Johann Martin Miller (1750-1814) - Liebesgedichte



Johann Martin Miller
(1750-1814)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 





An Daphnen
Im Blumengarten
1771

Daphne! Sieh den Garten grünen!
Jugendlich und hold, wie Du,
Lächelt uns mit heitern Mienen
Der erwachte Frühling zu.

Bläulich, wie der Mittagshimmel,
Röthlich, wie der Morgenstral,
Stehn in fröhlichem Gewimmel
Florens Kinder überall.

Wie Dein blaues Aug, entschließen
Blaue Hyacinthen sich,
Lächeln freundlich, und ergießen
Milden Wohlgeruch um sich.

Sieh, wie dort die Tulp' im Beete
Sich in Purpurfarbe schmückt,
Und beneidend nach der Röthe
Deiner schönern Lippen blickt!

Iris bunter Bogen malet
Sich auf dem Aurikelnland;
Und der goldne Krokos stralet,
Wie Dein seidnes Busenband.

Blaß, wie vormals meine Wange,
Als ich Liebeleer Dich sah,
Steht im öden Schattengange
Einsam die Narcisse da.

Doch, wie meine Wang' jetzt glühet,
Von der Hofnung Stral bemalt,
So, geliebte Daphne, blühet
Feuriger die Rose bald.

Wann sich ihre Knospe spaltet,
Und die Blumenköniginn
Sich am Sonnenstral entfaltet,
Soll sie Dir am Busen blühn!

Die Narcisse schling indessen
Sanft um meine Locken sich!
Denn mein Herz soll nie vergessen,
Daß ihr mein Gesicht einst glich!

Zwar genieß' ich jezo Freuden,
Süß, wie die im Paradies;
Aber, auch um Dich zu leiden,
Daphne, das auch war mir süß.
(S. 1-3)
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Eine Idylle
1771

Hier am Bache, der so heiter
Aus der Felsenrize fließt,
Und durch Blumenreiche Kräuter
Sich in's kleine Thal ergießt;

Hier, o Liebe, stand Seline,
Die geliebte Schäferinn,
Mit der frommen, sanften Miene,
Ach, und mit dem harten Sinn.

Ihre weissen Lämmer tranken
Aus dem Silberhellen Bach;
Und in traurigen Gedanken
Schaute sie den Wellen nach;

Ließ ein Seufzerchen erschallen,
Das mein ganzes Herz durchdrang,
Und vom Aug ein Zährchen fallen,
Das der kleine Bach verschlang.

O geliebte Liebe, wäre
Dieser Seufzer mir gemeynt,
Und die Perlenhelle Zähre
Mir, o Liebe, mir geweint:

Dann sollt' auf den weiten Auen
Mir kein Ort so heilig seyn.
Einen Altar würd' ich bauen,
Und Dir, Göttinn Liebe, weyhn.
(S. 6-7)
_____



Damon an den Mond
1771

Diana komm! Dein Bruder scheidet
Von unsrer Flur;
Und in verschwiegne Dämmrung kleidet
Sich die Natur.

O komm! Dann eilt zum Traubenhügel,
In schnellem Lauf,
Mein Mädchen, auf der Liebe Flügel
Zu mir herauf.

Ha Wonne! Hinter jenem Thale
Wallst, Wolkenleer,
Du, Goldbeglänzt vom letzten Strale
Des Bruders, her;

Und hüllst dich nach und nach bescheiden
In Silber ein;
Erleuchtest ringsum Berg und Halden,
Gebüsch und Hain.

O Göttinn, eil mit schnellerm Schritte
Am Himmel fort,
Streu Silber auf Dorindens Hütte;
Sie wartet dort,

Und eilt, sobald sie dich erblicken
Im Grunde kann,
Mich an ihr keusches Herz zu drücken,
Den Berg heran.

Allein, warum, o Göttinn, fliehest
Du schnell zurück?
Eilst hinter Wölkchen, und entziehest
Dich meinem Blick;

Wie meine Hirtinn, wenn sie fliehet,
Und ihren Blick
Das Sonnenhütchen mir entziehet?
O komm zurück,

Und leucht ihr! - Ah, sie kömmt! Entrücket
Sich dein Gesicht
Aus Mißgunst? Für Göttinnen schicket
Sich mißgunst nicht.
(S. 8-10)
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An Damon
1771

Warum ich weine, Freund? O sieh
Die Rose! Gestern blühte sie;
Nun hängt sie, von des Sturmes Hauch
Entstellt, und Blätterlos am Strauch.

Und sollt' ich nicht der Sterbenden
Ein stilles Thränchen schenken?
Sollt' ich ein Röschen sterben sehn
Und nicht an Chloen denken?

O, laß mich weinen! Wandelst Du
Dereinst dem Rosenstrauche zu,
Und sinkt ein Röschen auf mein Grab,
Entstellt und Blätterlos herab:

O sage, Damon, wirst Du nicht
Ihm auch ein Zährchen schenken,
Und mit bethräntem Angesicht
An Deinen Daphnis denken?
(S. 11-12)
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Der Wunsch
1771

Könnt' ich, o blühende Natur,
All deinen Reiz besingen,
Und jedem Hain, und jeder Flur
Zum Dank ein Liedchen bringen;

Säng' ich die Morgensonne, die
Sich noch dem Blick verstecket,
Wenn schon der junge Schäfer sie
Mit seiner Flöte wecket;

Die Freude, die mit Einemmal
Aus seinem Auge schimmert,
Sobald der erste goldne Stral
Am Eichenwipfel flimmert;

Die Blumen, die mit Gelb und Blau
Und Roth die Flur bemalen,
Und unterm hellen Morgenthau
In höhern Farben stralen;

Das Wäldchen, das, der Unschuld gleich,
In weissen Flor sich hüllet;
Und den beschilften Silberteich
Mit Blüthen überfüllet;

Der Pappel grüne Nacht, aus der
Ein Turteltäubchen girret;
Den Apfelbaum, um den ein Heer
Von Maienkäfern schwirret;

Den Abend, der mit Einemmal
Den halben Himmel röthet;
Den Hirten, der im letzten Stral
Dem Tag zu Grabe flötet;

Den Stern der Liebesköniginn,
Der aus dem Westen blinket,
Und ins Gebüsch die Schäferinn
Zum trauten Schäfer winket;

Dianen, die das stille Glück
Der Liebenden betrachtet,
Und, mit hinweggewandtem Blick
Nach gleichen Freuden schmachtet;

Und tausend Scenen - könnt' ich sie,
Wie ich sie fühle, singen,
Und allen Reiz der Harmonie
Ins leichte Liedchen bringen:

Dann würde doch ein Jüngling mich
Dafür ans Herze drücken,
Und manches Mädchen dankbarlich
Mir süssen Beyfall nicken.

Doch, nicht die blühende Natur,
Mit allem Reiz umgeben;
Ach Götter, Daphnen kann ich nur,
Und ihren Reiz erheben.

Sie aber lächelt höhnisch, flieht,
Und spottet meiner Zähren;
Und will das herzensvolle Lied
Von ihrem Reiz nicht hören.

O Götter, lehrt sie doch, wie ich,
Von Lieb' und Sehnsucht schmachten!
Wo nicht, so bitt ich, lehret mich,
Ihr sprödes Herz verachten!
(S. 13-16)
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An ein Thal
1771

Ich liebe dich, du kleines,
Und stilles Erlenthal;
Und dennoch schuf mir keines,
Wie du, so viele Qual.

Dich liebet auch Seline,
Die junge Schäferinn,
Die mit der sanften Miene,
Und, ach! dem harten Sinn.

Jüngst saß ich hier, und spielte
Vergnügt im Abendlicht,
Denn meine Seele fühlte
Der Liebe Macht noch nicht.

Als schnell, im leichten Röckchen,
Ein Mädchen vor mir stand,
Das weisse Majenglöckchen
Sich in ein Sträuschen band.

Wie zittert' ich zurücke,
Als ich die Holde sah!
Und o mit welchem Blicke
Voll Unschuld stand sie da!

Gern hätt' ich sprechen wollen;
Umsonst bemüht' ich mich;
Kein Wort entwand dem vollen,
Beklommnen Herzen sich.

Dann gieng sie weg; Ich klagte,
Und wußte nicht warum;
Schlief wenig, und wenn's tagte,
War's trüb um mich herum.

Nun irr' ich stets alleine
Den ganzen Tag umher,
Und finde nirgend keine
Der alten Freuden mehr;

Lieg' oft auf dieser Stelle,
Und wünsche mir mein Grab;
Dann blickt zu mir der helle
Vertraute Mond herab.

Jetzt sieht er meine Zähren;
O säh' er auch einmal,
Bey seinem Wiederkehren,
Das Ende meiner Qual!

Säh' er, wie mich Seline
Durch Liebe glücklich macht,
Und mit bescheidner Miene
Mir süß entgegen lacht!

Wie liebt' ich dann, o kleines,
Und stilles Thälchen dich!
Es gleiche dir sonst keines
An Seeligkeit für mich!

Hier baut' ich eine Hütte
Zum Angedenken hin,
Und scherzt' in ihrer Mitte
Mit meiner Schäferinn.
(S. 17-20)
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Elegie an Laura
1771

Von dir, o Laura! fern, betracht' ich weinend
Den Mond, der dort vorüber zieht,
Und düster, durch zerrissne Wolken scheinend,
Auf meinen Schmerz hernieder sieht.

So schien er einst, da ich von dir den lezten
Und feuervollsten Kuß empfieng,
Und tausend Thränen unsre Wangen nezten,
Und Lipp' an Lippe bebend hieng.

Da sah' er noch in jugendlichem Prangen
Auf meinem Antliz Rosen blühn;
Nun sieht er Todtenbläss' auf meinen Wangen,
Und Schwermuth meine Stirn' umziehn.

Siehst, Laura! du auch jezt mit bangem Sehnen
Nach deinem Freund, zu ihm hinauf,
Und folgt dein Auge, voll von Liebesthränen,
Ihm in dem einsamstillen Lauf:

So tröste dich, und denke, welche Freude
Dereinst auf unsern Wangen glüht,
Wenn er uns, Arm in Arm geschlungen beyde
Von neuer Wonne trunken sieht!

Dann trennt, o Laura, kein Geschick uns wieder,
Bis brechend sich dieß Auge schließt,
Und er sein dämmernd Licht aufs Grabmal nieder
Durch dunkle Lindenäste gießt.
(S. 22-23)
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Elegie an Amynten
Im Herbst 1771

Sey ruhig, armes Herz! Bald wird die Stunde schlagen,
Die dich von allem Gram befreyt,
Und nach so vielen Trauertagen
Zu kommen deiner Nacht gebeut.

Siehst du, die Schöpfung traurt! Dem nahen Tod entgegen
Welkt schon die alternde Natur;
Ihr Pulsschlag klopft in schwächern Schlägen,
Und bald erlischt des Lebens Spur.

Schon sinkt der Blumen Schmuck; Und keine neuen blühen
An den verwaisten Stätten auf,
Und todtenfarbne Nebel ziehen
Sich längs am trüben Strom herauf.

Der braune Wald, beraubt des farbichten Gewandes,
Birgt keine Liedersänger mehr;
Und jeder Waideplaz des Landes
Ist heerdenlos und freudenleer.

Bald wird des Winters Flor die stille Flur umweben,
Und alles sterben; - Und auch mich
Wirst du, o Todesnacht, umgeben,
Und sterben, sterben werd auch ich! -

O sey willkommen mir, du schönster Tag des Lebens,
Das ich, von dir, Amynt, bedaurt,
Der du mein Leid gekannt, vergebens
Um meine Laura durchgetraurt.

Du kanntest sie, Amynt! Von allen unsern Leiden
Warst du Vertrauter, littest mit;
Du sahst die Thräne, die beym Scheiden
Von unsern heissen Wangen glitt.

O Lieber! wenn noch Trost zu finden ist auf Erden,
So tröste sie, bis wir, vereint,
Uns wieder da umarmen werden,
Wo nicht getrennte Liebe weint!
(S. 24-26)
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An den Mond
1771

Blaß, wie verschmähte Liebe, scheint
Zu mir der Mond hernieder.
Ach, bist du kranker Herzen Freund,
So sieh auch, wie mein Auge weint
Und horch auf meine Lieder!

Oft sahest du Elisen schon
In deinem Schimmer wallen;
Sahst sie, der dumpfen Stadt entflohn,
Und hörtest ihres Liedes Ton
Zu dir hinauf erschallen.

Ach, keine Klage mischte sich
In ihre hellen Töne!
Mit heiterm Auge sieht sie dich,
Nie kostet ein Gedank' an mich
Sie eine stille Thräne.

Mitleidig siehst du meine Pein,
Wallst trauriger vorüber;
Hüllst deinen hellen Silberschein
In blasse Thränenwolken ein;
Und alle Welt wird trüber.

