Angelika von Michalowska (1830-?) - Liebesgedichte

 

 


Angelika von Michalowska
(1830-?)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 






Verstand und Herz

Des ew'gen Zwistes endlich müde,
Schloß eines Tages der Verstand
Ein Freundschaftsbündnis mit dem Herzen,
Und beide gingen Hand in Hand.

Und als sie gar nicht weit gegangen,
Da trat heran ein armes Kind,
Das bat um eine kleine Gabe -
"Da hast du", rief das Herz geschwind.

Doch der Verstand hielt schnell die Gabe,
Griff nach dem Herzen eisig hin
Und sprach: "Wir sind jetzt eng verbunden,
Du handelst nicht nach deinem Sinn.

Erst mußt du dich mit mir beraten,
Und wenn wir beide einig sind,
Dann magst du deine milde Gabe
Darreichen diesem armen Kind."

Das Herz lauscht traurig solchen Worten,
Doch war es selber daran schuld,
Der Bund, er war einmal geschlossen,
D'rum mußt sich's fügen in Geduld.

Verstand fing an zu überlegen,
Was wohl dem Kinde nützlich sei,
Und ob man selbst nicht Unrecht thäte,
Ständ' man dem Bettelvolke bei.

Und wie er hin und her so dachte,
Das Herz mit neuem Bitten naht,
Dem armen Kinde nun zu gönnen
Die Spende doch, um die es bat -

Da gab er endlich nach mit Grollen,
Nahm selbst ein hartes Stücklein Brot,
Und trat mit vielen Mahnungsworten
Zum Kinde hin - das Kind war tot.

aus: Unsere Frauen in einer Auswahl aus ihren Dichtungen
Poesie-Album zeitgenössischer Dichterinnen
Von Karl Schrattenthal
Mit zwölf Porträts in Lichtdruck
Stuttgart 1888 (S. 320-321)
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Weil sie nicht sterben kann

O komm zurück, mein Leben,
O komm zu mir zurück!
Ich will dir alles geben -
Herz, Seele, Leben, Glück!

Und einsam will ich sterben;
Nur meine Lieb nimm an!
Die will ich nicht begraben,
Weil sie nicht sterben kann!

aus: Unsere Frauen in einer Auswahl aus ihren Dichtungen
Poesie-Album zeitgenössischer Dichterinnen
Von Karl Schrattenthal
Mit zwölf Porträts in Lichtdruck
Stuttgart 1888 (S. 321)
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Freia, die nordische Göttin der Liebe
Nach ihrem Bilde im neuen Museum zu Berlin

Auf dem Götterwagen* ziehet
Freia durch die Welt einher -
Thränenlos ihr Antlitz glühet
Bang in Schmerz und sorgenschwer.

Mit dem Schmuck der Perlenkrone**
Und der Glockenblume Kranz,***
Ihrem Unglück wie zum Hohne,
Schmückt sie ew'ger Schönheit Glanz.

Reizumstrahlt im herbsten Kummer,
Jugendlich im lichten Schein -
Ohne Ruh und ohne Schlummer
Eilt sie durch die Welt allein.

Sehnend hebt sie ihre Arme
Nach verlornem Lebensglück,
Und mit bitt'rem tiefem Harme
Irrt der trostlos bange Blick.

Schönheit konnt' sie nicht beschützen
Vor Verrath und herbem Schmerz.
Treue Liebe zu besitzen,
Wähnt so bald ein Frauenherz.

Ach, und wird so bald verlaßen -
Männertreu verweht der Wind.
Was sie liebend auch umfaßen,
Ist vergeßen gar geschwind.

Denn nur in den Frauenherzen
Findet Lieb' ihr Heimatland -
Treu gewährt mit tausend Schmerzen,
Als ein göttlich Unterpfand.

Arme Freia, ach dein Gatte
Odur, mit dem leichten Sinn,
Deine Liebe, die er hatte,
Warf er leicht und lächelnd hin.

Und wenn Liebe ist gestorben,
Wird sie nimmer wieder wach!
Leicht verloren - schwer erworben,
Schick ihr deine Seufzer nach.

Aber Freia eilt noch immer -
Ewig sonder Rast noch Ruh,
Ohne einen Hoffnungsschimmer
Eilt sie dem Verhängnis zu.

Sehnend treibt sie ein Verlangen
Nach dem ungetreuen Mann -
Ach, der Liebe Schmerz und Bangen
Kein Beglückter faßen kann.

Wirf, o Göttin, ab dein Leiden!
Liebe winkt ja überall;
Liebe winkt mit tausend Freuden
Dir in jedem Sonnenstrahl.

Und sie lispelt leis mit Beben:
Fremdling, nein, ich laß' ihn nicht -
Meine Liebe ist mein Leben,
Wenn das Herz auch drüber bricht.

* Von Katzen, dem Sinnbilde der Zärtlichkeit, gezogen.
** Der kostbare Schmuck Breising, im Werk der Zwerge.
*** Schneeglöckchen, von denen in der nordischen
Vorzeit die Brautkränze geflochten wurde.

aus: Weibliches Leben von der Wiege bis zum Grabe
Im Munde deutscher Dichter
alter und neuer Zeit.
Eine Blütenlese heimatlicher Dichtungen
aus den Quellen für das Haus und die Schule
gesammelt und stufenmäßig geordnet
von Robert Koenig
Oldenburg 1860 (S. 501)
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Die Blumen der Liebe

Die Blumen blühen den Menschen
Zur Freude und zur Lust;
Drum sieht sie der Knabe erblühen
So gern an des Mädchens Brust.

Er windet manch schöne Kränze,
Und windet manch schönen Strauß,
Und trägt ihn mit scheuem Entzücken
Der Geliebten selber in's Haus.

