Stephan Milow (1836-1915) - Liebesgedichte

Stephan Milow

 

Stephan Milow
(1836-1915)
 

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 


 

Ausgleichung

Ach, bang und ruhlos ist mein Sein!
An keiner Stätte kann ich weilen;
Das kommt von dir, von dir allein,
Du bist mein Schmerz, der nie zu heilen.

Und doch – ich will dich benedei'n;
Leid' ich um dich auch unermessen,
So hab' ich doch durch dich allein
Längst allen Schmerz der Welt vergessen.

aus: Stephan Milow Gedichte
Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1882 (S. 61)
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Inniges Band

Aus einem Grund ist unser beider Leben,
Verschlungen ist's aus einem Keim entsprossen;
Es wuchs, von einem Element umflossen,
Und pulst in einem Hoffen, Bangen, Streben.

Ja, wir erquickten uns im Wechselgeben,
Und hatten längst uns unbewußt genossen,
Bevor die Zeit das Aug' uns aufgeschlossen
Und wir, was wir uns sind, geschaut mit Beben.

Nun kann ich ganz das tiefe Band erkennen;
Ich wurzl' in dir und mein Gedeihn ist deines,
Und wollten wir uns je gewaltsam trennen,

Ich fühl's, es würd' uns beiden zum Verderben,
So wie die Zwillingsfrucht, getheilt, doch Eines,
Und brichst du eine, muß die andre sterben.

aus: Stephan Milow Gedichte
Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1882 (S. 141)
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Ewig!

Aus tausend Knospen bricht die Kunde,
Es ist nur Täuschung aller Tod!
So klingt es schmetternd in der Runde,
So spricht das goldne Morgenroth.

Wir stehen unter Blütenbäumen -
Mit Jubel denk' ich's, daß du mein,
Und rufe laut in sel'gen Träumen:
O dieses Glück muß ewig sein!

Da fallen welke Blüten nieder,
Es schauert leis der Lenz im Wind:
Ja, ewig! sagst du lächelnd wieder
Und blickst auf unser spielend Kind.

aus: Stephan Milow Gedichte
Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1882 (S. 24)
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Zur Beschwichtigung

"Böser Mann, noch hab' ich nie gelitten,
Was ich leide seit du mir begegnet
Und mit tiefem, wundermächt'gem Zauber
Jeglichen Gedanken hältst im Banne,
Daß ich stets von deinem Bild nur träume.
Welche unruhvoll bedrängten Tage!
Bald durchzittert mich die Qual der Sehnsucht,
Nichts, was sonst mich freute, kann mich binden,
Und mich lockt's nach einem fernen Glücke;
Bald erschreck' ich bang, daß ich verliere,
Was noch gar nicht mein und dem ich kaum noch
Im geheimsten Selbstgespräch der Seele
Einen Namen mich zu geben traue.
Weilst du ferne, glaub' ich, jede Stunde
Legt sich zwischen uns und lenkt dein Sinnen
Ab von mir nach allem reizend Schönen,
Das mit Allgewalt dich fesseln könnte;
Bin ich dann bei dir und sollt' ich jubeln,
Ruhn wir Hand in Hand und Aug' in Auge,
Überkommt in allem Freudendrange
Dennoch wieder mich ein ängstlich Bangen.
Fliegen möcht' ich aufwärts, mit dir fliegen
Und zum sel'gen Gotte dich entzücken;
Doch ich bleibe stumm und zage hilflos,
Ohne Macht, den Himmel zu erschöpfen,
Ohne Macht, mit all der innern Fülle,
Die das Herz mir schier zersprengen möchte,
Dich verschwenderisch zu überschütten.
Und so beb' und bang' ich ewig ruhlos.
Böser Mann, noch hab' ich nie gelitten,
Was ich leide, seit du mir begegnet."
Also sprach sie, angeglüht die Wange
Und das holde Antlitz leis umdüstert.
Aber ich, gerührt in tiefster Seele,
Von der Stirne streich' ich ihr die Wolken,
Blick' ihr innig in das süße Auge
Und erwidre solches ihrer Rede:
Gerne glaub' ich dir, doch trag' es, Mädchen;
Trage dieses Leid, das kommen mußte,
Wie im Lenz, wenn Blüten werden sollen,
Stürme durch die Welt erschütternd gehen;
Trage dieses Leid, es steht dir lieblich
Und es reift dir in der Brust dein Schönstes.
Solltest du, woher es kommt, nicht wissen?
Und beklagst du's noch, wenn ich dir's sage,
Dich ans Herz in trunknem Jubel ziehend:
Ja, noch niemals hast du so gelitten,
Weil du niemals so geliebt, du Theure!

aus: Stephan Milow Gedichte
Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1882 (S. 268-270)
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Nach der Erfüllung

Das Schönste bleibt doch stets das Sehnen,
Der Liebe erste Werdezeit,
Das bange Zagen, süße Wähnen,
Die stille Traumesseligkeit.

Denn was du damals vorempfunden,
Die Brust von Himmelslicht erhellt,
Das bringt, wieviel du auch gefunden,
Dir später kein Besitz der Welt.

aus: Stephan Milows Gedichte.
Auswahl des Verfassers
Mit einem Bildnis des Dichters und einer Einleitung
von Eduard Engel Leipzig Max Hesses Verlag 1908 (S. 59)
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Nachruf

Daß ich von dir gegangen,
O dank' es mir, mein Kind!
Noch war ich traumbefangen,
Noch war mein Auge blind.

Noch lodert' ich in Flammen,
Ob ich gezweifelt schwer,
Und ganz dich zu verdammen,
Vermocht' ich nimmermehr.

Und mußt' ich scheu dich fliehen,
Die heiße Thräne rann,
Und mußt' ich von dir ziehen,
Ich blieb in deinem Bann.

So preise nur den Thoren,
Der, was ihn auch gedrückt,
Das Weib, das er erkoren,
Noch immer sich geschmückt;

Dem, da du schon voll Tücke
Ihm sannst die letzte Schmach,
Nachweinend seinem Glücke,
Das Herz vor Sehnen brach.

aus: Stephan Milow Gedichte
Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1882 (S. 64-65)
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Entlastung

Die Stadt, voll Lärm und dumpfer Hitze,
Sie liegt uns fern, in Dunst gehüllt;
Wir stehn auf hoher Bergesspitze,
Die Brust mit Waldesluft erfüllt.

Und wie es kaum die Blicke finden
Das menschenvolle Häusermeer,
So soll auch alles jetzt entschwinden,
Was Menschen uns gebürdet schwer.

Hier lasse Hand in Hand uns schreiten,
Wo frisches Laub sich um uns schlingt,
Und durch die duftdurchströmten Weiten
Kaum eines Vogels Ruf erklingt.

Hier schüttl' ich ab das scheue Zagen,
Das mich in fremder Nähe faßt;
Hier kann ich's unbelauscht dir sagen,
Wie du mich tief entzündet hast.

All meine Seele fühl' ich schwellen,
Es reißt mich allgewaltig hin;
Du staunst, wie mir die Worte quellen,
Da ich doch sonst so schweigsam bin;

Und neigst dich, hold erglüht, zu hören
Des Herzens dringenden Erguß,
Und beutst im Dunkel stiller Föhren
Die Lippe zum ersehnten Kuß.

aus: Stephan Milow Gedichte
Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1882 (S. 22-23)
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Was dich bezwingt

Du siehst den Funken in mir hüpfen,
Da glüht und zuckt es auch in dir;
Du hörst den Jubel mir entschlüpfen,
Da neigst du lauschend dich zu mir.

Des Glückes ahnungsvoll Empfinden,
Das mir das Innre süß durchbebt,
Hat, möchtest du dich auch entwinden,
Dir selbst die Seele eingewebt.

Wie lang und bang es in dir stritte,
Wär' ich vom Ziele noch so weit,
Und rührte dich auch keine Bitte:
Es zwingt dich meine Seligkeit.

aus: Stephan Milows Gedichte.
Auswahl des Verfassers
Mit einem Bildnis des Dichters und einer Einleitung
von Eduard Engel Leipzig Max Hesses Verlag 1908 (S. 51)
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Warnung

Du weißt nicht, was ein Auge kann,
Das sich um dich in Thränen feuchtet!
Es lockt dich zaubermächt'ger an,
Als wenn dir's liebeblitzend leuchtet.

Leicht schützest du dich vor der Glut,
Die schmachtend auf dein Werben lauert;
Doch vor dem Schmerz sei auf der Hut,
Der still verschlossen um dich trauert.

Da lügst du dir's zur edlen That,
Bleibst du nicht stark mehr im Verzichten;
Ein Dasein, das dein Fuß zertrat,
Wähnst du dich schuldig, aufzurichten.

Du wähnst nur mild und gut zu sein,
Doch pocht dein Herz und will sich dehnen;
Wähnst einen Andern zu befrein
Und stillst doch nur das eigne Sehnen.

Und: Dein auf ewig! stammelst du
Zuletzt im Liebesüberwallen;
Zwei Arme streben heiß dir zu,
Sie halten dich, du bist verfallen. -

Du weißt nicht, was ein Auge kann,
Das sich um dich in Thränen feuchtet;
Es lockt dich zaubermächt'ger an,
Als wenn dir's liebeblitzend leuchtet.

aus: Stephan Milow Gedichte
Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1882 (S. 66-67)
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Der Einzigen

Du wunderbares Herz voll Liebe,
O welch' ein Segen, daß du mein!
Wenn sonst auch kein Besitz mir bliebe,
Du schlößest alles für mich ein.

Wie vieles mir dahingeschwunden,
Wie viel Ersehntes stets noch säumt;
Hab' ich in dir doch mehr gefunden,
Als kühnen Flugs ich je geträumt.

Und seufz' ich doch in mancher Stunde
Um das, was mir das Sein verwehrt,
Und fragst du dann mit sanftem Munde,
Was mir die Seele so beschwert;
Da schreck' ich auf bei deiner Frage
Und möchte flehn: Verzeihe mir!
Ist denn nicht jede Schmerzensklage
Ein Frevel, herrlich Weib, an dir?

aus: Stephan Milow Gedichte
Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1882 (S. 284-285)
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Liebesruhe

Du, die mein Sehnen oft durchschifft,
Mein bist du, schöne Runde!
Du leuchtend Blau, du bunte Trift,
Ihr schickt mir holde Kunde!

Ich bin gestillt, ich suche nichts;
Doch fällt von jedem Schönen
Mir in das Herz ein Strahl des Lichts
Und süße Lieder tönen.

Was zog nur segnend in mich ein -
O träumerisches Blühen!
Welch eine Fülle nenn' ich mein -
Und ohne banges Mühen!

Was je mich heiß erregt, entschlief,
Kein Wunsch, der mir noch bliebe;
Das macht: ich ruhe, voll und tief,
In still beglückter Liebe.

aus: Stephan Milow Gedichte
Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1882 (S. 59)
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Zum Troste

Erbangst du? Will das Blut dir zürnend kochen
Ob all der Selbstsucht, die du schaust im Kreise,
In Wesen thronend, starr als wie von Eise,
Aus denen niemals Milde noch gebrochen?

Sei still und dämpfe deines Herzens Pochen!
Ein Edler, wirkt er noch so still und leise,
Löscht aus, was tausend andre rauher Weise
An Welt und Menschen durch ihr Tun verbrochen.

Was ist die Selbstsucht! Eng, in sich gebunden,
Stets ungestillt im ewigen Verzehren,
Und arm und machtlos, was sie immer triebe.

Sie kann ja eines nur zu allen Stunden:
Begehren, nichts als ohne Rast begehren;
Doch ewig unerschöpflich bleibt die Liebe.

aus: Stephan Milows Gedichte.
Auswahl des Verfassers
Mit einem Bildnis des Dichters und einer Einleitung
von Eduard Engel Leipzig Max Hesses Verlag 1908 (S. 75)
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Im Glück erstarrt

Ich bin erstarrt
In meinem Glück.
Seit jener Minute -
O dieser Blick!
Dies holde Nicken! -
Seit jener Minute,
Da mir geworden
Die süße Gewißheit,
Daß du mich liebst,
Bin allem ich tot,
Was um mich ist,
Und rege mich nicht.
Die Bläue des Himmels
Ich sehe sie nicht,
Den Hauch des Frühlings
Ich fühle ihn nicht,
Die Stimmen der Vögel
Ich höre sie nicht;
Mit allen Sinnen
Nach innen gewandt,
Erschau' ich nur dich,
Wie jene Minute
Dich mir geschenkt.
Ich bin erstarrt
In meinem Glück.

aus: Stephan Milows Gedichte.
Auswahl des Verfassers
Mit einem Bildnis des Dichters und einer Einleitung
von Eduard Engel Leipzig Max Hesses Verlag 1908 (S. 52)
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An mein Weib
Am zehnten Jahrestage unserer Vermählung

Ich möchte prüfend überschaun,
Was ich an Gütern dir gegeben,
Seit du in liebendem Vertraun
Dein Loos geeint mit meinem Leben;
Ach, nichts, was stolz ich weisen kann
In all den abgelaufnen Jahren!
Doch schlag' es zu gering nicht an,
Daß wir zusammen glücklich waren.