O, wenn sie wüßte, daß um mich
Dein klares Auge trauret:
Ihr gutes Herz erweichte sich,
Und - welche Linderung für mich! -
Ich wär von ihr bedauret!
(S. 27-28)
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An die Liebe
1771

Göttinn Liebe, welchen Jüngling du
Dir zum Freund erkohren,
Dem wird jeder Augenblick zur Ruh
Und zur Lust gebohren.
Heiter sieht sein blühendes Gesicht
Jeden Tag entstehen;
Froh sieht er die Sonn' im Purpurlicht
Wieder untergehen.

Alle Vögel singen ihm im Hain
Süsse Melodieen;
Jede Blume wünscht ihm schön zu seyn,
Und für ihn zu blühen.
Jede Rose fühlet süssre Lust,
Die sein Finger pflücket,
Weil mit ihr er die geliebte Brust
Seines Mädchens schmücket.

Süsse Freude trinkt er mit dem Blut
Der Burgunderreben;
Von beglückten Träumen, wenn er ruht,
Ist sein Haupt umgeben.
Sein Erwachen ist ein Uebergang
Zu beglückten Scenen;
Heiter eilt er, unter Lustgesang,
In den Kreis der Schönen. -

Aber, welche Stunden voller Schmerz
Drohn des Jünglings Leben,
Der umsonst sein jugendliches Herz,
Göttinn, dir ergeben!
Ihm verlängert jeder Augenblick
Sich zu bangen Stunden.
Mit den Kinderjahren ist das Glück
Ewig ihm verschwunden.

Thränen fliessen ihm im bangen Traum
Von den blassen Wangen;
Seufzend sieht die Morgensonn' er kaum
Am Olympus prangen.
Hofnungslos sieht er den Winter fliehn,
Und den Schnee verschwinden;
Traurig schleicht er durch den Frühling hin,
Kann ihn nicht empfinden.

Kalten Blicks sieht er die junge Flur
Sich allmählich färben;
Halberstorbne Blumen pflückt er nur,
Wünscht, wie sie, zu sterben.
Jedes Mädchen lockt ihm Thränen ab,
Das dem seinen gleichet;
Jeden Hügel wünscht er sich zum Grab,
Wo er einsam schleichet.

Die geliebte kleine Nachtigall
Singt ihm Grabelieder;
Endlich sinkt er, wie im Sonnenstral
Welke Blumen, nieder.
Seine Seele, die der Liebe Joch
Jahrelang getragen,
Irrt um das geliebte Mädchen noch,
Und zerfleußt in Klagen.

Göttinn Liebe! Will es mein Geschick,
Daß auch ich dir diene,
O, so lächle mir mit holdem Blick!
Geuß in Daphnens Miene
Deine milde Flamme, daß sie mir
Sanft entgegen strale,
Und ich dankbarliche Lieder dir
Jeden Tag bezahle!
(S. 29-32)
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Klagelied eines Bauren
1772

Das ganze Dorf versammelt sich,
Und eilt zum Kirmesreihen;
Es freut sich alles, aber mich
Kann fürder nichts erfreuen.

Denn ach! mein Hannchen fehlet mir;
Nie kann ich sie vergessen;
Ich weiß zu gut, was ich in ihr
Für einen Schaz besessen.

Unschuldig war sie, wie ein Lamm,
That keinem was zu Leide,
Und lebte still und tugendsam
Zu aller Menschen Freude.

Sie hatte Wangen, voll und rund,
Und glätter noch als Pfirschen,
Ein blaues Aug', und einen Mund,
Der röther war als Kirschen.

Man konnte, sah sie einen an,
Die Blicke kaum ertragen,
Und wenn sie lachte, mußte man
Die Augen niederschlagen.

Wie bin ich neulich noch mit ihr
Am Maienfest gesprungen!
Bis an den Abend tanzten wir,
Und schäckerten, und sungen;

Da nahm sie meinen Hut, und wand,
Als ich den Kehraus machte,
Um ihn ein pappelgrünes Band,
Und gab ihn mir, und lachte.

O Gott! wer hätte da gedacht,
Als ich den Engel küßte,
Daß sich so bald die grüne Tracht
In schwarze wandeln müßte? -

Nun darfst du, liebes Band, um mich
Nicht mehr im Winde rauschen;
Herunternehmen muß ich dich,
Und gegen Flor vertauschen!

Den Gottesacker will ich mir
Zum liebsten Platz erwählen,
Und jeden Abend mich zu dir,
Du liebes Hannchen! stehlen;

Will da dein Grab mit Majoran
Und Maaßlieb übersäen;
Ein schwarzes Kreuz, und Reime dran,
Soll in der Mitte stehen;

Ein Todtenkranz soll an der Wand
In unsrer Kirche prangen,
Und unten dran das grüne Band
Zum Angedenken hangen;

In jeder Predigt siz' ich dann
Dem Kranze gegenüber,
Seh ihn mit nassen Augen an,
Und härme mich darüber:

Bis endlich, wenn es Gott gefällt,
Mein Stündlein auch erscheinet,
Und in der schönen Himmelswelt
Auf ewig uns vereinet.
(S. 33-36)
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Damötens Klagen
Im Oktober 1772

O, wie lacht der Lenz auf allen Hügeln!
Welch ein süsser Maienblumenduft
Hebt sich auf der Weste leisen Flügeln,
Und durchwürzet rings umher die Luft!

Alle Blumen, die des Maien harrten,
Heben sich aus jungem Gras empor;
Wie ein zauberischer Blumengarten
Steht die Flur in tausendfachem Flor.

Sammelten die Vögelchen sich alle,
Diesen Tag zu feyern? Sangen sie
Je in solchem wonniglichen Schalle
Ihre süsse Zaubermelodie?

Freude jauchzt aus blühenden Gesträuchen,
Wo das Laub in Netze sich verflicht;
Jeder Gram muß aus der Seele weichen;
Nur aus meiner Seele weicht er nicht.

Götter, ach! wenn keine Phillis wäre,
O, so mischte sich mein Jubel auch
In der Schöpfung laute Freudenchöre
Und durchwirbelte den Blumenhauch!

Aber, ach! Ihr schuft zu meinem Leiden
Phillis, die mit Schwur und Treue spielt,
Und der reinen Liebe Götterfreuden
Nie in ihrer falschen Brust gefühlt.

Zwar lacht Lieb' aus allen ihren Zügen:
Unschuld wohnt im blühenden Gesicht;
Aber nur, mich Armen zu betrügen;
Ach, in ihrem Herzen wohnt sie nicht. -

Als sie mich an ihren Busen drückte,
Liebe mir und stete Treue schwur;
Ueber Erd' und Sterne mich entzückte,
Damals lachte, so wie jezt, die Flur.

Liebesgötter scherzten um das Mädchen,
Maienblumen blühten überall;
Zephyr deckte sie mit Rosenblättchen;
Brautgesänge sang die Nachtigall.

Götter, welch ein Leben! Taumelnd flogen
Ueber uns die goldnen Stunden hin;
Tausend Küsse wurden eingesogen
Von dem Rosenmund der Zauberinn.

Aber jene Nacht! - Schon harrt' ich lange
Der Geliebten; Und Diana hieng
Traurig zwischen Wolken, sah mich bange,
Als ich nach des Mädchens Hütte gieng.

Und sie lag dem Frevler in den Armen!
Und Diana sah vom Himmel her,
Fühlte sanftes Mitleid und Erbarmen,
Und verschwand, und leuchtete nicht mehr!

O vernichtet, Götter, diese Stunde,
Und den Frevler, und die Dirn', und mich! -
Wann, o wann verblutet sich die Wunde?
Wann vergess' ich, o du Falsche, dich? -

Ha! Da wandeln Wetterwolken! Götter,
Sendet Tod aus ihnen mir herab!
O, wär' Euer Donner mein Erretter!
Und begrüb' er mich ins öde Grab!
(S. 53-56)
_____



Der verliebte Schäfer an sein Liebchen
Nach einer altenglischen Ballade
Im November 1772

Komm, sey mein Liebchen! Schenke mir
Dein Herzchen! Dann geniessen wir
Die Freuden alle ungestört,
Die Berg und Thal und Hain gewährt.

Dann sitzen wir am Wasserfall,
Und hören süssen Vögelschall,
Und sehn vom Hügel her in Ruh
Den Hirten und den Heerden zu.

Auf weichem Moose liegen wir,
Und Blumenkränze wind' ich dir,
Und flechte für der Sonne Stich
Von Geisblatt eine Laub' um dich.

Die feinste Wolle, glatt und schön,
Raub' ich den weissen Lämmerchen,
Und webe dir ein weiches Kleid
Zur Wärmung auf die Winterzeit.

Mit Bändern schmück ich deinen Stab,
Und lös' am Felsen Muscheln ab,
Und zier' in unserm kleinen Haus
Die Wände mit Corallen aus.

An beyden Seiten vor der Thür
Wink' eine Rebenranke dir,
Und noch viel andres! Rührt es dich,
So komm, mein Liebchen, wähle mich!

Dann kommen alle Morgen früh
Die Schäfer; Singend wecken sie
Aus angenehmen Träumen dich.
O komm, mein Liebchen, wähle mich!
(S. 60-61)
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An ein Rosenknöspchen
1772

Rosenknöspchen, schön bist du,
Hauchest milde, süsse Düfte
Durch die kühlen Abendlüfte
Mir auf Zephyrs Fittig zu.

Gerne würd' ich, um mit dir
Meinen Sommerhut zu schmücken,
Dich vom vollen Strauche pflücken;
Denn gefällig winkst du mir.

Doch, ich lieb'. Und den, der liebt,
Können Rosen ihn entzücken?
Alles traurt in seinen Blicken;
Alles ist mit ihm betrübt.

Aber, wenn dich Daphne pflückt,
Sag, o Röschen, dann der Schönen,
Daß ich dich mit stillen Thränen,
Und mit Seufzern angeblickt!
(S. 66-67)
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An Elisen, um Mitternacht
1772

Die Schöpfung schlummert um mich her
Es wacht kein sterblich Auge mehr,
Als meines nur, Elise!
Dein holdes Bildnis schwebt um mich,
Und Nacht und Dunkel wandelt sich
Vor mir zum Paradiese.

Froh denk' ich dem vergangnen Tag,
Und all den tausend Freuden nach,
Die du an ihm mir machtest;
Dem Handdruck, den du mir erlaubt,
Den Küssen, die ich dir geraubt,
Und wie du süß mir lachtest.

Sonst wacht' ich auch, in tiefer Pein,
Bis in die Mitternacht hinein,
Weil Doris mich verschmähte,
Die, schön wie du, doch spröd und hart,
Erweicht durch keine Seufzer ward,
Und Pfauen gleich, sich blähte.

O wohl mir, daß ich dich erblickt!
Sie war, mit allem Reiz geschmückt,
Ein Puppchen ohne Leben.
Doch das, was dich zum Engel macht,
Ein Auge, das voll Liebe lacht,
Das war ihr nicht gegeben.
(S. 73-74)
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An den West
1772

Bald wirst du, junger West, nicht mehr,
Die Wangen mir zu kühlen,
Am stillen Abend um mich her
Mit leisem Fittig spielen.
Ich liebte Daphnen; Mein Geschick
War, einsam mich zu quälen,
Und, was mein Herz empfand, dem Blick
Des Mädchens zu verhehlen.

Nicht Gold und Silber schmückten mich,
Doch Redlichkeit im Busen,
Ein Herz, das nie von Tugend wich,
Und eure Gunst, ihr Musen!
Zu wenig, ach! für diese Welt,
Um Liebe zu erlangen!
Denn euren Blick, ihr Mädchen, hält
Nur Aussenglanz gefangen!

Zwar dich, o Daphne, nicht! Doch giebt
Ein Vater dir Gesetze,
Der deine Ruhe minder liebt,
Als Unverdienst und Schätze.
Oft sah mein Auge seitwärts hin
Nach dem geliebten deinen,
Da sah ich Zärtlichkeit darinn,
Und dich verstohlen weinen.

O Daphne, laß nur Einmal noch
Mich den Gedanken denken:
Du würdest, frey von Zwangesjoch,
Mir deine Seele schenken!
Bald wird mir der Gedank' allein
Den Todestrank versüßen,
Und einen Tropfen Trost darein,
Wann ich ihn trinke, gießen.

Dann soll mich hier, wo schon, der Wuth
Des Mißgeschicks entrissen,
Ein Liebling meiner Seele ruht,
Ein Grab mit ihm verschliessen.
Laß deinen leisen Fittig dann,
O Zephyr, sanfter wehen,
Und Tausendschön und Thymian
Auf meinem Grab entstehen!

Ich sang, ihr Blümchen, eure Zier
Hienieden mit Entzücken,
Und gern, und dankbar werdet ihr
Des Dichters Hügel schmücken!
Oft wird mein Damon stumm und bleich
Sich auf den Hügel setzen,
Und mit der Wehmuth Thränen euch
Im Mondenschein benetzen.