Die nimmt mit tiefem Erröthen
Die Blumen zögernd an;
Sie weiß ja, es hängt ihr Schicksal,
Ihr Leben und Glück daran.

Das sind ganz andre Blumen,
Als die, welche selbst sie gepflückt;
Es haben die schönsten im Garten
Noch niemals sie so entzückt.

Und wenn der Knabe schon lange
Von dannen gegangen ist,
Hat sie im heimlichen Stübchen
Die Blumen noch immer geküßt.

Und einst nach vielen Jahren,
Als altes Mütterlein,
Bewahrt sie noch diese Blumen
In ihrem Herzensschrein.

Und thut man sie versenken
In die stille Erde hinab,
Dann blühen die Blumen der Liebe
Von neuem auf ihrem Grab.


Aus: Nach Gottes Rath
Gedichte von Angelika v. Michalowska
Berlin Nicolaische Verlagsbuchhandlung
(G. Parthey) 1863 (S. 57-58)

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Was heißt denn leben?

Was heißt denn "leben"?
Leben heißt: lieben;
Denn nur das Lieben
Ist ja das Leben.

Es läßt sich nicht trennen
Und niemals verkennen,
Daß Beides nur Eines -
Und Eines - ach Keines.

Aus: Nach Gottes Rath
Gedichte von Angelika v. Michalowska
Berlin Nicolaische Verlagsbuchhandlung
(G. Parthey) 1863 (S. 59)

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Ich sprech' es nimmer aus

Was ich im Herzen fühle,
Ich sprech' es nimmer aus,
Und doch ringt es so stürmisch,
So mächtig sich heraus.

Doch fort, zurück ins Innre,
In's allertiefste Herz!
Die Menschen, sie mißverstehen
Der Liebe gewaltigen Schmerz.

Aus: Nach Gottes Rath
Gedichte von Angelika v. Michalowska
Berlin Nicolaische Verlagsbuchhandlung
(G. Parthey) 1863 (S. 62)

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Für dich allein
Ein Lied

Wär' ich ein Blümlein im stillen Hain,
Blüht' ich für dich, nur für dich allein;
Grüßt' mich des Morgens der Sonne Schein,
Dächt' ich nur dein;
Säng' mich am Abend ein Lüftchen ein,
Träumt ich von dir, nur von dir allein.

Gehst wohl vorüber und merkst es kaum,
Das kleine Blümlein im weiten Raum,
Wie es erbanget, wie es erglüht,
Für dich nur blüht;
Kommt dann ein Schnitter und mäht es ab,
Nimmt es die Liebe noch mit in sein Grab.


Aus: Nach Gottes Rath
Gedichte von Angelika v. Michalowska
Berlin Nicolaische Verlagsbuchhandlung
(G. Parthey) 1863 (S. 63)

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Maßliebchen

Kennst du das weiße Blümchen?
- Man findt's in jedem Land -
Es hat ein Blätterkränzchen,
Maßliebchen wird's genannt.

In dieser kleinen Blume
Steckt ein Orakel drin;
Man muß die Blättchen pflücken,
Dann merkt man ihren Sinn.

Doch giebt's dazu ein Verslein,
Du weißt wohl, wie es spricht;
Wer fragte nicht im Leben:
"Er liebt mich? liebt mich nicht?" -

Aus: Nach Gottes Rath
Gedichte von Angelika v. Michalowska
Berlin Nicolaische Verlagsbuchhandlung
(G. Parthey) 1863 (S. 80)

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Immerdar

Und scheint in stiller Mitternacht
Der Mond zu mir herein,
Dann hat er Botschaft mitgebracht
Bis in mein Kämmerlein.

Dann neigt er sich so mild herab
Und spricht ein Wörtchen leis:
Er, der dir seine Liebe gab,
Denkt dein in alter Weis'.

Und wunderbar, bei Sonnenschein
Weiß ich, es ist nicht wahr;
Doch scheint der Mond so mild herein,
Dann glaub' ich's immerdar.

Aus: Nach Gottes Rath
Gedichte von Angelika v. Michalowska
Berlin Nicolaische Verlagsbuchhandlung
(G. Parthey) 1863 (S. 81)

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Warum

Frag' doch die bunten Blumen,
Die auf dem Felde stehn,
Warum sie alle blühen
So wunderbar und schön.

Du wirst vergebens fragen;
Sie bleiben alle stumm;
Sie duften und sie blühen
Und wissen nicht "warum".

Frag' doch die kleinen Sterne,
Die wunderbar erglühn,
Warum sie herrlich leuchten
Und dort am Himmel ziehn.

Du wirst vergebens fragen,
Auch diese bleiben stumm;
Sie werden weiter leuchten
Und wissen nicht "warum".

Und frag' bei deinem Herzen,
Warum es heiß erbebt,
Warum in Lust und Schmerzen
Es nur der Liebe lebt. -

Es geht ihm, wie der Blume,
Die auch nicht weiß "warum";
Es geht ihm, wie den Sternlein,
Die glühn und bleiben stumm.

Aus: Nach Gottes Rath
Gedichte von Angelika v. Michalowska
Berlin Nicolaische Verlagsbuchhandlung
(G. Parthey) 1863 (S. 84-85)

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Die blaue Blume

Er ging noch gestern vorüber,
Sie sah ihm lange nach -
Und dachte der blauen Blume,
Die sie für ihn einst brach.

Die Blume war erblühet
An eines Bächleins Rand -
Sie hat sie ihm niemals gegeben,
Sie welkte in ihrer Hand.

Es war ein ander Mädchen,
Der seine Liebe er gab; -
Da warf sie die blaue Blume
In's kühle Wellengrab.