Nicht auf den Höhen schrittest du,
Wie dir's, du Herrliche, gebührte,
Kein rauschend Leben fiel dir zu,
Still war der Pfad, den ich dich führte;
Ach, nichts, was ich für dich gewann
In all den abgelaufnen Jahren!
Doch schlag' es zu gering nicht an,
Daß wir zusammen glücklich waren.

Ich ring' empor mit festem Muth -
Wann wird mir der Erfüllung Segen,
Daß ich vor dir in sel'ger Glut
Ihn huld'gend könnte niederlegen?
Ach, was ich auch gestrebt, gethan,
Nichts will den Sieg noch offenbaren!
Doch schlag' es zu gering nicht an,
Daß wir zusammen glücklich waren.

Und wenn mich in des Todes Nacht
Das waltende Geschick entrückte,
Bevor mein Mühen dir gebracht,
Womit ich dich so gerne schmückte:
Treu schirmt' ich dich und was ich sann,
Galt dir, das hast du doch erfahren
Und schlägst es zu gering nicht an,
Daß wir zusammen glücklich waren.

aus: Stephan Milow Gedichte
Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1882 (S. 281-282)
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Stille Lieder
An Sie

I.
Ich will dich nicht beim Namen nennen,
Den theilt ja manche noch mit dir,
Auch braucht dich niemand sonst zu kennen,
So lebst du heimlich still nur mir.

Und drängt's die Seele, dich zu preisen,
Mit der mein Alles ich gewann,
Was hätt' ich erst auf dich zu weisen,
Da mich ja sonst nichts fesseln kann.

Du bist's, der meine Pulse schlagen,
Wie du mir heiß entgegendrängst,
Und dir, dir brauch' ich's nicht zu sagen,
Die's wissen soll, die weiß es längst.

Ich will dich nicht beim Namen nennen,
Den theilt ja manche noch mit dir,
Auch braucht dich niemand sonst zu kennen,
So lebst du heimlich still nur mir.

Das schöne Ziel all meiner Flammen
Die Andern sie erfahren's nie,
Ich dräng's in einen Laut zusammen
Und rufe bloß nur: Das ist sie!

Und will's wie ein geheimer Segen
Gar oft in stiller Stunde mir
Die Seele wunderbar bewegen,
So sag' ich nur: Das kommt von ihr!

Wie viel in diesem Wort zu lesen,
Den Andern bleibt der Sinn verhüllt,
Weil es ja erst dein holdes Wesen
Mit Leben und Bedeutung füllt.

Mir aber lebst du stets im Sinne,
Und sehnend meiner denkst auch du,
Wir küssen uns in treuer Minne
Und träumen süß einander zu.

O stille Lust! beglückt Versenken!
O heimlich süße, schöne Welt!
Die unser liebendes Gedenken
So ewig jung im Lauf erhält!


II.
Wie voll mein Herz des Dankes ist,
Daß du so liebend mir begegnet!
Du ahnst es nicht, was du mir bist,
Hast mich für alle Zeit gesegnet.

Hast mich gefeit gen jede Qual,
Und könntest du auch mein vergessen,
Du schenkst es doch kein zweites Mal,
Was ich durch deine Huld besessen:

Die erste ahnungsvolle Glut,
Das süße Zueinanderlauschen,
Und dann in jugendlichem Muth
Verliebter Blicke erstes Tauschen.

Ich weiß, es war dein erster Kuß,
Den deine Lippe mir gespendet,
Und fühl's, daß der erquicken muß
Mit einer Kraft, die nimmer endet.

Ich fand dich, noch entfaltet kaum,
Ich trat der Erste in dein Leben,
Ich war dein erster Liebestraum;
Das muß uns innig tief verweben.

Denn sieh, was ich in dir erweckt,
Kann auch nur ich dir schön erfüllen,
Den Himmel, der dir noch verdeckt,
Kann nur mein Herz dir ganz enthüllen.

Du hast die volle Lust nur dann,
Wenn dort, wo noch mit scheuem Bangen
Dein erster Jugendtraum begann,
Auch die Erfüllung dich umfangen.

Und liebst du wieder noch so sehr,
Mir ist das Schönste zugefallen,
Du kannst ja doch mit Keinem mehr
Zurück in deine Kindheit wallen.

Im Fühlen kannst du nicht zurück;
Mag Einer noch so viel erstreben,
Beginnen kann erst dort sein Glück,
Wo ich dein Innres frei gegeben.

Und den Besitz, so keusch und rein,
Will fest an dieses Herz ich drücken,
Dies Eine bleibt doch ewig mein,
Und ewig wird es mich beglücken.


III.
Sie preisen deines Blickes Licht,
Dein Lächeln, deine Züge, traut,
Und doch – wer hat dein Angesicht
So hold verklärt, wie ich, geschaut!

Welch reichen Segen rings du schenkst,
Du bist doch Keinem, was du bist;
Erst wenn dein Aug' in meins du senkst,
Erwacht, was Schönstes an dir ist.

Da seh' ich wie verwandelt dich
Im Himmelsglanze vor mir stehn,
Und wendet dann dein Auge sich,
Muß dieses Zaubers Macht vergehn.

Es ruht ein Wunderschatz in dir,
Den nur mein Blick allein belebt,
Und suchen mußt du stets bei mir,
Was zur Vollendung dich erhebt.

So wandle, wo du magst, ich weiß,
Verschlossen trägst du, was mein Glück,
Und wer dich immer grüßt im Kreis,
Du sehnst dich still nach mir zurück.


IV.
Oft muß ich sinnen traumversunken,
Welch Wunder sich in dir vollbracht;
Du bist so ernst und glutentrunken,
So ungestüm und still bedacht.

Du hast für jeden Schwung die Flügel,
Liebst jedes Schöne dieser Welt;
Doch fehlt dir nie der sanfte Zügel,
Der dich in holden Schranken hält.

Da ich ans Herz dich innig drücke,
Wie viel der Glut du für mich hast!
Bist so verloren ganz im Glücke,
Doch im Entsagen so gefaßt.

Leis Frühlingswehn und Donnerrollen
Thust du mit Einem Odem Kund,
Und muß dein Auge streng mir grollen,
Lacht schon Verzeihung mir dein Mund.

Was rings die Schöpfung Schönes weiset,
Was ihre reichste, höchste Zier,
So weit nur Leben fröhlich kreiset,
Es hat sein lieblich Maß in dir.

Sie selbst, gedehnt in blauer Weite,
Dein innerst Wesen spiegelt sie:
Wie viel in ihr sich widerstreite,
Sie lebt und blüht durch Harmonie.


V.
So fand ich heim von irren Flügen,
Du gingst, ein goldner Stern, mir auf,
Mein ganzes Wesen füllt Genügen,
Und schließen möcht' ich meinen Lauf.

O welche schöne, reiche Fülle
Strömt wunderbar auf mich herein!
Umschlinge mich nur innig, hülle
In deine Liebe tief mich ein!

Der Seligste im weiten Kreise,
Ruh' ich in deiner Arme Bann,
Und manchmal nur durchbebt mich's leise,
Daß solch ein Glück nicht dauern kann.


VI.
Ich bin von dir getrennt und schreite
Gedenkensselig einsam hier,
Und über Berg und Thal ins Weite
Träumt meine Seele sich zu dir.

Von all den Menschen, die ich sehe,
Reizt keiner mich zu kurzem Halt,
Und ich, wie ich so sinnend gehe,
Erscheine wohl auch ihnen kalt.

Wie könnten sie, die tändelnd schweifen,
Ergründen, was mir innen quillt,
Wie könnten sie es je begreifen,
Wovon die tiefste Brust mir schwillt:

Den stillen Jubel, der aus Stunden
Vergangnen Glücks herüberklingt,
Und all das Sehnen, bang empfunden,
Nach der Minute, die dich bringt!

Es schwanken alle die Gestalten
Als wie im Nebel nur um dich,
Fremd sind sie mir mit ihrem Walten,
Mein ganzes Sinnen hält nur dich. -

Wie trägt sich's leicht, mit Lust und Schmerzen
Fremd einer Welt vorbei zu gehn,
Kann man sich nur in Einem Herzen
So ganz und tief gespiegelt sehn!


VII.
O laß mich's reuig dir bekennen
Und still zu deinen Füßen beten:
Ein böser Geist, uns rauh zu trennen,
War heute zwischen uns getreten.

Schwarz war der Himmel, kalt verschlossen,
Nicht Eines Strahls erwärmend Schimmern,
Und auf den Fluren, herbstverdrossen,
Nur rauher Winde schaurig Wimmern.

Der dumpfe Klang von Trauerglocken
Vermischte dröhnend sich den Lüften,
Und all mein Sinnen, tief erschrocken,
Verweilte nur bei Tod und Grüften.

Mir war so bange, nicht zu fassen!
Kein Pfad des Heiles lag mir offen:
Das war ein Tag, trostlos, verlassen,
So arm an Glauben wie an Hoffen;

Ein Tag, wo matt ich, ohne Wehre,
Mir sah zertrümmert alle Stützen
Und deine Liebe selbst, du Hehre,
Mein zagend Herz nicht konnte schützen.


VIII.
Es zog in mich ein Frieden
Bis in der Seele Grund,
Mir wunderbar beschieden
Durch unsern stillen Bund.

Du bist mein treu Geleite,
Du waltest stets in mir,
Und wo ich immer schreite,
Ich bin vereint mit dir.

Das ist der rechte Segen,
Mein bist du gänzlich nun,
Mag ich mich schaffend regen,
Mag ich vom Werke ruhn.

Und wenn dich auch mein Sinnen
Nicht immer nennen mag,
Ich fühle dich tief innen
Mit jedem Herzensschlag.


IX.
Ich lasse still mein Lied verwehen
Und möchte nur mit stummem Mund
Vor deinem Zauber schauend stehen,
Der mir so hold geworden kund.

Des Dichters rauschend Lob ertöne,
Wo er mit seinem Liede schmückt,
Wo auf das halb vollbrachte Schöne
Er noch die letzte Weihe drückt;

Wo noch mit ungewissem Säumen
Im Dämmerlicht verhüllt es sprießt
Und erst sein ahnungsvolles Träumen
Die volle Blüte hell erschließt.

Eins muß am Bild zu wünschen bleiben,
Wo es umsonst nach Klarheit ringt,
Dann mag es ihn, zu schaffen, treiben,
Daß er's aus sich heraus vollbringt.

Daß er vermessen dürfe künden:
Wo die Natur noch selber schwankt,
Vermag ich sicher sie zu ründen,
Ich bin's, dem sie das Letzte dankt! -

Doch wo so reich das Leben waltet,
Wo sich so voll, so innig warm
Das Schöne vor dem Blick entfaltet,
Da schweigt die Dichtung zagend arm.