Vielleicht kömmt dann auch Daphne her,
Die mich im Stillen liebte,
Und klagt der öden Flur umher,
Wie sie mein Tod betrübte.
Sie drückt vielleicht, mit bangem Schmerz
Und wehmuthsvollen Tönen,
Euch an ihr unbescholtnes Herz,
Und netzet euch mit Thränen.

Gelinder flattre dann, o West,
Die Wang' ihr zu erfrischen,
Und Thränen, die der Gram erpreßt,
Ihr vom Gesicht zu wischen!
Ich aber singe dann aus dir,
Geliebte Philomele,
Und giesse milde Tröstung ihr
In die betrübte Seele.
(S. 78-82)
_____



An ein paar Ringeltäubchen
1772

Flattert näher, liebe Ringeltäubchen!
Komm mit deinem sanften, holden Weibchen,
Frommer Tauber, tiefer in den Hain!
Hier in diesen grünen Finsternissen
Könnt ihr ungestört einander küssen,
Und euch ganz der süssen Liebe weihn.

Friedlich soll die Pappel euch bewirthen;
Fürchtet nicht den frommen Lämmerhirten,
Den, wie euch, ein sanfter Trieb erfüllt!
Könnt' ich Lieb' und Zärtlichkeit verletzen?
Ich gehorche Cypriens Gesetzen;
Und wer ihr gehorcht, ist sanft und mild.

Sammelt zarte Myrtenreiser, bauet
Auf der Pappel euer Nest, vertrauet
Eure weissen Eyerchen ihm an!
An der Unschuld sichern Ruheplätzen
Soll kein wilder Habicht euch verletzen;
Euren Jungen sich kein Sperber nahn.

Still ist dieses Wäldchen; Ruhe wohnet
Rings umher; die sanfte Unschuld thronet
Hier am liebsten. Eine Schäferinn,
Die an Liebreiz eurer Göttinn gleichet,
Daphne mit den blauen Augen, schleichet
Oft in dieser Pappel Schatten hin.

Und der Friede wallt auf allen Wegen
Der geliebten Schäferinn entgegen;
Unschuld folget ihren Schritten nach;
Zephyr weht durchs junge Laub gelinder;
Laute Wasserfälle brausen minder,
Und das Lied der Nachtigall wird wach.

Wenn ihr euch auf schlanken Aesten wieget,
Und sie hier auf jungen Blumen lieget,
Dann beginnt der Küsse süsses Spiel!
Weckt in ihrem jugendlichen Herzen
Unbekannte Seufzer, süsse Schmerzen,
Und der Sehnsucht zärtliches Gefühl!

Seufzer werden ihren Busen heben,
Thränen über ihre Wangen beben,
Liebe wird im blauen Auge glühn;
Dann will ich mich sittsam zu ihr stehlen;
Zum Geliebten wird sie mich erwählen,
Und mit mir in Eine Hütte ziehn.

Kommt dann, Täubchen, wenn der Herbst entfliehet,
Und der Winter unsre Flur beziehet,
Vor die Hütte! Bis er wieder flieht,
Will ich euch die besten Körner streuen;
O wie wird sich meine Daphne freuen,
Wenn sie ihre Täubchen wieder sieht!

Hat euch meine Bitte schon gerühret?
Seht! von Lieb' und Mitleid hergeführet,
Fliegt ihr schon der kühlen Pappel zu.
O, wie pocht mein Herz in stärkern Schlägen!
Tausend Freuden lachen mir entgegen,
Hofnung, Hofnung! o wie süß bist du!
(S. 83-86)
_____



Die Geliebte
1772

Voll edler Einfalt lächl', o Natur! wie du,
Mir einst das Mädchen, das sich mein Herz erkießt!
Sanft sey ihr himmelblaues Auge!
Sittsamkeit wohne darinn, und Unschuld!

Nicht Flittergold und Puppentand liebe sie,
Den, mit dem Keim des Lasters, Lutetien
Zuerst dem teutschen Mädchen sandte,
Eh es der Unschuld Gewand verschmähte!

Zu groß, dem schnöden Schmeichler ihr Ohr zu leihn,
Gefall' ihr mehr des Jünglings beredter Blick,
Der ihr in Herzensvoller Sprache
Liebe gesteht, und um Liebe schmachtet!

Um schaalen Scherz, und glühenden Wechseltanz
Verlasse niemals sie den belebten Hain,
Wo Nachtigallen im Gebüsche
Gott und den düftenden Frühling preisen!

Im Stillen übe, wenigen nur bekannt,
Sie sich in jeder weiblichen Tugend! Dann
Erschall ein keusches Lied am Abend
Lieblich ins Silbergetön der Laute!

Ist dieß, o Daphne, nicht dein geliebtes Bild?
Ja! dieses sagt mein klopfender Busen mir.
Du aber siehst mich an, und sinkest
Hin an die Brust des geliebtern Jünglings!
(S. 87-89)
_____



An die Sonne
1772

O liebe Sonne, sey gegrüßt!
Wir haben lange dich vermißt.
Am Himmel hiengen Wolken nur,
Und traurig war die ganze Flur.

Die Vögel trillerten nicht mehr
Ihr Morgenliedchen um mich her;
Und alle Blümchen in dem Thal
Vermißten deinen Lebensstral.

Und meiner Doris Auge war
Nur halb so seelenvoll und klar;
Und wenn sie lachte, lachte sie
Mir nur mit vieler, saurer Müh.

Nun aber, Sonne, lachest du;
Und jeder Vogel singt dir zu;
Und jedes Blümchen hebt sich auf,
Und sieht vergnügt zu dir hinauf.

Und ungezwungen süß und frey
Lacht meine Doris mir aufs neu.
O liebe Sonne, lachtest du
Uns immer doch so freundlich zu!
(S. 90-91)
_____



Einladung in die Laube
An Damon
1772

Zu kurz ist dieses Leben, um zu klagen,
Und viel der Freuden sind noch ungefühlt;
Drum laß o Freund, uns jeden Gram verjagen,
Der in der Seele wühlt!

Zur Freude sandt' uns die Natur den Lenzen;
Und tausend bunte Maienblumen stehn
Einladend auf der Wiese, sie zu Kränzen
Für unser Haar zu drehn.

Komm in die kühle Nacht der Gartenlaube,
Wo lieblicher Jesmin bey Rosen blüht,
Und feuriger der Saft der rhein'schen Traube
Im Deckelglase glüht!

Manch Rosenblättchen schwimmt, herabgerissen,
Im edeln Wein, und ruft uns warnend zu:
"Eil Jüngling, deine Tage zu geniessen!
Denn sterblich bist auch du."

Um Chloen girrst du, wie die Turteltaube,
Und sendest tausend Sehnsuchtsseufzer ihr;
Sie aber trinkt indeß in meiner Laube
Mit Daphnen und mit mir.

O komm, Verzagter, in beredten Klagen
Ihr deines Herzens tiefverborgne Pein
Mit ofner Brust, und freyer vorzutragen!
Denn kühner macht der Wein;

Und milder auch! Der Liebe sanftes Feuer
Stralt schon aus ihrem blauen Aug'; Es lacht
So freundlich, wie Diana ohne Schleier,
Durch diese Maiennacht.

Komm, was sie lange barg, enthüllt zu sehen,
Ein Herz, das deinem Herzen zugehört!
Denn seine tiefsten Winkel auszuspähen
Hat Bacchus mich gelehrt. -

O, wer beherrscht die Herzen allgemeiner,
Als Vater Bacchus! Solche Blicke thut
Bis tief ins Herz hinab der Weisen keiner,
Wie ich beym Traubenblut.

Da winden sich Gedanken an Gedanken
Gewaltsam aus dem engen Kerker los.
Geheimnisse durchbrechen ihre Schranken,
Und fliehn in Freundes Schoos.
(S. 92-95)
_____



Der Mai
1772

Vögel schlagen
Im Gesträuch;
Fische jagen
Sich im Teich.

Schaafe blöcken
Durch den Klee;
Muthig löcken
Hirsch und Reh.

Flöten klagen
Durch den Hain;
Hirten schlingen
Sich im Reihn.

Was da lebet,
Liebt und lacht,
Und erhebet
Amors Macht.

Aber trübe
Schleicht der Mai,
Sonder Liebe,
Mir vorbey.

Bang und öde
Traurt die Flur;
Denn die Spröde
Denk' ich nur.

Nacht umziehet
Meinen Blick;
Fühllos fliehet
Sie zurück.

Und ich weine
Meine Qual,
Wie die kleine
Nachtigall.

Tief im Schatten,
Spät und früh,
Um den Gatten
Jammert sie.

Ach! gefangen
Folget er
Nicht dem bangen
Rufe mehr!
(S. 96-98)
_____



An die Venus
Nach Horazens 30ster Ode im ersten Buch
O Venus, regina Cnidi Paphique etc. etc.
1772

Madam, die Sie als Königinn
In Paphos residieren,
O könnt' ich Ihren gnäd'gen Sinn
Durch meine Bitte rühren!
Verlassen Sie den goldnen Saal
Im paphischen Pallaste,
O kommen Sie für diesesmal
Bey Cynthien zu Gaste!

Aufs stattlichste wird da geschmaußt,
Da thun die Köche Wunder;
Und aus krystallnen Flaschen braußt
Champagner und Burgunder.
Sie könnten mir, erschienen Sie
Mit Ihren Charitinnen,
Durch Ihren Fürspruch ohne Müh
Des Fräuleins Herz gewinnen.

Beehren Sie mit sanftem Tritt
Die blumigen Gemächer,
Und bringen Ihren Junker mit,
Versehn mit Bog' und Köcher!
Auch Herrn Merkur! Der weiß den Pfiff;
Wenn Sie's ihm nur befehlen,
Wird er durch einen Meistergriff
Des Fräuleins Herz mir stehlen.
(S. 99-100)
_____



Der Traum
1772

Am Himmel blinkte
Der Mond so rein;
Und Liebe winkte
Mich in den Hain.

Durch manche Krümme
Schlich ich gemach
Der leisen Stimme
Des Baches nach.

Der Schimmer schlüpfte
Durchs Buchengrün,
Und gelblich hüpfte
Der Bach dahin.

Auf glatten Kieseln
Rollt' er einher,
Und auf sein Rieseln
Kam Schlummer her.

Ein Traum erquickte
Mich, ach, so süß!
Ich gieng, und blickte
Ins Paradies;

Durchirrte Fluren
Voll Seligkeit,
Sah keine Spuren
Von Gram und Neid;

Gieng, wie ein König,
Voll Stolz einher,
Und dachte wenig
An Mädchen mehr.

Allein geschwinde
Rief aus dem Glück
Mich, o Selinde,
Dein Kuß zurück.

Erwacht ich immer
So wonniglich,
Dann sehnt' ich nimmer
Von hinnen mich.
(S. 105-107)
_____



Der Morgen
1772

Wieder bist du dahin, traurige Mitternacht,
Und der Morgen ergraut! Aber noch senkte sich
Auf mein schmachtendes Auge
Der erquickende Schlummer nicht.

Freyer athmet die Brust, nenn' ich der Dämmerung,
Was dem horchenden Tag nie noch mein Mund entdeckt,
Deinen Namen, o Daphne,
Der wie Silber der Saite tönt.

Ruhig schlummerst du jezt; Engel umschweben dich,
Lispeln leise sich zu, daß du ein Engel bist,
Und vor allen einst glänzest,
Wenn dein Geist sich dem Staub' entschwingt.

Schläfst so ruhig; Denn noch kennst du die Qualen nicht,
Die die Lieb' in das Herz ihrer Vertrauten geußt,
Nicht den Kummer, o Daphne,
Den dein lächelndes Aug' mir schuf.

Wiss', o Mädchen, ihn nie! Trauren will ich allein;
Denn ein grausamer Wahn trennt' uns hienieden doch,
Schlüg' auch lauter dein Busen
Meiner schmachtenden Seele zu. -

Horch! der Lerche Gesang wecket die Dämmerung;
Und ich schweige, bis mich wieder von Westen her
Meiner Qualen Vertraute,
Die verschwiegene Nacht, umfängt.
(S. 108-110)
_____



Abschied von Nais
1772

Weg ist die Hofnung, die so lang
Mir Freuden vorgeheuchelt,
Und, wann ich schon mich ihr entrang,
Mir neue vorgeschmeichelt,

Die oft, o Nais, hin zu dir
Mich Zitternden begleitet,
Und wo ich Dunkel sah, vor mir
Den hellsten Tag verbreitet.

Oft stieg sie, wann ich im Gebeth
Der feyerlichsten Lieder
Vom Himmel mir dein Herz erfleht,
In meine Brust hernieder;

Kam oft, im Morgentraum, mit dir,
Entgegen mir gegangen,
Und streichelte die Thränen mir
Mitleidig von den Wangen.

Doch ach! Vergeblich lachte sie
So schmeichelnd mir entgegen;
Denn Lieb' und Sehnsucht können nie
Dein hartes Herz bewegen.

