Maria Mnioch (1777-1797) - Liebesgedichte

Zerstreute Blätter von Maria Mnioch

 

Maria Mnioch
(1777-1797)

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:

 

 



Liebe
(Zum Vermählungsfeste der **)

Dichter bestreuen den Pfad der Liebe mit himmlischen Rosen,
Frühling schmücket die Flur, des Herbstes Segen die Bäume;
Aber es sinket vom Himmel
Weder Blume noch Frucht herab.

Was den Menschen erfreut, erzieht die Sorge des Menschen,
Wechsellos bleibe die Liebe, doch ändert sich täglich das Leben;
Daß wir leichter es wallen,
Dafür soll sie gesegnet seyn.

Hoffet nicht allzukühn! - Ach, nur im Traume der Hoffnung
Wohnet der Himmel auf Erden; das glücklichste Leben erblasset
Vor dem Zauber-Gebilde
Der allmächtigen Phantasie! -

Suchet kein Paradies, Ihr habt es denn selber gepflanzet!
Zieht in dem eigenen Garten bescheidene Veilchen der Freude,
Manche Früchte des Sommers
Sparet weislich zum späten Jahr!

Lernet das Gute genießen, ertragen das Böse! - Die Liebe
Beut Euch willig die Hand! Sie ist des Lebens Gefährte;
Tauschet sie nicht mit dem Ziele:
Myrthe kränzet den Sieger nicht!

Trinket aus ihrem Becher Euch Kraft zur Arbeit des Lebens,
Fühlet erweitert das Herz, auch fremdes Wohl zu umfassen;
Willig fließe die Zähre,
Tröstend in fremde Noth geweint.

Bleibet der Liebe getreu! - Sie paaret Tugend und Freude,
Pflicht wird schöne Natur. - Der Lohn ist edel: ein Handdruck,
Ein zufriedenes Lächeln,
Gleichgefühle der treuen Brust.

Bleibet der Liebe getreu! Sie führt zum Ziele der Menschheit,
Wandelt dort ihre Gestalt; der Mitgefährte wird Engel,
Reicht uns die Kränze des Sieges,
Die er selber erringen half.
(S. 41-43)
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Dir, an deinem Geburtstage
(Den 13. Okt. 1796)

Viele haben, o Bester, dir Liebes und Gutes erzeiget,
Ehe noch neben dir ging die geliebte liebende Gattin,
Ehe noch diese Hände dir Stärkung reichten, mein Auge
Friede weinte dem Streit, von meinen Lippen gesungen
Ein erfreuliches Lied den Kummer vom Herzen dir hauchte.

O beneiden möcht' ich die Menschen, die früher dich liebten,
Früher in deine Thränen vertraulich weinten, und früher,
Weit entfernet von mir, durch einen Handdruck, ein Lächeln
Oder ein freundliches Wort den trübern Tagen des Jünglings
Lächelnde Stunden verliehn. - O seh' ich im Geiste lebendig,
Was sie dir waren, so regt sich Eifersucht mir im Busen.
Aber sie schweiget bald, die Thörin, - dankend erkenn' ich,
Wer dir Gutes gethan, der that es auch mir und den Kindern.

Ja, wer Gutes dir that und Liebes mit herzlicher Treue,
Deine Mutter, dein Vater (o daß die Theuren noch lebten!)
Wer den Knaben erzog, da seine künftige Freundin
Noch die Lüfte des Lebens nicht athmete, wer dem Jüngling
Vorbild war und Lehrer und Mitgefährte zum Tempel
Friedlicher Weisheit, da noch im Kreise der ersten Gespielen
Seine künftige Gattin den Hausstand spielte, - sie Alle
Haben gesegnet auch mich, noch täglich waltet ihr Segen
Ueber dem Hause der Tochter, der Freundin, die sie nicht kannten.
O, sie nährten und pflegten, erzogen und schmückten das Meine!
Heilig sey uns ihr Name! An jedem Feste des Hauses
Töne das Herz ihn laut, und nenn' ihn die dankbare Lippe.
Blühen sollen die Leben der Freund' im Leben des Vaters,
Das ich den Jungfrauen einst, die jetzt auf dem Schooße mir spielen,
Bei der ämsigen Nadel erzähle, du einst dem Jüngling,
(Wunsch wird Hoffnung!) der jetzt noch unter dem Herzen mir schlummert.
(S. 43-45)
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Frühlingsabend
(1794)