Ich lasse still mein Lied verwehen
Und möchte nur mit stummem Mund
Vor deinem Zauber schauend stehen,
Der mir so hold geworden kund.

aus: Stephan Milow Gedichte
Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1882 (S. 29-40)
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Mein Loos

Ist's die Selbstbescheidung meines Herzens,
Welches schon beim Kleinsten jubelnd anhält;
Ist's mein vorbestimmtes karges Schicksal,
Daß ich stets das letzte Ziel verfehle?
Blondes Mädchen mit den süßen Augen,
Du vermöchtest wohl Bescheid zu geben.
Ach, wie lang schon breit' ich meine Arme
Sehnend nach dir aus, du Wunderholde,
Und du lockst mit Macht mich immer weiter,
Liebliche Verheißung in den Mienen;
Aber nimmer lässest du dich fassen.
Halb nur gibst du: einen Blick, ein Lächeln -
Und ich jauchze schon in jähen Gluten,
Voller Überschwang ob meines Glückes,
Bis du dich mir wieder ernst verschließest,
Daß ich sinnen muß gedämpften Herzens:
Liebt sie mich und werd' ich sie erringen?
Glaub' ich dich gerührt von meiner Werbung,
Nimmst du rasch zurück, was du gegeben,
Halb in Schalkheit wohl und halb befremdet,
Daß mein Herz, von deiner Huld entzündet,
Also überschweift in sel'ger Thorheit.
Grad genug beschenkt, um süß zu träumen,
Aber ewig der Erfüllung ferne,
Hoff' ich stets von jedem neuen Tage,
Was mir der entschwundne nicht gewährte.
O Poetenherz! Poetenschicksal!
Muß ich schon das Stäubchen so mir schmücken,
Daß ich es als reichen Schatz empfinde?
Blondes Mädchen mit den süßen Augen,
Muß ich, überwallend, selbst dich lehren,
Wie man Schwärmer leicht am Fädchen leitet,
Ohne ihnen allzuviel zu spenden?
Nun, es sei! Du sollst zum mind'sten wissen,
Daß ich auch, was mir als Loos beschieden,
Selbst erkenne, wenn ich mich nur sammle.
Mein ist nur ein Hauch, ein flücht'ger Schimmer.
Körperlos, mit Händen nicht zu halten,
Soll, wie viel ich ringe, mein Besitz sein,
Und das Leben, das ich selber weckte,
Darf ich nur im Werden still belauschen,
Nicht, zur gold'nen Frucht gedieh'n, mir pflücken:
Ich erreg' in dir den leisen Funken,
Doch der Brand er wird nicht mir mehr gelten;
Ich bewege dich oft nachzusinnen,
Welch ein seltsam Räthsel wohl die Liebe;
Doch des Räthsels holde, süße Lösung
Soll dir nicht in meinen Armen werden,
Und die Sünden alle, die ich, glühend,
Mit der Überredungskraft der Sehnsucht
Dir schon eingeschmeichelt in die Seele,
Wirst mit einem Andern du begehen.

aus: Stephan Milow Gedichte
Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1882 (S. 264-266)
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Lenz und Liebe

I.
Laß mich, das Haupt an dich geschmiegt,
Hinaus ins Frühlingstreiben sehn;
Indeß mein Blick ins Weite fliegt,
Laß deinen Odem mich umwehn.

So quillt der Himmel deiner Brust
In mich und sproßt mir im Gemüthe,
Indeß mein Auge Glück und Lust
Eintrinkt von jeder jungen Blüte.

Und wie nun, mild von dir durchglüht,
All meine Pulse Frieden finden,
Will ich das Schöne, das rings blüht,
Im Herzen doppelt schön empfinden.


II.
Nun bin ich fast des Anblicks trunken
Und schlösse gern mich zu, gestillt;
Du aber bist noch ganz versunken
In alles, was um dich her quillt.

Ist's wohl der Glanz der Maiensonne,
Ist's Liebe, was dein Aug' erhellt?
Gewiß, es brächte süße Wonne,
Zu schauen, was dein Innres schwellt.

Da sink' ich dir ans Herz, zu lauschen,
Wie Lenz mit Liebe sich verflocht,
Und all das Klingen, Schwirren, Rauschen
In deiner Brust gefangen pocht.


III.
Du sollst mich nimmermehr zerstreuen,
Wenn beide durch die Flur wir gehn;
Durch dich erst lern' ich, recht mich freuen,
Und, was da blüht, so ganz verstehn.

Laß deine theure Hand mich leiten,
In süßer Regung folg' ich dir,
Und während still wir weiter schreiten,
Verkläre jeden Anblick mir.

Neigst du dich, Blumen abzupflücken,
Verkünd' ich dir, wie jede heißt,
Indessen mir dein still Entzücken
Den Zauber ihres Duftes weis't.

Ich sehe um mich her nur immer
An allem, was die Runde deckt,
Der Farbe wechselnd bunten Schimmer;
Du siehst das Licht, das ihn geweckt.

Ich kann das Faßliche zerlegen,
Du legst das Wunder mir hinein;
Mich will das Zeitliche bewegen,
Du siehst das Ew'ge, nicht den Schein.

Ich klage trüb ob des Zerfalles,
Dem all die Pracht entgegenglüht;
Dein Auge spricht mir sanft, daß alles
Doch ewig unverwelklich blüht.


IV.
Wer ist's, den bei des Lenzes Walten,
So oft er neu die Erde schmückt,
Nicht jedes jungen Triebs Entfalten
Mit ewig neuer Macht entzückt?
Wenn rings die Stimmen Wonne tauschen,
Klingt so vertraut, was jede spricht,
Und doch – auf unser fragend Lauschen
Will keine uns die Antwort rauschen,
Was sie zur Lust gebar ans Licht.

So bist auch du nicht zu ergründen,
Klar ist nur, wie so reich du bist,
Und immer neu wird mich entzünden,
Was mir ein hold Geheimniß ist.
Ich seh' in jedem Reiz dich blühen
Und weiß doch nicht, woraus er fließt;
Was deine Blicke, Küsse sprühen,
Ist einer innern Schöne Glühen,
Die keinem Auge sich erschließt.


V.
In der Ruine
In der Ruine, fast zerfallen,
Verweilen wir zur Mittagszeit;
Da will es wie ein Klang mir hallen
Aus modernder Vergangenheit.

Wer weiß, wie viele hier geschmachtet
Und auch gejauchzt im Strahl des Lichts;
Wie viele hier geträumt, getrachtet,
Die alle nun verweht ins Nichts!

Ich starre vor mich hin in Trauer,
Mich mahnt's an alles Seins Geschick
Hier plötzlich mit Vernichtungsschauer;
Doch heb' ich wieder froh den Blick.

Sieh, dort, geweckt vom Sonnenscheine,
Treibt's üppig aus dem Schutt hervor,
Und über bröckelnde Gesteine
Rankt helles Grün sich frisch empor.

Und über all den Menschenträumen,
Die in der langen Zeiten Lauf
Zu Staub verweht in diesen Räumen,
Blüht unsre Liebe herrlich auf!

aus: Stephan Milow Gedichte
Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1882 (S. 24-28)
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Abschied

Leb wohl! verlieren soll ich dich,
Auf die mein ganzes Glück ich setzte;
Du neigst dich zitternd über mich,
Und dieser Kuß er ist der letzte.

Unsäglich Weh! Begehrlich hängt
Sich Mund an Mund in stummen Gluten,
Allein ein Strom von Thränen drängt
Dazwischen seine bittern Fluten.

Und doch – wie bang die Brust dir wallt,
Sprich nicht von unheilbaren Wunden!
Uns beiden wird Erlösung bald
Nach all den thränenreichen Stunden.

Wer weiß, was dir noch blühen mag,
Du bist ja reich an Kraft und Fülle;
Ich aber fühl's, schon naht der Tag,
Wo ich in ew'gen Schlaf mich hülle.

Leb wohl, leb wohl! Und klagt dein Schmerz,
Du wirst es nimmer überstehen,
So presse nur die Hand ans Herz
Und glaub', es muß vorübergehen.

Welch Leiden das Geschick uns bot,
Ob noch so bang davor wir beben:
Ich überwind' es durch den Tod
Und du bezwingst es durch das Leben.

aus: Stephan Milow Gedichte
Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1882 (S. 63-64)
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Während der Trennung

Liebchen, ich habe gar oft im Stillen an dir mich versündigt,
Aber es züchtigt mich nun bitter dafür das Geschick.
Darf ich's gestehen? So höre, du Holde, die reuige Beichte,
Daß du den Ablaß dann liebend mir wieder gewährst.
Deine beglückende Nähe sie wurde mir öfter zur Fessel,
Immer vereinigt zu sein, schien mir des Süßen zu viel.
Manchmal schlichst du zu mir und küßtest mir schmeichelnd die Schläfe,
Wenn ich mit grübelndem Sinn andere Dinge bedacht.
Weiß du's noch? wenn traulich beim Lämpchen vereint wir des Abends,
Ich mit der Feder und du flink mit der Nadel bemüht,
Wie mir gar oft dein Auge das meine gelockt von der Arbeit,
Daß ich den Faden verlor, den ich gesponnen im Geist?
Oder beim Lesen wie oft ein Kapitel zurück ich geblättert,
Weil du mich immer verführt, daß ich dir las im Gesicht?
Schloß ich darauf mich allein in das Zimmer, so kündete dennoch
Immer ein Zeichen mir an, daß du mir nahe verweilst.
Und schon lag es fast auf den Lippen wie eine Verwünschung,
Die dein Anblick nur stets in Entzücken verkehrt.
Aber du bist nun fern! wie plötzlich das anders geworden!
Einsam bin ich und leer gähnen die Räume mich an.
Freilich, mich stört jetzt nichts und dennoch – wie fehlt mir die Ruhe!
Immer und immer nach dir lausch' ich mit jeglichem Sinn.
Hör' ich im Hausflur Tritte, so mein' ich, du müßtest erscheinen,
Öffne die Thüre, zu sehn, ob du mir endlich zurück.
Sprachst sonst du mir so manches, indeß ich nach Stille verlangte,
Ist mir, als hätte nun ich hundert der Fragen an dich.
Und beim Lesen am Tischchen, daran wir beide gesessen,
Wie mir die Störung fehlt, welche das Buch mir gewürzt,
Welche die trockenen Worte gewandelt zu blühendem Leben,
Wenn ich auf deinem Gesicht sinnend im Schauen geruht!
Und nun such' ich dich selbst mit deinem entzückenden Auge,
Das mich so innig erwärmt, jetzt erst empfind' ich es recht.
Weh, nichts kann mir gelingen, wofern du mir nicht an der Seite,
Jeder Gedanke versiegt, jedes Beginnen mißglückt.
Wahrlich, die Strafe sie trifft, nun fleh' ich: O kehre mir wieder!
Wo du zumeist mich gequält, fehlst du am meisten mir jetzt.

aus: Stephan Milow Gedichte
Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1882 (S. 201-203)
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Zwiespalt

Mädchen, mir zur stäten Qual geschaffen,
Böser Schalk mit dem Madonnenantlitz,
Oft verwünscht von meinem wunden Herzen,
Mehr gehätschelt noch von meiner Liebe,
Wie enträthsl' ich mir dein Doppelwesen?
Welche Anmuth, welche Engelsreinheit
Spricht mit Macht aus jeder deiner Mienen!
Klar und kindlich blicken deine Augen,
Sanft und arglos lächeln deine Lippen,
Daß es mir ein Frevel dünken könnte,
Solchen Zeichen holder, süßer Unschuld
Nicht mit gläub'gem Sinne zu vertrauen.
Aber kann ich dann in Augenblicken
Flüchtig schaun in deiner Seele Tiefen,
Schreck' ich bang zurück und werde irre.
Thut sich da nicht auf ein schwarzer Abgrund
Voll von Lug und Trug und garst'ger Tücke?
Und ich frage mich: Ist das das Mädchen
Mit den kindlich klaren, schönen Augen,
Mit dem Mund, der so bezaubernd lächelt
Und so keusch den Kuß empfängt des meinen?
Glaub' ich, was dein Antlitz mir verkündet?
Oder glaub' ich, daß du falsch und treulos?
Schwer bedrängt, in Zweifeln schmerzlich ringend,
Möcht' ich bald in glüh'ndem Zorn dich strafen,
Bald dich reinigen von jedem Makel;
Und was soll ich thun zuletzt? dich fliehen?
Oder unserm Bund noch Dauer gönnen? -
Ach, mein Herz, zu heiß nach dir verlangend,
Hat sophistisch mir schon eingeflüstert,
Was mir ziemt in diesem bangen Zwiespalt,
Daß ich, faßt mich auch der Groll oft mächtig,
Dennoch meine Süßigkeit mir rette.
"Um nicht ungerecht zu sein", so räth mir's,
"Harre, bis Gewißheit dir geworden;
Und indessen magst du, Vielbedrängter,
Tapfer hassen ihre schwarze Seele
Und dabei ihr rothes Mündchen küssen."

aus: Stephan Milow Gedichte
Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1882 (S. 266-268)
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Aus jungen Tagen

I.
Mädchen, wie lang noch, sprich! soll bang ich in Zweifeln mich quälen?
Hasch ich ein Zeichen der Gunst, eilig entziehst du es mir,
Zeigest dich wieder mir kalt und so, in ewigem Schwanken,
Ward ich verschüchterter stets, wag' ich mich kaum dir zu nahn.

