Johann Burkhard Mencke (1674-1732) - Liebesgedichte

 


Johann Burkhard Mencke
(Ps. Philander von der Linde)
(1674-1732)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 





Cupido unterredet sich mit der
Jungfer Braut über die Wahl eines Liebsten
bey der G. und L. Hochzeit in Bremen

Cupido
Ist Dir der Ehe-Stand, mein Kind, so sehr zuwider?
Verlachest du so gar die Regung der Natur?
Verlaß den Eigensinn, leg allen Hochmuth nieder,
Und suche nun mit mir der Liebe holde Spur.
Soll es ein Jüngling seyn? Verlangst du einen Alten?
Hast du die Kleinen gern? steht dir was Grosses an?
Du solst von meiner Hand, was du begehrst, erhalten,
Nur sage, was du wilt, so ist das Werck gethan.

Antwort
Mein Freund, ich möchte gern vor mich allein bleiben;
Ich weiß nicht, was ein Mann mir thun und helffen soll.
Ich kan mir selber schon die Zeit genug vertreiben,
Wenn ich alleine bin, so ist mir gar zu wol.
Doch hab ichs nicht verredt, die Possen zu probiren;
Das Wehlen kömmt mir nur noch etwas sauer an;
Und solt ich wiederum, was ich gewehlt, verlieren,
Zu Tode kränckt ich mich um meinen lieben Mann.

Cupido
Das letzte giebt sich schon; allein zu lange wehlen,
Das ist, du liebes Kind, für deines gleichen nicht:
Du must dich ohne Noth und vor der Zeit nicht qvälen,
Zumal die Liebe dir nur Heyl und Glück verspricht.
Doch halt, wir wollen hier noch etwas weiter gehen;
Soll dein geliebter Schatz vielleicht ein Kauffmann seyn?
Wo Geld ist, da ist Muth; Du wirst mich schon verstehen;
Das Frauenzimmer nimt gern starcke Posten ein.

Antwort
Ach nein, bey Leibe nicht. Die Handels-Leute reisen,
Inzwischen säß ich da, und hütete das Haus.
Nein, wer mich lieben will, der muß es auch erweisen:
Ich bleibe gern daheim, und gehe wenig aus.
Jedennoch könte mirs ohnmöglich wohlgefallen,
Wenn ich zu Hause stets verlassen müste stehn:
Wir würden uns gewiß gar schlecht zusammen stallen,
Das Lieben würde mir darüber gar vergehn.

Cupido
Je nun, so stehet dir der Sinn wol gar nach Hofe?
Ein Hoff-ein Kammer-Rath die wären dir schon recht.
Wie mancher Hoff-Galan liebt eine kale Zofe,
So bist du, wie mich dünckt, vor ihnen nicht zu schlecht.
Du hast Verstand genug, dich in die Welt zu schicken,
Du hast die Tugenden, die man an Höfen liebt;
Gewiß ich wette drauff, es würde dir gelücken,
Wofern ein Hoffmann dir Hand, Mund und Hertze giebt.

Antwort
Ein Hoffmann soll es seyn? warum nicht gar ein König?
So hätt ich nebenst ihm den Scepter mit gemein.
Ein Hoff- ein Kammer-Rath die sind mir viel zu wenig;
Es müste mir wol gar ein klein Fac totum seyn?
Nein, ich bedencke mich vor euer Hofe-Leben,
Wo bald die Sonne scheint, bald alles kracht und blitzt,
Wo man bald steigt, bald fällt; das ist mir gar nicht eben,
Ich lobe mir iemand, der fest im Sattel sitzt.

Cupido
Nun, nun, ich denke doch, ich will es noch errathen;
Ists hinten nicht ein Rath, so wird ers vornen stehn.
Hinweg mit Hoff und Staat; adjeu ihr Potentaten,
Ein Mädgen, wie du bist, macht sich nicht so gemein.
Ein Ratsherr wird vielleicht dich besser noch vergnügen,
So fehlt dirs in der Stadt an Ehrerbietung nicht.
Giebt sich ein Rathsherr an, so werd ich wol nicht lügen,
Wenn ich dir sagen darff, daß dich der Kitzel sticht.

Antwort
Nein, nein, ein Rathsherr mag das Rathhauß immer hüten,
Ein Rathsherr, glaub es mir, ist auch kein Werck vor mich.
Drum danck ich abermahl für dein geneigt Erbieten,
Dein mühsamer Beweiß hält dißmahl keinen Stich.
Ich weiß, wie manche Frau das grosse Maul läst hengen,
Wofern ihr Ehgemahl nicht auch Hoch-Weise heist.
Doch möcht ich mich nicht gern in solche Dinge mengen,
Wo man uns insgemein mit leeren Tituln speist.