Wohlan dann! Nimmer sollst du mich,
Und meine Thränen sehen!
Ich flieh', und fliehend soll für dich
Noch meine Seele flehen.
(S. 117-118)
_____



Die Verschwiegenheit
1772

Heimlich nur, doch inniglich
Lieben wir uns beyde;
Denn die Liebe scheuet sich
Weislich vor dem Neide.

Wissen soll die Welt es nie,
Wie wir uns verehren;
Sonst in kurzem würde sie
Unsre Freuden stören.

Nachtigallen nur im Hain
Wählen wir zu Zeugen.
Ueber unser Glück sich freun
Können sie, und - schweigen.
(S. 119)
_____



Der Bauer an sein Röschen
1772

Schon locket der Mai
Die Schwalben herbey,
Und alles ist fröhlich und heiter;
Auf luftigen Höhn
Und Wiesen entstehn
Die lieblichsten Blumen und Kräuter.

Sieh, Röschen, mein Feld
Ist herrlich bestellt;
Schon schiessen die Roggen in Aehren;
Im blühenden Klee,
In sonnichter Höh
Läßt Wachtel und Lerche sich hören!

Sieh, unten am Bach,
Die Schafe gemach
Durch blumichte Gegenden ziehen;
Und, weisser als Pflaum,
Im Garten den Baum
Von unten bis obenan blühen!

Dieß alles ist mein,
Und, Röschen, auch dein,
Sobald wir uns ehlich verbinden;
Dann werden uns schnell,
Wie Perlen im Quell,
Die hüpfenden Tage verschwinden.
(S. 120-121)
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An Selindens Augen
1772

O, wie leuchtest du so klar,
Himmelblaues Augenpaar!
Aber, ach! der Liebe Pein
Gossest du ins Herz hinein.

Wo nur Freude war zuvor,
Locktest Thränen du hervor.
Gib mir, o du süsser Blick,
Meine Freuden mir zurück!

Aber, ach! du wendest dich;
Und mein Auge trübet sich.
Ach, warum, warum so klar,
Himmelblaues Augenpaar?
(S. 124)
_____



Der Eydbruch
1772

Du, Linde, standst im Schatten da,
Als unsrer Liebe Schwur geschah;
Es hüllte sich der Mondenschein
In schwarze Donnerwolken ein.

Zu rächen jeden falschen Schwur,
Rief sie die Schrecken der Natur;
Und Todtendumpf und fürchterlich
Erhub ein Sturm im Wipfel sich.

Und blasse Geister stehen auf,
Und sammeln sich um sie zu Hauf,
Und wollen rächen ihren Eyd,
Durch Trug und Frevelthat entweyht.

O Rache, Rache weile noch!
Ihr Geister, schont, o schonet noch!
Vielleicht führt Reue sie zu mir,
Und Friede, Friede sey mit ihr!
(S. 125-126)
_____



Die Eifersucht
1772

Ich habe sie gesehen!
Sie stand am Rosenbusch mit ihm;
Vertraulich war
Ihr Blick, und Zärtlichkeit darinn.

Da zittert' ich vorüber;
Sie barg sich hinterm Rosenbusch;
Ihr Busen schlug,
Wie er nur Sündern schlagen kann.

O könnt' ich sie vergessen!
Doch an ihr Herz gebunden ist
Das meinige;
Und sie nur riß sich grausam los.

Und Rache? - Ja, beym Himmel;
Der süsseste Gedanke wär's;
Der süsseste!
O wär er edel auch dabey!
(S. 127-128)
_____



Minnelied
An mein Liebchen
1772

Lang im Herzen, süsses Kind!
Hab' ich schweigend dich geminnt.
Aber, o wie konnt ich denken,
Solch ein minnigliches Kind
Würde Gegenschuld mir schenken?

Alles Glückes bist du reich,
Weiblich, zart, und Engeln gleich;
Nie ward schöners noch erblicket.
Keines Glückes bin ich reich,
Und mit keinem Reiz geschmücket.

Einen ganzen Sommer lang
Uebt' ich mich im Minnesang;
Aber kriegt' ich dich zu sehen,
Ach, da wars um Minnesang
Und um mich zugleich geschehen.

Blumen, weiß und roth und blau,
Sucht' ich auf der grünen Au,
Dich mit Kränzen zu gewinnen;
Aber, kamst du auf die Au,
Ach, da war der Muth von hinnen.

Jeden Reigen hielt ich mit,
Lernte künstlich Tanz und Schritt
Nach der Regel abzumessen;
Aber, tanzte Liebchen mit,
Ach, da war die Kunst vergessen.

Nun, o süsses, süsses Glück!
Lacht, o Liebchen, mir dein Blick.
Minne hat dein Herz bezwungen;
Und dein Arm, o süsses Glück!
Hält mich jeden Tag umschlungen.
(S. 129-131)
_____



An die Minne
1772

Minne, wie so wundersam
Kannst du alles machen!
Einem gibst du lauter Gram,
Und dem andern Lachen!
Dem färbst du die Wangen roth,
Und dem andern blaß, wie Tod.

Liebchens Augen lässest du,
Wie die Sonne scheinen;
Meine müssen sonder Ruh
Ihrethalben weinen.
Sie hat immer Maienzeit,
Und ich immer Winterleid.

Laß', o Minne, doch einmal
Kommen meinen Maien,
Und der Sonne holden Stral
Meinen Sinn erfreuen!
Dann sing' ich, nach Vogelweis,
Dir ein Lied zu Lob und Preis!
(S. 132-133)
_____



Noch ein Lied an die Minne
1772

Liebe, süsse Minne, dir
Will ich dienen für und für!
Alles, was mein Herz begehret,
Alles hast du mir gewähret,
Liebchens Auge lächelt mir.

Reinen Engelsinn hat sie;
Wen sie minnt, der trauret nie;
Wer sie Morgens nur erblicket,
Ist den ganzen Tag beglücket;
Und ich sehe täglich sie!

Sittsam ist ihr Aug' und blau,
Wie Violen auf der Au;
Weisser als Narcissen blühet
Ihre Stirn; ihr Mündlein glühet,
Wie die Ros' im Morgenthau.

Gleich dem milden Sonnenschein,
Lacht sie allen, Groß und Klein,
Weiß sie alle zu entzücken:
Aber mit der Minne Blicken
Lacht sie mir, nur mir allein!
(S. 134-135)
_____



Einladung zum Tanz
Ein Minnelied
1772

Kommt, ihr Frauen, auf den Plan,
Der, Euch zu Gefallen,
Sich mit Blumen angethan,
Wo, im kleinen Wald daran,
Vogellieder schallen.

Bunte Blümlein wollen wir
In den Schoos Euch streuen.
Euch zu Kränzen sollet Ihr
Sie, mit jüngferlicher Zier,
Aneinander reihen.

Alles findet ihr bestellt,
Was erfreut die Sinnen;
Und, sobald es Euch gefällt,
Können wir, auf grünem Feld,
Einen Tanz beginnen.

Bis es dämmert auf der Au,
Sind wir beyeinander,
Und dann geht, im kühlen Thau,
Mit der minniglichen Frau
Jeder Freund selbander.
(S. 136-137)
_____



Wohl und Weh
Minnelied
1772

Wohl, und immer wohl dem Mann,
Der sein Liebes sehen kann,
Der, mit wonniglichen Küssen,
Darf in seinen Arm es schliessen!
Wohl, und immer wohl dem Mann,
Der sein Liebes sehen kann!

Aber weh dem armen Mann,
Der nichts Liebes sehen kann!
Der, wie ich, in Minnebanden,
Trauren muß in fremden Landen!
Weh, und immer weh dem Mann,
Der nichts Liebes sehen kann!
(S. 138)
_____



Hofnung an die Minne
1772

O Minne, sieh, ihr Aug ist blau,
Und wie der Himmel offen!
Je länger ich mich drinnen schau,
Je mehr läßt mich die gute Frau
Auf tausend Freuden hoffen.

Es lächelt, sitz' ich manchesmal
Ihr Abends gegenüber,
Bald heller als der Sonnenstral,
Bald wird es wieder auf einmal
Von Thränenwolken trüber.

Dieß, liebe Minne, dank ich dir
Tief aus des Herzens Grunde;
Denn, weinst du jezo gleich aus ihr,
So weiß ich doch, es lächelt mir
Dereinst die schönste Stunde.
(S. 139-140)
_____



Lied eines Mädchens
1772

Seit ich hörte seinen Sang,
Wird es mir ums Herz so bang;
Und die süssen Abendstunden,
Die mir sonst so schnell verschwunden,
Werden mir so lang, so lang!

Ach, der gute, liebe Mann
Sieht mich gar zu trüblich an!
Wenn ich ihn so klagen höre,
Dringt ins Auge mir die Zähre,
Daß ich kaum sie bergen kann.

Neulich gab er mir beym Tanz
Zitternd seinen Blumenkranz.
O, wie halt ich ihn verborgen!
Jeden Abend, jeden Morgen
Tränk' ich noch den lieben Kranz.

Aber, o, wer sagt es mir?
Was geb ich nun ihm dafür?
Könnten Blumen ihn entzücken,
O, die schönsten wollt' ich pflücken.
Aber, ach, wer sagt es mir?
(S. 141-142)
_____



Lied eines Mädchens
Nach Herrn Walther von der Vogelweide
S. Samml. von Minnesingern 1. Th. S. 113
1772

Ein schöner, junger Rittersmann
Schleicht mir den ganzen Tag,
Vom allerfrühsten Morgen an
Bis an den Abend, nach.

Ich aber meid' ihn für und für,
Und flieh ihn überall,
Weil, mit dem Finger drohend, mir
Die Mutter es befahl.

Doch thut es mir im Herzen leid,
Daß ich ihn meiden soll;
Denn sein Gesicht voll Freundlichkeit
Gefällt mir gar zu wohl.

Heut sprach er viel von Angst und Noth,
Zuletzt vom Sterben gar,
Und ward dabey so glühendroth,
Als kaum der Himmel war.

Ich konnt' ihm wahrlich nicht entfliehn;
Denn weinend bat er mich,
Und weinend setzt' ich neben ihn
Aufs Blumenlager mich.

Den Mund, so sehr ich's ihm verbot,
Hat er mir so zerküsst,
Daß er noch jetzo feuerroth
Von seinen Lippen ist.

Die ganze Stätte, wo ich saß,
Deckt' er mit weichem Moos,
Und streute Blumen aus dem Gras
Mir freundlich in den Schoos.

Man sieht, ich fürchte, noch die Spur
Von unsrer Lagerstatt.
O guter Himmel! wenn man nur
Uns nicht belauschet hat!

Doch war kein Mensch im ganzen Thal,
Und ruhig wars im Hain;
Und die geliebte Nachtigall
Wird doch verschwiegen seyn?
(S. 143-145)
_____



Gebeth eines Liebenden
1772

Allliebender! vergieb, daß ich
Mich deines schönen Maien,
Und aller Blumenpracht um mich
Nicht fürder kann erfreuen!

Gern ließ' ich mit der Nachtigall
Dir meinen Preis ertönen;
Ach, aber meines Liedes Schall
Erstickt in bangen Thränen.

Gern wallt' ich Abends auf der Flur
In frohen Freundeschören;
Ach, aber Seufzer würden nur
Der Freundschaft Freuden stören.

Die Liebe, deiner Schöpfung Zier,
Die schönste deiner Gaben,
Hat unheilbare Wunden mir
Tief in die Brust gegraben.

Ach, laß um Daphnens gutes Herz
Mich in der Stille klagen;
Und lehr der Liebe bittern Schmerz
Geduldig mich ertragen!
(S. 146-147)
_____



Das Mädchen an die Nacht
1772

Stille Nacht, o sey gegrüsset!
Du verräthst die Seufzer nicht;
Und die stumme Zähre fliesset
Unverhohlner vom Gesicht.
Hier will ich, im Mondenglanze,
Auf den wehrten Auen gehn,
Wo ich Ihn so oft zum Kranze
Frühlingsblumen sammeln sehn.

Alle Blümchen will ich pflücken,
Die Er mir zurücke ließ;
Will damit den Busen schmücken,
Dem er seine Ruh entriß.
Ach! an seinem Busen blühtet
Ihr, o Blumen, noch so schön!
Aber strenger Wahn verbietet,
Ihm ein Wörtchen zu gestehn.

O du kennst, geliebte Liebe,
Meinen unbescholtnen Sinn;
Kennst die reinen, keuschen Triebe,
Die in diesem Herzen glühn;
Laß Ihn, wenn ich Ihn verdiene,
Wieder hier vorüber gehn!
Und dann laß, in jeder Miene,
Ihn mein stilles Leiden sehn!
(S. 148-149)
_____



Minnepreis
1772

Seht! der Winter ist vergangen;
Anger, Wald, und Haide prangen;
Alles freuet sich darob.
Minne lehrt die Vögel singen;
Minne lehrt die Lämmer springen;
Minne sey mein Preis und Lob!