Aus: Nach Gottes Rath
Gedichte von Angelika v. Michalowska
Berlin Nicolaische Verlagsbuchhandlung
(G. Parthey) 1863 (S. 89)

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Ein Herzenswahn

Mir träumte einst, ich war schon lang geschieden
Von dieser Welt und von der Erde Glück;
Ich dacht' zurück an alles, was hienieden
Mich einst entzückt und was getrübt den Blick;
Da stieg empor das schöne Jugendträumen,
Die glüh'nden Wünsche wurden wieder wach,
Die mich beseelt in jenen Erdenräumen
Und mir nun folgten bis zum Himmel nach.

Wer löst den Schleier von dem Marmorbilde
Und zeigt dem Menschen dann den kalten Stein?
Wer führt ihn aus des Lebens Lustgefilde
Und läßt vom Wahn befreiet ihn allein?
Ha! Keiner wagt es, Keinem wird's gelingen,
Die rauhe Wahrheit flieht ein Jeder scheu;
Den Schleier kann kein menschlich Herz durchdringen,
Es hofft zu viel, es hoffet immer neu!

Und wird es noch so schmerzhaft hier betrogen,
Wird keine einz'ge Hoffnung hier ihm wahr -
Wird jede Gunst ihm spärlich zugewogen -
Reicht ihm das Schicksal keine Blüthen dar -
So wird es doch vor der Enttäuschung fliehen,
Mit Zagen wird's der Wirklichkeit entgehn,
Es wird noch tiefer jenen Schleier ziehen,
Es mag das wahre Lebensbild nicht sehn.

Und laßt ihm nur, o laßt ihm seinen Glauben,
Der sanft es leitet auf der Lebensbahn!
Warum ihm diesen einz'gen Trost auch rauben?
Laßt es nur immer bleiben in dem Wahn!
Es wird noch lang' von der Empfindung leben,
Die ihm ein sel'ger Augenblick gereicht;
Was kann ihm auch ein Andrer Bess'res geben,
Wenn ihm dies Schattenglück zum Trost gereicht?

Dort oben wird zur Wahrheit sich gestalten,
Was uns hier unten nur ein Herzenswahn;
Dort oben wird der Geist die Kraft erhalten,
Mit Liebe einer Seele sich zu nahn;
Und sprich, kannst du dies hohe Glück wohl fassen,
Die reine Seligkeit, die nie getrübt,
Wenn dich mit wahrer Treue wird umfassen
Ein Wesen, das du ewig schon geliebt?

Das deine Seele suchte mit Verlangen,
Das stets als Ideal ihr vorgeschwebt,
Das du so oft dich sehntest zu umfangen,
Weil all dein Lebensglück damit verwebt? -
Ja glaub' bestimmt, es kann uns nicht entgehen,
Einst wird das heiße Sehnen noch gestillt;
Es kann umsonst durch unsern Geist nicht wehen
Dies ewig wache Hoffen, unerfüllt!

Und unsre schönen Jugendträume werden
Noch einmal dort dem sel'gen Geist erblühn;
Vergessen werden wir, daß uns auf Erden
So schmerzhaft oft getäuscht der Liebe Glühn;
Vergessen auch, daß unsre Wünsche schwiegen,
Weil die Erfüllung selten ward gewährt;
An unsre Seele wird sich tröstend schmiegen
Die Liebe, zur Unsterblichkeit verklärt.


Aus: Nach Gottes Rath
Gedichte von Angelika v. Michalowska
Berlin Nicolaische Verlagsbuchhandlung
(G. Parthey) 1863 (S. 90-92)

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Wie es kam

Aus dem Fensterlein
Guckt ein Mägdelein
Ueber die Straß' entlang
Mit dem Blick, so bang.

Kommt dann um die Eck'
Wohl ein Bursche keck;
Huscht das Mägdelein
Fort vom Fensterlein.

Doch wenn der vorbei,
Guckt sie gleich auf's neu';
Sendet seinem Schritt
Ihre Blicke mit.

Schaut er dann zurück,
Sinkt des Mädchens Blick,
Ganz verklärt voll Lust,
In des Jünglings Brust.

Lange währt es nicht,
Seht, bei Kerzenlicht,
Knieet am Altar
Schon das junge Paar.

Aus: Nach Gottes Rath
Gedichte von Angelika v. Michalowska
Berlin Nicolaische Verlagsbuchhandlung
(G. Parthey) 1863 (S. 97)

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So geht's

Sie liebten sich Beide und hatten
Einander es nie vertraut;
Er war schon lange vermählet,
Und sie eines Andern Braut.

Doch wurden sie Beide im Leben
Des Glückes sich nie bewußt;
Ach, weil ihre erste Liebe
Begraben lag in der Brust.

Aus: Nach Gottes Rath
Gedichte von Angelika v. Michalowska
Berlin Nicolaische Verlagsbuchhandlung
(G. Parthey) 1863 (S. 101)

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Der kecke Bursche

Zur Kammer schaut durch's Fenster
Der kecke Bursch' hinein;
Drin sitzt ein herzig Mägdlein -
Es mag sein Liebchen sein.

Er sollt' es doch nicht wagen,
Es ist nicht Sitt' und Brauch;
Wer läßt sich das gefallen?
Ein Mädchen zürnet auch.

Der Bursch' wird immer dreister,
Er steigt zum Fenster ein -
Und eh' man sich's versehen,
Ist er im Kämmerlein.

Ei nun, was sagt das Mädchen?
Das Mädchen, das ist stumm;
Er schloß ihr den Mund mit Küssen -
Nun weißt du auch "warum".


Aus: Nach Gottes Rath
Gedichte von Angelika v. Michalowska
Berlin Nicolaische Verlagsbuchhandlung
(G. Parthey) 1863 (S. 103)

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Vergißmeinnicht

Draußen am Bache
Von Lüftchen geweckt,
Blühet im Grase
Ein Blümlein versteckt.