Cupido
So wilst du denn dein Glück bey den Juristen machen?
Ist dieses, liebstes Kind, wol deiner Wünsche Ziel?
Ihr Töchter dieser Stadt, wie wist ihr nicht zu lachen,
Wenn euch ein Practicus die Zeit vertreiben will?
Der Bauer wird dir dann manch MandelEyer bringen,
Da werden Haar und Huhn zu deinen Diensten stehn,
Wenn nur dein Männchen brav die falschen Qvinten zwingen,
Und der Gerechtigkeit kan eine Nase drehn.

Antwort
Ach! schweig mir ja davon; nur keinen Rabulisten,
Der mit dem Bündel stets durch alle Gassen läufft.
Ich nehme keinen nicht, und wenn sie alles wüsten;
Weil ihre krumme Hand nach bösen Sachen greifft.
Es ist nur tausend mahl und zehn mahl drüber Schade,
Daß manche Jungfer noch vor sie zu Zote geht.
Sie machen durch die Kunst das krumme Holtz gerade:
Ich lobe mir ein Holtz, das fein gerade steht.

Cupido
Wolan, so wil ich dir noch einen Freyer bringen,
Dem giebst du keinen Korb, wo du kein Unmensch bist:
Es ist ein Medicus, der hie vor allen Dingen
Das Lob hat, daß er fromm, gelehrt und glücklich ist.
Liebst du gesunden Leib, so wirst du den wol lieben,
Der ihn befestigen und unterstützen kan,
Und also deine Wahl nicht weit hinaus verschieben;
Ja, ja ich seh es dir schon an den Augen an.

Antwort
Was du in Augen siehst, das fühl ich in dem Hertzen,
Hierinnen giebet sich ein lieber Freyer kund;
Der stillet meinen Trieb, der heilet meine Schmerzen,
Den drück ich an die Brust, den schließ ich an den Mund.
Derselbe giebet mir nur süsse Lebens-Säffte,
Nicht aber Aloe und Coloquinten ein;
So werd ich stets gesund und meine Leibes-Kräffte
Nach diesem Liebes-Tranck gedoppelt stärcker seyn.
(S. 42-45)
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Die Macht der Liebe
durch einen Unbekannten

I.

Du kanst nun, werther Freund, auch dein Vergnügen küssen,
Das sich nunmehro heist auf lauter Rosen stehn,
Und nichts als Wollust läßt um deine Lippen fließen,
Der Himmel stellt sich selbst zu deinen Diensten ein;
Du kanst den stillen Port der süssen Lust erreichen,
Da andre um das Haupt der leeren Hoffnung streichen.

II.
Es bleibet doch dabey: Wol dem der sich verliebet,
Und seiner Liebsten Schooß vor seinen Himmel hält,
Der seine Jugend nicht der Einsamkeit ergiebet,
Noch ihrer Rosen Pracht in dürres Erdreich stellt;
Wer sich ein solches Kind, das klug und artig wehlet,
Der glaube, daß er nichts als göldne Stunden zehlet.

III.
Man sieht, wie die Gestirn einander Lieb erweisen,
Der Weinstock klebet stets an seinem Ulmen-Baum,
Der Agt-Stein liebt die Spreu, und der Magnet das Eisen,
Die Sonnen-Blume sucht nur bey der Sonnen Raum;
Also muß auch ein Mensch nicht in sich selbst verwesen,
Vielmehr soll er die Frucht vergnügter Liebe lesen.

IV.
Zumahl wann die Vernunfft das Steuer-Ruder lencket,
Da fehlt das Hoffnungs-Schiff so Strich als Strasse nicht,
Es wird zu keiner Zeit auf Syrt und Sand gesendet,
Weil der Compaß sich stets nach seinem Nord-Pol richt,
Da können wir es denn mit vollem Segel treiben,
Und: la Fortune, noch an unsre Flagge schreiben.

V.
Nun, dieses ist der Tag, dem nie kein Demant gleichet,
Die Sonne strahlet vor, die Wolcken brechen sich,
Da sanffter Westen-Wind um deine Scheitel streichet,
Komm, Werthster - - komm, komm und ergötze dich;
Wie niedlich spielet doch das klare Frühlings-Wetter,
Es regnet heute nichts als lauter Rosen-Blätter.

VI.
Dich wird die Freundlichkeit aus Schönheits-Schalen träncken,
Und dieser Götter-Tranck weicht aller Liebligkeit,
Es wird die - - - dir Perlen-Säffte schencken,
Die Tafeln stehen schon mit Zucker zubereit,
Hier wirst du in den Schooß der Süßigkeit versencket,
Mit Himmels-Brodt gespeist, mit Honig-Safft geträncket.