Minne Lieb' und Leid ertheilet;
Minne wundet, Minne heilet;
Immer trauren läßt sie nie;
Minne läßt zuweilen weinen;
Aber auch die Sonne scheinen;
Immer preisen will ich sie.
(S. 150)
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Frühlingslied
1772

O seht! die liebe Sonne lacht;
Die Wiese kleidet sich in Pracht;
Zerronnen ist der Winterschnee;
Und Blumen dringen aus dem Klee.

Auf blaue Veilchen sammeln sich
Die kleinen Bienen emsiglich;
Der bunte Buttervogel freut
Sich über sein bemaltes Kleid.

Die Lerche schwingt sich hoch empor;
Im Hain erschallt der Vögel Chor;
Vor allen aber tönt der Schall
Der lieben, kleinen Nachtigall.

Von dir, o Liebe! schallt ihr Lied,
Und das geliebte Weibchen flieht
Zum Männchen hin, und inniglich
Schmiegt sie an seine Seite sich.

O hätt' ich, liebe Nachtigall,
Wie du, so reinen, süssen Schall!
Dann käm mein Röschen auch zu mir,
Und freuen könnt ich mich mit dir!
(S. 155-156)
_____



Der Frühling
An Röschen
1772

Siehe, mein Röschen, der Frühling ist da;
Freuden die Fülle sind ferne, sind nah;
Blumen entspringen;
Vögelein singen,
Daß die Gebürg' und die Thäler erklingen.

Laß uns besuchen den seeligen Plan,
Wo wir uns beyde das erstemal sahn!
Blumen entsprangen;
Vögelein sangen,
Daß die Gebürg' und die Thäler erklangen.

Aber ich wandelte traurig einher,
Fühlte die Freuden des Maien nicht mehr,
Blickte danieder;
Blumen und Lieder
Waren dem liebenden Jüngling zuwider.

Bis du mein einsames Klagen gehört,
Und mir die Thränen in Lachen verkehrt.
Jezo erfreuen
Wieder von neuen
Mich die gesegneten Tage des Maien.
(S. 157-158)
_____



Amynt bey einer Schlittenfahrt
1772

Ach, ich sah es, wie Ihr Schlitten
Windeschnell vorbeygeglitten.
In dem ganzen, langen Reihn
Sah ich Ihren nur allein!

Von den Silberglöckchen allen
Hört' allein ich Ihre schallen;
Aber trauervoll und bang
Tönte mir ihr Silberklang.

Dieses Herz, das ich besessen,
Wird es meiner nicht vergessen?
Sah Sie Ihrem Führer nicht
Ach, so freundlich ins Gesicht?

O ihr schneebedeckten Höhen,
Wo ich Sie zuerst gesehen,
Stimmt in meinen Klageton!
Sie vergaß Amyntens schon!

In dem Schnee auf diesen Auen
Soll man Ihren Namen schauen!
Unter tiefer Herzenspein
Grab' ich hundertmal ihn ein.

Aber bald wird er vergehen!
Winde werden ihn verwehen!
Ach, so schwand aus Ihrem Sinn
Auch mein Angedenken hin!
(S. 162-163)
_____



An Philaiden
1772

Süsser, als in Frühlingslüften
Philomelens Lied erschallt,
Wenn, umweht von Blumendüften,
Durch die Flur ein Mädchen wallt;

Süsser, als der Klang der Quelle,
Die durch Wiesenthäler fließt,
Und mit jeder Silberwelle
Jugendliche Veilchen küßt;

Süsser, anmuthsvoller töne
Dreymal glücklicher Gesang!
Denn die beste, frömmste Schöne
Horcht auf deinen Silberklang.

Aber, kann sie Klage hören,
Sie, die alles lächeln macht?
Liebt ein Auge bange Zähren,
Das so sonnenheiter lacht?

Die du ehmals frohe Lieder,
Göttinn Freude, mich gelehrt,
Blick auf den Verlaßnen wieder,
Daß dich Philaide hört!

Doch von meinen Thränen wendest
Du dein lächelndes Gesicht;
Ach, und mir Verbannten sendest
Du der Ruhe Balsam nicht, -

Philaide! Dunkel hüllet
Sich um meine Seele her;
Und der Schwermuth Seufzer stillet
Keines Freundes Stimme mehr.

Ausersehen nur zur Klage,
Hat in dieses öde Land
Mich der traurigste der Tage
Unter Thoren hingebannt!

Wo aus liebevollen Tönen
Schmeichelnde Verstellung spricht,
Und ein Chor verbuhlter Schönen
Netze für die Unschuld flicht;

Wo man, statt der alten Sitte,
Feine Frauenlüge preißt,
Und die Einfalt in die Hütte
Des verhöhnten Dörfers weißt;

Wo auf geile Buhlgesänge
Die geschminkte Dirne lauscht,
Und um schimmerndes Gepränge
Der Natur Gewand vertauscht.

O bedaur in diesen Leiden,
Philaide, deinen Freund,
Der vergeblich nach den Freuden
Jener Zeit zurücke weint;

Da aus treuen Freundesblicken
Liebe mir entgegen floß,
Und mit himmlischem Entzücken
Sich ins ofne Herz ergoß.

Stiege bald der Tag hernieder,
Der, mit Sonnenglanz geziert,
Mich an ihren Busen wieder
Weg aus dieser Wüste führt!

Lächeln käm', o Philaide,
Dann in meinen trüben Blick,
Und der lang erflehte Friede
Wieder in mein Herz zurück.
(S. 164-167)
_____



Abschied
1772

Stolz auf mein Vaterland und mich,
Veracht' ich, stolzes Mädchen, dich!
Zwar zärtlich ist ein deutscher Mann,
Doch Keinem sklavisch unterthan.

Ich hab' ein gutes Herz, und kam,
Und both mich dir zum Bräutigam;
Du aber lachtest ungescheut
Der deutschen Offenherzigkeit;

Und wolltest, wie dir vor geschehn,
Mich tief im Staube schmeicheln sehn.
Ha! glaube, Mädchen: Schmeicheley
Ist deutschen Seelen Sklaverey!

Drum lebe wohl, und spotte nicht,
Wenn mir das Herz beym Scheiden bricht!
Du wärest deines Landes Zier,
Schlüg' auch ein deutsches Herz in dir!
(S. 168-169)
_____



Antwort
(Von einem, dem Verfasser unbekannten Frauenzimmer)

Zu stolz auf Vaterland und dich,
Verachtest du, o Jüngling, mich!
Mich deutsches Mädchen? Wisse dann,
Daß es dich liebt, und lassen kann!

Geh, such ein leichtes, falsches Herz!
Und ich verberge Lieb' und Schmerz;
Ich lache, fürcht' und flieh' den Mann,
Der nicht den Guten schmeicheln kann.

Wie du, veracht' ich Sklaverey,
Und Goldesdurst und Buhlerey,
Und spotte deß, der schmeichelnd trügt,
Sich falsch im Staub' ein Herz erlügt.

Doch (weh, mein Herz!) den wähl' ich nicht,
Der Herrschergunst, nicht Liebe spricht.
Leb wohl! Du siehst beym Scheiden hier,
Es schlag' ein deutsches Herz in mir.
(S. 170-171)
_____



Antwort des Verfassers auf das Vorige
1774

Ha! Thränen mir im Angesicht?
O Gott, dieß Glück verdien' ich nicht!
Verworfen müss' er seyn der Mann,
Der solch ein Mädchen kränken kann!

Wie Engel gut, und groß wie sie,
Hub spröder Stolz die Seel' ihr nie;
Unedler Buhler Schmeicheley
War ihrem Herzen Sklaverey.

Und, oh, von Höllenwuth entbrannt,
Hab' ich, o Edle, dich verkannt,
Und hielt, von stolzem Wahn bethört,
Dich keines deutschen Herzens werth!

Nun wünschest du, o Reu und Schmerz!
Zu wählen mir ein falsches Herz!
Ach, wallt noch deutsches Blut in dir,
So nimm, o nimm den Fluch von mir!
(S. 172-173)
_____



Der Morgen
1772

Warum sollt' ich mich nicht freun?
Nenn' ich doch mein Röschen mein!
Kirr ist sie, wie Turteltäubchen,
Sanft, wie Nachtigallenweibchen.
Warum sollt' ich mich nicht freun?
Nenn' ich doch mein Röschen mein!

Brich, o Sonne, brich hervor
Durch der Morgenröthe Flor!
Wann du wirst am Himmel prangen,
Will sie mich im Hain empfangen.
Brich, o Sonne, brich hervor
Durch der Morgenröthe Flor!

Düftet, Blümchen, düftet süß!
Werd', o Flur, ein Paradies!
Ueberall, wo Engel gehen,
Müssen Paradies' entstehen.
Düftet, Blümchen, düftet süß!
Werd', o Flur, ein Paradies!

Ach, sie kömmt! o welch ein Glück!
Mir entgegen lacht ihr Blick!
Laßt ihr, liebe Nachtigallen,
Euren Morgengruß erschallen!
Ach, sie kömmt! o welch ein Glück!
Mir entgegen lacht ihr Blick!
(S. 174-175)
_____



An meine künftige Geliebte
1772

O du, das ganz mein Herz erfüllt,
Geliebtes, süsses Schattenbild!
O Mädchen, das einst Harm und Wohl
Mit mir auf Erden theilen soll!

Im Staube nieder werf' ich mich,
Und fleh' zu Gott empor für dich,
Daß Er dein Herz mir rein und zart,
Und fromm und edel aufbewahrt.

Daß Flitterstaat, und Prunk und Geld
Nie deinen Geist gefangen hält;
Kein Buhlersang dein Herz empört;
Noch Schmeichelrede dich bethört.

Dein Engel führ' oft dich allein
Am stillen Abend in den Hain,
Und zeige dir auf jeder Flur
Den guten Schöpfer der Natur!

Nimm, wie der Mittler einst gethan,
Dich jedes armen Bruders an;
Wisch' ihm die Thräne vom Gesicht!
Doch meide, selbst zu weinen, nicht!

Ein Mädchen, gut und rein wie du,
Eil' deinem Arm, als Freundinn, zu;
Dann komme Lieb', und winke dir,
Und schenke deine Seele mir!
(S. 176-177)
_____



Bauernlied
1772

Wie bin ich sonst so sorgenfrey
Durchs Leben hingeschlendert!
Nun fühl' ich seit dem ersten Mai
Mich ganz und gar verändert.

Dieß, böses Röschen, kömmt von dir;
Ich kann dir's nicht verhehlen;
Mein armes Herz muß für und für
Sich deinethalben quälen.

Denn ach! du tanztest gar zu fein,
Als du den Reihen führtest,
Und, gleich dem lieben Sonnenschein,
Den Blumenanger ziertest.

Die Dirnen sahn dich, wie der Wind,
Durch ihre Reihen schlüpfen;
Und keine konnte so geschwind,
Wie du, vorüber hüpfen.

Noch immer, immer muß ich dich
Vor meinen Augen sehen;
Ach, gutes Röschen, liebe mich!
Sonst ist's um mich geschehen.
(S. 178-179)
_____



Im Rosenmond
1772

Die Rosen sind kommen,
In lieblicher Zier;
Doch wollen sie mir
Ach, ohne mein Liebchen nicht frommen!

In vorigen Zeiten,
Da freut' ich mich auch!
Da saß ich am Strauch
Dem blühenden Mädchen zur Seiten!

Nun aber, ach, gehet
Sie ferne von hier,
Ach, ferne von mir,
Von glücklichern Düften umwehet!

O Liebchen, du schickest
Zuweilen mir doch
Ein Seufzerchen noch,
Indem du ein Röschen erblickest?
(S. 185-186)
_____



Die Reue an Dortchen
1772

Mit Thränen, Dortchen, denk' ich mir
Die längstverlebten Stunden,
Da treue Zärtlichkeit mit dir
Mein junges Herz verbunden.

Im weichen Grase lag ich oft,
Von Buchen überrauschet,
Und sang, und sah mich unverhofft,
O Glück! von dir belauschet;

Und drückte feurig dich an's Herz,
Das dir entgegen strebte,
Bis dort am Walde niederwärts
Die goldne Sonne bebte.

Wie seelig priesen wir uns da!
Wär' auch ein Fürst gekommen,
Mit Kron', und Reich, und Szepter, ha!
Wir hätten's nicht genommen.

Für unsern Liebetrunknen Sinn
War all sein Glück zu wenig.
Du warest meine Königinn,
Ich, Dortchen, war dein König.

Bis, von Verläumdung angefacht,
Mich Eifersucht entbrannte,
Und seelennagender Verdacht
Aus deinem Arm mich bannte.

O Stunde, da ihr Taumelwein
Mich Rasenden bethörte!
Und ich auf deine Schmeicheleyn,
Unschuldige! nicht hörte!

Vergib, o Mädchen, kannst du noch
Dem Irrenden vergeben!
Wo nicht, so brich, o Tod, dieß Joch,
Und ende solch ein Leben!
(S. 187-189)
_____



Erinnerung an Elisen
1772

Einsam bin ich, meine Liebe!
Denke dein, und härme mich.
Ach, wie ist die Welt mir trübe,
Wie so leer mir ohne dich!
Hier, wo keine Seele lauschet,
Klag' ich mit der Nachtigall,
Und in meine Klage rauschet
Trauriger der Wasserfall.