Heut erst sah ich im Garten dich wandeln, wie sollt' es mich flügeln!
Aber ich folgte nur scheu, blicktest du stets auch nach mir;
Denn ich erwog: Vielleicht ach! späht sie dich nur, zu entfliehen,
Darfst du denn glauben, ihr Blick rufe, zu folgen beherzt?


II.
Sitzest, den Deinen gesellt, im Schatten, gelehnt an die Laubwand;
Ich, dahinter versteckt, spähe dein liebliches Bild.
Weißt du's auch, nie blickst du zurück, die freundliche Lücke
Ließ das sprossende Laub zwischen uns beiden umsonst.

Endlich, im Herzen verletzt, von schmerzlicher Regung ergriffen,
Wend' ich mich ab, um zu gehn, rauschend verräth dir's mein Tritt.
Aber da springest du auf, blickst nach mir über die Hecke,
Nickest, ich nicke zurück, wieder versöhnt und beglückt.


III.
Durch die Büsche, die dicht das Haus der Deinen umhegen,
Sah ich am Fenster dein Bild, nieder das Köpfchen gesenkt,
Denn die geschäftigen Hände, gerüstet mit Nadel und Wolle,
Schufen gar emsig ein Werk zierlicher weiblicher Kunst.

Eilig gedacht' ich, da fern die gefürchteten Eltern ich wußte,
Dich zu beschleichen und leis barg ich mich hinter das Laub,
Schlüpfte behende zu dir bis nah ans Fenster und plötzlich
Taucht' ich hervor mit dem Ruf: Endlich vermag ich zu nahn!

Du, in Schrecken vielleicht, doch mehr noch in schalkischer Laune,
Schnelltest da schreiend empor, wenden das lockige Haupt.
Aber ich redete so: Wofern ich dich, Liebchen, erschreckte,
Selber nur trägst du die Schuld, da du dich immer mir birgst.

Muß ich doch, wie ein Dieb, auflauern dir jede Minute,
Bis ich dein liebliches Selbst hasche zu kurzem Besitz.
Jetzt auch bist du nur halb mir gegeben, so schön es sich fügte,
Du bist drinnen und ich finde hinaus mich gesperrt,

Daß dich der Blick kaum umfängt, o sieh: nicht kann ich dir innig
Drücken die herzige Hand, küssen den blühenden Mund;
Eisern wehren mich ab des Gitters sich kreuzende Stäbe,
Und aus der sehnenden Brust kriechen die Wünsche nur durch.


IV.
Selig an dich geschmiegt, da rings schon Dunkel sich breitet,
Preis' ich beredt mein Glück, unserer Liebe Verband.
Wenn ich dich nun nicht liebte? entgegnetest du schelmisch mich quälend,
Und der Antwort harrst lächelnder Miene du schon.

Aber ich spreche: Verlör' ich auch deine beglückende Liebe,
Wie es mich schmerzte, mir wär's nimmer das Schmerzlichste doch;
Zürntest du mir nur nicht und dürft' ich von ferne dich schauen,
Immer noch bände mich leis süßes Gedenken an dich,

Und mir bliebe die stillere Lust anbetender Liebe,
Und das bescheidende Herz wahrte sein kleineres Theil.
Doch vor Einem erbeb' ich beim bloßen Gedanken schon ängstlich,
Eines zerstörte mich ganz bis in die Wurzel des Seins:

Haltlos fänd' ich mich plötzlich, beraubet des Zieles und Strebens,
Käme die Stunde, wo mir sterbend die Liebe verlöscht.

aus: Stephan Milow Gedichte
Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1882 (S. 195-199 )
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Der gefangene Blick

Mir gegenüber sitzest, Ärmste, du
Und rückst auf deinem Sessel ohne Ruh'.
Da du mich meiden willst und lang' schon grollst,
So weißt du nicht, wohin du schauen sollst.
Ich aber sehe unverwandt dich an
Und halte dich mit meinem Aug' im Bann.
Du fühlst es, daß es kein Erbarmen kennt,
In dich sich bohrt, auf deinem Antlitz brennt.
Bald rechts, bald links an mir vorüber fliegt
Dein scheuer Blick; jetzt streift er mich, jetzt biegt
Er wieder aus als wie in jähem Schreck,
Irrt hierhin, dorthin, sucht sich einen Fleck,
Wo er verweilen kann; doch scheuch' ich ihn
Von jedem fort und ewig muß er fliehn.
So hetz' ich dich und rühre mich doch nicht.
O welche Jagd! Bis schier die Kraft dir bricht
Und sich dein Blick, den ich so fest umspann,
Voll Angst vor meinem nicht mehr retten kann.
Da fass' ich ihn, gefangen ist er schon,
Und schlüpft er mir auch einmal noch davon,
Er kehrt zurück und – ach, die Not ist groß! -
Wie er auch zuckt, er kommt jetzt nimmer los,
Und geht zuletzt mit feuchtem, sel'gen Glanz
In meinem sel'gen Auge unter ganz.

aus: Stephan Milows Gedichte.
Auswahl des Verfassers
Mit einem Bildnis des Dichters und einer Einleitung
von Eduard Engel Leipzig Max Hesses Verlag 1908 (S. 58)
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Von der Liebe

Nein, sie darf nicht stürmisch kommen,
Soll sie mächtig sein und dauern,
Sondern zagend und beklommen,
Mit geheimnisvollen Schauern.

Nicht in Worten darf sie sprechen,
Noch sich überreden lassen;
Schwüre könnte sie nur brechen,
Und es kann kein Laut sie fassen.

Stets am tiefsten wird sie binden
Und sie ist in stärksten Banden,
Wenn die Herzen still sich finden,
Ahnungslos, uneingestanden.

aus: Stephan Milows Gedichte.
Auswahl des Verfassers
Mit einem Bildnis des Dichters und einer Einleitung
von Eduard Engel Leipzig Max Hesses Verlag 1908 (S. 61)
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Letzte Hoffnung

Noch Aug' in Aug' und doch geschieden!
Du stehst vor mir, dein Wort erschallt;
Doch traur' ich, krank und ohne Frieden,
Da ja dein Herz geworden kalt.

Nur manchmal zuckt's aus deinen Blicken
Als wie das alte süße Glück,
Und ach! mich will der Wahn bestricken,
Es kehrt noch einmal mir zurück.

aus: Stephan Milow Gedichte
Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1882 (S. 62)
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Unverloren

Nur flüchtig ist der Liebe Glück;
Es rechne keiner in die Ferne,
Und keiner schaue bang zurück,
Versanken seines Himmels Sterne.

Einst fassest du es selber nicht,
Daß du so heiß nach mir gerungen;
Daß wir, voll Seligkeit und Licht,
So weltvergessen uns umschlungen.

Ich aber klage dich nicht an
Und trage stumm des Schicksals Walten,
Wenn unerbittlich mir zerrann,
Was nimmer, nimmer festzuhalten.

Ob all die Tage, goldumsäumt,
Mir nichts von treuer Dauer brachten:
Da ich geliebt, gehofft, geträumt,
Was sollt' ich als verloren achten?

aus: Stephan Milow Gedichte
Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1882 (S. 65)
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Notwendigkeit

O Liebe, Liebe, wer dich fassen mag!
Bestimmt war alles schon am ersten Tag,
Bestimmt das Ende längst; doch keinen Zwang!
Du mußt es gehen lassen seinen Gang.
Du pflückst nicht heut, was dir erst morgen reift;
Umsonst, daß deine Hand danach schon greift.
Dein ist der Preis, gewiß; doch nur Geduld!
Durch Lust und Leid, Entsagung und durch Schuld
Hinauf, hinunter geht es, kreuz und quer;
Du ringe nur und achte nichts zu schwer,
Bis wird, was schon bestimmt am ersten Tag:
O Liebe, Liebe, wer dich fassen mag!

aus: Stephan Milows Gedichte.
Auswahl des Verfassers
Mit einem Bildnis des Dichters und einer Einleitung
von Eduard Engel Leipzig Max Hesses Verlag 1908 (S. 54)
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Junge Liebe

1. Unschuld
O Unschuld, deiner nicht bewußt,
Weil du ja holde Unschuld bist,
Was trägst du nicht in deiner Brust
Und weißt nicht, wie's entzückend ist!

Eins aber ahnst du, Mägdelein,
Wenn du dich still in dich versenkst:
Daß alles, alles du, was dein,
Bald zitternd dem Erwählten schenkst.


2. Wie kommt's?
Du bist so schlicht,
Unwissend noch bei Scherz und Spiel,
Und was dein holder Mund mir spricht,
Es klingt nicht stolz, es sagt nicht viel,
Halb Einfalt ist's, halb kind'sche Laune,
Und doch – wie kommt's,
Daß ich's als Weisheit tief bestaune?

Du bist so schlicht,
Du wandelst arglos noch dahin
Und ahnst der Menschen Tücke nicht;
Dir steht nach Herrschaft nicht der Sinn,
Du brauchtest selbst den Stab im Leben,
Und doch – wie kommt's?
Vor deinem Wink schon muß ich beben.

Du bist so schlicht.
Schon regt sich leis in dir das Weib,
Das aus der Kinderknospe bricht;
Verlangend schwillt dein junger Leib,
In Liebesarmen voll zu reifen,
Und doch – wie kommt's?
Ich wage kaum dein Kleid zu streifen.


3. Stiller Trost
Hier waltest, du, Geliebte,
Dies Häuschen, schlicht und klein,
Es schließt das schönste Mädchen,
Es schließt mein Alles ein.

Oft geh' ich vorbei am Fenster,
Du aber merkst es nicht;
Wie oft ich nach dir spähe,
Zeigst nie dein süßes Gesicht.

Hast nie belohnt mein Mühen,
Noch nie herabgesehn,
Und doch – wie stärkt mich's tröstend,
Kann ich vorübergehn.


4. Begegnung
Jetzt nah' ich dir mit kühner Bitte!
Du wandelst dort im Laubengang -
Ich folge dir mit raschem Schritte,
Zu mächtig ist des Innern Drang.

Schon bin ich ganz in deiner Nähe;
Entfliehst du oder hältst du ein?
Du lauschest mir, wie ich dich spähe,
Und ringst in süß beklommner Pein.

Ich sinne drauf, wie dich beschleichen,
Und bebe doch vor meiner That;
Du sinnest, wie mir auszuweichen,
Und weißt dir zaghaft keinen Rath.

Ich kann die Bitte nimmer wagen,
Die heiß mir auf die Lippen drängt;
Du wagtest nicht, sie zu versagen,
Ich fühl's und schweige doch beengt.

So gehen beide wir zusammen,
Die jungen Herzen übervoll;
Doch starr getrennt die beiden Flammen,
Getrennt, was doch sich finden soll.

O daß ein Engel uns erschiene
Und legte lächelnd deine Hand
In meine mit zufriedner Miene
Und spräche: heilig sei dies Band!


5. Zwischen Wunsch und Erfüllung
Das ist der Liebe schönste Zeit,
Vom ersten Blick zum ersten Kuß,
Wo du, schon reich, in Seligkeit
Vorahnst, was dir noch werden muß.

Wo der Erfüllung Frucht du leis
Mit zagem Finger schon gestreift,
Und deine trunkne Seele weiß,
Daß sie dir bald zum Pflücken reift.


6. Über Nacht
Gestern Knospe, noch verhüllt,
Heute eine offne Rose,
Farbenglühend, reich gefüllt -
Schnell entfalten sich die Loose.

Gestern scheu der erste Kuß,
Banges Zaudern und Verhehlen,
Heut – o süßer Überfluß! -
Küsse, nimmermehr zu zählen.


7. Inniger Verband
Seit du dich liebend mir verbunden,
Sag', ist dir's nicht als wie ein Traum?
Du hast in mir dich erst gefunden
Und staunend fassest du es kaum.
Du lernst durch mich dich selbst verstehen,
Was dir im Innern dunkel war,
Laß ich in mir dich spiegelnd sehen,
Ich mache dir dich selber klar.

Du magst noch im Entschluße schwanken,
Ich weiß voraus, was du vollbringst;
Wenn für Gefühle, für Gedanken
Du nach dem Wort vergebens ringst:
Ich leg' es wie aus deiner Seele
Dir zur Erlösung in den Mund,
Und was dein Wille meide, wähle,
Ich künde dir dafür den Grund.