VII.
Diß alles kannst du dir, mein werthster Freund, versprechen,
Die artge - - - zeigt dir ein Paradieß,
Da kanst du ungestöhrt die göldnen Aepfel brechen,
Die Aepfel, so vor dich die Anmuth wachsen ließ;
Da liegt die Liebligkeit mit ihren süssen Gaben,
Allwo die Seelen selbst Zusammenkünffte haben.

VIII.
Es zeigt dir zwar genung der holden Schönheit Stärcke
Ihr reitzendes Gesicht mit Munterkeit vermählt;
Jedoch, die süssesten und rechten Liebes-Wercke
Hat sie annoch vor dir diß künfftge Nacht verhehlt:
Da bettet dich die Lust auf lauter Sammt und Seide,
Und übergiebet dir den Brunnquell aller Freude.

IX.
Nun, Liebe, rüste dich, und schencke Himmels-Flüsse,
Die nur mit Perlen-Milch und Honig-Safft gefüllt.
Geh', mache selbige mit Liebes-Zucker süsse,
Daß die entbrandte Brust in süsser Lust sich kühlt.
Du hast nun, werthster Freund, dein inniges Verlangen;
Sie, muntre - - -, kan ihren Trost umfangen.

X.
Hier schweiget nun mein Mund, die schwache Feder gleitet,
Weil Hesperus befiehlt, daß es zum schlaffen Zeit,
Die Fruchtbarkeit hat selbst das Bette zubereitet,
Und es mit tausend Glück und Wünschen überstreut;
Nun geht, Verliebte, geht, legt euch zur Ruhe nieder,
Und zeigt als Mann und Weib euch morgen vor uns wieder.
(S. 115-117)
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Der vereinigte Streit der Gelehrsamkeit und Liebe
durch M. S. H. C.

Ihr, die ihr Lieb' und Lust als höchst verdammlich achtet,
Und ihre süsse Frucht als Sodoms Aepffel flieht,
Die ihr die reine Gluth als geile Brunst betrachtet;
Kommt, schaut wie die Natur auch selbst durch Liebe blüht.
Baut eurem Mammon gleich viel tausend Ehren-Pforten,
Setzt Bilder und Altar in seinen Tempel ein,
Betrachtet euer Geld und eure güldne Sorten;
So wird der Überfluß doch euer Unglück seyn.
Last eure gröste Lust in falscher Pracht bestehen,
Führt Häuser von Porphyr und weissen Marmor auf,
Last euren schlanken Fuß auf Gold und Jaspis gehen,
Doch setzet diese Schrifft statt eines Denckmahls drauf:
Die beste Pracht besteht allein in den Gedancken.
Ein andrer speise sich mit lauter Marcipan,
Er treibe die Vernunft durch Trinken aus den Schrancken,
Und schaffe tausend Lust zu seinem Wohlschmack an;
So wird die Liebe doch für euch den Preiß behalten,
Weil auch die Bäume selbst nicht ohne Liebe sind,
Kein Leoparde wird nicht eben so erkalten,
Der nicht Vergnügligkeit bey seines gleichen find,
Dieß waren ohngefehr die Worte, so ich hörte,
Als Venus einen Streit von ihrer Stärcke hielt.
Da nun ein jeder fast den mächtgen Scepter ehrte,
Der ihre starcke Macht in seiner Brust gefühlt,
Kam die Gelehrsamkeit, die Mutter kluger Sinnen,
Und widersetzte sich der starcken Venus Macht.
Sie sprach: Aus Wollust kan kein Tugend-Nectar rinnen,
Und wo man Gold erblickt, wird eitler Dunst verlacht.
Wer kan durch Liebe wol zu hohen Ehren steigen,
Und wer vergöttert sich durch Wollust auf der Welt?
Die sich für meinen Thron als Unterthanen neigen,
Die werden Sterblichen als Wunder vorgestellt.
Hierauf begabe sich die Venus aus den Zimmern,
Allwo ihr hoher Thron mit Gold und Purpur strahlt,
Verlachst du, war ihr Wort, mein Königliches Schimmern,
Das selbst der Sonnen-Licht mit seinen Strahlen mahlt.
Der starcke Hercules muß meinen Scepter küssen,
Und dem die gantze Welt zu seinen Füssen lag,
Hat, da er überwand, sich für mir beugen müssen.
Wenn dieses meine Hand durch ihre Macht vermag,
Wie solten nicht vielmehr auch deine Unterthanen
Zu meinen Diensten stehn? Wenn mein Geboth ausgeht,
Muß ein Gelehrter auch bey meinen Liebes-Fahnen
Gehörge Dienste thun. Und daß mein Satz besteht,
So geh in Pleiß-Athen, da wirst du einen finden,
Den Kunst, Gelehrsamkeit und Klugheit hoch gemacht,
Der will sich heute noch mit meinem Reich verbinden,
Drum sieh, wie deine Schaar auf meine Regung acht.
Als die Gelehrsamkeit dies alles angehöret,
Verschwande Groll und Haß, den sie zur Liebe trug,
Die Venus wurde nun vielmehr von ihr geehret,
Indem ein stiller Trieb die harten Sinnen schlug.
Sie sprachen beyderseits: Wir wollen friedlich leben,
Die Eintracht soll hinfort bey uns als Schwester seyn;
Vergnügung soll uns stets die beste Speise geben,
Die Zwietracht schliesse nur ein dunckler Kercker ein.
Drauf flosse dieser Wunsch aus ihrem holden Munde:
Geneuß, geliebtes Paar, die höchst erwünschte Lust,
Der Himmel qväle dich mit keiner Trauer-Stunde,
Ein immerwährend Wol erfreue deine Brust;
So lebe höchstvergnügt in tausendfachen Seegen,
GOtt hebe fernerweit dein blühend Glück empor,
Das Unglück woll' er stets zu deinen Füssen legen;
So bringst du mir der Zeit viel schöne Früchte vor.
(S. 117-119)
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Die verliebte Sehnsucht