Willst du es suchen,
Es blüht auf der Au,
Und hat nur fünft Blättchen,
Und alle sind blau.

Doch ist das nicht Alles,
Es spricht gar vertraut
Und ruft schon von weitem
"Vergißmeinnicht" laut.

O hör' auf sein Flehen,
- Wenn deutlich es spricht -
Als bät' dich dein Liebchen:
"Vergiß mein nicht!"

Aus: Nach Gottes Rath
Gedichte von Angelika v. Michalowska
Berlin Nicolaische Verlagsbuchhandlung
(G. Parthey) 1863 (S. 107)

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Geduld und Treue

Die Liebe treibt mit den Herzen
Gar wunderbares Spiel,
Das eine läßt sie verarmen,
Dem andern giebt sie so viel.

Doch denen am meisten gegeben
Von ihrem Heiligenschein,
Die find'st du in kleiner Hütte
Am einfachen Herde allein.

Da sitzen zwei stille Freunde
Schon Jahre lang Hand in Hand,
Man nennt sie Geduld und Treue -
Wohl dem, dem sie beide bekannt.

Die lassen kein Herz verarmen,
Sie haben gewaltige Kraft,
Die, mit der Liebe vereinigt,
Die größten Wunder schafft.


Aus: Nach Gottes Rath
Gedichte von Angelika v. Michalowska
Berlin Nicolaische Verlagsbuchhandlung
(G. Parthey) 1863 (S. 114)
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Als Well' und Wind

Ich schrieb mit Blei
Von Lieb' und Treu',
Und schrieb mit Dint'
Von Well' und Wind.

Das Blei verwischt,
Die Dint' verlischt,
Und immerdar
Wird es mir klar:

Weil Lieb' und Treu' -
- Ich fühl's auf's neu' -
Nicht fester sind,
Als Well' und Wind.

Aus: Nach Gottes Rath
Gedichte von Angelika v. Michalowska
Berlin Nicolaische Verlagsbuchhandlung
(G. Parthey) 1863 (S. 115)

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Mein einfaches Glück

Das Mädchen auf grüner Wiese,
Wie geht sie so flink dahin
Und pflückt sich bunte Blumen
Zum Kränzlein nach ihrem Sinn!

Es kommt ein Knabe gegangen,
Ein schlanker mit stolzem Schritt,
Der ruft mit frohem Erstaunen:
O Mädchen, ich nehme dich mit!

Ich hab' viel schön're Blumen
Im Garten an meinem Haus,
Da magst du die besten dir suchen
Zu deiner Freude heraus.

Das Mädchen schaut betroffen
Dem Jüngling in's kecke Gesicht:
Was soll ich zum Dank dir geben?
Umsonst giebst du Blumen mir nicht.

Ach, mit gebroch'nem Herzen
Schickst mich wohl bald zurück;
Behalt du deine Blumen,
Und ich mein einfaches Glück!

Aus: Nach Gottes Rath
Gedichte von Angelika v. Michalowska
Berlin Nicolaische Verlagsbuchhandlung
(G. Parthey) 1863 (S. 118)

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Liebes-Sehnsucht

1.
Ob ich dich liebe, willst du wissen?
O frage nicht!
Denn sprich, kann wohl die Blume missen
Der Sonne Licht?

Du bist mein Licht und bist mein Leben!
Was zagest du?
Ich will dir meine Seele geben;
Bei dir ist Ruh'.

O nimm das Herz, das dir gegeben,
Und frage nicht!
Es bleibet dein in diesem Leben,
Dein, bis es bricht.
(S. 119)


2.
Armes Herz, was willst du klagen,
Lerne Alles, Alles tragen!
Liebeslust und Liebesschmerz -
Dulde standhaft, armes Herz!
(S. 120)


3.
Die Blumen alle, die ich pflückte,
Sie sind verblüht;
Die Grüße alle, die ich schickte,
Sie sind verglüht.

Die Lieder alle, die geklungen,
Sie sind verweht;
Mein letztes Lied, es ist gesungen,
Es kam zu spät.
(S. 120)


4.
Die Nacht war kalt, mein Herz war still,
Es hatte viel gelitten;
Wohl manches Blümlein sterben will,
Wenn Stürme darum stritten.

Wenn es vom Wetter hin und her
Gewaltsam wird getrieben -
Dann zagt es immer mehr und mehr -
Was ist zuletzt geblieben?

Ach, endlich bricht die Blüthe ab,
Sinkt still zur Erde nieder.
Ein unbeweintes kaltes Grab!
Nun ruht das Blümlein wieder.

Aus: Nach Gottes Rath
Gedichte von Angelika v. Michalowska
Berlin Nicolaische Verlagsbuchhandlung
(G. Parthey) 1863 (S. 121)

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Das Abschiednehmen

Trunken noch vom letzten Worte,
Noch vom letzten Abschiedsblick,
Ging ich einsam durch die Straßen,
Zollte Thränen dem Geschick.

Ach, das schönste Glück im Leben
Währt nur eine kurze Zeit,
Kaum daß wir es recht erkennen
Ist's uns schon so fern und weit.

Neckt uns schon mit Sehnsuchtsthränen,
Schlägt und stürmt im Busen laut,
Mahnt uns, daß wir lassen müssen,
Was wir gar so gern geschaut.

Weiter, weiter ruft das Leben,
Und das Beste bleibt zurück; -
Ach, wie schwer das Abschiednehmen
Von dem ersten Liebesglück!

Aus: Nach Gottes Rath
Gedichte von Angelika v. Michalowska
Berlin Nicolaische Verlagsbuchhandlung
(G. Parthey) 1863 (S. 123)

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Worte der Liebe

1.
Ich liebe dich, das ist das Wort,
Das ich auf Erden gesprochen;
Ich liebe dich, das ist das Wort,
Das ich noch nie gebrochen.