Kann ich so ganz dein Tiefstes fassen
Und ruhst du ganz und gar in mir,
Mag ich dich ruhig andern lassen,
Und quäle mich nicht, fern von dir.
Ich forsche dir nicht nach mit Bangen,
Da nichts an dir mich täuschen kann;
Was immer mit dir vorgegangen,
Das zeigte schon ein Blick mir an.

O sollten deine Gluten schwinden,
Die meines Lebens Nahrung sind,
Ich müßt' es zitternd schon empfinden
Bevor du's selber ahntest, Kind.
Und bang entschlossen würd' ich sprechen:
(Du würdest stumm betroffen stehn)
Dir welkt die Liebe, laß uns brechen,
Ich könnte sie nicht sterben sehn.


8. Ewige Liebe
Ich denke, wenn in günst'ger Stunde
Ein Paar sich Liebe heiß gestand,
Gelöst in Wonne, Mund auf Munde,
Das knüpft ein ewig festes Band.

Wie könntest du dich von mir trennen
Nach all dem Glück, das uns gelacht!
Du mußt es ewig theuer nennen,
Was einst so selig dich gemacht.

Wie könntest du mir Treue brechen,
Da du, nach süßer Liebe Art,
Mit allen seinen holden Schwächen
Dein Wesen mir geoffenbart!

Und dir nur stets der Stachel bliebe,
Was Liebesaugen einst entflammt,
Vom kalten Blick enttäuschter Liebe
Zerlegt zu sehen und verdammt.

Und durch so Vieles, was im Leben
Dem edlern Herzen heilig ist,
Du ganz zu eigen mir gegeben,
Mir ganz und gar verfallen bist.

Ich denke, wenn in günst'ger Stunde
Ein Paar sich Liebe heiß gestand,
Gelöst in Wonne, Mund auf Munde,
Das knüpft ein ewig festes Band.


9. Liebesschätzung
Ist Liebe nicht voll Eitelkeit,
Und preis' ich dich nicht blos um mich,
Da ich so lob- und sangbereit
Erst seit du sprachst: Ich liebe dich?

Erst unser süßer Liebesbund
Enthüllt mir, wie du schön und gut,
Und öffnet plötzlich mir den Mund
Zu Hymnen voll entzückter Glut.

So ist's! und könnt' es anders sein?
So ist's! und nimmer sei's verhehlt:
Sieh, nur das Eine, daß du mein,
Hat zur Vollendung dir gefehlt.

Und was du bist und was du gibst,
So reich, geschmückt mit jeder Zier:
Mein herrlich Kind, daß du mich liebst,
Bleibt mir das Schönste doch an dir!


10. Weine, holde Kleine!
Weine, holde Kleine, weine!
Thränen können dich nur schmücken;
Leicht gedämpft, im milden Scheine
Ist dein Blick erst zum Entzücken.

Mit der Süßigkeit der Liebe
Kommen auch die Liebessorgen;
Ob dir heut kein Wunsch auch bliebe,
Quälst du dich doch um das Morgen.

Wie dich deine kind'schen Zähren,
Wohl nur um ein Nichts vergossen,
Schön in Rosenglut verklären,
Daß du leuchtest, glanzumflossen!

Wie so rührend, holde Kleine,
Deine nassen Augen sprechen!
Weine denn nur immer, weine,
Und dein Herzchen wird nicht brechen.


11. Des Dichters Lob
Ich leg' ein Lied zu Füßen dir,
Das glühend dich zu preisen strebt;
Da lispelst zart verschämt du mir,
Daß dich mein Sang zu sehr erhebt.

Und faß' ich auch mit lauter Licht
Dein süßes, theures Bild mir ein,
Erröthe drum bescheiden nicht
Und nenne all den Schmuck nur dein.

Ob all ihr Schönstes, hold vereint,
Dir liebend die Natur verwob:
So schön ist nichts, wie es erscheint,
Verklärt von eines Dichters Lob.


12. Beschwichtigung
Heut, da wir uns voll Entzücken
Müd gekost im Dämmerlichte,
Kam mich's an, dich zu beglücken
Mit gelehrtem Unterrichte.

Ernst begann ich vorzutragen
Von der Menschheit, die sich, ringend,
Vorwärts müht seit grauen Tagen,
Und du sprichst, mich scheu umschlingend:

All das sei dir noch verschlossen,
Fragst mich, wie an solchem Kinde,
Das in Einfalt aufgesprossen,
Ich nur noch Gefallen finde.

Drauf mit einem Kuß ich sage,
Daß der Zweifel rasch zerstiebe,
Der mir klang aus deiner Frage:
Mädchen, du hast deine Liebe.

Was wir grübelnd auch erstreben,
Stäter Forschung heiß beflissen,
Fehlt das Herz, es zu beleben,
Bleibt es doch ein armes Wissen.

Glaube, deines Wesens Züge
Können manches mir entrollen,
Was umsonst Gedankenflüge
Stolzen Drangs ergründen wollen.

Laß dich ein Gefühl erfüllen,
Wunderbar wird's dich erleuchten,
Wird dir Räthsel rings enthüllen,
Die dir unauflöslich däuchten.

Ist dir dieser Schatz geblieben,
Keinem ist er zu vertauschen;
Lieben sollst du, nichts als lieben,
Und dein liebend Herz belauschen.

Lauschen und gar holde Kunde
So aus seiner Tiefe holen
Und sie dann in stiller Stunde
Mir vertrauen süß verstohlen.


13. Letztes Beisammensein
Du hüpftest froh entgegen mir
Und hangst an meinem Munde,
Da eingetreten ich bei dir
Still zur gewohnten Stunde.

Du ahnst es, süßes Mädchen, nicht,
Welch Leiden dir bereitet,
Welch eine Kunde von Gewicht
Mich heut zu dir geleitet.

Und harmlos in verliebtem Scherz
Ziehst du mich zu dir nieder
Und rufst, mich drückend an das Herz:
So hab' ich dich denn wieder!

O wie du so voll Liebe bist,
Fühl' ich mich fest gehalten;
Was an dir Schönes, Holdes ist,
Will reicher sich entfalten.

Du reißest mehr denn je mich fort,
Du willst mich doppelt zünden,
Da ich ein banges, schweres Wort
Dir mitleidlos muß künden.

Und bebend halt' ich's noch zurück,
Noch kann ich's dir nicht sagen;
Wie sollt' ich auch dein heitres Glück
So rauh zu stören wagen!

Ja, einen Zug noch, voll und lang,
Will gönnen ich uns beiden,
Und dann es dir verkünden bang,
Daß wir auf immer scheiden.


14. Nachklang
Faß' ich's? war alles nur ein Traum?
Ich hatt' ein Lieb und weiß es kaum;
Ich hielt's im Arm, ich herzt' es sehr -
Nun seh' ich's nimmer, nimmermehr.

In dumpfer Trauer sinn' ich nach,
Wie hold es war, wie süß es sprach;
Doch finden zum versunk'nen Glück
Kaum die Gedanken noch zurück.

Wie abgerissen all' mein Sein,
Noch gestern welch' ein Himmel mein!
Und heut – ach, alles wie so weit,
Zerstäubt in der Vergangenheit!

aus: Stephan Milow Gedichte
Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1882 (S. 43-55)
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Frei gesprochen

Rasch geliebt und rasch vergessen,
Froh geherzt, ob kurz besessen!
Ist der Wahlspruch, der dich lenkt.
Sicher lieblichen Gewinnes,
Lebst du ewig heitern Sinnes,
Da auf mich der Gram sich senkt.

Groll' ich dir? Im weiten Ringe
Schaun wir ja die Flucht der Dinge;
Schelt' ich deine Liebe schlecht?
Rasch geliebt und rasch vergessen,
Froh geherzt, ob kurz besessen!
Kannst du's nur, so hast du Recht.

aus: Stephan Milow Gedichte
Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1882 (S. 62)
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Nach dem Stelldichein

Sie konnte heute, viel bedrängt, nur kurz
Den Teuren sehn. Da geht sie nun dahin
Langsamen Schrittes durchs Gewühl der Stadt,
Indes sie aus der Tasche zieht ein Blatt,
Das er ihr vor dem Scheiden noch gegeben
Und ihr das Auge immer mächt'ger bannt.
Ergießungen des Herzens liest sie, Worte,
Erfüllt von Glück und auch von tiefer Wehmut,
Wie sie der bange Augenblick erzeugt
Und die Erinnerung an einst'ge Freuden.
Sie liest, sie liest gespannt, in ihren Mienen,
Was sie gelesen, spiegelnd seelenvoll,
Vom stillen Lächeln bis zum trüben Ernste.
In dessen wogt es um sie in den Gassen
Von Menschen, welche hierhin, dorthin hasten.
Wohl bannt vielleicht sie manchen Müßiggänger
Mit ihrem Anblick im Vorübereilen;
Doch alles wirbelt wieder durcheinander
Zu einer bunten, lärmend lauten Masse,
Nur sie zieht durch den wirren Menschenschwarm,
Ein holdes Wunderbild, den Seelenfaden.

aus: Stephan Milows Gedichte.
Auswahl des Verfassers
Mit einem Bildnis des Dichters und einer Einleitung
von Eduard Engel Leipzig Max Hesses Verlag 1908 (S. 62)
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Bangen

Sie wollen dich mir verkleinern,
Sie nennen dich wandelhaft,
Sie wollen den Glauben mir nehmen
An deiner Liebe Kraft.

Die Menschen, die bösen Menschen!
O schmähn sie dich noch lang,
Sie werden das Herz mir vergiften,
Mein Gott, mir ist so bang!

Sie wollen dich mir verkleinern,
Sie sähen mich zweifeln gern,
Und du, du mußt es dulden,
Denn du bist fern, ach fern!

Bist fern und kannst nicht, innig
Das Haupt an die Brust mir gelegt,
Mir sagen und wieder sagen,
Wie treu dein Herz mich hegt.

aus: Stephan Milow Gedichte
Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1882 (S. 40-41)
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Hohe Liebe

Sieh mir ins Auge, schlinge den Arm um mich
Und laß uns selig, schwelgend im Hochgefühl
Der schönsten Wonne und Vollendung,
Über der Welt in Verklärung schweben.

Kein Wort von Treue! Schwüre begehr' ich nicht,
Du schmähtest so nur heiliger Liebe Glut;
Aufblüh' uns segnend diese Stunde,
Gänzlich gesättigt in sich und sorglos.

Es liegt im Kusse, welchem der Gegenkuß
Gespendet, schön und herrlich geschlossen schon
Ein ganzes Schicksal, ganzes Leben;
Bliebe den Liebenden noch ein Sehnen?

Sei frei! und dies nur höre zu deinem Schutz:
Erkalt' ich jemals, bann' ich mich selbst von dir;
Nie soll mein Mund, dich schnöd entweihend,
Ohne Verzücken den deinen streifen.

aus: Stephan Milow Gedichte
Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1882 (S. 168-169)
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Stille Zuversicht

So bist du endlich mir erschienen!
So stehst du leuchtend vor mir da!
Das ist der Blick, das sind die Mienen,
Wie ich sie oft im Traume sah.

Ein Jeder muß in süßen Schauern
Dich preisen laut mit Jubelklang,
Auf jeden deiner Tritte lauern,
Zu huld'gen dir im Feuerdrang.

Ich aber halte mich zur Seite,
Von keinem Ungestüm verzehrt;
Ich dämpfe meinen Puls und schreite
Mit stummer Lust in mich gekehrt.

Ich dränge nicht zu dir und spähe
In banger Hast nach deinem Blick;
Gesegnet schon durch deine Nähe,
Träum' ich das seligste Geschick.

Ich kann es ja im Tiefsten ahnen,
Daß dich auch jener Geist berührt,
Der dich mir wies und unsre Bahnen
Also zusammen jetzt geführt.

Er schwebt als Lenker vor uns beiden,
Du suchest mich, wie du mir fehlst:
Ich harr' in Zuversicht bescheiden,
Bis du mich schaust und hold erwählst.

aus: Stephan Milow Gedichte
Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1882 (S. 55-56)
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Enttäuschung

So soll auch dieser Traum entschwinden,
Auch dieser Himmel also log!
Was schämst du dich, daß dein Empfinden,
Mein armes Herz, dich so betrog?

Gesteh's nur, du warst ganz versunken,
Es war ein tiefes, volles Glück,
Daß du in sel'ger Glut getrunken -
O nimm es jetzt nicht stolz zurück!

Und hast du falsch in ihr gelesen,
Und hast du falsch auf sie gebaut;
Du liebtest nicht, was sie gewesen,
Du liebtest nur, was du geschaut.