Schöner Himmel, hast du keine Freude
An der schönen Frühlings-Erde!
Schau sie an, mit deinen tausend Augen,
Schau sie an, und lächle!

Jede Blume
Duftet lieblich
Zu dir auf.
So viel Sterne droben,
So viel Blumen hier!
Jede Blum' ist eine Braut,
Jeder Stern ein Bräutigam.

Schöner Himmel, nimm die finstern Wolken
Vom Gesicht!
Du, o holder Brautgefährte,
Treuer Hausfreund unsrer Erde,
Leucht', o Mond, mit hellem Glanze
Deine Freundin an und ihre Kinder!

Ha, ich fühl es, - die Erde
Hebt sich entgegen dem Himmel,
Und die Blumen - den Sternen!
Nieder schwebet der Wolkenvorhang,
Freudig blicken sich an die Geliebten.
Und des Thaues Tröpfchen auf den Blumen
Glänzen wie der Liebe Thränen,
Und des Himmels sanfte Strahlen
Küssen zärtlich die Thränen auf.

Schöner Himmel, hast du keine Freude
An der schönen Frühlings-Erde!
Schau sie an mit deinen tausend Augen,
Schau sie an, und lächle!
(S. 160-161)
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Das unmenschliche Streben zum Ziel der Menschheit
Ein Lied
(zu singen im Kreise der allzukühnen Weltreformatoren)

Solo
Ihr strebet und ringet
Zum Ziele der Menschheit,
Doch selten aus Liebe
Für's herrliche Ziel!

Ihr strebet und ringet
Aus Dünkel und Ehrfurcht,
Und tretet zu Boden
Was neben euch in gleicher Würde stand.


Chor
Ach, wozu empfingt ihr Herzen,
Menschen, wenn ihr euch nicht liebt!


Solo
Von diesen Altären
Der menschlichen Hoheit
Steigt Jammer und Klage
Der Menschen empor.

Empor zu den Sternen! -
Dort sollen sich freundlich
Und brüderlich grüßen
Der Priester und sein blutig Opferthier!


Chor
Ach, wozu empfingt ihr Herzen,
Menschen, wenn ihr euch nicht liebt!


Solo
Zwar ehret die Nachwelt
Die Taten der Väter,
Und preiset in Liedern
Den trefflichen Muth! -
Doch treten die Füße
Die Schädel der Vorwelt,
Doch wächset die Blume
Zum Siegeskranz aus Urn' und Grab empor!


Chor
Ach, wozu empfingt ihr Herzen,
Menschen, wenn ihr euch nicht liebt!


Solo
Erreicht wird sie endlich,
Gelöset die Krone,
Die glänzende Krone
Des Menschengeschlechts!
Doch hat sich der Läufer
Durch Trümmern der Brüder,
Durch Jammer der Vorwelt
Gebrochen, ach, die allzukurze Bahn!