Ich liebe dich, das ist das Wort,
Das ich zum Himmel trage;
Ich liebe dich, das ist das Wort,
Mit dem ich vor Gott mich wage.
(S. 124)


2.
Es gab eine Zeit im Leben,
Da gingen wir Hand in Hand -
Die Zeit ist lange vorüber,
Zerrissen ist das Band.

Doch blieb in meinem Herzen
Ein Theil davon zurück
Und mahnt mich zu jeder Stunde
An das entschwundene Glück.
(S. 124-125)


3.
Er, am Arme einer Andern,
Und mein Herz schlägt immer zu, -
Ach, seitdem es dies erfahren
Geht es ja so gern zur Ruh'.

Weißt du nicht, daß Blumen welken
Ohne Licht und Sonnenschein?
Und ein Herz muß langsam brechen,
Nennt's die Liebe nicht mehr sein.
(S. 125)


4.
Es giebt so viele Sänger,
Die singen erst bei Nacht,
Das haben sie den Grillen,
Den scheuen, nachgemacht.

Auch ich hab' meine Lieder,
Die ich dir dargebracht,
- Gleich einer kleinen Grille, -
Erfunden in stiller Nacht.
(S. 125-126)


5.
Ich schrieb mit meinem Blute
Oft deinen Namen auf, -
Und Thränen, tausend Thränen,
Sie fielen heiß darauf.

Sie wollten ihn verlöschen,
Den Namen und meinen Schmerz,
Und gruben Schmerz und Namen
Nur tiefer in mein Herz.
(S. 126)


6.
Und schaust du auch immer tiefer
In meine Augen hinein,
Für dich steht nicht geschrieben:
"Auf ewig bin ich dein."

Das durfte nur Einer lesen,
Nur Einem ward es klar, -
Sollt' der es wieder suchen -
Er findet es immerdar.
(S. 126-127)


7.
Noch einmal laß dir sagen,
Wie ich dich geliebt so sehr, -
Es kommen nun doch bald Zeiten,
Da darf ich's nimmermehr.

Wie lang' ich dich schon liebe?
So lang' ich dich gesehn -
Gleich bei dem ersten Blicke
War's um mein Herz geschehn.

Und kommst du einstens wieder,
Und sprichst du: "stirb für mich!"
Ach, mit viel tausend Freuden
Geb' ich mein Leben für dich.
(S. 127)


8.
Ich sang auf meine Weise
Manch einfach Lied für dich;
Es sprach von meiner Liebe,
Die ich empfand für dich.

Die Liebe ist geblieben,
Die Lieder werden stumm -
Du wirst's am besten wissen
Zu deuten dir: "warum"?
(S. 128)


9.
Wer bist du? danach frag' ich nicht,
Das gilt und ist mir gleich;
Ich schaue in dein Angesicht,
Da ist mein Himmelreich.

Wer bist du? o was kümmert's mich,
Du meiner Liebe Lust!
Ich weiß nur, daß ich ewiglich
Dich trag' in meiner Brust.

Wer bist du? ach, es hat so leis
Mein Herz schon lang' gesagt;
Und eben darum, weil ich's weiß,
Hab' ich auch nie gefragt.
(S. 128-129)


10.
Es schaut am frühen Morgen
Ein Sternlein vom Himmelszelt,
Es mochte noch nicht scheiden
Von dieser Erdenwelt.

Es hat ein treues Liebchen
Besucht in stiller Nacht
Und ihr am frühen Morgen
Des Liebsten Gruß gebracht.
(S. 129)


11.
Kannst du mich darum hassen,
Weil ich dich treu geliebt?
So hast du meine Seele
Mit tiefem Weh getrübt.

Ich möchte für dich leben -
Und sterben auch für dich.
Ist Liebe ein Verbrechen? -
Dann Herz, schweig still und brich! -
(S. 129-130)


12.
Wie gerne möcht' ich bei dir sein,
Von deinem Arm umfangen!
Nach deinem Stübchen, heimlich klein,
Zieht mich ein heiß Verlangen.

Doch nimmermehr, es darf nicht sein!
Du stehst mir gar zu ferne;
Mein Herz, ach, das ist lange dein,
Wie gab ich's dir so gerne.
(S. 130)


13.
In stiller, nächtiger Stunde,
Da klag' ich dir oft mein Leid -
Du aber kannst mich nicht hören,
Du weilst ja von mir so weit.

Den Kranz, den ich geflochten,
Für dich aus treuem Sinn,
Den magst du auf's Haupt mir setzen,
Wenn ich gestorben bin.
(S. 130-131)


14.
Ein himmlisch schönes Angesicht
Hab' ich im Traum gesehn -
Viel milder noch als Sternenlicht
In blauen Himmelshöhn.

Da plötzlich bin ich aufgewacht -
O fass' es, wer es kann!
Das ganze Leben eine Nacht,
Denn ach! mein Traum zerrann.
(S. 131)


15.
Es stand eine weiße Rose
Im Garten bei Sonnenschein,
Unter den rothen Rosen
War farblos sie allein.

Weißt du es dir zu deuten,
Warum sie farblos ist? -
Weil nie ein Gruß der Liebe
Die Wange ihr geküßt.
(S. 131-132)


16.
Und was du auch wirst erfahren,
Ich bin und bleibe dein;
Dir will ich die Treue bewahren
Bis in den Himmel hinein.

Und wirst du mich einst sehen
An eines Andern Hand,
So glaube dennoch nimmer,
Daß meine Treue schwand.

