht länger aus, -
Streckte sie neubegierig
Ihr kleines Köpfchen heraus.

"Was wohl der Frühling machet,
Und ob er noch schaut nach mir?- "
Da war er über die Berge
Mit aller Blumenzier.

Die Welt war kalt und neblig,
Es wehte ein rauher Wind,
Der sang gar traurige Lieder
Dem frierenden Elfenkind.

Von Frühlings zärtlicher Liebe,
Von Frühlings Sehnsucht und Leid,
Und von der Liebe Ende
Und der Blume Verächtlichkeit.

Er sang von dem zornigen Schwure,
Den jener Hehre getan:
"Nie mehr will ich sie sehen!
Sie blühe im Herbst fortan."

Da weinte sie bittre Tränen,
Ach Tränen ohne Trost,
Eisperlen auf die Wiese
Und starb in Schnee und Frost.

Wer kennt nicht die zarte Jungfer
Im Lilatrauergewand,
Die seitdem frierend blühet
Auf herbstlich verödetem Land! -
(S. 56-57)
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Ade, Ade

Mit der Nachtigall Sang mischt sich der Stimme Ton
Zum Abschied meines Glückes, das schnell mir entflohn.
Es ringt sich der Hall durch den Wald dahin zum See;
Es klingt mit leisem Beben: "Mein Glück, ade!"

Im Gezweige da rauscht die Abendluft so mild,
Und über hohen Wipfeln erscheint des Mondes Bild.
Er wirft einen Strahl in die Wellen in dem See,
Die murmeln langsam ziehend: "Ade, ade."

Es traf des Jägers Blei ein Rehlein bis zum Tod,
Und in die dunklen Büsche entfloh's in seiner Not.
Dort stürzt es zitternd hin, sein Auge bricht vor Weh,
Es spricht in stummer Sprache: "Ade, ade."

Die Nachtigall schweigt, ins Herz zieht Ruhe ein.
Es hat sich ausgeweinet, bekämpft der Sehnsucht Pein.
Im leisen Nachthauch bebt ein Seufzer noch zum See. -
Es tönt wie Geisterflüstern: "Ade, ade."
(S. 59)
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Mir hat geträumt

Fern sah ich, was ich lang ersehnte,
Sah einen Wald mit Rot besäumt,
Der nach der dunklen Au sich dehnte,
Dabei ein Bild, - mir hat geträumt.
Ich sah ein Bild, - mir hat geträumt.

Gott gab an Freuden wie an Schmerzen
Dem einen viel, dem andern mehr.
Gott schuf wohl groß und kleine Herzen,
Und eins, wie keines sonst so schwer;
Das meine, wie sonst keines mehr.

Ein zweites, heißes, wie das meine,
Vergebens such ich's fern und nah;
Doch ob die Welt auch leer mir scheine,
Im Traume hört' ich: Es ist da.
Es träumte mir, daß ich es sah.

Fern sah ich, was ich lang ersehnte,
Sah einen Wald, mit Rot besäumt,
Der nach der dunklen Au sich dehnte,
Dabei ein Bild, - mir hat geträumt.
Ich sah ein Bild, - mir hat geträumt.
(S. 89)
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Ein bisserl

Ein bisserl hätt's mich schon gefreut,
Hätt's du mich angeblickt,
Ein bisserl hat's dich auch gereut,
Daß du mich fortgeschickt.

Du weintest dort, ich weinte da,
War jedes tiefbetrübt.
Ein bisserl haben wir uns ja
Im stillen doch geliebt.
(S. 92)
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Liebessehnsucht
(Nach einem Volkslied)

I hab' oft a ganze Nacht
Vor meiner Hütten g'wacht,
I hab' oft überg'schaut,
Weit über'n Roa,
Hab' alle Sternlein 'zählt,
Es hat mir kein's gefehlt,
Als deine Äugelein
Ja ganz alloa.

D'Sunn hat sich vüra 'duckt,
Hat auf mei Hütterl 'guckt,
Sie hat koa Dirndl g'seg'n
An meiner Seit'.
Sie hat sich abgewend't,
Mir hat's im Herz'n brennt.
Es gibt koan Tag für mi
Und keine Freud'.