Chor
Ach, wozu empfingt ihr Herzen,
Menschen, wenn ihr euch nicht liebt!
(S. 171-174)
_____
 


Glaube

Ich glaub' an Gott von ganzem Herzen,
Denn dieses Herz verkündigt Ihn! -
Er ist im Himmel, ist auf Erden,
Wohin der Geist des Menschen schauet
Voll Sehnsucht oder heil'ger Ruh,
Spricht Gottes guter Geist ihm zu! -

Blumen schmücken
Die Gefilde;
Doch sie blühen
Und verwelken! -
Und der Erde ganze Schönheit
Kommt und geht in stetem Wechsel! -
Auch dies Auge,
Das euch grüßet,
Liebliche Naturgestalten,
Auch dies Auge soll verblühn!
Ach, den Todten in den Grüften
Scheint die Blume auf dem Grabe,
Duftet Frühling auf dem Kirchhof
Nimmer mehr! -

Nicht dieser Erde Wechsel-Schönheit,
Nicht diese Lust, die bald vergeht,
Mein Herz verkündigt mir die Gottheit,
Und haucht mit dieses Glaubens Athem
Die traurig schöne Schöpfung an,
Daß sie mir freudig blühen kann! -

Tages-Sonne,
Ja du lächelst
Gütig in des Menschen Wohnung!
Nachtgestirne
In dem tiefen
Dunkeln Blau des ew'ges Himmels,
Ja ihr strahlet
Mit dem Blicke
Hohen Muthes,
Hoher Ruhe
Prächtig über Meer und Land! -
Aber denk' ich
An des Menschen
Enges Leben voller Dunkel;
So verschwind' ich
Vor der Größe
Eures Anblicks,
Und erbebe
Vor dem ewig
Hohen Antlitz,
Das auf Wiegen wie auf Särge,
Auf des Friedens Palmen-Bäume,
Auf des Krieges blut'ge Fahnen,
Auf des Menschen Glück und Unglück
Unverändert niederschaut.

Nicht dieses Himmels Pracht und Größe
Hebt gläubig meinen Geist empor!
Er drückt mich nieder, ich vergehe; -
Rief nicht die Gottheit mir im Herzen:
Schau an der ew'gen Sterne Land,
Dein Geist ist ihnen anverwandt! -

Wunderbarer
Gang der Dinge,
Den des Menschen Hand nicht lenket,
Du Geheimniß unsers Lebens,
Das wir hohes Schicksal nennen,
Ob du gut bist oder böse?
Welch ein Mensch begreifet dich? -
Du erhebst vor unsern Augen
Hier den Uebelthäter; stürzest
Dort die Unschuld, - und der Nachwelt
Wächst ein unverdienter Segen
Aus der Zwietracht, aus dem Jammer
Und dem Blut der Vorwelt auf! -
Wird dies Räthsel
Einst sich lösen?
Denk ich anders
Wie das Schicksal?
Darf ich mich ihm anvertrauen?
Oder geht's in eigner Blindheit
Ohne Herz und ohne Seele
Ueber Tod und Leben hin?

Nicht dieser Wundergang des Lebens,
Gerecht und ungerecht im Schein, -
Mein Herz verkündigt mir: Es lenket
Ein guter Geist der Schickung Zügel;
Lebend'ger Glaube sey dein Theil!
Sey gut, - das Gute führt zum Heil! -

Ich glaub' an Gott von ganzem Herzen,
Denn dieses Herz verkündigt Ihn! -
Dies Seelen-Lied tönt in die Schöpfung,
Dann singen ihre tausend Lippen
Mein eignes Lied mir herrlich vor
In ihrem mannichfalt'gen Chor.

Ich glaub' an Gott von ganzem Herzen,
Denn dieses Herz verkündigt Ihn! -
Dies ist der Strahl in's dunkle Leben,
Der meinen schmalen Pfad erleuchtet.
Lebendig Glauben sey mein Theil!
Das Gute führt ein Gott zum Heil! -

Jetzt, du Schönheit der Erde,
freu' ich mich mit jugendlichem Geiste!
Du bist der wechselnde Kranz um die Stirne
meines Glaubens an den freundlichen Geist,
der über all deinem Wechsel väterlich
niederschaut auf seine Kinder,
die zu ihm wallen! -

Jetzt, du ewiger Himmel,
erhebt mich dein Anblick!
Du bist mein Freund;
ich nenne dich den sichtbar-unsterblichen Vertrauten
in meiner äußern Sterblichkeit.
Du Höchstes für des Menschen Auge,
du Herrlichstes für den betrachtenden Sinn,
du sollst mir eine Glorie seyn
um das geistige Antlitz meines Glaubens
an einen unsterblichen Geist,
der über dir waltet,
und in welchem auch ich unsterblich bin.