Von verschränkten Buchen nieder
Girrt der Tauber seine Pein;
Amseln mischen ihre Lieder
Auf dem Tannenbaum darein;
Grillen zirpen aus dem Moose,
Das mir keine Blum' erzieht,
Als die kleine, zarte Rose,
Die in blasser Röthe blüht.

Ach, Elisens süsses Bildniß,
Diese Thräne wein' ich dir!
Sey, in dieser stillen Wildniß,
Sey ein Bild Elisens mir!
So, auf ferner Flur, verlassen,
Härmt im Stillen sie sich ab;
So, wie deine Blätter, blassen
Ihre zarten Wangen ab.

O! ich sehe sie, und düster
Ist ihr holdes Angesicht;
In das leise Haingeflüster -
Mischt sich ihre Stimme nicht;
Alles mahnet sie des Glückes,
Das uns hier vorüberschwand;
Alles sie des Mißgeschickes,
Das von ihr mich weggebannt.

Tröste dich! Ein Tag vereinet
Bald auf ewig mich mit dir.
Dann, o meine Liebe, weinet
Nur der Liebe Glück aus mir!
Schöner, wie, nach Maienregen,
Dir die Blumenwiese lacht,
Blickt uns dann der Tag entgegen,
Der uns ewig glücklich macht!
(S. 190-192)
_____



Vergleichung an Daphnen
1772

Als ich dich zum erstenmal sah,
Fühlt' ich tausend Wonne;
Wie die Blumenknospe stand ich da
In der Morgensonne.

Aber ach, die süsse Freude floh;
Bald empfand ich Qualen;
Zarte Wiesenblümchen welken so
In den Mittagsstralen.

Sterben werd' ich, wenn nicht dein Gesicht
Gegenhuld mir lächelt,
Wie das Blümchen, wenn ihm Zephyr nicht
Milde Kühlung fächelt.

Auf ein sterbend Röschen sah ich dich
Jüngst mit Thränen sehen;
Bestes Mädchen, und du liessest mich
Ohne Trost vergehen?
(S. 193)
_____



Bey Nacht
1773

Willkommen, frohe Nacht, die du
Den schönsten Tag vollendest,
Und der Erinnrung süsse Ruh
Nach Taumelfreuden sendest!

Wisch' aller Augen Thränen ab,
Die noch im Dunkel fliessen!
Laß jedes Glück, das mich umgab,
Mich noch einmal geniessen!

Ihr Augen, die ihr heller mir,
Als diese Sterne lachtet,
Die ich mit süsserer Begier,
Als diesen Mond betrachtet!

Die ihr, wie dieser Silberschein,
Ihr Freuden, mich umwalltet!
Ihr Lieder, die ihr süß und rein,
Wie Abendflöten, schalltet!

Du reine Seele, die du mich
Durch Engelskuß beglücktest,
Und mehr, wie diese Stille, mich
Zu Gott hinauf entzücktest!

Komm, meine Liebe, senke dich
Zu mir im Traum' hernieder!
Komm, süsse Liebe, küsse mich
So süß noch einmal wieder!

Ach Gott! Sie schlummert; Laß sie ganz
Dein Wohlgefallen fühlen!
Laß es, wie Morgenwolkenglanz,
Um ihre Seele spielen!

Singt, Engel, den Gesang ihr vor,
Der ihr dereinst erschallet,
Wann, frey, ihr Geist zu Gott empor,
Gleich Opferflammen, wallet!

Zeigt mich in frommen Träumen ihr,
Wie ich hier, dankend, knie,
Daß immer ihre Seele mir
In reiner Liebe glühe!
(S. 201-203)
_____



Die Untreue
1773

Schwing dich auf, mein Geist, und freue
Wieder deines Lebens dich!
Sieh, die Schöpfung lacht aufs neue;
Berg und Thal verschönen sich.

Aber ach, um mich ist's trübe;
Winter trauret um mich her.
Deine Qual, o falsche Liebe,
Gönnt mir keine Freuden mehr.

Alle raubte mir Themire,
Die ich, ach! so sehr geliebt;
Die nun, trotz der höchsten Schwüre,
Hand und Herz Damöten gibt.

Wandl', o Falsche, zum Altare!
Blumen blühn zu Kränzen dir.
Mir erwachsen sie zur Baare;
Und Verzweiflung pflückt sie mir.
(S. 214)
_____



Das mitleidige Mädchen
1773

Der fromme Damon dauert mich
Von ganzem Herzen;
Voll innern Harms verzehrt er sich
In Liebesschmerzen.
Wie Sommerrosen welkt er hin:
Doch weinen kann ich nur um ihn.

Er schwankt des Tages zehenmal
Mein Haus vorüber;
Und immer wird bey seiner Qual
Mein Auge trüber.
Ich blicke traurig nach ihm hin:
Doch weinen kann ich nur um ihn.

Ach dir, Amyntas, schlägt allein
Dieß Herz im Stillen;
Du nur kannst seine süsse Pein
Durch Liebe stillen!
O Liebe, lenke du sein Herz,
Und lindr', o lindre Damons Schmerz!
(S. 216-217)
_____



Der verliebte Bauer
1772

Ich bin so traurig, bin so still!
Mein ganzer Muth ist hin!
Denn ach! die kleine Fieke will
Mir nimmer aus dem Sinn.

Bald pfeif' ich was, bald sing' ich was,
Und meyn' es doch nicht so;
Ich mache bey den Bauren Spaß,
Und bin doch nimmer froh.

Es ist ein Leben voller Qual,
Wenn man sich so vergafft,
Und sich doch nicht ein einzigmal
Durch Reden Lust verschafft!

Ich wollt' es ihr so oft gestehn,
Und hab's noch nie gethan.
Mir ist, als müßt' ich gleich vergehn,
Seh' ich sie darum an.

Ich härme sichtbarlich mich ab;
Doch Fieke sieht's, und lacht!
Und senkte mich der Harm in's Grab,
Sie hätt' es wenig Acht!
(S. 218-219)
_____



Abends in der Laube
1773

Der Abend wallt, mit süsser Ruh,
Von Thaugewölken nieder;
Die bunte Tulpe schließt sich zu;
Der Hain vergißt der Lieder.
Nur von beglückter Liebe singt
Noch meine Philomele;
Und ach, ein Sehnsuchtsseufzer dringt
Mir schmachtend aus der Seele.

O komm, Elise, laß mit ihr
Des Abends uns geniessen!
Komm, von der warmen Lippe mir
Den Seufzer wegzuküssen!
Horch, ihre Silberstimme schallt
In hellern Doppelschlägen;
Und Nachtviolenbalsam wallt
Dir lieblicher entgegen.

O du, ihr Engel, leite sie,
Voll ahnender Gefühle,
Am Arme süsser Sympathie,
In diese Maienkühle!
Daß, wie der Mond aus Wolken hier,
Sie mir im Dunkel lache,
Und diese Rosenlaube mir
Zum Paradiese mache!
(S. 220-221)
_____



Trauerlied
1773

Kühles Grab, o nähmest du
Mich in deine stille Ruh!
Denn die Liebevolle, Reine,
Ließ mich auf der Welt alleine.
Kühles Grab, o nähmest du
Mich in deine stille Ruh.

Ach, ich sehe rings umher;
Aber sie ist nirgends mehr!
Jedes Plätzchen dieser Wiese
Mahnet deiner mich, Elise!
Ach, ich sehe rings umher;
Aber du bist nirgends mehr!

Engel! hier am Blumenrein
Sassen wir so oft allein;
Konnten nichts vor Freuden sagen,
Nur die Augen niederschlagen.
Engel! hier am Blumenrein
Sassen wir so oft allein.

Unser ganzes Hab und Gut
War ein keuscher, froher Muth.
Diese kleine Blumenwiese
Schufst du mir zum Paradiese.
Aber, ach! ein Paradies,
Wo mein Engel mich verließ!
(S. 222-223)
_____



Jünglingswahl
1773

Wer immer nur von Liebe spricht,
Den, meine Seele, wähle nicht!
Die Lieb aus reinem Herzensgrund
Thut selten sich durch Worte kund.

Wer immer meine Reize preißt,
Den Jüngling wähle nicht, mein Geist!
Wer sie im Stillen, schweigend, ehrt,
Nur der ist meines Herzens werth.

Wer immer scherzt, und immer lacht,
Der fühlte nie der Liebe Macht.
Im immerlachenden Gesicht
Wohnst du, geliebte Liebe, nicht.

Du zeigest deine sanfte Spur
In schmachtenden Gebährden nur;
Du wohnst im duldenden Gesicht,
Das mehr, als alle Sprache, spricht.
(S. 224)
_____



An Lieschen
Ein Bauernlied
1773

Liebes Lieschen, laß mich doch
Nur ein wenig klagen!
Eile nicht, ich habe noch
Vieles dir zu sagen.

Seit der Erndte bin ich dir
Täglich nachgeschlichen;
Aber listig bist du mir
Immer ausgewichen.

Sieh, ich bin dir gut, und du
Hältst mich immer schlechter;
Ja, ich werde noch dazu
Allen zum Gelächter.

Weist du noch? Am Erndtetanz
Sprangest du so munter,
Und da fiel der Blumenkranz
Dir vom Kopf herunter.

Husch! da griff ich eilends zu,
Dachte voll Entzücken,
Für die Mühe würdest du
Dankbarlich mir nicken.

Losgegangen war ein Band,
Das ergriff ich sachte,
Bis ichs mit der Einen Hand
In die Ficke brachte.

Holla! dacht' ich, meinem Hut
Soll das treflich stehen;
Doch du hattest gar zu gut,
Was ich that, gesehen.

"Das ist schön! so fiengst du an,
Willst du mich bestehlen?
Seht den feinen Dieb! Er kann
Seinen Raub nicht hehlen."

Feuerroth ward mein Gesicht;
Wie vom Blitz geschlagen
Stund ich da, und konnte nicht
Eine Sylbe sagen.

Alle Bauern stellten sich
Um mich her, und machten
Mich zu Schanden, nannten mich
Einen Dieb, und lachten.

Lieschen, sieh, das war nicht fein,
Meiner so zu lachen,
Und mich vor dem ganzen Reihn
Zum Gespött zu machen.

Sage, hast du denn so gar
Grosse Lust empfunden,
Als die Zähren hell und klar
Mir im Auge stunden?

Sieh, ich bin dir doch so gut!
Sey mirs auch ein Bißchen!
Mehr noch, als mein eigen Blut,
Lieb ich dich, mein Lieschen!
(S. 228-231)
_____



An Daphnen
1773

Schön, wie die junge Rose, blüht
O Daphne, dein Gesicht;
Allein der Liebe Feuer glüht
In deinem Auge nicht.

O, gäb' auch einst der Himmel dir
Die Liebe noch dazu,
Kein irdisch Mädchen gliche dir;
Ein Engel wärest du.

Ach aber - bange Ahndung! - nie
Wird dieser Wunsch erhört!
Und diese Welt, o wäre sie
Wohl eines Engels werth?
(S. 241)
_____



Der Abend
An Elisen
1773

Mit den Abendwolken eilet
Meine Seele hin zu dir,
Findet einsam dich, und theilet
Sorgsam jeden Gram mit dir.

Wie der Thau aus Wolken, quillet
Deine Thräne still hervor;
Und dein helles Auge hüllet
Sich in dunkeln Trauerflor.

Denn der Sonnenschein des Lebens
Schwand auf ewig unserm Blick;
Ach, das Auge sehnt vergebens
Ihn vom Abendroth zurück!

Die ihr ehmals uns verbandet,
Stunden erster Zärtlichkeit!
Schnell, mit jeder Spur, verschwandet
Ihr ins Meer der Ewigkeit.

Ach, Elise, schöner kehret
Bald zurück der Sonne Pracht;
Aber ewig, ewig währet
Unsrer Trennung bange Nacht!

Freuden sahen wir entspriessen,
Die uns fromme Liebe gab;
Aber, eh sie reiften, riessen
Menschen, neidisch, sie herab.

Und du weinst! Und meinem Herzen
Ist auch dieser Trost versagt,
Daß, gestimmt zu gleichen Schmerzen,
Es in deinen Jammer klagt!
(S. 245-247)
_____



Hannchen an Wilhelm
1773

Ach, trüb ist mir's, im Herzen trüb,
Ich möchte nur erblassen!
Mein Wilhelm, der mir war so lieb,
Dem ich so treu ergeben blieb,
Hat treulos mich verlassen.

Ha, falscher Wilhelm! spottest mein
In deines Liebchens Armen!
Ach, spottest meiner herben Pein!
Doch, wisse nur, Gott wird sich mein
Am jüngsten Tag' erbarmen.