Sie is so schön, so gut,
Obwohl s' mi hassen tut.
O wär' i oamal nur
Der Liebsten gleich.
Gott, spar' den Himmel ihr,
Wenn sie einst kimmt zu dir;
Laß sie ein Englein sein
In deinem Reich.
(S. 93)
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Der Madlhüttler

I.
Der Summa hat kaum einag'schaut
In unsern stillen Wald,
Aft hat schon über d'Haberhälm'
Der Wind herg'waht so kalt.

Die Wälder waren gelb und rot,
Und über Berg und Au
Hat sich a schwerer Nebel g'legt,
Wie Tücher um a Trauh.

O Schatzlein, fürchtest du den Herbst,
Den kalhlen Herbst bei mir,
Aft such' dir einen Summa nur,
Ich gönne gern' ihn dir.

Wohl brennt der Summa tief noch drin,
Wo 's Herz so heftig schlagt.
Das is die Liab, i schweig davon,
Hab's noch koan Mensch'n g'sagt.

Der Freithof is gar groß und leer,
Das woaßt du gut, mein Schatz.
Mei Leib kimmt in a Grüaberl nei, -
Hat auch die Lieb' drinn Platz? -


II.
Abschied
Im Hollerbusch ein Vöglein sang
So wundersüß und rein.
Ich horchte stille, horcht' ihm lang,
Da flog es querfeldein.

Mit andern zog es übers Meer
Dem Sommerlande zu.
Ich dachte mir: Was willst du mehr?
So scheide nun auch du.

Von Lieb und Glück hab' ich geträumt,
Es war ein schöner Traum.
Er währte, bis mit Gold umsäumt
Und rot ward Strauch und Baum.

Ade nun Leben, Liebe, Glück!
Ade, ich geh zur Ruh.
Schon fliegt die Seele, strebt der Blick
Dem Sommerlande zu.
(S. 94-95)
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Verlassen

Wann wer auf Gottes weiter Welt
Verlassen is, bin i',
I' hab koa Hoamat, hab koa Geld,
Mei' Jugad is bald hi'.
Und sollt i' in der Fremd verderb'n,
So laß mi', Herr, bald sterb'n.
Nur möcht' i' no' amal so gern
Dös kloane Liadl singa hör'n,
Es geht zum Herz'n, klingt so trüab, -
Von der Liab, ja von der Liab.

I' denk an wen, der hat mir oft
Die Händ so herzli' druckt
Und wan i' gar verzagt war schon
So treu in d'Aug'n mir 'guckt.
Du junge, schöne Mensch'nblüah,
Mir zwoa, mir kriag'n uns nia.
Doch möcht' i nur oa'mal no' gern
Dös kloane Liadl singa hör'n,
Es geht zum Herz'n, klingt so trüab, -
Von der Liab, von der Laib.
(S. 98)
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Peter

I.
Wenn Peter weint, der junge Friaulaner,
Dann weint der Himmel, weint die ganze Erde.
Die Blumen weinen, senken tief die Köpfchen
Und schluchzen leis: Ach, Peter, Peter weint!

Warum denn weint der frische, schöne Bursche?
Es scheint geformt sein Mund doch nur zum Lachen,
Und sonnig sind die tiefen Augen,
Die Wangen rot, das Herz noch unberührt!

"Ich kenne eine kleine Anemone",
Sprach jüngst die Rose, die wohl eifersüchtig:
"Die hat den Peter just am hellen Tage
Mit ihrem Duft ganz toll und voll gemacht.

Seitdem steh'n Tränen stets in seinen Augen,
Die er sich vor dem Spiegel schmachtend fortwischt
Ach, Peter, unser Peter ist verliebt."


II.
Jung und wie ein Knösplein unversehrt,
Trat ich einst in diese eure Schenke,
Lieben, heiß zu lieben, habt ihr mich gelehrt,
Schreien möcht ich, wenn daran ich denke.
Denn was ihr erweckt, mögt ihr nicht stillen,
Und was ihr versprochen, nicht erfüllen,
Was heut Ernst euch war, sind morgen Schwänke.

Schaut mein Antlitz, einst so frisch, nun bleich!
Arm und elend bin ich und verlassen,
Nur durch euch, Madonne, nur durch euch!
Traurig schleich ich durch die dunklen Gassen.
Weiß nicht, wo ich nun das Haupt hinlege,
Sterben möcht' ich, sterben da am Wege
Und bis in den Tod euch bitter hassen.