1.
Wo lebst du itzt, du Preiß der Schönen?
Wo strahlt dein Wunder-volles Licht?
Dich sucht der Seuffzer heisses Sehnen,
Und find dich gleichwol nirgends nicht.
Hat dich der Himmel aufgenommen?
Es scheint, als wäre wol was dran.
Denn das muß dort zu Engeln kommen,
Was hier schon Engeln gleichen kan.

2.
Doch bist du annoch auf der Erden,
So weis ich wol, warums geschieht:
Du solt ein Bild und Spiegel werden,
In welchem man den Himmel sieht.
Man mag auf dein Gemüthe blicken,
Man schaue deine Glieder an,
So ists so schön in allen Stücken,
Als man den Himmel mahlen kan.

3.
Fast keine Stunde geht vorüber,
Die mir um dich nicht Kummer macht.
Jedoch mir fällts um so viel lieber,
Je öffter er bey mir erwacht.
Denn also stellt sich den Gedancken,
Dein Bildnis auch fein offte hin,
Dadurch ich in den Trauerschrancken
Mit süsser Lust gekrönet bin.

4.
Offt will ich gar die Lüffte fragen,
Ob keine nichts von dir gespürt?
Ich darf auch wol zu ihnen sagen:
Ach wenn sie euer Hauch berührt,
So bringet ihr doch tausend Grüsse,
Und zeiget mein Verlangen an,
Wie mißvergnügt ich leben müsse,
Da ich von ihr nichts wissen kan.

5.
Die Nacht nur scheints noch gut zu meinen,
Die stets ihr Traumspiel mit mir hält.
Da muß mir die Gestalt erscheinen,
Die deinem Schönseyn ähnlich fällt.
Da will mein Hertz in Lust zerfliessen,
Da küß ich nun, was ich begehrt.
Erwach ich denn, will michs verdrüßen,
Daß solcher Schertz nicht länger währt.

6.
Ach solte sich mein Wünschen fügen,
Dich nur noch einmahl recht zu sehn,
So müste mir ein solch Vergnügen,
Das gar unendlich ist, geschehn.
Das Paradies ist längst verschwunden;
Kein Auge weiß davon nichts mehr:
Doch glaubt ich, wenn ich dich gefunden,
Daß ich im Paradieße wär.

7.
Indessen muß mein Labsal heißen
Dein wunderschönes Conterfay.
Offt will ichs von dem Nagel reißen,
Daß es den Augen näher sey.
Ach! seuffz ich, wenn ichs so betrachte,
Dich setzt ich gern ins Hertz hinein,
Wenn mich mein Stand nicht strafbar machte,
Da ich ein blosser Knecht muß seyn!

8.
Wiewol du kanst mirs doch nicht wehren,
Ich weiß, du wehrest mirs auch nicht,
Daß ich dich muß in Demuth ehren,
Durch eine reine Liebes-Pflicht.
Kein Frevel soll mich nicht verführen.
Die Sonne bethet man auch an,
Ob man ihr Gold schon nicht berühren,
Noch ihre Gluth umarmen kan.