Mein Herz bleibt dir ergeben,
Das raubt dir kein Geschick;
Ist dein auch nicht mein Leben,
Das Herz bleibt doch zurück.
(S. 132)


17.
Sternblumen auf der Erde,
Und Sterne in der Höh' -
Ihr könnt es nicht verstehen,
Wie mir das Herz so weh'.

Ja ging' die Welt zu Grunde,
Ich schaute ruhig drein -
Er aber ist fortgegangen
Und das ist größere Pein.

Nun kann ich den Himmel nicht sehen,
Und auch die Sonne nicht -
Sein Auge war ja mein Himmel,
Sein Lächeln mein Sonnenlicht.

Aus: Nach Gottes Rath
Gedichte von Angelika v. Michalowska
Berlin Nicolaische Verlagsbuchhandlung
(G. Parthey) 1863 (S. 133)

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Illusion

O Herz, du liebst? -
Dann bist du auch verloren!
Was dich entzückt,
Was du für dich erkoren. -
Das fliehet dich,
Das wird dich schnöd' verlassen;
O gieb es auf!
Du mußt die Welt sonst hassen
Und ihren Lauf.

Nein, liebe nicht!
Es schwind't dir jede Freude!
Der Sonne Licht
Scheint nur zu deinem Leide!
Ermanne dich!
Schau auf zu Gottes Sternen,
Schau auf zum Mond
Und zu des Himmels Fernen,
Wo Liebe thront!

Und fühlst du noch
Auf Erden dich gebunden,
Und weißt es doch,
Daß Keinen du gefunden,
Der dich versteht;
Wirst du zu spät es fassen,
Zu spät es sehn,
Daß du nun ganz verlassen,
Allein mußt stehn:

Dann, armes Herz,
Dann hast du selbst verschuldet
Den bangen Schmerz,
Den du so lang' geduldet,
Der früh dich brach;
Darfst Menschen nie es klagen,
Was dich erfaßt;
Nur einsam mußt du tragen
Des Lebens Last.

Doch zage nicht,
Wenn hier im Erdenleben
Die Liebe bricht;
Du mußt zum Himmel streben!
Die Seele frei,
Nur nicht gefesselt halten!
Ja frei und hoch
Muß diese sich entfalten;
Dann siegst du noch!

Dann lebt sie auf,
Entfaltet ihre Schwingen
Und wird hinauf
Bis in den Himmel dringen;
Führt dich so weit,
Daß du begeistert sinken
An's All dann möcht'st;
Und wirst voll Wonne trinken,
Wonach du lechzst; -

Und stärkst dein Herz -
Allmählig wird verschwinden
Dein banger Schmerz;
Den Frieden wirst du finden,
Der dich verließ;
Und deine Seel', geläutert
Durch Erdenweh,
Wird himmlischer erweitert
Im Schöpfungssee.

Einst wird es wahr,
Wonach wir hier uns sehnen;
Und du wirst klar
Mit deinem Geist ersehen,
Was Seligkeit!
Was dir versagt auf Erden,
Harrt deiner schon;
Die Liebe wird dir werden
An Gottes Thron.

Aus: Nach Gottes Rath
Gedichte von Angelika v. Michalowska
Berlin Nicolaische Verlagsbuchhandlung
(G. Parthey) 1863 (S. 134-137)

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Der Verlassenen geweiht

1.
Und als sie ihm in's Auge geschaut,
Wie ward ihr das Herz so bange -
Als hätte der Morgen die Blume bethaut
Bei des Vögleins frühstem Gesange.

Und diese Augen, so schön und treu,
Sie haben sie dennoch verrathen;
O Gott, das ist schon lange vorbei,
Daß sie so weh' ihr thaten.

Sie aber, sie denkt dran zu jeder Zeit -
Und kann den Schmerz nicht ermessen;
Sie nimmt ihn einst mit in die Ewigkeit -
Und wird ihn auch dort nicht vergessen.
(S. 139)


2.
O warum mußte das geschehn,
Warum mußt' er treulos von ihr gehn? -
Sie hatte so fest auf sein Herz gebaut,
In ihm ihr ganzes Glück erschaut.

Nun ist sie allein mit ihrem Schmerz -
Er fand gar bald ein ander Herz;
Er war ja jung und schön dabei,
Und kannte die Liebe, nur nicht die Treu'! -

Doch sieht er von ferne die blasse Gestalt,
Da ergreift es ihn oft mit heißer Gewalt;
Er sieht sie wanken dem Grabe zu, -
Das nahm auch seinem Leben die Ruh'.
(S. 139-140)


3.
An Gottes milder Vaterhuld
Verzweifelt sie einst mit Ungeduld;
Es hat der Schmerzen volle Macht
Sie um des Trostes Heil gebracht.

"Herr Gott, Herr Gott! erhör' mein Flehn,
Sonst kann mein Glaube nicht bestehn!"
So rief ihr Herz mit wilder Hast,
So rief es ohne Ruh' und Rast.

Da kam des Wegs im leisen Trab'
Ein Leichenwagen die Straße herab.
Und tief und ernst fiel's auf ihr Herz:
Was ist denn dieser Erde Schmerz? -

Sie holen still den Todten ab
Und senken ihn ins tiefe Grab;
Und was er auch gelitten hat -
Sie tragen's mit zur Ruhestatt.

Der Geist empfängt an Gottes Thron
Dort oben seiner Thaten Lohn; -
Wie mag wohl der vor Gott bestehn,
Der seinen Glauben sah vergehn? -

Und wieder rief zu Gott ihr Herz -
Doch diesmal nicht um Trost im Schmerz;
Nur daß sein Glaube fortbesteht,
War ferner einzig sein Gebet.
(S. 140-141)


4.
Sie stand am Fenster im Abendschein, -
Der Tag war schon lange geschieden -
Da fiel ein vergessenes Lied ihr ein,
Das nahm ihr der Seele Frieden.