Doch ich kann's nicht, brennend steigt mir auf
Nur der eine Wunsch, bei euch zu weilen;
Immer wieder geht zu euch mein Lauf,
Bis eu'r Wort mich zwingt, hinwegzueilen.
Lockt zum Tor mich nachts des Stroms Gebrause,
Hört der Morgen mich vor eurem Hause
Bitten stammeln, meinen Schmerz zu heilen.
(S. 99-100)
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Hans

Hans, was sagte die Mutter zu dir,
Als sie dich so besoffen sah?
Hans, was sagte die Mutter da?
Hans, wie kamst du ihr für? -

Sagte die Mutter: "du volles Schwein,
Warst wohl wieder bei Emerenz,
Die dein Verderben, o Gott, ich kenn's,
Und dein Ende wird sein!"
(S. 101)
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Lajos

Unter meinen Gästen alle haben heute
Ungarburschen mir gefallen, stramme Leute!
Ungarsonne in den Adern und im Blick
Und zum Scherzen wie zum Hadern eig'nen Chic.

Einer drunter, hier im Städtchen viel umworben,
Hat mein braunes Küchenmädchen ganz verdorben.
Lajos sagte, daß er weine oft um sie,
Doch die argverzogne Kleine glaubt' es nie.

Schilt er: "Kenn' ich braunes Kätzchen, süß und schmeichelnd,
Spielt mit ihrem weißen Lätzchen, Unschuld heuchelnd!
Bleib' ich aber, hab's geschworen, nicht mehr hier,
Bin kein Schatz mit langen Ohren, sag ich ihr!"
(S. 102)
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Beppo

Mit Grübchenwangen und schlauen Blicken
Weiß Beppo alle Mädchen zu berücken;
Er sitzt und sinnt und hängt den dunklen Kopf,
Der junge, schöne Friaulanertropf!
Ein heimlich Lachen scheint ihn stets zu schütteln,
Ein lieblich Fühlen stets ihn zu durchrütteln; -
Läg' auf der Straße tot er, glaub ich doch,
Er lachte sein vergnügtes Lachen noch.
(S. 103)
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Sehnsucht

Der Abend kommt, der Wind durchstreift
Das düstre Waldrevier.
Ich schau ins Tal, so herbstlich still,
Und sehne mich nach dir.

Der Nebel wallt so grau und schwer,
Er drückt die Höhen schier.
Die Sonne rötet scheidend ihn, -
Ich sehne mich nach dir!

Wann war's, als du zu gleicher Stund
Wie Glück begegnet mir,
Und wann, als uns das Schicksal schied? -
Ich sehne mich nach dir. -

O hätt ich niemals dich gesehn,
Wie stünd ich froh dann hier!
So blieb vom kurzen Glückstraum mir
Die Sehnsucht nur nach dir.
(S. 104)
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Gute Nacht

Gute Nacht, gute Nacht, die Glocke klingt, -
Schlaf wohl und träume schön.
Im Gebüsch am Hang die Grille singt
Und die Burschen auf den Höhn.

Gute Nacht, - wenn du träumst, so sei's von mir,
Mein Herz, doch Liebes nur!
Gute Nacht, im Traum begegn' ich dir,
Leicht find ich deine Spur.

Gute Nacht, gute Nacht, auf Wiedersehn!
Im Traume suche mich.
O möchte dir Wacht ein Engel stehn!
Mein Herz, Gott segne dich!
(S. 105)
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Scheiden im Herbst

Der Sommer schied, die Au ward kahl
Und alles Schönen bar.
Nun reichst auch du mit einem Mal
Die Hand mir scheidend dar.

Hab' oft zum Troste mir gedacht:
Erstirbt die grüne Welt,
Ist's trotzdem immer noch nicht Nacht,
Solange er nicht fehlt.

Jetzt dunkelt es und zagend schau
Ich vorwärts und zurück:
Kein Blümlein mehr, kein Himmelblau,
Kein Hoffen und kein Glück.

Das harte Muß gönnt keine Frist,
Ich wünsche es nicht mehr.
Gott hilf mir, ach, im Herbste ist
Das Scheiden doppelt schwer.
(S. 106)
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Herbst

Es hat mir ein kühles Lüftchen
Kund vom Herbst gebracht,
Daß der träum'rische, nebelfeuchte
Kommen wird in der Nacht.

Es hat mir ein keckes Mädchen
Kichernd die Mär erzählt,
Daß mein treuloser ferner Bursche
Jüngst sich ein Lieb erwählt.

Der Herbst, der ist nun gekommen,
Nebel umziehn die Höh'n,
Der Wind will die letzten Blätter
Schnöde vom Baume weh'n.