9.
Nun lebe, wie du leben sollest,
Unschätzbar-theures Himmels-Pfand,
Du lebest aber wo du wollest,
So sey dirs ein gelobtes Land.
Verdient die Tugend Gold und Crone,
Und du hast allen Tugend-Ruhm;
So seys, womit man dich belohne,
Der Purpur und ein Fürstenthum.
(S. 235-237)
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An einen unbeständigen Liebhaber

1.
So wird dann Lieb und Treu zurissen?
Verschmähtes Hertz, nun äussert sich die Pein,
Die du bißher noch fürchten müssen.
Ach ja, du solt verworffen seyn!
Ein Wanckelmuth bekümmert Geist und Sinnen.
Das werthe Ziel,
So noch dein Wunsch vermeinte zu gewinnen,
Verkehret sich nun in ein Gauckelspiel.

2.
Hat Hoffnung ihre Krafft verlohren?
Und weigert nun was sie zuvor gewährt?
Hat sich das Glücke gantz verschworen,
Und wieder mich, als Feind, erklärt?
Ach kan denn auch der Himmel unrecht dulden?
Und dieses seyn,
Daß unverdient und ohne mein Verschulden
Nur mir, ach mir! solch Ubel muß geschehn?

3.
Wie soll ich meinen Kummer zehlen?
Amyntas, ach! weßwegen wechselst du?
Du warst das höchste Guth der Seelen,
Dir schrieb ich mein Vergnügen zu.
Ich muste mehr in dir, als in mir, leben.
Doch dein Verdruß
Will mir davor nichts als Verachtung geben,
Und macht, daß ich in Thränen schwimmen muß.

4.
Kan doch kein Bach sobald verrauschen,
Als manches Hertz ein treues Hertz vergißt.
Es gilt ihm gleich, sich zu vertauschen,
Sobald es fremde Lippen küßt.
Ach möchte dis sich nur an mir nicht weisen.
Nun trifft mirs ein,
Was ich befahrt, es werde mir dein Reisen
Ein harter Riß in meiner Seelen seyn.

5.
Du kanst von keiner Falschheit klagen.
Mein Fehl ist der, ich scheine dir zu schlecht.
Doch dein Gewissen wird dir sagen:
Im Lieben gilt kein Wechsel-Recht.
Ich Arme will bey meiner Unschuld schweigen.
Die späte Reu
Wird dir vielleicht die wahren Proben zeigen,
Daß ich doch schön und reich an Tugend sey.

6.
Ich will mich in mir selbst besiegen,
Amyntas, ja, und gern zurücke stehn.
Das Glücke kröne dein Vergnügen,
Und lasse dich auf Rosen gehn.
Geneuß die Frucht von den beliebten Küssen,
Mach Hertzens-Lust,
Und was dein Wunsch sich will zum Troste wissen,
Das seegne dich, und labe deine Brust.

7.
Ja, ja, ich hege keine Flammen,
Die wider dich von Haß und Zorne glühn,
Ich mag die Sonne nicht verdammen.
Wohin sich deine Blicke ziehn.
Ich will und soll an keine Feindschaft dencken,
Die Großmuth macht,
Daß meinen Sinn kein Unrecht weis zu kräncken,
Die nun getrost bey seinem Leiden lacht.

(.
Nicht wahr? bey deiner neuen Liebe
Wird noch vor mich ein Restgen übrig seyn?
Wiewol, was sind getheilte Triebe?
Die Losung heist: Alleine mein!
Noch dennoch soll mich deine Gunst ergötzen,
Daß ich darbey
Mich zwar nicht darf vor deine Liebste schätzen,
Hingegen doch die liebste Freundin sey.

9.
So stellt mein Auge sich zufrieden,
Das sich bißher vor Wehmuth abgeweint,
Wir sind getrennt, doch ungeschieden.
So lebe wol, geliebter Freund.
Verändre nun nur dein verändert Hertze,
Nicht anderweit,
Und nehre dann die neue Liebes-Kertze,
Auf Unbestand auch mit Beständigkeit.

10.
Der Himmel wird mich auch versorgen,
Dem sich mein Hertz in reiner Liebe schenckt,
Mein Seuffzen ist ihm nicht verborgen,
Wer weiß, wie bald er an mich denckt.
Die Hoffnung bleibt zum sichern Unterpfande.
Getrost mein Geist,
Eh kömmt man nicht zu dem gelobten Lande,
Als biß man erst viel Wüsten durchgereist.
(S. 237-240)
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Eines unvergnügten Frauenzimmers

1.
Hat mich der Himmel gantz vergessen,
Und bleibt vor meinen Seuffzern taub?
Ich muß das Brodt der Thränen essen,
Und meine Hoffnung fällt in Staub.
Die Seele wird mir wund geschlagen.
Das krancke Hertze stirbet hin.
So macht die Größe meiner Plagen,
Daß ich mehr todt, als lebend, bin.