Sag an, was konnte deinen Muth,
Was konnt' ihn so berücken?
Ach, warest sonst so fromm und gut!
Kein Aederchen von falschem Blut
War an dir zu erblicken.

Denk, wie du mir mit hohem Schwur
Die Ehe hast versprochen!
Ach armer Wilhelm, denke nur,
Gott läßt ja keinen falschen Schwur
Auf Erden ungerochen!

Eil' nur in deinem falschen Sinn,
Und spotte meiner Klagen!
Eil' nur zum Brautaltare hin!
Eh du die Hochzeit wirst vollziehn,
Wird man ins Grab mich tragen.

Ach, Wilhelm, Wilhelm, denke dran!
Du wirst es noch beweinen!
Du bist ein ehrvergeßner Mann!
Ach, Wilhelm, Wilhelm, denke dran!
Mein Geist wird dir erscheinen!
(S. 250-252)
_____



Lobgesang eines Mädchens
Am Klavier
1773

Erschallt in hohem Jubelklang,
Ihr meines Spieles Saiten!
Um himmelan den warmen Dank
Des Herzens zu begleiten!

Denn meine Seele hat den Freund,
Den sie in stillen Stunden
Vom Himmel oft herabgeweint,
In Agathon gefunden.

O laß mich, Gott, so bethet' ich,
In meiner Wahl nicht fehlen!
Laß nicht nach Eigendünkel mich
Und äusserm Scheine wählen!

Erkiese selber mir den Mann,
Der, ganz für mich gebohren,
Niemals dem Laster unterthan,
Sich Tugend nur erkohren!

Ich sah Ihn! - Nicht durch Buhlescherz
Und schmeichlerische Mienen,
Durch Tugend sucht' er nur mein Herz,
Und Thaten zu verdienen.

Die ganze Seel' im Auge goß
Der meinen sich entgegen;
Und eine sanfte Thräne floß,
Mich schweigend zu bewegen.

O, darum schall' empor, mein Dank,
Zu Gott, der ihn mir schenkte!
Zu Gott empor, mein Lobgesang,
Der meine Seele lenkte!

Und ewig müss' in Dankgefühl
Sich unser Herz ergiessen!
Und sanft, wie dieses Saitenspiel,
Das Leben uns verfliessen!
(S. 253-255)
_____



An Daphnens Klavier
1773

Wenn der lauten Stadt Getümmel
Nun allmählich leiser hallt,
Und vom rothbeströmten Himmel
Dämmerung hernieder wallt;
Dann, o silbernes Klavier,
Wandelt Daphne hin zu dir.

Heiter, auch von Nacht umgeben,
Schwingt sich ihre Seel' empor;
Engelreine Thaten schweben
Ihr in goldnen Bildern vor.
Ruhig ist ihr Aug', und lacht,
Wie der Mond aus stiller Nacht.

Und ein Strom von Harmonieen,
Ihres Lebens Wiederhall,
Geußt, in süssen Melodieen,
Sich in deinen Silberschall;
Ihre ganze Seele glüht,
Und sie singt ein deutsches Lied.

O des neideswerthen Lohnes,
Ihre Seele zu erfreun!
Schöpfer ihres Silbertones,
Ihrer Seeligkeit zu seyn!
Himmel! Himmel! o Klavier!
Ach, sie singt ein Lied von mir!
(S. 267-268)
_____



Lied eines Mädchens
1773

Lieber Mond, du scheinest wieder
In mein stilles Thal hernieder;
Aber ach! mein Auge weint
Um den fernen Herzensfreund!

Schwermuthsvoller wallt, und trüber
Mir die Stunde jetzt vorüber,
Da er hier mich einst entzückt
An sein klopfend Herz gedrückt.

Unter welchen Seeligkeiten
Sah ich dich vorübergleiten!
Holder lachte dein Gesicht
Keinem Mädchenauge nicht.

Leiser lispelten die Lüfte;
Süsser düfteten die Düfte;
Heller funkelte der Thau
Auf den Blumen dieser Au.

Aber ach! hinweggeschwunden
Sind die seeligsten der Stunden!
Ach, im fernen Thale weint
Meinethalb der süsse Freund!

Ach! Er weint, und denkt der Stunden,
Die mit mir ihm hingeschwunden!
Doch, o Herz, gedulde dich!
Deinethalben härmt er sich!
(S. 272-273)
_____



Unter Daphnens Fenster gesungen
1773

Heb' aus deinem süssen Schlummer
Nur auf Augenblicke dich,
Und vernimm der Liebe Kummer!
Liebe singt ein Lied durch mich.

Dringt ein Ton von meinen Leiden
In dein weiches Herz sich ein;
O so will ich wieder scheiden,
Und mich süsser Hofnung freun.

Sieh, der Mond am Himmel schauet
Schlummernde Beglückte nur;
Und vom Sternenhimmel thauet
Milder Seegen auf die Flur.

Nur zu meinem Lager schwärmet
Nie ein süsser Traum herab.
Ach, um deinetwillen härmet
Sich mein armes Leben ab.

Schlummre, Mädchen, von den Sorgen
Dieses Lebens ungeschreckt,
Bis dich einst ein goldner Morgen
Zu der Liebe Leiden weckt!
(S. 289-290)
_____



An Daphnen
1773

Ist's Mitleid, Daphne, das aus deinen Blicken
Mir in die düstre Seele stralt,
Und Rosenroth und feuriges Entzücken
Mir auf die blassen Wangen malt?
Wie? Oder hat die Liebe deinen Zügen
Dieß süße Lächeln eingedrückt,
Mit dem du, meinen Kummer zu besiegen,
Mich wie ein Engel angeblickt?

O, wenn nach solchen Leiden noch die Freude
Ein krankes Herz besuchen kann,
Dann zögre nicht, o Daphne! laß uns beyde
Cytheres Heiligthum uns nahn;
Und dieses Röschen opfern, das ermattet,
Und sterbend sich in Staub gebückt,
Bis es sich wieder, von der Nacht umschattet,
Im kühlen Perlenthau' erquickt.
(S. 291-292)
_____



Der Liebesbund
1773

Bester Jüngling, meynst du's ehrlich,
O so bin ich deine Braut.
Aber, Himmel! wie gefährlich,
Wenn auf Jünglingswort man baut!
Bis ihr unser Ja erlauschet,
Seyd ihr alle fromm und gut;
Aber dann, ach dann! vertauschet
Ihr den sanften Lämmermuth.

Leben, Ehre, Glück und Haabe
Trau' ich deinen Händen an,
Bin, von nun an, bis zum Grabe,
Dir mit Liebe zugethan,
Lass' in ihren alten Tagen
Meine fromme Mutter hier;
Freud und Leid mit dir zu tragen,
Folg' ich, bester Jüngling, dir.

O, du kannst mich nicht berücken;
Oder Tugend wäre Tand,
Und dieß Herz in deinen Blicken
Trög' im himmlischen Gewand!
Ja, ich glaube diesem Schweigen,
Diesen Thränen, diesem Blick
Erd' und Himmel sollen zeugen,
Weich' ich je von dir zurück!
(S. 312-313)
_____



Die Verzweiflung
1774

Ah, trügerisches Herz, wie leer,
Wie leer von aller Freude!
Und welche Bilder wallen her
Im Blutbefleckten Kleide!
Ihr Stunden, die im Taumel ihr
Des Lasters hingeflossen,
Was kommt ihr, mit der Reue, mir
Den Dolch ins Herz zu stossen?

Ach Gott! Der Nebel wallt dahin,
Der meinen Blick umzogen;
Die lachenden Gestalten fliehn,
Die lange mich betrogen! -
Hier Abgrund! Unten Meeresflut,
Mich ewig einzuschliessen;
Und, ach, im Herzen Höllenglut,
Und folterndes Gewissen!

O Gott! Laß Einmal noch zurück
Mich nach Elmiren sehen!
Laß diesen thränenlosen Blick
Erbarmung mir erflehen! -
Du Treue! wie so todtenbleich
Du dort im Kummer schweigest;
Und, halb versengten Rosen gleich,
Dich nach dem Grabe neigest!

O, weine nicht! Verfluch ihn laut
Den Mann, der dich betrogen,
Der aus den Armen seiner Braut
Zur Metze hingeflogen!
Verfluch ihn, daß er fürchetrlich
Im Todesschweis dich höre;
Daß siebenfach sein Schrecken sich
Im Todeskampfe mehre!

Gott! wie sie weint! Wie Lieb' aus ihr
In hellen Zähren blinket!
Wie noch mit bleichen Händen mir
Die Allzutreue winket!
Zu viel! Du kennst den Bösewicht,
Der kein Erbarmen suchte,
Du kennst den falschen Buben nicht,
Der selber sich verfluchte!

Ist eine Thräne dieß, die sich
Aus meinem Auge schleichet?
Hat eines Engels Zähre, dich,
Du Schröcklicher, erweichet?
Ach, wär es! Aber Rache hallt
Aus neuen Donnerwettern.
Die werden - ach, Erbarmen! - bald
Den Bösewicht zerschmettern!
(S. 319-322)
_____



Die Geliebte
1774

Noch irr' ich einsam, ohne Gefährtinn noch
Durchs trübe Leben; weine noch ungetheilt
Der Freude Thränen, und des Kummers,
In der vertraulichen Abenddämmerung.

Zwar oft, in Stunden heller Begeisterung,
Stieg eine Bildung nieder, und lächelte;
Voll Sehnsucht seufzt' ich: Komm, Erwählte!
Aber in Schatten zerfloß die Täuschung.

Umsonst, o Daphne, führte die Liebe dich
Entgegen mir, umgauckelt von Hofnungen;
Ein Wink des Schöpfers! und sie stürzten
Tief in der ewigen Trennung Abgrund!

Daß du es heiltest, flehte mein wundes Herz
Dir oft, Elise! weinte dir schweigend nach;
Mitleidig sahst du mich, und bebtest
Ach, in den Arm des geliebtern Jünglings! -

Unsichtbar schwebt um jegliche Seel', als Freund,
Ein Engel Gottes, bildet der Tugend sie,
Folgt ihr bis an die Nacht des Grabes,
Winkt ihr, und schwingt sich mit ihr zu Gott auf.

Doch, welchem Jüngling höhere Seeligkeit
Schon hier Jehova's lohnende Schaale wog,
Dem eilt aus Edens Flur ein Engel,
Sichtbar, in Mädchensgestalt, entgegen.

Und jeder Wonne schließt sich sein Busen auf;
In Frühlingsauen wandelt die Schöpfung sich;
Leicht wird ihm jede Pflicht, und heller
Winket dem Waller die Siegespalme.

Laß laute Stürme toben! Ihr schweigen sie.
Laß bange Thränen rinnen! Sie küßt sie auf.
Und, öfnet sich das Grab, so folgt ihm
Bald der geliebte, getreue Geist nach.
(S. 323-325)
_____



Der glückliche Bauer
1775

Nun nenn' ich schon ein ganzes Jahr
Mein liebes Weibchen mein;
Und, denk' ich nach, so scheint's fürwahr
Kaum Wochen her zu seyn.

So hurtig streicht kein Bach dahin,
Als diese Zeit verstrich;
Denn immer war mir's hell im Sinn,
Und stündlich freut' ich mich.

Kam einmal eine Grille mir,
So schloß sie mich in Arm;
Und, hatt' ich einen Kuß von ihr,
Weg war der Sorgen Schwarm!

Sie hat mich in der kurzen Zeit
So gänzlich umgekehrt,
Und, Gott sey Dank! mich Frömmigkeit
Und Christenthum gelehrt.

Ich singe nun so brünstiglich
Mein Morgenlied mit ihr;
Und Abends da erbaut sie sich
Aus Gottes Wort mit mir.

Dafür ist Seegen auch im Haus;
Kein Mangel ficht uns an;
Und komm' ich auf mein Feld hinaus,
So lacht mich alles an.

Gern trag' ich nun des Tages Last,
Er sey auch noch so warm!
Denn Abends find' ich süsse Rast
In meines Weibchens Arm.

Und lacht mir, einem Engel gleich,
Mein Kind an ihrer Brust,
Dann nähm' ich nicht ein Königreich
Für diese Herzenslust!
(S. 349-351)
_____



Der Hain
1775

Wie warst du, Hain, mir heilig, als ich mit Ihr,
Die ich unendlich liebe, durch's Grüne gieng,
Als noch ihr blaues Auge Hofnung
Mir in die dämmernde Seele stralte?

An Ihrem Arm hieng meiner, und zitterte;
Durch's Leben, dacht' ich, leit' ich Sie künftig so;
Und sah sie schmachtend an, und wandte
Weinend das Auge von Ihr gen Himmel.

Da sangt, ihr Nachtigallen, mir Brautgesang!
Da blühtet all' ihr Blumen, zu Kränzen mir!
Da seufzt' ich, sah Sie an, und wandte
Wieder das Auge von Ihr gen Himmel.