Es war ein Lied aus vergangener Zeit,
Sie hat es selbst einst gedichtet; -
Wie hat es damals sie so erfreut,
Es war ja an ihn gerichtet.

Die Zeit ist hin, und das Lied war todt -
O wär' es auch todt geblieben!
Nun mahnt es sie wieder an Schmerz und Noth
Und an ihr verrathenes Lieben. -

Der Mond geht auf, sie sieht ihn nicht mehr,
Still liegt sie in einsamer Kammer,
Ihr Aug' ist gebrochen und thränenleer,
Gott endete selbst ihren Jammer.
(S. 142)

Aus: Nach Gottes Rath
Gedichte von Angelika v. Michalowska
Berlin Nicolaische Verlagsbuchhandlung
(G. Parthey) 1863
_______



Zwei Rosen

In einem Thal zwei Rosen blühn,
Umgeben ganz von Frühlingsgrün;
Sie blühen gar so wunderschön,
Sind beide lieblich anzusehn.

Die eine hat der Sonne Pracht
Mit Röthe feurig angefacht;
Entfaltet ist die Knospe ganz,
Ein glühend rother Blätterkranz.

Verlangen schon nach ird'scher Lust
Bewegt die kaum erschloss'ne Brust;
Und Sehnsucht nach des Lebens Glück
Glänzt angefacht in ihrem Blick.

Die andre ist in stiller Nacht
Bei Mondesscheine sanft erwacht;
Sie schmückt der Unschuld Weiß allein,
Um ihre Stirn ein Heil'genschein.

Die Sanftmuth strahlt aus ihrem Blick,
Ihr liegt so fern der Erde Glück;
Verborgen in der Knospe Schooß
Blüht sie noch ruhig, wünschelos.
__

Bald führt sie beide das Geschick
Hinein in's reiche Leben;
Sie schauen sehnsuchtsvoll zurück
Mit ahnungsvollem Beben.

Zusammen waren sie nicht lang',
Da wurden sie geschieden;
Die weiße Ros' erbebte bang',
Es floh der Kindheit Frieden.

Die rothe Rose trennt sich leicht,
Sie hoffet nur auf Freuden,
Ihr Auge glänzt so sehnsuchtsfeucht,
Drum zagt sie nicht beim Scheiden. -

Nun hat man lange, lange nichts
Gehört von beiden Rosen;
Ob sie genießen froh des Lichts?
Ob Sturm sie mag umtosen?
__

Bis einst bei heller Sonnenpracht
Die rothe Rose neu erwacht,
Im Liebesglanze ganz erglüht
An eines Mädchens Busen blüht;

Die selber in der Jugend Glanz
Noch gleicht der zarten Rose ganz;
Und voller Hoffnung, voller Lust
Die Rose birgt an ihrer Brust.

Sie geht mit freudevollem Sinn
Zu frohem Scherz und Spiele hin
Und hält die Rose noch entzückt
An ihren Busen festgedrückt.

Da kommt ein Jüngling kecken Muth's,
Beraubt sie ihres schönen Gut's;
Er bricht die Ros' mit leichtem Sinn;
Des Mädchens Seufzer fliehen hin.

Vergehn sieht sie ihr Liebesglück, -
Und nimmermehr kehrt es zurück; -
So traurig und so blätterlos
Birgt sie die Ros' in ihrem Schooß.

Ihr schönes Dasein ist entführt,
Weil sie von schnöder Hand berührt;
Kaum daß die Freude sie gesehn,
Muß sie dem Tod entgegen gehn.

Ein Grab, so einsam, klein und kalt,
Das endet alle Freuden bald; -
Wer von der Welt ein Glück erhofft,
Der wird getäuscht zu bitter oft!
__

Horch! dumpfe Glocken hört man läuten -
Was mag der bange Ton bedeuten?
Und Grabgesang hört man erschallen, -
Tiefe Seufzer leis verhallen. -

Ein Jüngling wird zur Ruh gebracht,
Sein Lebenslauf ist früh vollbracht;
So manche Thräne rinnt hinab
Bis in das tiefe stille Grab.

Dann streut die Erde schwarz und schwer
Der Todtengräber drüber her;
Nun ruhe sanft, bis Gott dich weckt,
Von dieser Erde zugedeckt!

Und als das Grab geschlossen ward,
Und niemand länger hier verharrt -
Die stille Nacht schon brach herein,
Nur Finsterniß umgab den Hain -

Da kam ein Mädchen, still und bleich,
Und ihre Blicke schmerzensreich;
In Schwarz gehüllet war sie ganz,
Auf ihrem Haupt ein Todtenkranz.

Sie kniet an seines Grabes Rand
Und hält geschützt von ihrer Hand
Die weiße Ros', der Liebe Glück,
Die bringt entsagend sie zurück;

Und spricht: erblühe jetzt für ihn,
Er wollt' dich einst für mich erziehn;
Doch mag es so wohl besser sein,
Nun schlummert er doch nicht allein.
__

Drauf geht sie fort, die Rose bleibt,
Sie bleibt bei ihm in Frieden;
Und nichts von diesem Platz sie treibt,
Bis sie dahin geschieden;

Bis sie der Sturm entblättert hat,
Bis all ihr Glanz entschwunden;
Und sie so todesmüd' und matt
Auch Ruhe hat gefunden.

Dann sinkt sie selber sanft hinab,
Sie sinkt in seine Arme
Und ruht bei ihm im stillen Grab,
Getrennt von jedem Harme.

Des Nachts, wenn du nun ganz allein
Vorbei gehst diesem Hügel,
Dann siehst du einen Heil'genschein,
Der ist des Grabes Siegel.