2.
Ihr stillen Wände, müst zwar schweigen,
Was ich in Einsamkeit gethan.
Doch ruff ich euch zu treuen Zeugen
Vor meinen steten Kummer an.
Ihr kennt die Unruh meiner Sorgen.
Ihr sehet meinen Uberdruß,
Ihr wißt, wie offt ich manchen Morgen,
Und wie viel Nächte, weinen muß.

3.
Soll ich gantz kein Vergnügen wissen?
Und andre finden ihre Ruh?
Sie will das falsche Glücke küssen;
Mir aber kehrts den Rücken zu.
Verflucht muß solch Verhängniß heissen,
Das mich so lange quälen läßt:
Und die Geduld muß endlich reissen,
Die man mit so viel Marter preßt.

4.
Ein Feld, das Gluth und Hitze dürret,
Kan doch vom Nacht-Thau fruchtbar seyn.
Ein Schiff, das auf den Wellen irret,
Läufft endlich noch in Hafen ein.
Mir nur ist Erd und Lufft zuwieder,
Daß weder Stern noch Glücke scheint.
So sincket Muth und Leben nieder,
Und bin mir letztlich selber feind.

5.
Was hilfft mich denn, was ich besitze?
Es macht nur mehr Verdrießlichkeit.
Was ist mir das und jenes nütze?
Es kränckt nur meine schöne Zeit.
Ach unvergnügt, und einsam leben,
Obs auch im Paradieße sey,
Kan ja so wenig Freude geben,
Als eine wilde Wüsteney.

6.
Jedoch was hilfft mich auch das Klagen?
Es macht die Noth gedoppelt groß.
Drum will ich weiter nichts mehr sagen.
Ihr Sorgen, reißt euch von mir loß.
Ich will auf mein Vergnügen blicken,
So lange noch die Hoffnung keimt.
Was sich zuletzt gewünscht muß schicken,
Daran ist endlich nichts versäumt.
(S. 240-242)
_____



Ein Frauenzimmer tröstet sich einer
fast unwillig eingegangenen Heyrath

1.
Laß endlich allen Schmertz in dir zu Grabe gehn,
Und den gekränckten Sinn voll Muth und Leben stehn;
Bedencke nur dis Wort, das selbst der Himmel spricht:
Was nicht zu ändern steht, da hilfft kein seuffzen nicht.

2.
Die Hoffnung führte mich nur in der Irre rum.
So kümmre dich, mein Hertz, nun weiter nicht mehr drum.
Zwar viel Vergnügen gab sie den Gedancken ein.
Doch mustens ohne Kern nur leere Schalen seyn.

3.
Ach ja, was hilfft dich nun so mancher Thränen-Guß?
Weswegen wurdest du dir selbst ein Uberdruß?
Was klagtest du das Glück, als deine Feindin, an?
Da dirs nunmehr das Thor der Freuden aufgethan.

4.
Wol dir, du hast es gut, und besser mit der Zeit.
Von Tag zu Tage blüht noch mehr Zufriedenheit.
Der Morgen stellet sich mit Thau und Westen ein,
Wie wird das Abendroth der Nacht erst fruchtbar seyn?

5.
Was ist der Unterscheid, der noch Gedancken macht.
Ein Staat, den nur der Wahn der Stoltzen aufgebracht.
Ein Knoten, welchen bald der Liebe Macht zerreißt.
Ein Kummer, der gar nichts bey treuen Hertzen heißt.

6.
Es scheint der Diamant nur Goldes werth zu seyn?
Doch gleichwol faßt man ihn in blasses Silber ein.
Denn in demselben spielt er noch einmahl so schön,
Und seine Kostbarkeit wird unverändert stehn.

7.
Ach andre nehmen gern, was dir der Himmel schenckt.
Drum küsse was du hast, und laß dich ungekränckt.
Vergnüge deine Brust, geneuß der schönen Zeit,
Die dir die Lagerstatt voll frische Rosen sträut.

8.
Die Liebe biethet dir nun alle Güther an,
Und alle Schätze hat die Anmuth aufgethan.
Das Glücke schreibet sich zu deinen Diensten ein,
Und die Beständigkeit will Schloß und Siegel seyn.

9.
Und so vergiß, mein Hertz, was dir zuwieder war.
Es biethet sich vor dich ein treues Hertze dar.
Da nun voll süsser Lust ein Hertz im andern liegt,
Und eine Seele wird; so sprich: Ich bin vergnügt!
(S. 242-244)
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Einem Frauenzimmer, welchem wegen Abwesenheit
ihres Liebsten alles grausam, grausam hieß

Grausame Abwesenheit!
Sollen mich in meiner Seelen
Deine Foltern länger quälen
Durch ein unerträglich Leid?