Und von dem andern, dem falschen,
Stille - still will ich sein. -
Ich steh auf dem Feld im Regen,
Kalt bis ins Herz hinein.
(S. 107)
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Lied

Herbstwinde weh'n und Abendwolken zieh'n
Rotleuchtend über schwarzen Wäldern hin.
Schön war der Tag, doch Ruhe bringt die Nacht.
Nun sage Herz, was dich so traurig macht?
Ist es der Sommer, der dahingeschwunden
Mit seiner reichen, überlauten Lust? -
Sind es der Jugend vollgenoss'ne Stunden?
Was ist, was ist es, daß du weinen Mußt? -

Mein Blick trank nie der Sonne vollen Glanz,
Und meine Freude, niemals war sie ganz.
Die Liebe kam, die Liebe ging, ein Traum,
Im tiefsten Innern mich berührend kaum.
Jetzt aber steh ich zitternd und beklommen:
Ich seh vor mir ein übermenschlich Glück.
Bald hätt' ich's, ach, mit Jauchzen hingenommen,
Da hielt das Schicksal meine Hand zurück. -

Die Abendwolken geh'n im stillen Zug,
Ein Sonnenkuß war ihnen Glück genug.
Die Dämmerung durchleuchtet sie verklärt, -
Wär' wohl auch ich den Sonnenkuß noch wert? -
Zu spät, - das Glück, das selig aufgegangen,
Vergeben ist's und nimmer wird es mein;
Es darf mir nur als Stern am Himmel prangen,
Stets hoch und fern, und einsam muß ich sein.
(S. 108)
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Reue

Im Wald weht der Wind,
Doch nicht leis und nicht lind,
Und tief drunten im Tal
Ist's so öde und kahl.
Weiß nicht, wie ich geh',
Daß den Lenz ich noch seh';
Aber fort ist er schon
Und die Freuden entfloh'n.

Mein Schatz mich verließ,
Weil ich schnöd' ihn verstieß,
Und jetzt such' ich und schau
Auf dem Berg in der Au.
Bei Tag und bei Nacht
Hab' ich seiner gedacht;
Aber alles nicht frommt
Weil er nimmermehr kommt.

Vielleicht übers Jahr, -
Spricht die Mutter nur wahr,
Die sich sorget und kränkt, -
Daß er meiner gedenkt.
Und kommt er zurück
Mit verzeihendem Blick,
So fahr' hin dann, du Leid!
Bin die seligste Maid.
(S. 109)
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Verlorene Jugend

Einst liebte ich Blumen und Vogelgesang,
Der Wasser Gebrause, der Weidglockenklang,
Die Zeiten des Jahres, ob warm oder kalt,
Die Menschen nicht minder, ob jung oder alt.

Die Welt schien mir golden, ein Lustparadies,
Das Leben so leidlos, so wonnig, so süß,
Nicht schrecklich sein Ende, ein Aufgeh'n so sanft,
Denn säumten nicht Rosen am Grabe, den Ranft?

Das war meine Jugend, - und jetzt bin ich alt.
Es braucht ja zu dem nicht der Jahre Gewalt:
Erfahrung, Enttäuschung, ein grübelnder Sinn,
Ein klein wenig Schuld, und die Jugend ist hin.

Was böte Ersatz noch, was bringt sie zurück?
Wohl sagen mir manche, die Liebe sei Glück.
O schwiegen sie doch von der Liebe, dem Leid!
Sie war's ja, die mich von der Jugend befreit.
(S. 110)
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Erinnerungsbild der ersten Liebe

Eine Wiese, rings von Hügeln,
Waldgekrönten, ernst umgrenzt
Und ein Bach, den Felsen zügeln,
Daß er weitgebreitet glänzt,

Blumen, Blumen, wo man schauet
Weit, so weit das Auge dringt
Und Vergißmeinnicht, betauet,
Himmelblau und goldgeringt;

Dann ein Bild, Johannen ähnlich,
Der zum Heiland traut sich neigt,
Ach, das alles, süß und sehnlich
Ersten Liebestraum mir zeigt.

War mein Aug noch ungebadet
Von des Wissens strenger Hand?
Durft ich schauen, gottbegnadet,
Damals in des Ew'gen Land?

Ach, der Vorhang sank hernieder,
Wiese, Blume, Bild entwich;
Manchmal noch durch trübe Lieder
Sich Erinn'rung schimmernd schlich.
(S. 111)
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S. L.