Jetzt, du dunkles Schicksal,
erhebe dich in deiner furchtbaren Macht,
erbau' und zerstöre, und thu,
als kümmre dich selbst dein Gang nicht!
Behandle die Unschuld wie ein Verbrechen,
und die Friedenslaube, wohin sie aus der Welt
sich verbarg, stürme du nieder,
wie die Palläste des Uebermuths und der Zweitracht! -
Mit Thränen geb' ich dir hin, was ich liebe;
mit Zittern seh' ich, daß du hinweg mit ihm eilest. -
Aber ich schau es in meinem Innern,
du wirst mir wiedergeben,
was des Wiedergebens werth blieb,
und was zu verliehren ich nicht verschuldet habe,
Alles was meine Seele mit reiner Liebe
als gut und würdig umfangen hat
!
In allen Opfern, die ich dir bringen muß,
soll sich auf Erden himmlisch verklären mein Glaube
an den Geist des ewigen Guten,
der dich lenket mit verborg'ner Hand
zu einem hohen Ziel,
wohin auch ich gelangen werde
auf dem stillen Wege,
den ich wandle in gutem Frieden
mit meinem Herzen. -
Meine Freude soll nicht ohne Thränen seyn;
Liebe und Sehnsucht sollen mich theilen,
damit ich auf Erden freudig mein Werk vollbringe,
und darüber des Himmels nicht vergesse. -
Dies nenn' ich das wunderbar-selige Loos
des gläubigen Menschen auf Erden,
und dies Gefühl sey mir Zufriedenheit! -

Ich glaub' an Gott mit ganzem Herzen,
Denn dieses Herz verkündigt Ihn! -
Und Leid und Glück, mein ganzes Leben,
Sey froh in seine Hand gegeben,
Bleibt ihm mein Herz auf Erden treu,
Macht er mich einst vom Schicksal frei!
(S. 183-190)
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Gedichte aus: Zerstreute Blätter
beschrieben von Maria Mnioch, geb. Schmidt
Gesammelt und herausgegeben von J. J. Mnioch
Görlitz 1800


Biographie:

Mnioch's Gattin Maria, geborene Schmidt, ist nur durch ihren Mann in der Litteratur bekannt geworden. Er veröffentlichte schon in den gesammelten Schriften: "Zerstreute Blätter, beschrieben von Maria Mnioch"; von ihnen urtheilte Herder: "sie werden den Namen Maria M. jedem Leser von reinem Sinne werth machen". Als Buch erschienen sie 1800 in Görlitz; zweite unveränderte Auflage ebenda 1821. -
Geboren am 1. Februar 1777 in der Nähe von Danzig, wurde Maria M. in Neufahrwasser, wohin ihr Vater als Inspector beim Packhof versetzt war, Schülerin ihres nachherigen Mannes; im 17. Jahre ihres Lebens vermählte sie sich mit ihm. Sie starb schon am 18. April 1797 in Warschau. Ihre kleinen Gedichte, Aufsätze und Einfälle hatte sie nie für den Druck bestimmt. Sie spiegeln einen reinen, weiblichen Sinn wieder. Goethe, Schiller, Herder sind ihre Lieblinge. Ihre selbständigen und anziehenden Bemerkungen über diese Dichter verleugnen nie die weibliche Empfindung. - Der Schwiegersohn Mnioch's war Wilhelm Neumann, der Freund Chamisso's und Varnhagen's.

aus: ADB: Mnioch, Johann Jakob
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