Durch das Sehnen in dem Hertzen,
Durch das Hoffen voller Schmertzen,
Stirbt mir meine schöne Zeit.
Grausame Abwesenheit!

Ach! ohne das Geliebte seyn,
Ist wie ein Tag, der ohne Sonnenschein,
Und eine Nacht,
Die ohne Stern und Licht
Sich desto ungeheuer macht.
Um mich ist alles schwartz und trübe.
Kein Mensch lebt ohne Hertze nicht,
Und kein Hertz lebet ohne Liebe:
Und doch muß ich so leben.
Mein Hertz ist nicht mehr mein.
Ich hab es weggegeben.
Nun muß ich ohne Gegenliebe,
Und ohne das Geliebte seyn.

Du, ach du verzweifelt Glücke,
Spielst verächtlich gnung mit mir.
Was mir war zum Troste kommen,
Hast du wieder weggenommen.

Ach, was mein hieß, ist nicht mein.
So, daß ichs zu größrer Pein,
Nur von ferne noch erblicke,
Als ein traurig Lustrevier.
Du, ach du verzweifelt Glücke,
Spielst verächtlich gnung mit mir.

Ach grausame Abwesenheit!
Zwar wenn auch mit der Zeit,
Mein auserwehltes Theil mir vor die Augen tritt,
So bringts vielleicht kein Hertz noch Liebe mir.

O Grausamkeit!
So hart will das Verhängniß handeln,
Daß sich die süssen Mandeln
In Aloe verwandeln.
Mein Nectar wird zu Wermuth-Wein.
Die Rosen müssen Nesseln seyn.
Mein Paradieß wird eine Wüsteney.
Ich seh den Baum voll Früchte hangen.
Und kan sie doch mit keiner Hand erlangen.
Beym Brunnen bin ich zwar, und durstig doch darbey,
Und an dem Tische hungrig blieben.
O Grausamkeit im Lieben!
Ich seuffze so ohn Unterlaß,
Und weiß offt nicht, warum und was?
Nur dieß weiß mein gekränckter Sinn,
Daß ich ein Ball des Unglücks bin.
Ach dieser Seelen-Qual gleicht keine Hertzen-Pein:
Verliebt, und nicht vergnüget seyn.

Grausam, muß ich immer sagen,
Grausam, heissen meine Plagen,
Grausam, was mir lieb und werth,
Grausam, was mein Hertz begehrt,
Grausam, Hoffnung, Lieb und Glücke.
Grausam was ich nur erblicke.
Nur nicht grausam ist der Todt.
Denn der endet alle Noth.

Kan aber, Himmel, dich mein Seuffzen noch erweichen,
So laß den Sturm der Grausamkeit verstreichen.
Doch sprichst du nein darzu?
So gönne mir im Grabe meine Ruh.
Denn da wird mir die Grausamkeit
Zur lieblichen Zufriedenheit.
Mein Leben war voll Unglücks Noth.
Dargegen glücklich ist der Tod.
Denn um was Liebes muß ich sterben.
Was schönes lässet mich verderben.
So muß mir solcher Tod allein
Recht lieb, und auch recht schöne seyn.
(S. 247-250)
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An ihre Augen

Ihr schönsten Augen ihr, euch würdig zu beschreiben,
Ist was unmögliches ich sage dieses nur;
Ihr zeigt uns deutlich an, wie zwar in der Natur
Die Blitzen furchtbar sind, und doch was schönes bleiben.
(S. 255)
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Auf die unempfindliche Galatea

Was man der Galatee aus ihren Augen list,
Zeigt, daß sie zwar wohl schön, doch unempfindlich ist,
Das macht, in ihnen steckt schon alle Glut beysammen,
So bleiben denn nunmehr dem Hertzen keine Flammen.
(S. 255-256)
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Aus dem Französischen des Mons. Chevreau

Ihr schönen Augen ihr, Tyrannen treuer Seelen,
Ihr sparet eure Gunst, und häufft das heisse quälen;
Vegönnet doch, daß mir vor alle Lieb und Treu
(Ach wenig gnung!) ein Blick statt der Vergeltung sey.
Besorgt ihr, mir vielleicht Vergnügung zu erregen,
So sucht dem Hertzen nur Verachtung einzuprägen,
Flöst Zorn in mein Gemüth, vertrocknet allen Safft,
Dadurch die Hoffnung sonst der Liebe Nahrung schafft.
Jedoch die Grausame, um die ich mich muß kräncken,
Verweigert mir die Cur und auch den Tod zu schencken,
Sie weiß kein Mittel nicht, das meinen Geist erhält,
Wie, daß sie mich denn nicht den Todten zugesellt?
(S. 256-257)
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Was er vor eine Liebste haben wolle?