Und hast du, träumend schönre Welten,
Ihr Bild mit goldnem Glanz umwebt,
So darf darum dich niemand schelten,
Da dich dein Wahn nur selbst erhebt.

Gesteh's nur, du warst ganz versunken,
Es war ein tiefes, volles Glück,
Das du in sel'ger Glut getrunken -
O nimm es jetzt nicht stolz zurück!

aus: Stephan Milow Gedichte
Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1882 (S. 41-42)
_____
 


Im Lebensstrome

Soll mir um deine Treue bangen,
Weil du umrauscht von einer Welt,
Und beb' ich, daß ein neu Verlangen
Die junge Brust dir mächtig schwellt?

Was ringsum blüht vor deinem Blicke,
O wünsch ich's in das Nichts zurück,
Nur daß dir's nicht das Herz bestricke,
Mir nicht zerstöre all mein Glück?

Nein, süßes Lieb! Sieh', ich vertraue,
Weil ich dir ja vertrauen muß;
So flattre immer zu und schaue
Des reichen Lebens schönen Fluß.

Sei frei, umspült von seinen Wellen!
Dich hält die Liebe nur im Bann,
Und alles, alles muß zerschellen,
Wenn ich dich nicht mehr binden kann.

aus: Stephan Milow Gedichte
Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1882 (S. 60)
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Verdamme nicht!

Sprich nicht zu rasch das Wort, das mich verdammt,
Wenn dich mein schwankend Wesen oft verwirrt,
Und zürnst du mir, vom Augenblick entflammt,
O prüfe! daß dein jäher Zorn nicht irrt.

Gemein ist nicht dies Herz und nicht gemein
Das Maß, das es zu seiner Schätzung will,
Und kann ich nicht, was du gehofft, dir sein,
Und willst du fluchen schon, sei still! sei still!

Was dir mein Bild verdeutlicht, ist zerstreut,
Du mußt die Züge sammeln liebevoll,
Wie sie mein unstät ringend Leben beut;
Doch sagt dir freilich keiner, was er soll.

Ich selber bilde ja mit Müh' an mir,
Nach einem Ganzen streb' ich, schön und klar;
Doch ob mir's glückt? verzweifeln möcht' ich schier
Und matter, müder werd' ich Jahr um Jahr.

Wie lang noch währt's? ich fühl's mit bangem Sinn,
Daß mir die Lebensonn' im Mittag brennt;
Wie lang noch währt's? und meine Zeit ist hin,
Und alles bleibt ein ärmliches Fragment.

aus: Stephan Milow Gedichte
Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1882 (S. 262-263)
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Göttlichkeit

Süßes Mädchen, wie du schön bist!
Wie so lieblich deine Miene,
Wie so mild der Blick des Auges,
Wie so hold des Mundes Lächeln
Und wie wunderzart die Blüte
Deines magdlich jungen Leibes!
Und das alles, süßes Mädchen,
Hast du nicht für dich – o denk' es! -
Hast den ganzen großen Reichthum
Blos nur, um ihn zu verschenken.

aus: Stephan Milow Gedichte
Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1882 (S. 264)
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Rückerinnerung

Verklärte du, Geliebte meines Herzens!
Die keine bange Klage wiederbringt,
Ich denke liebend dein in dieser Stunde.
Der Abend dämmert nieder auf die Erde
Und durch die Seele gleiten leise mir
Erinnerungen längst entschwundner Freuden.
Ich denke liebend dein und den Gedanken
Folgt bänger stets das Herz mit lautem Pochen.
Vom ersten fremdbeklommenen Begegnen,
Wo wir mit scheuem Blick einander prüften,
Wie viel ein Jedes in der Liebe gälte,
Bis zu der Stunde, wo sich unsre Herzen,
Mit Zagen noch, einander still erschlossen,
Zum namenlosen Augenblicke weiter,
Wo ihre innre Fülle überquoll
Und wir, gelöst in sel'ger Glut, uns hielten:
Die ganze Zeit, ach! unsrer schönen Liebe,
Vom ersten Blick zum Wusch und zur Erfüllung,
Sie zieht vor meiner Seele zaub'risch hin
Und meinem Aug' entquellen heiße Thränen. -
Da unsre Liebe kaum in Blüten stand,
Ward rauh dein junges Leben ausgelöscht,
Und schmerzensirre suchte dich mein Blick.
Ich blieb allein zurück, allein, verlassen!
Und doch – ich lebe! Sagt es nicht genug?
O wer, nachdem sein Theuerstes entschwunden,
Es dennoch ferner mit dem Leben aufnimmt,
Der hat es vorweg auch auf sich genommen,
Was er verloren, mählich zu verschmerzen!
Dem Leide leben, wer vermöcht' es wohl?
Das Leben bringt Zerstreuung, neue Wünsche
Und widerstrebt der brütenden Entsagung;
Nur selten naht der Augenblick, wo wir
Uns ganz in einem Punkte sammeln können,
Und unsres Herzens reichste, tiefste Fülle
Auf die Vergangenheit in Thränen schütten. -
Verzeihe mir, du Himmlische! verzeihe,
Daß ohne dich ich hier noch wandeln kann!
Und mag ich neben dir auch klein erscheinen,
O dich entweihen werd' ich nimmermehr!
Ja, ich gesteh's, noch hält die Welt mich fest,
Du aber leihst ihr immer noch den Glanz,
Und hinter jeder Lust, die sanften Hauches
Die Seele mir zu freierm Odem schwellt,
Taucht deine liebliche Gestalt empor
Und streut darüber der Verklärung Schimmer.
Ich lernte mählich, alles, was mich freut,
Mit der Erinnerung an dich zu einen,
Und aus dem dunkeln Schattenreich des Todes
Hol' ich den schönsten Schmuck des Lebens mir.
Vergessen bist du nicht, du wirst es nie!
Nur hab' ich dich jetzt anders mir gewonnen.
Daß ich nicht so wie einst, gelöst in Klagen,
Verschlossen jedem Trost, zurück dich sehne,
Verzeih es mir! Nichts widerstrebt dem Wechsel;
Sein unerbittlich ehernes Gesetz
Drängt alles wieder in das Nichts zurück,
Wie Well' auf Welle steigt und niederrollt.
Und wenn wir trauernd mit verwirrtem Blick
Das Theuerste vorüberflüchten sehen,
So bleibt uns nur der eine Trost zurück,
Daß jeder Schmerz auch einmal müde schweigt,
Und einmal selbst die bangste Thräne trocknet.

aus: Stephan Milow Gedichte
Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1882 (S. 250-253)
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Einem Verlorenen

Versöhnung! welch ein Wort von mächt'gem Klange!
Wie süß die Thräne, die das Auge weint,
Wenn Zwei nach manchen Irrsals bangem Drange
Sich in die Arme sinken neu vereint!

Erblühte mir auch eine solche Stunde,
Wo wir gerührt uns halten, Hand in Hand,
Und wieder eins, wie sonst, im Herzensgrunde,
Aufjubelnd knüpfen neu das alte Band!

Allein umsonst! Uns trennt kein blindes Grollen,
Kein jähes Wort, das jetzt die Lippe spricht
Und, wie es dem Erzürnten kaum entquollen,
Ihm auch schon fast das eigne Herz zerbricht.

Uns trennt ein Abgrund, nimmer auszufüllen,
Und folgt' ich meiner heißen Sehnsucht Zug,
Und wollt' ich, was mich peinigt, mir verhüllen,
Was frommte mir ein solcher Selbstbetrug?

Hier ist nicht eine That nur zu vergessen,
Hier stürzte alles, drauf ich einst gebaut,
Und nichts, ach! heilt das Leiden unermessen,
Daß ich im tiefsten Wesen dich durchschaut!

aus: Stephan Milow Gedichte
Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1882 (S. 271-272)
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Versöhnung
An Sie

Wahr ist's, oft hab' ich diese Welt verhöhnt,
Hab' ihr verbittert heißen Kampf geschworen,
An blinden Groll war dieses Herz gewöhnt
Und hätte bald im Kampf sich selbst verloren.

Ich habe vieles ungeprüft verdammt
Und unbedacht so manchen Fluch gesprochen;
Doch war ich für das Höchste auch entflammt
Und manches Wort hat mir die Welt gebrochen.

Vorüber zog ich manchem sichern Port,
Der freundlich mir zur stillen Einkehr winkte,
Oft riß mein rascher Sinn mich jählings fort
Und manchem Irrlicht folgt' ich, das mir blinkte. -

So sei's! die träge Ruhe such' ich nicht
Der leeren Herzen, die um nichts gestritten,
Den neid' ich nicht, dem nichts den Frieden bricht,
Der nie in Zweifeln bang bewegt gelitten.

Und wenn auch fast die Kraft im Sturme brach,
Und mochte drohend hoch die Brandung wogen,
So schöner ist's, wenn endlich allgemach
Die Stille in ein ringend Herz gezogen.

Nun du erschienen mir und mich gelehrt,
Daß aus dem Himmel ich mich selbst verbannte,
Mich nur in selbst geschaffner Qual verzehrt
Und blind des Glückes reichsten Quell verkannte;

Nun sich dein Zauber mir geoffenbart
Und du in deine Hut mich aufgenommen:
Ist nach der unstät irren, langen Fahrt
Zwiefacher Segen über mich gekommen.

Wie wird mir nun, da alle Trübe schwand,
Da rings um mich die Welt im hellen Scheine,
Und ich auf deine rettend milde Hand
Still die Versöhnungsthräne niederweine!

aus: Stephan Milow Gedichte
Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1882 (S. 253-254)
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Vorüber

I.
Was dir gebricht, ich will danach nicht fragen,
Doch was du hast, erquicke schmeichelnd mich;
Nicht um Verlor'nes an dir zu beklagen,
Gefund'nes nur zu preisen, halt' ich dich.

Die Ideale will ich stumm begraben,
Die ich ins Leere sehnsuchtsvoll gemalt;
Ich will mich an dem Zauber selig laben,
Der mir aus deinem Auge herrlich strahlt.

Du hast geliebt! Das erste süße Wallen,
Das deine junge Brust geschwellt mit Macht,
Des keimenden Gefühles erstes Lallen,
Ein Andrer war es, dem du's hold gebracht.

Gestorben ist der Unschuld zartes Regen -
So sei's! Verlor'nes bringt kein Gott zurück;
Bleibt dein Besitz doch immer mir ein Segen
Und was du spendest, ist ein tiefes Glück.

Kein Frühling ist's in träumendem Entfalten,
Dem man mit Scheu die ersten Knospen streift,
Doch eine Liebesernte will ich halten,
Wie keine noch im Erdenrund gereift.


II.
Entfalten kann sich nur die Liebe,
Wenn reich sie Gegenliebe nährt,
Wenn in entbranntem Doppeltriebe
Ein Herz des andern Gluten mehrt;
Wenn sich zwei Flammen fest verbünden,
Auflodernd, jedem Zwang entrafft,
Und an einander sich entzünden
Zu doppelt heißer, mächt'ger Kraft.

Das ist nicht Liebe, wenn, noch schwankend,
Das Herz vor seinem Wunsch erschrickt
Und, stets in bangen Zweifeln krankend,
Sein keimendes Gefühl erstickt;
Wenn es so fern vom Ziel sich glaubet,
Daß es verschüchtert gar nicht wirbt,
Sich selber jede Hoffnung raubet,
Bis mählig all sein Sehnen stirbt.

Nicht Liebe war's, da noch in Bangen
Ich dich vom Himmel mir erfleht,
Ich scheu an deinem Blick gehangen
Und deine Miene bang gespäht.
Konnt' ich es damals auch nur ahnen,
Wie dieses Herz zu glühn vermag,
Da so geschieden unsre Bahnen
Und zwischen uns so vieles lag?

Doch jetzt, da wir uns ganz gefunden,
Vom gleichen Herzenszug gelenkt,
Und so unnennbar süße Stunden
An deiner Seite mir geschenkt;
Jetzt weckt mir die geword'ne Gabe,
Was sonst im Innern matt nur schlief:
Ich fühl' es erst, nun ich dich habe,
Wie ich dich liebe voll und tief.


III.
Wen du erfüllst, o Liebesglück!
Du Schatz, gepriesen überschwänglich,
Der schaut nicht vor und nicht zurück,
Für alles Andre unempfänglich.

Wer zitternd sich in dich verlor,
Der ist gefeit in seinen Wonnen,
Der schwebt im leichten Flug empor,
Umkreist von tausend goldnen Sonnen!