Du sprachst zur Treue: Scheiden wir.
Zur Liebe: Geh mit Gott.
Sie zogen beide weit von dir
Vor Scham und Unmut rot.
Des Schicksals Hammer nahmst du dann,
Schwangst keck ihn überm Haupt.
Er flog mit Sausen dir voran,
Wo du dein Ziel geglaubt.

Du standest auf des Lebens Höh'n,
Wo jäh im Blitzesschein
Du sahst dich überm Abgrund steh'n
Verlassen und allein.
Die Wetter brausten um dich her,
Und fern ein Klagen klang -
Von Lieb und Treu tönt's übers Meer,
Ein schluchzender Gesang.
(S. 112)
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Die gereifte Eva

Im weiten Gebiet der Liebe
Blüht auch ein Wunderbaum,
Darunter die Eva träumet
Den wonnigsten Lebenstraum.

Dem Gatten, den Kindern ferne,
Nicht jung, doch schöner denn je,
Hat sie einen Knaben gerne,
Entsandt ihr aus Himmelshöh'.

Die köstlichste Unschuldsblüte,
Das süßeste Maienlicht, -
Sie beuget sich zu ihm nieder
Und zieht ihn ans Herz und spricht:

"Was war mir die erste Liebe!
Was war mir der reife Mann!
Was sind mir tausend Männer,
Mit Tigerfellen umtan! -

Dich liebe ich, holde Knospe,
So zitternd und so zart,
Für dich sterb' ich tausend Tode,
Du bist mir die rechte Art."

Und Eva selig vergessend
Den ersten Sündenfall,
Sie sündigt nach Gottes Ratschluß
Zum zweiten- und schönstenmal.
(S. 113)
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E.

Nichts ekelhafter doch, als ein verliebter Mann,
Bei dessen Werben man nichts fühlen kann,
Als höchstens Mitleid, dem sich Hohn gesellt!
Ein Hündchen dünkt er mir, das wedelnd bellt.

Tagtäglich sitzt ein ungewaschner Bube
Mit seinem süßen Lächeln in der Stube;
Er kokettiert, er prahlt, der dumme Wicht,
Und schmachtet nimmermüd mir ins Gesicht.

Ich weiß, nähm' ich den ersten besten Stock
Und schlüg' ihn, würd' er tanzen wie ein Bock
Und meckern neuerdings von seiner Glut.
Herrgott, die Wut - ich habe eine Wut!
(S. 114)
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An S. S.

Geh hier hin und geh dorthin,
Du gehst dich ewig irr',
Dir ist ein Weg gezeichnet,
Und der führt dich zu mir.

Du hast zwei graue Augen,
Grau hab ich stets geliebt,
Weil's für die Schillerfarbe
So leicht nicht Deutung gibt.

Grau deckt das Schönst' und Beste
Und Schlechteste der Welt,
Mir haben Wunderdinge
Grauaugen schon erzählt.

Dich glaub ich fast zu kennen,
Halb Geist, Freund, und halb Tier.
Streck' nur die Tigersehnen,
Zuletzt kommst du zu mir!
(S. 115)
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Die heimliche Braut

Durchs Dörflein wallte ein Leichenzug,
Den Kranz am Kreuze ein Jüngling trug,
Ein Jüngling schritt hinterm Sarg einher,
Drum frage nicht nach dem Toten mehr.

Die alten Eltern, die weinten laut,
Manch' Auge noch glänzte schmerzbetaut,
Und nah' dem Wege im grünen Hag
Auf kühlem Grase ein Mägdlein lag.

Es war gekleidet so fröhlich licht,
Doch bleich wie Schnee war sein Angesicht
Und kalt wie Eis die gekrampfte Hand, -
Ein welkend Röslein im Blumenland.

Und als die Leiche vorüberzog,
Die Maid in schützende Büsche flog.
Nicht klang der Betenden Ruf so hohl
Wie ihr verhalt'nes: "Lebwohl, lebwohl!"

Was kann der Schmerz der Verlass'nen sein, -
Sie dürfen weinen im Tagesschein;
Doch der das Herze zerbrach um ihn,
Muß mit dem Jammer ins Dunkel fliehn.
(S. 116)
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Der traurige Bursche

Wie scheint der Mond so hell auf Gottes Garten!
Die Burschen rufen schon, ich laß sie warten.
Bin gern alleine
Am grünen Raine,
Wenn kühl der Nachtwind weht,
Der Mond am Himmel steht.
Bin gern alleine, am grünen Raine,
Wenn kühl der Nachtwind weht,
Der Mond am Himmel steht.