Die unbeweglich ist, kan mir das Hertze rühren,
Die sich zu leicht ergiebt, wird stets von mir verlacht;
Wenn man von Liebe satt, so muß man Eckel spüren,
Der schmeckt, wie süß sie sey, dem sie es sauer macht.
(S. 257)
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Gedancken über die schwartzbraune Clælia

Ihr Zärtlichen, die ihr der braunen Schönheit Pracht
Mit einer weissen Haut und blonden Haar verwechselt,
Den Halß von Helffenbein, von Schnee die Hände macht,
Die Nase, Stirn und Kinn von weissen Marmor drechselt,
Ihr wisset nicht, was schön, noch was entzückend sey,
Ihr macht aus Milch und Blut ein schrecklich grosses Wesen,
Und warum habt ihr nicht ein frisch und zartes Ey
So wol als Flavien zu lieben auserlesen?
Doch, lobet was ihr wollt, ihr überschwatzt mich nicht,
Die braune Clælia den weissen nachzusetzen.
Wer wird bey Sonn und Tag ein blaß und dunckles Licht
Vor so durchdringend schön, als bey der Nachtzeit schätzen?
Spielt ihrer Augen Nacht mit Flamm und Blitz vermengt?
Sieht man die blonden nichts als todte Funcken bringen,
Die endlich ja noch wohl ein leichter Zunder fängt,
Die aber Stein und Stahl nicht mächtig sind zu zwingen?
Bey weissen ändert sich offt wol in einer Nacht
Die Farbe, die uns doch zum Lieben hat bewogen,
Woraus man Abends noch ein Wunderwerck gemacht,
Das ist des Morgens schon gantz bleichgelb überzogen.
Die Farbe Clæliens hat grösseren Bestand,
Ich sage, weil ich sie vollkommen schön erkennet,
Die Augen, das Gesicht, der Halß, die Brust, die Hand
Sind als wie ein Altar, wo ewig Feuer brennet.
(S. 260-261)
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Auf die schönen Augen der Phyllis

Seit ich deiner Augen Glantz, schönste Phyllis, liebgewonnen,
Die der Sonnen ähnlich scheinen, bild ich mir gewislich ein,
Daß der Sonnen Glantz und Strahlen dir entweder eigen seyn,
Oder du hast wenigstens Glantz und Strahlen von der Sonnen.
(S. 264)
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Uber ihre Hand

Mich rührte deine Hand, Dorinde, neulich an,
Und rührte mir zugleich mein unverliebtes Hertze.
Allein was hat sie wol, so dieses würcken kan?
Ist sie von weissem Wachs, aus welchem Amors Kertze?
Hat sie die süsse Krafft der Blumen in dem Mertze?
Hat sie den hellen Glantz, mitdem der Venus Schwan,
Und das beliebte Thier ihr Täubgen angethan?
Ist sie der Venus Hand, gewehnt zu Lieb und Schertze?
Ja; oder wenigstens von einer gleichen Art.
Sie kan mein stählern Hertz als Wachs zerschmoltzen weisen,
So zwang der Cypris Hand den Mars in Stahl und Eisen.
Jedoch ich zweifle noch, weil jetzt mein Sinn befahrt,
Sie wird nicht, wie die Hand der Venus ihren Helden,
Mir einen Platz bey ihr zu meiner Lust vermehren.
(S. 269)
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An die Amaryllis, die eine Schnur schwartze
Creutze auf der Brust hengen hatte
C. Achillini Rime p. 210

Die Amaryllis lest auf ihrer weissen Brust
Die schwartzen Creutze sehn.
O höchst betrübter Blick!
So ist es um mein Lieben
Und um mich selbst zugleich geschehn.
Ich sehe hier mein eigen Ungelück
Auf einer Marmor-Tafel
Mit Trauer-Zeichen angeschrieben.
(S. 269-270)
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Aus: Philanders von der Linde
Vermischte Gedichte
Darinnen So wol allerhand Ehrengedichte,
bey Beförderungen, Hochzeiten und
Begräbnisse
als auch einige Adoptierte Gedichte
nebst einer ausführlichen Unterredung
Von der Deutschen Poesie und ihren
unterschiedenen Arten enthalten
Leipzig bey Joh. Friedrich Gleditsch und Sohn
Im Jahr 1710


siehe auch Teil 2

 

Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Burckhardt_Mencke


 


 

 


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