So jauchz' ich meinem Mädchen laut,
Daß ihr's im Tiefsten wiederklinget,
Da Aug' in Auge flammend schaut,
Und eins das andre eng umschlinget.

Ruft nicht in unsern Jubel kalt,
Die Seligkeit sei nur erlogen,
Und wenn die Gluten ausgewallt,
So fänden wir uns arm, betrogen.

O nein! wie rasch der Traum vergeh',
Ich werde stets mich seiner freuen,
Und keine Freudenthräne je
Und keinen Jubelruf bereuen.

Das eben ist so rührend schön,
Daß wir, ob ird'schen Glücks auch trunken,
Doch schwärmen auf zu Himmelshöhn
Und uns die ganze Welt versunken;

Daß Zwei, die fest sich an die Brust
In seliger Erfüllung drücken,
Der heißen Herzen kurze Lust
So wunderbar sich können schmücken.


IV.
O könnt' ich selig dich umschlingen,
Von keinem bangen Traum gequält,
Und ungetheilt mein Herz dir bringen,
Vor Gott und Menschen dir vermählt!

O hätt' ich rein dein Bild empfangen,
So rein wie hell dein Auge sprüht,
Ein Leben wär' uns aufgegangen,
Wie keines, keines je geblüht!

Du wußtest nicht dein Herz zu hüten,
Und von verfrühtem Drang geschwellt,
Warf es die schönsten seiner Blüten
In eine noch erstarrte Welt.

So hat es nicht geahnt mit Beben,
Als es verschenkt die erste Huld,
Daß nur in mir sein volles Leben
Und Zwei noch büßen solche Schuld?

Daß jede Glut, die, matten Schlages,
Es halb gefühlt an fremder Brust,
Ich fordern würde eines Tages
Als einen Raub an meiner Lust?


V.
Du klagst, daß ich an stäten Zweifeln kranke,
Die du mit keinem Schwur verscheuchen kannst,
Du rufst mir: "Licht und froh sei dein Gedanke!
Erkennst du nicht, wie ganz du mich gewannst?"

O laß mich, laß! Verscheuche nicht dies Brüten!
Und siehst du meine Zweifel auch mit Schmerz,
Sie sind es doch, die unsern Bund behüten;
So lang ich zweifle, hältst du noch mein Herz.

Ist jeder Zweifel doch ein Glutempfinden,
Ein Zucken meiner Liebe, die erschrickt
Und nimmer glaubt ihr Maß getheilt zu finden,
Wenn sie in ihre eigne Tiefe blickt.

Jedwede Lust wird dir dies Herz noch bringen,
Wie lang es säumen mag – o harre still!
Ganz wird es dein, wenn es nach langem Ringen
Mit einem Mal sich selbst beschwicht'gen will.

Und wo's gekrankt, da schwillt es dann zum Leben,
Der Puls, der heut es zagend von dir kehrt,
Er drängt dir's morgen zu mit heißem Beben,
Und doppelt flammt, was sich so lang verzehrt.

Für alles zahlt dir reichlich dann die Stunde,
Wenn meine Brust besiegt an deine sinkt
Und sich mein Zweiflerherz an deinem Munde
Gewißheit deiner Gluten selig trinkt.


VI.
Wie lang ich auch gefesselt bei dir säumte,
Nun ist's vorbei! ich ziehe meine Bahn;
Wenn sich dein Herz ein ewig Bündniß träumte,
Selbsttäuschung war's und thöricht blinder Wahn.
Ein Wahn, der freilich auch mich selbst umsponnen,
Da blendend du erschienst vor meinem Blick;
Nun aber ist es allgemach zerronnen,
Und retten will ich flüchtend mein Geschick.

Sollt' ich es denn bezahlen gar so theuer,
Sollt' ich auf immer dir verfallen sein,
Weil ich in einem unreif raschen Feuer
Dir einstens zugeflüstert: Ich bin dein?
Was mich an dir bestrickt, war nur die Hülle,
Der ach! kein Genius die Seele lieh,
Der einst'gen Schöne noch geahnte Fülle;
Zu deinen Göttern aber schwur ich nie.

Du bist schon im Verglühn – sieh, nur ein Hauchen,
Und es zerfällt die Rose sommersatt;
Mir aber will die Sonn' aus Ost erst tauchen
Und gerne trieb' ich noch manch frisches Blatt.
Du möchtest mich zu deinen Füßen bannen,
Ob unerbittlich auch dein Niedergang;
Doch ich, entzaubert endlich, muß von dannen,
Ich streb' ins Weite noch voll Thatendrang.

So lasse mich nur meiner Wege gehen
Und maße über mich kein Recht dir an;
Mich dünkt, du hast um Eines nur zu flehen:
Daß ohne Reu' ich deiner denken kann!
Vermiß dich nicht, zu greifen in mein Leben,
Und wäre dir vergönnt auch solche Macht,
Du wirst es nicht, ein Gott, zum Lichte heben,
Du drängst es nur in trostlos öde Nacht.


VII.
Was grollst du mir mit hartem Wort,
Daß ich mich stumm von dir gewandt?
Es trieb mit Allgewalt mich fort,
Nicht dauernd war, was uns verband.

Dir fehlt des schönsten Zaubers Macht,
Ob du mir noch so liebend nahst;
Ich aber habe dir gebracht,
Was du im kühnsten Traum nicht sahst.

So nimm, was ich vor dich gestreut,
Und blicke mir nicht zürnend nach;
Dich hat's erquickt, dich hat's erfreut,
Klagst du, daß ich das Herz dir brach?

Ich ward an dir vorbeigeführt
Und hüllte dich in Schimmer ein;
Was grollst du nun, statt mir gerührt
Noch einen Segensruf zu weihn?

Was grollst du mir – o sag' es doch! -
Daß ich so viel dir hold gewährt,
Daß eine letzte Stunde noch
Dir meine Liebe schön verklärt?

aus: Stephan Milow Gedichte
Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1882 (S. 67-75)
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Vollendung

Was kann dir fehlen? Du bist schön!
Dies schließt ja jede Zier schon ein,
Was kann dir fehlen? Du bist schön!
Damit ist alles, alles dein.

So leuchtet nicht des Auges Licht,
Wenn keine Glut das Herz gewährt,
So sprechen auch die Züge nicht,
Wenn keine Seele sie verklärt.

Verkündet nicht dein junger Leib,
Wie er in holder Anmuth schwebt,
Die Harmonie, begnadet Weib,
Die dir zugleich im Innern lebt?

Was jeden, der dich schaut, ergreift,
Mit unbewußtem Stolz dich füllt,
Ist die Vollendung, rein gereift,
Die schon dein Anblick licht enthüllt.

Du wallst dahin so frohgemuth,
Umwogt von jubelndem Getön;
O du bist reich, bist edel, gut:
Was kann dir fehlen? Du bist schön!

aus: Stephan Milow Gedichte
Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1882 (S. 256)
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Selbstermahnung

Was will ich dir in die Arme fallen?
Was will ich dir meine Liebe vertraun?
Das Schönste an dir gehört doch allen:
Ist's nicht genug, dich bloß zu schaun?

Zu schauen im Vorüberwallen
Dein holdes Gesicht, den lieblichen Blick;
Das Schönste an dir gehört doch allen:
Was träum' ich mein eigenes süßes Geschick?

Was folg' ich, von deinem Zauber umsponnen,
Dem Sehnen, das drängend aus mir bricht:
Erschöpflich sind all deine Wonnen,
Und nur dein Anblick ist es nicht.

aus: Stephan Milows Gedichte.
Auswahl des Verfassers
Mit einem Bildnis des Dichters und einer Einleitung
von Eduard Engel Leipzig Max Hesses Verlag 1908 (S. 49)
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Verfallen

Welch ein Zauber in den Blicken,
Und das Herz wie starr daneben!
Ist's denn möglich: so bestricken
Und doch nur so wenig geben!

Ach, mich will's vergebens warnen:
Deinen Blick, den blitzend lichten,
Brauchst du, Opfer zu umgarnen,
Und dein Herz, sie zu vernichten.

aus: Stephan Milow Gedichte
Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1882 (S. 61)
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Ewig dein

Wenn ich nicht jubeln kann
Und dir betrübt erscheine,
So klage mich nicht an,
Ich bin doch ganz der Deine.

Und jauchzt' ich noch so sehr
In wonnevollen Stunden,
Dies Wehe sagt noch mehr,
Wie tief ich dir verbunden.

Verletzen kannst du mich,
Doch kannst du mich nicht kühlen,
Und nimmer laß ich dich,
Dir weih' ich all mein Fühlen.

In Nacht und Frühlingsschein
Du lebst mir stets im Herzen,
Und meine Lust ist dein
Und dein sind meine Schmerzen.

aus: Stephan Milow Gedichte
Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1882 (S. 42)
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Reue

I.
Wer könnte deine stille Größe fassen,
Die einsam fremd in dieser rauhen Welt;
Hier sünd'ge Lust, dort wild entbranntes Hassen,
Und engelrein dazwischen du gestellt!

Wie tief ich dich gekränkt im Seelengrunde,
Du lässest stumm es über dich ergehn;
Kein Ruf nach Rache tönt aus deinem Munde,
Du denkst nur immer Eins: Es ist geschehn!

Du fühlst nur, Unerhörtes ward begannen,
Und forschest nicht, wem fällt die Schmach zur Last?
Du zuckst erschreckt und weißt nicht, traumbefangen,
Daß du gekränkt bist und zu richten hast.

Als trügst du selbst die Schuld an all dem Leide,
Schaust du verwirrt um dich mit bangem Sinn,
Und während frevelnd ich ins Herz dir schneide,
Stehst du vor mir als arme Sünderin.


II.
Die mich geliebt, so tief geliebt, wie keine,
Die ich geliebt, wie keine, keine je,
Ich log ihr, ich verrieth, betrog die Reine,
O Räthselthat! o namenloses Weh!

Geheimnißvolles Herz! warum, so frag' ich,
Hast du dir deinen Himmel selbst zerstört?
Was fielst du ab von deinem Gott, so klag' ich,
Und beugtest dich vor Götzen, wahnbethört?

Du aber legst mir auf die Stirn die Hände,
Erlösend mich von meiner bangen Schuld;
Was ich auch, schwank und wandelhaft, empfände,
Du bleibst dir treu: nur Liebe, Milde, Huld.

Du Herrliche! längst hast du mir vergeben
Und flehst mich nur: Vergiß, was dich bedrängt!
Du rettest mich und gibst mich neu dem Leben,
Wie jetzt dein weicher Arm mich sanft umfängt.

Ich juble wieder unter deinen Küssen
Und wähnte schon des Unheils Maß erfüllt:
O soll ich meine Schmach noch loben müssen,
Da sie mir dich so wunderbar enthüllt?


III.
Laß mich irren, laß mich fehlen,
Kann ich noch so rauh dich quälen,
Glaube, nie vergeß' ich dein!
Tief verstrickt in andre Bande,
Schwebend an des Abgrunds Rande,
Werd' ich noch der deine sein.

Mag ich ohne Scheu und Zagen
Noch so weit in Schuld mich wagen,
Glaube, nie vergeß' ich dein!
Was auch frevelnd in mir brenne;
Daß uns nicht das Letzte trenne,
Wirst ja du ein Hort mir sein.

Laß mich irren, laß mich fehlen,
Kann ich noch so rauh dich quälen,
Glaube, nie vergeß' ich dein!
Und nach allem irren Schweifen
Muß in mir die Sehnsucht reifen,
Wieder einzig dein zu sein.

Und so inniger verlangend,
Und so heißer dich umfangend,
Kehr' ich endlich bei dir ein,
Mich an deiner Brust zu laben,
Alles Irrsal zu begraben
Und auf ewig dein zu sein.

aus: Stephan Milow Gedichte
Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1882 (S. 259-262)
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Nach der Trennung

Wer verlangt im Wirbel dieses Daseins
Allzu viel vom armen Menschenherzen! -
Mädchen, bang begleitet dich mein Auge
Und es will im Wehgefühl sich feuchten.
Einem Andern lächeln deine Lippen,
Einen Andern küssest du verlangend,
Süßes Liebesfeuer in den Blicken;
Aber einst – o denkst du's noch? – einst suchten
Mich, nur mich die Blitze deiner Augen;
Diese Arme hielten dich umschlungen,
Und du schlossest allen deinen Reichthum
Selig auf an meinem sel'gen Herzen.
Denkst du's noch? O wende nicht dein Antlitz!
Flüchte dich auch nicht zum garst'gen Worte,
Jene Stunde sei nicht wahr gewesen.
Will ich dich denn schelten? will ich zürnen?
Stumm zerdrück' ich meines Auges Thräne
Und ich rufe dir: Ade! sei glücklich! -
Wer verlangt im Wirbel dieses Daseins
Allzu viel vom armen Menschenherzen!

aus: Stephan Milow Gedichte
Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1882 (S. 270-271)
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Flüchtige Begegnung

Wir sahen uns nur eine kurze Stunde,
Doch lebt ihr Nachklang stets wohl in uns beiden,
Die Blicke hielten sich noch fest im Scheiden,
Und bange scholl der letzte Gruß vom Munde.