Ach Gott, ach Gott! Wie hat sich mein Herz getäuscht!
Klagt, Nachtigallen! Trauret, ihr Blumen, all!
Sie liebt mich nicht; Zum letzenmale
Sah ich Sie hier, und Sie floh auf ewig!
(S. 352-353)
_____



Die Betrogene
1775

Ach, wie ist mir's trüb' im Sinn!
Alle Freuden sind dahin!
Ruh' und Hofnung sind verschwunden,
Oed' und bang sind meine Stunden!
Ach, wie ist mir's trüb' im Sinn!

Dem ich ehmals alles war,
Ach, wie ist er wandelbar!
Der mir ew'ge Treu versprochen,
Ach, er hat den Schwur gebrochen;
Dem ich ehmals alles war!

Andre sieht er freundlich an,
Scheut sich, mir sich nur zu nahn!
Den ich sonst allein entzückte,
Der auf mich alleine blickte,
Sieht nun andre freundlich an!

Armes Sträuschen, welke nur!
Ihm entpflückt' ich dich der Flur!
Aber Chloens war ihm lieber,
Achtlos gieng er dich vorüber!
Armes Sträuschen, welke nur!

O, der schwurvergeßne Mann!
Chloen ist er zugethan!
Und ich hätte gern mein Leben,
Hätt' ihm alles hingegeben!
O, der schwurvergeßne Mann!

Gott, wie ist mein Jammer groß!
Leid und Thränen sind mein Loos!
Geh, mein Leben, nun ins Trübe!
Ach, du falsche, falsche Liebe!
Gott, wie ist mein Jammer groß!
(S. 354-356)
_____



Einladung auf's Land
1775

Komm, Liebchen, komm auf's Land!
Der Winter ist vergangen,
Und Thal und Hügel prangen
Im farbigen Gewand.

Sieh, wie am blauen See
Die Hagedorne blühen!
Und weisse Schäfchen ziehen
Durch Blumenreichen Klee.

Und hier im Schatten girrt
Ein frommes Turteltäubchen,
Und lockt das arme Weibchen,
Das sich im Hain verirrt.

O sieh! Es kömmt zurück!
Ach, wenn auch du mich hörtest,
Und auch zurücke kehrtest!
O Liebchen, komm zurück!
(S. 361-362)
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Die Liebe
Aus dem Siegwart
1775

Was ist Lieb'? Ein Tag des Maien,
Der in goldnem Glanz erwacht,
Hell auf froher Schäfer Reihen
Vom entwölkten Himmel lacht.

Flöten locken zu den Tänzen
Der vergnügten Mädchen Schaar;
Blumen sammeln sie zu Kränzen,
Schmücken ihrer Schäfer Haar.

Schnell verdüstert über ihnen
Sich der schwülen Sonne Blick;
Schrecken starrt aus ihren Mienen;
Schüchtern eilen sie zurück.

Regengüsse strömen nieder;
Hain und Wiese sind verheert;
Und der frommen Freude Lieder
Sind in Trauerton verkehrt. -

Doch, der Friedensboge stralet
In's erschrockne Thal herab;
Und der Hofnung Freude malet
Sich auf allen Wangen ab. -

Gieb, o Gott der frommen Liebe,
Mir ein ruhiges Gemüth,
Das durch Wolken, schwarz und trübe,
In's Gefild der Hofnung sieht!
(S. 363-365)
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Als Mariane am Klavier sang
Um Mitternacht
1775

Alles schläft! Nur silbern schallet
Marianens Stimme noch!
Gott, von welcher Regung wallet
Mein gepreßter Busen hoch!
Zwischen Wonn' und bangem Schmerz
Schwankt mein Liebekrankes Herz.

Schwind', o Erde! Laß mich fliegen
Zu des Hochgelobten Thron;
Mich mit ihr im Staube liegen,
Seufzen mit in ihren Ton!
Gott, du hörst es, was sie sieht;
Hör' auch mit auf mein Gebeth!

Daß ich lang um sie mich quäle,
Ist der Holden unbewußt.
Seyd', o Gott, der frommen Seele
Lieb' und Mitleid in die Brust!
Wär' ihr nur mein Leid bekannt,
Wär' auch meine Qual verbannt. -

Gott! Ich seh den Himmel offen;
Freud' und Leben winken mir!
Daß mein Herz darf wieder hoffen,
Dank' ich, Mariane, dir!
Sing', und zaubr', o Sängerinn,
Ganz in's Paradies mich hin!
(S. 366-367)
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Liebestaumel
1775

Was geht die ganze Welt mich an,
Wenn ich die Holde sehen kann?
Herab zu mir, herabgebracht
Ist Paradies durch Liebesmacht!

Lach mir, du blaues Auge, du!
Raub meinem Herzen alle Ruh!
Ich schwimm' im Liebesmeer dahin;
Und doch ist mir so wohl im Sinn!

Laß küssen, laß umarmen dich!
O Paradieseswonn' um mich!
Laß leben ewig mich bey dir!
Sonst gib den Tod, du Holde mir!
(S. 373)
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Glück der Liebe
1775

Dein, o Herz, auf ewig dein
Soll der Engel Gottes seyn!
Ach, ich fass' es, fass' es kaum;
Halt's für Täuschung nur und Traum!

Dieser Arm umfaßte Sie!
Diese Hände drückte Sie,
Küßte mich mit heissem Mund,
That mein Glück mir stammelnd kund!

Ach, ihr Thränen, stürzet hin,
Dankt der Wonnegeberinn!
Holde, nimm die Thränen an;
Wenn der Mund nicht danken kann!

Freud' und Leben kömmt mit dir;
Golden lacht die Schöpfung mir;
Jeder Tag, mit Heil geziert,
Wird von dir mir zugeführt!

Küss', o Engel, küsse mich!
Engel werd' ich auch durch dich!
O, an dieser reinen Brust
Stürb' ich gern vor Liebeslust!

Dein, o Wonnereiche, dein,
Soll dieß ganze Leben seyn!
Jedes Tröpfchen meiner Zeit
Sey nur dir, nur dir geweiht!

Theilt sie nicht mein Herz mit dir,
Schmecke keine Freude mir!
Naht dir je ein Kummer sich,
O so leg' ihn Gott auf mich!

Küss', o Holde, küsse mich!
Stürb' ich, Engel, doch für dich!
Gott, wie dank' ich, dank' ich dir!
Welch ein Mädchen gabst du mir!
(S. 374-376)
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An meine Geliebte
1775

Bald, du Holde, seh' ich dich;
Sage dir mit stummen Blicken
Meine Liebe, mein Entzücken,
Spiegl' in deinen Augen mich.

Ruh' und Himmel wohnen drinn,
Giessen Freud' und Liebesseegen
Meinem trüben Blick entgegen,
Und erhellen meinen Sinn.

Sieh, wie Neid und Mißgunst schilt!
Laß sie Erd' und Himmel trüben!
Jede Wolke muß verstieben,
Seh' ich nur dein holdes Bild.

Unschuld, Lieb' und Zärtlichkeit
Schliessen sich um uns in Reihen;
Neid und Mißgunst mögen dräuen!
Unser Loos ist Heiterkeit.

Unschuld, Lieb' und Zärtlichkeit
Folgen dir und mir zum Grabe;
Wenn ich dich, du Holde, habe,
Was bekümmert mich der Neid?
(S. 377-378)
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Mein Mädchen
1775

Liebe, Liebe, welche Freuden
Gabst du mit der Holden mir!
Engel müssen mich beneiden,
Ruh' ich in den Armen ihr.

Lieblicher als Maienblüte
Lacht ihr mildes Angesicht;
Ach, und ihres Herzens Güte
Fasset keine Seele nicht!

Taubenunschuld, Taubentreue,
Deutscher Sinn und deutscher Muth
Blickt aus ihrer Augen Bläue,
Und der Liebe sanfte Glut.

Und ihr Wesen all so fröhlich!
Und ihr Kuß so keusch und rein! -
Gott im Himmel, wie so seelig
Kann ein Mensch auf Erden seyn!
(S. 379-380)
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Der Sturm
1775

Trüb ist's, und Sturm durchbraußt die Luft,
Und Regenström' ergiessen sich,
Und düster ist's im Herzen mir.

Ha, Sturm! ich achte deiner nicht!
Ich eile durch den Regenguß,
Und fliege meinem Mädchen zu!

Lach, Engel, mir die Nacht hinweg!
Schon stralt dein Bild mir Freud' ins Herz;
Wie wirds an deiner Brust mir seyn!

O du, vom Himmel mir gesandt!
Wie lieb' ich, o wie lieb' ich dich!
Wie tausend Freuden schaffst du mir!

Lang führte mich durch Nacht und Sturm
Die Liebe; Mir zur Seite gieng
Furcht, Zweifel und Melancholey.

Nun wandl' im Land des Friedens ich,
Und athme Wonn' und Lebenslust,
Und Himmel und Unsterblichkeit.

Du Engel, o wie lieb' ich dich!
Wie dank' ich dem, der dich mir gab!
Hin durch den Sturm! Zum Engel hin!
(S. 383-384)
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An mein Mädchen
1776

Mir ist doch nie so wohl zu Muth,
Als wenn du bey mir bist,
Und deine Brust an meiner ruht,
Dein Mund den meinen küßt.
Dann schwindet alles um mich her,
Ich weiß von aller Welt nichts mehr.

Im Freundeskreis, beym Becher Wein,
Da bin ich freylich gern;
Doch, fällst du mir, mein Mädchen, ein,
Schnell ist die Freude fern;
Und bis ich wieder bey dir bin,
Kömmt keine Ruh' in meinen Sinn.

O wäre doch die Zeit schon da,
Die noch so ferne scheint,
Da am Altar ein freudig Ja
Auf ewig uns vereint!
Dann wär' ich Tag und Nacht bey dir;
Dann raubte nur der Tod dich mir!
(S. 385-386)
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Ein Brautlied
Den 18ten April 1780

Sieh! Mit duftendem Gefieder
Steigt der Lenz zu uns hernieder;
Freuden flattern um ihn her;
Leise, laue Lüfte wehen;
Hier im Thal, und dort auf Höhen,
Nirgend herrscht der Winter mehr.

Blumen, Gras und Kräuter keimen;
Leben knospet auf den Bäumen;
Mücken tanzen in der Luft.
Von den neubegrünten Hügeln,
Wallt, auf Zephyrs bunten Flügeln,
Hyacinth- und Veilchenduft.

Sieh, aus ihrem grünen Beete
Schwingt, im Glanz der Morgenröthe,
Sich die frühe Lerch' empor,
Trillert ihre Zauberlieder
Aus der blauen Luft hernieder,
Und erweckt der Vögel Chor.

Schnell wird's lauter in den Büschen,
Alle Hainbewohner mischen
In der Lerche Lied sich ein.
Amseln flöten, Finken schlagen,
Schwalben zwitschern, Täubchen klagen
Im vertrauten Eichenhain.

Jeder Vogel sucht ein Aestchen,
Wählt sich einen Platz zum Nestchen,
Flattert her, und flattert hin,
Sammelt Würzelchen und Reischen,
Baut sich draus ein kleines Häuschen,
Setzt sich drein, und liebelt drinn.

Alles, alles glüht von Liebe;
Alles fröhnt dem süssen Triebe,
Den der Lenz vom Himmel bringt.
In den Hainen, auf den Triften,
In den Wassern, in den Lüften
Fühlet alles sich verjüngt.

Von der Liebe Macht durchdrungen,
Wandelt, Arm in Arm geschlungen,
Manches Paar im Mondenschein;
In des Haines Finsternissen
Rauscht's von wonniglichen Küssen,
Und die Quellen lispeln drein.

Und, mit Kränzen in dem Haare,
Nahet hier dem Brautaltare
Sich ein jugendliches Paar. -
Seyd Ihr's, o geliebte Beyde?
O des Jubels, o der Freude!
Kniet Ihr endlich am Altar?

Nimm, o Freund, die lang Erflehte!
Schöner als die Morgenröthe,
Blühen ihre Wangen dir.
Blau und sittsam, wie Violen,
Lacht ihr Auge; Unverhohlen
Oefnet nun dein Herz sich ihr.

Voll von heiligem Entzücken,
Freud' und Andacht in den Blicken,
Kniet am Brautaltar Ihr hin.
O, des Priesters frommer Seegen
Wall' Euch jeden Tag entgegen!
Jeder Unmuth müss' Euch fliehn!

Frey von Sturm und trüben Sorgen,
Lach' Euch jeder neue Morgen,
Stets an neuen Freuden reich!
Wie der West die Lüfte kühlet,
Und um junge Blumen spielet,
Spiel' ein Freudenschwarm um Euch!

Heiter fliess' Euch Eure Jugend,
Heiter, an der Hand der Tugend,
Fliess' Euch Euer Alter hin!
Tugend nur beseeligt immer;
Ihre Freuden welken nimmer,
Können ewig nicht verblühn.
(S. 411-415)
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Aus: Johann Martin Millers Gedichte
Ulm bey Johann Konrad Wohler 1783
 


Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Martin_Miller

 


 

 


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