Aus: Nach Gottes Rath
Gedichte von Angelika v. Michalowska
Berlin Nicolaische Verlagsbuchhandlung
(G. Parthey) 1863 (S. 143-148)

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Der Knab' und das Mägdelein

Ein Knab' und das Mägdelein, sie gingen allein
Durch den dunklen Wald, durch den grünen Hain;
Sie scherzten und lachten und jubelten laut,
Das haben die Blümlein des Waldes geschaut;
Und das Bächlein in all seiner Einsamkeit,
Es belauschte auch diese Beiden heut.

Da rief der Kuckuck wohl tausendmal
Von den Bäumen herab mit lautem Schall
Sein Kuckuck! Kuckuck! so oft wieder neu,
Daß der Knab' und das Mägdlein zählten dabei;
Sie zählten, wie viel der Jahre noch sei'n
Für sie zu wandeln im Sonnenschein;

Und wie sie schon kamen an hundert vorbei,
Der Kuckuck rief immer wieder auf's neu;
Und der Knab' und das Mägdlein merkten nicht,
Daß die Sonne schon barg ihr schimmerndes Licht;
Sie lachten und scherzten und zählten dabei
Noch immer des Kuckucks verräthrischem Schrei.

Auf einmal ward's finster, die Nacht brach herein,
Der Knab' sah das weinende Mägdelein;
Sie hatten ja Beide des Weg's nicht gedacht
Und hatten verirrt sich bei Mitternacht;
Und wie sie auch suchten und suchten umher,
Sie fanden nun keinen Ausweg mehr.

Die Blümlein des Waldes sah'n traurig darein,
Und wilder erbrauste das Bächelein;
Der Knab' und das Mägdlein, sie scherzten nicht mehr,
Sie gingen verzagend des Weges einher;
Und wie sie so irrten in Angst und Qual,
Da rief der Kuckuck noch tausendmal.


Aus: Nach Gottes Rath
Gedichte von Angelika v. Michalowska
Berlin Nicolaische Verlagsbuchhandlung
(G. Parthey) 1863 (S. 149-150)

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Einzelnes

Und weißt du's nicht, so laß dir's sagen:
Verrathene Lieb' geht einsam klagen;
Wer auf den Markt geht mit seinem Schmerz,
Den verrieth noch kein geliebtes Herz.
__

Spotte nicht, wenn ein Herz gesteht,
Daß es in Liebe untergeht;
Denn wisse, solch ein armes Herz,
Das tragen Engel himmelwärts.
__

Die Liebe, sagen die Menschen,
Sie ist ein himmlisches Gut;
Ach, daß ein Gut des Himmels
Auf Erden so wehe thut!
__

Im Schooß der kühlen Erde,
Da ruht man sich erst aus;
Dann zieht der Geist, der freie,
In's ewige Vaterhaus.
__

Und was ich auch besessen hab', -
Von Gott hatt' ich's bekommen;
Und was ich auch gelegt in's Grab, -
Gott hat mir's selbst genommen.
__

Geliebt sein heißt auch wieder lieben!
Wer kann ein Wesen so betrüben,
Geliebt sich von ihm wissen und es nicht wieder lieben, -
Wo wäre da die Menschlichkeit geblieben?
__

Was wir am Morgen verbergen, verhehlen,
Das thun wir am Abend oft selber erzählen;
Der Abend, er führt, mit milderem Schein,
Die Herzen zusammen im trauten Verein.
__

Wer mit Untreue ein Herz betrübt,
An dem wird sie selber noch einst geübt;
Bis er, in Schmerz und Qual versunken,
Auch diesen Becher ausgetrunken.
__

Ertragen läßt sich schon ein Schmerz,
Wenn er auch bricht ein Menschenherz;
Er heiligt es doch mit seinem Weh'
Und trägt es sicher zur Himmelshöh'.
__

Freundschaft und Liebe, man nennt sie verwandt,
Doch wo die Freundschaft beginnt, ist schon die Liebe verbannt;
Nur die Freundschaft reicht freundlich der Liebe die Hand,
Drum ist wohl die Liebe der Freundschaft verwandt,
Doch die Freundschaft der Liebe nur feindlich bekannt.
__

Kann man denn Liebe geben,
Grad wo man soll und muß -?
Man giebt sie da im Leben,
Wo es des Ewigen Schluß.
__

Und kannst du Lieb' nicht erwiedern,
So sag' es nur zur Stunde!
Viel besser, der Pfeil wird geschnitten
Gleich aus der frischen Wunde.
__

Willst du ganz der Liebe leben,
Mußt du ganz dein Herz hingeben;
Bringt sie Freuden oder Klagen,
Mußt geduldig Alles tragen!
Alles! wenn das Herz auch bricht; -
Kannst du's nicht? so such' sie nicht!

Aus: Nach Gottes Rath
Gedichte von Angelika v. Michalowska
Berlin Nicolaische Verlagsbuchhandlung
(G. Parthey) 1863 (S. 167-170)

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Biographie:

Michalowska, Angelika von, geboren am 25. Juli 1830 zu Königsberg in Preussen.

- Der Hirtenkasper. Eine Dorfgeschichte Berlin 1864
- Ein deutscher Soldat im Frieden. Erzählung 1872
- Nach Gottes Rat. Gedichte Berlin 1863
- Schwarz und Weiss. Bilder aus dem Leben Ebda. 1860
- Was den Frauen gefällt. Gedichte 4. Auflage 1868

aus: Lexikon deutscher Frauen der Feder.
Eine Zusammenstellung der seit dem Jahre 1840 erschienene Werke weiblicher Autoren, nebst Biographieen der lebenden und einem Verzeichnis der Pseudonyme. Hrsg. von Sophie Pataky
Berlin 1898
 

 


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