Ich trag' ein Herzeleid seit langen Jahren,
Doch hat es keiner noch von mir erfahren.
Ich trag's alleine,
Und wenn ich weine,
Dann sieht's mir niemand an,
Weil ich's verbergen kann.
Ich trag's alleine, und wenn ich weine,
Dann sieht's mir niemand an,
Weil ich's verbergen kann.

Die Burschen lieben mich, noch mehr mein Singen,
Weil meine Lieder all so schmerzlich klingen.
Ja weil alleine
Nur an die eine
Mit Leid und Traurigkeit
Ich denke allezeit.
Ja weil alleine nur an die eine
Mit Leid und Traurigkeit
Ich denke allezeit.

O Herr im Himmel, laß sie glücklich werden!
Mich aber nimm hinweg von dieser Erden.
Lieb' ja sonst keine,
Als sie alleine,
Die mir zu ew'gem Gram,
Ach Gott, ein andrer nahm.
Lieb ja sonst keine, als sie alleine,
Die mir zu ew'gem Gram,
Ach Gott, ein andrer nahm.
(S. 117)
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Papierne Rosen

Sie:
Im Winter blüht kein Blümelein;
Doch Liebe darf ja listig sein.
Die Rosen aus Papier,
Gefertiget von meiner Hand,
Umflochten mit des Scherzes Band,
Schenk' ich, mein Bursche dir.

Erlogner Sommer auf dem Hut
Tauscht, kleidet wie ein echter gut
Und bringt dir Neider ein.
Hältst du den Strauß den Nasen fern,
So trüge mancher wohl ihn gern
Vor seinem Mädchen fein.

Er:
Papierne Rosen gibst du mir,
Dem Hut zur lichten Sonntagszier,
Ich danke dir, mein Herz.
Kunstfertig nenn' ich deine Hand,
Doch klüger noch ist dein Verstand
Und listiger dein Scherz.

Papierne Rosen duften nie;
Erlogne Lieb', wen freuet sie?
Nur wen sie täuschen kann.
Papier verblaßt, mein Lieben auch.
Sich narren lassen ist nicht Brauch
Bei einem rechten Mann.
(S. 118)
_____


Eine Begegnung

Ich hab' einen Burschen geseh'n,
Der mich an frühere Tage gemahnte,
Als ich der Erde Weh'n
Und Leiden all noch nicht kannte.
Ihm glänzten die Augen so blank,
Wie jene, die ich einst liebte,
Er war mit der Rede so frank,
Gleich dem, der einst mich so sehr betrübte. -
Ob's ihm mit mir wohl ebenso ging? -
Er sah mich flammend, fast feindlich an
Und wandte mir dann den Rücken,
Als hätt' ich ihm was zu Leid getan.
Gleich drauf mit zärtlichen Blicken
Kehrte er nochmals zurück zu mir
Und gab mir die kleine Nelke hier
Und lächelte leise und grüße schön:
"Mir ist, als hätt ich schon einmal -
Schon einmal dich geseh'n."
(S. 121)
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Mitteilung

Was ich liebte, bekam ich nicht,
Was ich kriegte, das nahm ich nicht,
So werd' ich, Freundchen, verdamm mich nicht,
Ne alte Jungfer und scham mich nicht.
(S. 123)
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Zu Sais

Zu Sais war auch ich und lüftete
Den Schleier von der Wahrheit Bild und stand
Versteint viel lange, harte, dumpfe Jahre; -
Noch immer steh ich halb und halb erstarrt.
Ist das das Leben? - Wird es stets so sein? -
O fürchterliches Wissen, tötendes,
Das keinem milden Herzen Hoffnung gibt!
Du ewiges, du schreckliches Gesicht!
Sei du's! Ich werde fürder auf mich raffen,
Trotz bieten dir, so lang ich leb und atme.
Und Liebe geben, bis dahin ich sinke
Und Liebe atmen, bis zum letzten Tag.
(S. 138)
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Gedichte aus: Emerenz Meier Gesammelte Werke: Zweiter Band: Gedichte - Briefe - Vermischtes, herausgegeben von Hans Göttler Grafenau: Morsak 1991


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Emerenz_Meier

siehe auch: http://regiowiki.pnp.de/index.php/Emerenz_Meier


 

 

 


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