Nun bist du fern; wir tauschten keine Kunde,
Ich weiß, ich muß dich ohne Hoffnung meiden;
Doch mag ich's mit gefaßtem Muthe leiden,
Bebt mancher Wunsch auch still im Herzensgrunde.

Daß wir getrennt, vielleicht ist's eine Segnung.
So manches will in luft'gem Traum nur leben
Und fassen wir es rauh, muß es zerstieben.

Jetzt bin ich selig, denk' ich der Begegnung
Und sehe dich wie damals vor mir schweben
Mit jenem Blick, der sprach: Dich könnt' ich lieben!

aus: Stephan Milow Gedichte
Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1882 (S. 140)
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In einsamen Leidenstagen
An Sie

I.
Wir sind getrennt! Im Frühroth kaum erglommen,
War ja mein Glück auch längst schon im Verbleichen;
Nun mußte gar mein Letztes noch entweichen:
Auch deines Anblicks Trost ist mir genommen.

Die Sonne sieht in ihrem Gehn und Kommen
Von immer gleicher Qual gebeugt mich schleichen,
Und will mir manchen Kranz die Stunde reichen,
Du fehlst mir, du! was mag mir sonst noch frommen?

Dir leb' ich nur und kann dich nimmer missen;
In deiner Hut, beglückt durch deinen Segen,
Da fänd' ich süße Rast in sel'gen Schauern.

So aber muß ich irren schmerzzerrissen,
Und düster weht mir's überall entgegen:
Nie wird sie dein und ewig mußt du trauern!


II.
Rings blüht die Welt; ein Treiben, Singen, Minnen!
Es drängt mich, durch die dufterfüllten Weiten,
Entfliehend meinem bangen Leid, zu schreiten,
Und warm vom Frühling laß ich mich umspinnen.

Doch wieder schweift zu dir mein träumend Sinnen,
Du schwebst vor mir mit deinen Lieblichkeiten,
Und möcht' ich jetzt die Arme nach dir breiten,
Will dann entsagungsbang die Thräne rinnen.

O du mein Himmel, der in ew'gen Bogen
Mein Dasein überwölbt mit reiner Helle!
Mag mich die Hoffnung, mich der Schmerz entzünden,

Ach, alles, was in dieser Brust mag wogen,
Es hat in dir allein nur seine Quelle,
Um sehnsuchtsheiß in dich zurück zu münden.


III.
Du aber kennst kein Sehnen, Harren, Beben,
Was du besitzest, lenkt kein fremdes Wollen,
Aus deiner eignen Tiefe ist's entquollen,
Kein Schicksal kann dir nehmen oder geben.

Mag lächelnd dir vorbei die Stunde schweben,
Mag sie dir dräuend schwarz entgegenrollen,
Ohnmächtig ist ihr Lächeln wie ihr Grollen,
Fest ruhend in dir, formst du selbst das Leben.

Die eigne Fülle ist dir Schirm und Wehre,
Und wie du jede Lust, die andre Herzen
Begierig haschen und gemein empfinden,

Erst läuterst und erhebst, so wirst du, Hehre!
Erhaben stehn auch über allen Schmerzen
Und sie in stiller Hoheit überwinden.


IV.
Lang schwieg mein Schmerz, im Innersten gebunden,
Geblutet hab' ich reichlich ach! und bange,
Doch fand der Strom den Ausweg nicht im Sange
Und wühlte mir ins Mark in schweren Stunden.

Nun plötzlich ist der starre Bann geschwunden,
Es schwillt und rauscht in mir mit mächt'gem Drange,
Gelöst erscheint, was mich gedrückt so lange,
Und süß erleichternd quillt's aus allen Wunden.

Will sich den Pfad ein Strahl der Freude bahnen
In diese Brust nach all dem herben Leide?
Will der Erlösungstag mir hold erscheinen?

Wie? oder ist's ein stilles Todesahnen?
Und drängt's mich noch, eh' ich vom Leben scheide,
Mein Herz zu deinen Füßen auszuweinen?


V.
Noch denk' ich jenes Glücks, das ich genossen,
Als einst im Lenz, in später Abendstunde,
Gesessen wir auf weichem Wiesengrunde
Und unsre Herzen milde aufgeschlossen.

Rings war ein tiefer Zauber ausgegossen,
Ein Zittern, Rauschen, Duften in der Runde;
Die Worte starben endlich uns im Munde,
Wie unsre Blicke ineinander flossen.

Da war es mir, als ob mit ihren Sonnen
Und Sternen allen sich die Welt im Reigen
Um uns zu drehn begänne, bebend trunken.

Und wir, gestillt, so voll der reichsten Wonnen,
Wir ruhten regungslos, in sel'gem Schweigen,
Im Mittelpunkt der Schöpfung tief versunken.


VI.
Ich möchte dämpfen meines Liedes Wogen,
In mich hinein nur möcht' ich singen leise,
Klingt doch so viel des Lobes noch im Kreise,
Und klingt nicht dir und ist mir wie erlogen.

Sing' ich den Himmel, der in mich gezogen,
Die Menge denkt, daß nach Poetenweise
Ich meiner leeren Träume Bild nur preise,
Das, traumgezeugt, auch wie ein Traum verflogen.

O könntest du, von Schwingen leicht getragen,
Die Fülle deines Wesens rings zu zeigen,
Hochleuchtend über ihnen allen schweben!

O dürften sie, wie ich in einst'gen Tagen,
In deines Auges Strahl sich selig neigen,
Wie ich, in deinem heil'gen Odem beben!


VII.
Vermöcht' ich eins: dein eigen Selbst dir künden!
Daß du dich schautest, wie du mir erschienen!
Doch kannst du nimmer an den eignen Mienen,
Am eignen Blick die Seele dir entzünden.

Wie Kraft und Milde sich in dir verbünden,
Wie aller Anmuth Götter hold dir dienen,
Wenn du dahinwallst, leicht umschwebt von ihnen -
Den Zauber sinnst du nimmer zu ergründen.

Doch daß ich dir dein eigen Bild enthülle,
Wo borg' ich Farbe mir und Maaß und Formen?
Ich finde nichts, so weit das Licht ergossen.

Du gleichst dir selbst nur, deiner Schönheit Fülle
Erscheinet echt nur in den eignen Normen:
Dir selber aber bleibst du stets verschlossen.


VIII.
Wenn ich mich bette oft am Waldessaume,
Umfängt es wie Betäubung mich gelinde,
Es lullt mich süß der warme Hauch der Winde,
Die säuselnd streichen sanft von Baum zu Baume.

Gemach verschwimmt mir alles rings im Raume,
Der Schlummer zieht vors Auge mir die Binde,
Die Wimpern schließen sich und ich empfinde,
Das lieblichste, das schönste Glück im Traume.

Da will's stets mächt'ger mir die Seel' umspinnen,
In tiefem Sehnen fühl' ich mich entbrennen,
Bis ich erwache mit erstaunten Mienen.

Und will ich mich des holden Spucks entsinnen,
Vermag ich seinen Inhalt nicht zu nennen,
Nur dieses weiß ich: Du warst mir erschienen.


IX.
Nur einmal möcht' ich noch so recht dir sagen,
Was du mir bist, und dir ins Auge blicken,
Indeß mich deine Arme sanft umstricken,
Wie einst in süßen, wundersel'gen Tagen.

Wie fühlt' ich damals mich emporgetragen,
Sah ich dein liebes Haupt mir lächelnd nicken!
Erfüllung wird ein milder Gott uns schicken!
So hofft' ich froh und kannte keine Klagen.

Vielleicht auch darfst du mir erscheinen,
Da wird sich sänft'gen meines Herzens Pochen;
Ich halte dich, du neigst dich zu mir nieder

Und küssest mich, nennst mich, wie einst, den deinen;
Doch meine frohen Schwingen sind gebrochen
Und ach! das alte Hoffen kehrt nicht wieder.


X.
Ich träumte süß von wunderbaren Wonnen,
Von einem Lenz, darein wir wandeln sollten,
Indeß sich heitre Fernen uns entrollten
Und Licht und Leben floß aus milden Sonnen.

Doch allzu bald nur ist mein Traum zerronnen,
Die Blicke, die beschwingt zum Himmel wollten,
Sie senkten sich zum Staub – die Götter grollten,
Und leidvoll endet, was so hold begonnen.

O banger Wechsel! hoffnungsloses Lieben!
Ein Leben, schwellend reich, voll goldner Früchte,
So dacht' ich mir's, geborgen still im Hafen;

Und nun ist mir das einz'ge Gut geblieben,
Zu dem ich müd und krank zuletzt mich flüchte:
Mit dem Gedanken an dich einzuschlafen.


XI.
Oft schelt' ich mich und fühl's mit stillem Bangen,
Daß ich in unsern seligsten Minuten,
Wo wir, vereint, uns in den Armen ruhten,
Mich doch nur kühl dir wies und scheu befangen.

O bist du fern und darf mein Geist nur hangen
An deinem Bild, da wogen meine Gluten,
Da möcht' ich dich mit Küssen überfluten
Und Schmeichelein in drängendem Verlangen!

Doch nahst du mir und darf ich dich nur schauen,
So quillt es auch schon stillend, unermessen,
Auf mich herein, so daß ich mich verwirre;

Das Auge will in süßer Wonne thauen
Und meine Lippe schier den Kuß vergessen,
Nur heißen Dank dir stammelnd, selig irre.


XII.
Wer liebt, sei ganz in sein Gefühl versunken,
Er laß den Ruf der Welt an sich verhallen,
Dahin in stillem Jubel mag er wallen,
Im Tiefsten bergend süß den heil'gen Funken.

Er liebte schlecht, wenn er nicht, selig trunken
Des einen Glücks nur, das ihm zugefallen,
Entflöhe scheu den andern Freuden allen:
Wer liebt, sei ganz in sein Gefühl versunken.

So bin ich dein! Was rings auch immer blühe,
Es ist mir todt und soll mich nicht erquicken;
Denn dich nur lieb' ich, dich hab' ich erkoren.

Und lügt mein Wort und wenn ich je erglühe,
Gefacht von eines fremden Augen Blicken;
So sei auf ewig, ewig mir verloren!

aus: Stephan Milow Gedichte
Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1882 (S. 128-139)
_____
 


Werdende Liebe

Wir sitzen beisammen und sprechen gar viel
Von Dingen alltäglich und nichtig;
Das hat nicht Gehalt und hat nicht Ziel,
Und dennoch, wir nehmen es wichtig.

Du lächelst wie selig bei jedem Wort,
Das scherzend mein Mund dir verkündet;
Mich reißt dein kindisches Wesen fort
Und weiter plaudr' ich entzündet.

Wie kann uns nur ein Nichts so hold
Die fliehenden Stunden schmücken?
Woher um uns nur Sonnengold?
Und in uns nur Entzücken?

Ob laut aus der Brust uns der Jubel schon bricht,
Und ob's an die Stirn uns geschrieben:
Mein Kind, wir wissen's noch beide nicht,
Daß wir einander lieben.

aus: Stephan Milow Gedichte
Adolf Bonz & Comp. Stuttgart 1882 (S. 57)
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Wandelnde Liebende

Zwei Liebende, die schreiten,
Kann ich am Schritt erkennen:
Ob sie im Innern brennen,
Kein Ziel scheint sie zu leiten.

Das Ziel ist zu erkunden,
Doch gibt's ein langes Fragen,
Ein Zweifeln und ein Zagen,
Bis sie sich hingefunden.

aus: Stephan Milows Gedichte.
Auswahl des Verfassers
Mit einem Bildnis des Dichters und einer Einleitung
von Eduard Engel Leipzig Max Hesses Verlag 1908 (S. 47)
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siehe auch:
Stephan Milow Hymnen der Liebe


 

Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Stephan_von_Millenkovich

 

 

 


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